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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0157

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

». 36. «es KIM.

Samstag, den tl. Februar

I8SS.

Deutsches Reich
— Die diesjährigen Kaisermanöver finden wieder
in Süddeutschland statt; das 13. württembergische,
das 14. badische und das 15. clsässische Armeekorps sind
dafür bestimmt. Eine besondere Betheiligung der Kavallerie
daran ist auch diesmal in Aussicht genommen. Bei dem
württembergischen und badischen Armeekorps wird je eine
Kavallerie-Division aufgestellt werden, die besondere
Kavallerie-Uebungen abhalten und dann an den Kaiser
Manövern theilnehmen sollen. Dem württemb. 13. Armee
korps soll die 25. großherzoglich hessische Kavalleriebrigade
für die ganze Dauer seiner Manöver zugetheilt und deren
Regimenter als Divisionskavallerie verwendet werden. Dem
13. und 14. Korps wird außerdem je eine Luftschiffer-
abtheilung zugetheilt. — Weiter ist für größere Truppen-
übungen im laufenden Jahre bestimmt, daß bei dem 17.
Mestpreußischen Armeekorps eine Kavallerie-Division aus-
gestellt wird, um besondere Uebungen abzuhalten; daß bei
dem 1., 2., 3., 5., 6., 8., 14. und 16. Armeekorps
Kavallerie - Uebungsreisen stattfinden sollen und größere
Pionirübungen an der Spree und Oder zwischen Fürsten-
walde und Fürstenberg, am Rhein zwischen Worms und
Dvpenheim, am Main zwischen Flörsheim und Höchst und
in Schleswig am Alsensund, an der Flensburger Föhrde
und an der Schley abgehalten werden. Ausdrücklich an-
geordnet ist noch, daß die Fußtruppen bis zum 30. Sept.
1899 — dem spätesten Entlassungstage — in ihre Stand-
orte zurückgekehlt sein müssen.
— Mit großer Befriedigung ist zu verzeichnen, daß
die 75 Mill. Mark dreiprozentiger Reichsanleihe und
125 Mill. Mark dreiprozcntiger preußischer Konsols
uicht nur vielfach überzeichnet, sondern auch vom Ausland
üark begehrt worden sind. Das ist nicht nur ein Beweis
des Vertrauens in die deutschen Finanzverhältnisse, sondern
^Uch ein Anzeichen, wie groß die Zuversicht in die deutsche
Friedenspolitik, und wie geschickt diese große Finanzoperation
ringeleitet worden ist.
— Vor einigen Tagen ging durch die Vereinigten
Staate» wieder einmal ein Halloh gegen Deutsch-
land, weil angeblich die Philippiner auf einem deutschen
Schiff Waffen zugeführt erhalten hätten. In der That
-alle Admiral Dewey nach Washington telegraphirt, er
dabe befohlen, ein Schiff wegzunehmen, welches Waffen
sich führte und für einen deutschen Schooner gehalten
awrde; jetzt muß er melden, daß das Schiff einem Ame-
. flau er gehöre. Vielleicht machen solche Vorkommnisse
amerikanische Presse allmählich etwas vorsichtiger.
Die Budgetcommission des Reichstags
"^willigte am 10. Februar mit 11 gegen 10Stimmen
^Vermehrung der Feldartillerie um 69
-aubjtzbatterien. Für die Vermehrung stimmten außer den
conservativen Parteien und den Nationalliberalen vom
Matrum die Abgeordneten Or. Lieber, Or. Freiherr o.
^nling und Prinz Arenberg; dagegen außer den Flei-
ßigen, Socialdcmokraten, Dänen und Polen vom Cen-
urn die Abgeordneten Gräber, I)r. Lingens und Müller-
^"lda. Hjrauf wurde die Vermehrung der Fußartillerie
im! ^ gegen 9 Stimmen genehmigt, vr. Lieber hatte
l der Mehrheit gestimmt.
Reichstag. Berlin, 10. Fcbr. Wciterberathung
^ B ankgesetzes.
Hj.ßg. v, Kardorff (Rp.) tritt für die Doppelwährung ein.
Lobe, das von verschiedenen Seiten der Reichsbank ge-
dich, ; worden sei. sei er nicht ganz einverstanden, da die Bank
zp Stande gewesen sei. die Geldvorräthe zu erhöhen oder
sich galten. Durch ein Prämiensystem wie in Frankreich hätte
Erhöhung des Diskontos vermeiden lassen. Mit den

b

Privatnotenbanken müssen wir uns wohl oder übe! weiter be-
helfen-
Abg. Fisch deck (freis. Volksp.): v. Kardorff habe die Lage
zu schwarz gefärbt. Im Allgemeinen seien Privatbanken neben
der Reichsbank überflüssig, doch sei im Großen und Ganzen seine
Partei mit der Vorlage einverstanden und wünsche die Ueber-
weisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern.
Abg. Dr. Hahn tbet keiner Fraktion): Das Vertrauen des
Publikums zur Reichsbank rühre nur davon her, daß das Reich
hinter der Verwaltung der Bank stehe. Den alten Antheils-
eignern sollten neue Anthcilscheine nicht überlaffen werden. Red-
ner tritt in längerer Ausführung für die Silberwährung ein
und schließt, die Sozialdemokratie und die Hants Isinsuos seien
Brüder einer Mutter. (Große Heiterkeit.)
Vicepräsident Dr. v. Frege fragt, ob ein vom Redner ge.
brauchte! Ausdruck „Verdächtigung" einen Vorwurf gegen ein
Mitglied des Hauses enthalten solle, was Dr. Hahn verneint.
Reichsbankpräsident Dr. Koch vertheidigt die Diskontpolirik
der Reichsbank. Möglicherweise bleibt der Aufschwung nicht von
Dauer. Redner verwahrt sich schließlich, daß die Leitung der
Reichsbank verhängnißvoll gewesen sei. Er selbst leite ja die
Bank nicht allein, sondern befände sich im Einverständniß mit
seinen Kollegen. Die Vorwürfe v. Kardorffs seien wohl stark,
seine Gründe aber schwach gewesen.
Abg. Brömcl (fr. Ver) bezeichnet die heutige Wirthschafts-
politik, aber einschließlich der Handelsverträge, alsHohenzollern-
politik. Als Redner auf die preußische Ccntralgenossenschafts-
kasse eingehen will, wird er vom Präsidenten daran gehindert.
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (d. Refp.): Die
Soctaldemokraten seien in dieser Sache inconseguent. Die Lob-
redner der Reichsbank gehörten den Bankkreisen, Siemens sogar
dem Ausschüsse der Reichsbank an. Zum Reiche gehörten aber
noch andere und anders denkende Kreise. Was eine Dividende
von 4 Proccnt übersteige, solle dem Staate zufallen. Die An-
theilscheine sollen auf 1000 Mk. gestellt werden. Ausländer
dürften solche nicht erhalten. Die Gründe gegen die Verstaat-
lichung seien nicht stichhaltig.
Nach Ausführungen v. Wangenheims (cons., Bund d. Land.)
und Dr. Schönlanks (Soc.), der erklärt, zur Zeit des Zuchthaus-
curses sei eine Verstaatlichung nicht zu bewilligen, und persön-
lichen Bemerkungen v. Kaidorffs (Rp.) Müller-Fulda (Centr.)
und Liebermann-Sonnenberg (d. Rip.) wird die Vorlage einer
Commission von 28 Mitgliedern überwiesen.
Morgen 1 Uhr: Interpellation Kanitz und kleinere Vorlagen.
Preußen. Berlin, 10. Febr. Ab geordnctenh au s-
Bei Besprechung der Interpellation Szmula betreffend
Maßnahmen gegen die A r b e,i t ex n o th erklärte Fiuanz-
minister Or. v. Miguel, die Regierung sei bereit, Maß-
nahmen zu ergreifen, die den nationalen Interessen voll
und ganz entsprechen. Die Reform müßte sich gegen die
zunehmende Verwahrlosung und die Sucht, möglichst schnell
in gewerbliche Thätigkeit zu kommen, richten, nicht aber in die
Freizügigkeit* eingreifen. lieber die Einführung einer Con-
cessionspflicht für Gcsinoemakler, Arbeitsvermitler und ähn-
liche Gewerbebetriebe würde dem Reichstage eine Vorlage
zugehen. Er werde im Bundesrathe anregen, daß auch
der Erwägung des Verbotes, dies Gewerbe im Umher-
ziehen zu betreiben, näher getreten wird. Die Erschwerung
des Contractbruches sei lediglich Sache der Reichsges tz-
gebung. Bezüglich der Forderung einer planmäßigen An-
siedelung mittlerer und kleiner Landwirthe verweise er auf
die bisherigen guten Erfolge der Ansiedelungscommissiou,
doch werde der eigentliche Träger der Cultur noch der
Großgrundbesitzer bleiben. Das beste Mittel zur Abstellung
der Arbeiternolh sei jedenfalls die Verbesserung der Lage der
Landwirthschaft. Landwirthschaftsminister Frhr. v. Hain-
nrer st e i n erklärt, seine persönlichen Anschauungen deckten
sich mit denen des Finanzministers. Redner wendet sich
dann unter anhaltendem Beifall, besonders auf der Rechten,
gegen Geistliche und Lehrer, denen er die Schuld zuschreibt,
daß die Kinder ihrer heimathlichen Scholle entfremdet
würden.__
Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 10. Febr. Der Grotzherzog nahm
heute Vormittag von halb 11 Uhr an den Vortrag des

^fiten^B^ Romanfeuilleto« findet der Leser im heurigen

Stadt-Theater.
^ Heidelberg, 11. Februar.
^Jugendfreunde", Lustspiel in 4 Aufzügen von Ludwig
sich haben vier Gesellen ein fetn's Collegium" — näm-
Er. Martens, der Musikschriftsieller Winkler, der Maler
st», und der Techniker Scholz. Die Villa des Erstgenann-
ter-« .e bekannte Vorsicht in der Wahl der Eltern am besten
st»ez ,üt zu haben scheint, ist ihr Sammelplatz und die Stätte
">s m„ß°dundcnen Junggesellentreibens. Das geht so lange,
d«.-^dmen in den Bund störend eingreift. Der Musikus
Techniker verlieben sich Hals über Kopf und führen die
ihres Herzens mit möglichster Geschwindigkeit heim,
dns diese günstige Gelegenheit, um an demselben
mle h Gleiche zu thun, und seine Lira bosxitÄlis zu ehelichen.
Leuu» * früheren Theorien, in denen sie die Ehe als ein verab-
Adiges Institut htngestellt haben, sind so durch die
» Ä,!,". Richte gemacht und es ist nur mehr Martens, der
d,. ä'? aufrecht erhält. Seine drei Freunde aber haben
b^vgen s.*iiüre von „Schillers Glocke" nicht die nöthige Lehre
,Ü"den V - haben nicht genügsam geprüft, ehe sic sich ewig ge-
Die Frau des Musikus entpuppte sich als ein
in Wesen, dem der Formelkram der Gesellschaft Alles
d. der y» ."ach der Spree verschlagenen „Wiener Mad'l", das
zIeu ff A«Ier zur Gattin erkoren, findet sic ihre Antipodin,
venire. . ""8 schon an Unfeinheit des Charakters grenzt. Der
Gein-?".h^ch hat sich in eine Unschuld vom Lande vergafft, die
tz°4eug! ^"ufalt etwas reichlich ausgestattet ist. In ihrer Flitter-
<n?*Uke» gehen den jungen Männern natürlich noch keine
st. üe . ihre Wahl auf; solchen werden sie näher gebracht,
ä^"udes z, ?** Hochzeitsreise in der Villa ihres gemeinsamen
Zachen "Anuuenkamen, um ihre Frauen miteinander bekannt
^e?i>igx°, '/Wehdem deren erste Begegnung schon etwas sehr
' ">ai, , hat, kommt es bei einem „Freundschaftsfest",
arrangirt, zu einem direkten Skandal. Die boshafte

Frau des Musikus bemerkt der ländlich harmlosen Frau Techniker
1 gegenüber, daß sie die Haare der feschen Wienerin nicht für echt
halte. Diese Aeußerung gelangt natürlich zu deren Ohren und
damit ist die Brandfackel des heftigsten Streites unter den Frauen
entzündet, der begreiflicherweise die Männer in Mitleidenschaft
zieht. Ein gewaltiger Riß bedroht.den alten Freundschaftsbund,
und es ist schließlich nur ein nothdürftiger Kitt, der ihn wieder
zusammenleimen soll. Der Maler schlägt nämlich kurzer Hand
vor, die Frauen künftighin zu Hause zu lassen und zur alten
Biergemüthlichkcit zurückzukehren. Vorläufig aber werden sie
dies ohne ihren vierten Freund thun müsse», denn dieser wird
jetzt den Schritt thun, den er bei seinen Freunden so mißglückt
steht. Jedoch wird ihm aller Voraussicht nach mehr Heil be-
schicken sein. Das herzige, einfache Mädchen, das bis dahin
als Stenographistin bei ihm angestellt gewesen ist — er ist
Rciseschriststeller — wird auch auf seinem Lebenswege ihm eine
verständnißvolle Gefährtin sein.
Man sieht, das Stück geht nicht eigentlich zu Ende. Es
bleibt die Frage offen, was aus den drei Ehen, die doch nur
aus Unbesonnenheit geschlossen worden sind, in Zukunft werden
soll. Und es ist im Grunde ein tragischer Vorwurf, den Fulda
in seinem Stücke a geschlagen hat, der, lustspielmäßig behandelt,
wohl auch kaum zur Lösung zu bringen war. Aber trotzdem ist
das, was der geistvolle Lichter hier gegeben hat, das Fein-
sinnigste, was uns auf dem Gebiete des Lustspiels Heuer ge-
boten worden ist. Es sind alles Figuren von Fleisch und Blut,
die er uns hinstellt. Auf die Charakterisirung der drei Frauen-
gestalten ist hingedeutet; nicht minder fein gezeichnet sind die
Persönlichkeiten der „Jugendfreunde". Der schon ältliche Maler
mit seiner stoischen Philosophie, die ihn alle Dinge „wissenschaft-
lich" betrachten lehrt, der zerfahrene Musikus, der unter den
Gründen zu seinem Heirathsentschluß auch ernsthaft den anführt,
daß es so entsetzlich sei, seine —Wäsche selbst zählen zu müssen.
Die beiden andern Genossen des Kreises, der epikureische Dr.
Martens und der enthusiastische Techniker, nähern sich schon mehr
der Alltäglichkeit, wirken aber nicht minder sympathisch.
? Das Milieu, das der Verfasser entrollt, bietet einer Musenstadt,
wie der unseligen manche verwandte Anklänge und da zudem über

Geheimeraths Dr. Bnchenberger entgegen. Dann ertheilte
Seine Königl. Hoheit dem Oberstleutnant a. D. Platz, 2.
Biceprästdenten des Badischen Militärvereins-Verbandes,
eine Privataudienz. Der Grobherzog wollte den Oberst-
leutnant Platz schon vor der Reise nach Berlin empfangen,
in Folge einer Erkrankung des Genannten mußte dieser
Empfang jedoch verschoben werden. Seine Königl. Hoheit
sprach dem Oberstleutnant Platz seine Anerkennung für
dessen Thätigkeit bei der Leitung der Militärvercinsange-
legenheiten aus.

Ausland.
Oesterreich-Ungarn. In der Revue de Paris hat der
Abgeordnete Ür. Kramarz einen Artikel veröffentlicht, in
dem er für den föderalistischen Staatsstreich
und für die Beseitigung des Bündnisses mit Deutschland
eintritt. Ueber den Staatsstreich schreibt Herr Kramarz:
„Der Centralismus, der ja auch durch einen Staatsstreich
eingeführt wurde, könnte gerechterweise durch das gleiche
Mittel unterdrückt werden. In der Politik muß man mit-
unter ins Fleisch zu schneiden verstehen. Das Reich ist,
Gott sei Dank, stark genug, um diese unvermeidliche Ope-
ration ohne Gefahr zu ertragen." Aus dem föderalistisch-
slavischen System im Innern zieht Herr Kramarz die
logischen Konsequenzen für die äußere Politik: „Seit
dem Abkommen von Petersburg hat Oesterreich nicht mehr
nöthig, den obersten Lenker seiner Geschicke in der Wiener
deutschen Botschaft zu sehen. . . . Der Dreibund gleicht
einem alten, abgespielten Luxusclavier. Man mag es noch
nicht in die Rumpelkammer stellen, aber man spielt nicht
mehr darauf." Herr Kramarz ist eine der Hauptstützen
der Regierung, und Graf Thun zieht ihn bei jeder Kon-
ferenz mit den Führet» der Rechten bei. Graf Thun wird
sich also nicht wundern dürfen, wenn von den dreibund-
feindlichen Auslassungen des wackeren Tschechen auf seine
eigene Gesinnung Rückschlüsse gemacht werden.
Schweiz. Zum 3. Male werden sich die Zionisten
in der Stabt Basel zu einem Kongresse zusammenfinden;
das Projekt, den 3. Kongreß im Haag abzuhalten, scheint
demnach aufgegeben. Der Kongreß findet im Monat August
und zwar voraussichtlich in der zweiten Hälfte desselben statt.
Frankreich. Par is, 10. Febr. Die Deputirten-
kam mer hat heute nach langer und lebhafter Debatte den
Gesetzentwurf, wonach der gesammte Kassationshof, nicht
dessen Kriminalkammer allein, die Schlnßentscheidung im
Dreyfusprozeß haben soll, mit 326 gegen 206 Stimmen
angenommen. Der Ministerpräsident führte aus: Von
sich aus würde die Regierung den Gesetzentwurf nicht vor-
gelegt haben. Es sei das Gutachten des ersten Präsiden-
ten Mazeau gewesen, das die Regierung bewogen habe,
ihre Vorlage einzubringen. Wenn das Gutachten im ent-
gegengesetzten Sinne ausgefallen wäre, so hätte die Regie-
rung ihre Vorlage nicht eingebrachr. Dieses autorisirte
Gutachten Mazeaus habe die Regierung nicht unbeachtet
lassen können, zumal da die Gründe, die Mazeau anführte,
von großer Weisheit Zeugniß ablegten. Das Gutachten
entspreche auch der öffentlichen Meinung. Es wird sich
nun fragen, ob der Senat der Vorlage gleichfalls zustimmt.
Bemerkt sei noch, daß der Gesetzentwurf die Dreyfussache
nicht ausdrücklich nennt, sondern allgemein gehalten ist;
aber er ist so gefaßt, daß die Dreyfussache unter seine
Bestimmungen füllt.
Spanien. Madrid, 10. Fcbr. Die Regierung er-
achtet es als nothwendig, daß Spanien seine Oberhoheit
auf den Karolinen aufrecht erhalte.

dem Ganzen ein sonniger Humor lagert, so folgt man dem Ver-
laufe des Stückes mit einem innigen Behagen. Einige Leute ver-
mißten freilich gestern Abend die Blödsinnigkeiten der Blumen-
thal-Kadelburg'schen Muse und gaben ihr schmerzliches Bedauern
durch Zischen kund. Aber man kann das Gefühl solcher Geister
einem feinsinnigen Werke gegenüber ja verstehen und begreifen.
Die Darstellung litt stellenweise unter einem etwas schleppenden
Gang, was sich nun bei einer Wiederholung schon von selbst aus-
gleichen wird. Sonst deckte sie sich nahezu mit den Aufgaben, die
der Dichter stellt. Herr Göbel, dem der Musikus „Winkler"
zugefallen war, besitzt ja nicht den eigentlichen Humor für der-
artige Rollen und seine thatsächlichc komische Wirkung war mehr
eine unbewußte. Immerhin aber entledigte er sich der für ihn
schwierigen Aufgabe mit bemerkenswerthem Geschick. Im Uebrigcn
war das Quartett der „Jugendfreunde" durch die Herren Blank.
Rudolph und Mayring vortrefflich vertreten. Auch die drei
jungen Frauen fanden durch die Damen Konrad, Hoheneck
und Mehrer eine sehr gute Darstellung, nur muß letztere ihre
Neigung zu Versprechungen energisch abzustellen suchen. In der
sympathischen Rolle der Stenographistin „Dora Lenz" konnte
Frl. Heinrich die Innigkeit ihrer Empfindung von Neuem
zeigen. _ K. L.

Kleine Zeitung.
z. Zeitgemäße Betrachtungen Jetzt nähert sich dem höchsten
Stand — ves Faschings toller Trubel; — beinahe ist aus Rand
und Band — die Welt vor Narrenjubel. — Zwar hält sich die
Bewegung noch — meist in gescbloff'ne» Räumen, — allein in
Bälde wird sie doch — zur Gasse überschäumen. — Als wenn
die Wachtparade kommt — mit stetig lauter'm Dröhnen, — wird
sie (und wem's vielleicht nicht frommt, — der muß sich d'ran
gewöhnen) — mit ihrem Lärm die Stadt durchzieh'n, — in alle
Seelen branden, — die Köpfe, Herze» heiß durchglüh'n — und
bei dem Kater landen. — Die allgemeine Lustigkeit — schlägt
bald die höchsten Wellen, — Geschrei forcirter Heiterkeit — hört
allerorts man gellen. — Gin Jeder schreit sein' Narrheit aus,—
des Zwangs einmal entledigt, — den die Vernunft jahrein,
 
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