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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0251

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fcrnsprech-Anschluß Nr. 82.

Xr. 57. Wes Mit. Mittwoch, drn 8. Mär?

I8SS.

Wocherr-Chronik.
(Vom 26. bis zum 1. März)
Febr. 26.: Der ehemalige österreichische Minister Graf Rech»
berg stirbt im Hohen Alter von 92 Jahren.
„ 27.: Die Entlassung des Ministeriums Banffy und die
Ernennung des Ministeriums Szell wird im
ungarischen Amtsblatt offiziell verkündet.
„ 28.: In der Budgetkommissio» des Reichstags verbreitet
sich Staatssekretär von Bülow über verschiedene
Punkte der auswärtigen Politik. Seine Mit-
theilungen lassen erkennen, daß die auswärtige Politik
Deutschlands klug, loyal und mannhaft betrieben
wird. In England und in Amerika werden die Er-
klärungen sehr gut ausgenommen.
„ 28.: Der Kaiser wohnt der Vereidigung der Marine-
rekruten in Wilhelmshaven bei.
März 1.: An dem Papst wird eine größere Operation vor-
genommen. Der greise Patient besteht sie gut.
„ 2: Präsident Loubet hält ganz unauffällig seinen Ein-
zug ins Elysöe.
„ 3.: Prinz Heinrich wird zum Chef des Kreuzer-
geschwaders ernannt.
„ 4.: Der Reichstag nimmt in erster und zweiter Lesung
mit großer Mehrheit den Gesetzentwurf an, der einen
bayerischen Senat beim Reichsmilitärgericht einrichtet.

Deutsches Reich.
— Die Budgetcommission des Reichstags setzte
am 7. d. die Berathung des Colonialetats fort. Auf
eine Anfrage des Abg. Dr. Hasse erwiderte Colonialdirek-
tor Dr. v. Buchka, daß die endgültige Entscheidung über
das Schicksal der sogenannten neutralen Zone in Tago
zunächst noch nicht zu erwarten sei. Eine einseitige Be-
setzung dieser Zone durch englische Truppen habe seines
Wissens nicht stattgefundcn. Im weiteren Verlaufe der
Berathung weist der Colonialdirektor die bekannten Be-
schuldigungen des Afrikareisenden Krause zurück. Müller-
Sagau, Bebel und Graf Slolberg sprechen sich für die
Strafverfolgung Krauses aus, wozu sich der Colonial-
direktor bereit erklärte. Beim Etat für Südwestafrika be-
antragt der Berichterstatter Prinz Arenberg die Streichung
der eingestellten Unterstützungen für die cvangel. Kirchen-
gemeinde in Windhoek und Swakopmund, da sie
SU unübersehbaren Conscquenzcn führten. Die Position
wird abgelehnt. Auf Antrag des Grafen Arnim und des
Dr. Hasst werden von der gesammten Position für Neu-
bauten und Bewässerungsanlagen in Afrika 30 000 Mark
gestrichen.
— Der commandircnde Admiral v. Knorr wurde in
Genehmigung seines Abschiedsgesuches von der Stellung
eines commandirenden Admirals entbunden und mit der
gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt. Er wird L ln
«uitv des Seeosfiziercorps in den Marinelisten geführt
werden. Kapitän zur See Geißler wurde zum Contre-
admiral befördert; Capitän zur See v. Schuckmann,
Kommandant von Helgoland, erhielt den Charakter eines
^ontreadmirals.
— Anläßlich der Pulverexplosion in Toulon
wurde der deutsche Marineattachä in Paris beauftragt, dem
.französischen Marineminister die Theilnahme des Kai-
sers sowie des Staatssekretärs des Reichsmarineamtes
"uszusprechen.
. — Von Stendal in der Altmark aus erläßt ein Aus-
schuß, dem viele bekannte Persönlichkeiten aus allen Be-
rufen angchören, einen Aufruf zur Errichtung eines
Bismarck-Hauses, das die über das Grab hinaus
stiebende Liebe, Verehrung und Dankbarkeit des deutschen
Bolkcs für den Begründer des Reiches dauernd sichtbar
verkörpern soll. Die Stiftung soll zunächst ein Archiv
vwfasscn, in dem alles angesammclt wird, was an Briefeil
wsd Urkunden von der Hand des großen Kanzlers vor-

handen ist, ferner eine Bibliothek, in der alle auf Bismarck
und sein Wirken sich beziehenden Werke des In- und
Auslandes Aufstellung finden sollen, sowie ein Museum
aller im Privatbcsitze befindlichen Erinnerungen an Bis-
marck, Denkmünzen, bildlichen Darstellungen, Modelle zu
Bismarck-Denkmälern u. s. w. Errichtet werden soll die
Stiftung in Stendal, das zu der Familie v. Bismarck
seit Jahrhunderten enge Beziehungen hat. Beiträge nehmen
die Deutsche Bank in Berlin und deren Filialen entgegen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 7. März. Erste Be-
rathung des Gesetzentwurfs betreffend die gemeinsamen
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen.
Staatssekretär Dr. Nie der ding begründet den Entwurf
mit dem Hinblick auf die Wichtigkeit des Verkehrs mit Obliga-
tionen, die in Höhe von etwa 10 Milliarden umlaufen. Sie
hätten für den kleinen Kapitalisten neben manchen Vorthcilen
auch den Nachtheil, dan die Inhaber solcher Papiere miteinander
nicht in Zusammenhang stehen. Sie müßten imstande sein, ihre
Interessen gegenüber dem die Schulden Contrahirenden gemeinsam
zu vertreten; der Unternehmer müßte sich mit seinen Gläubigern
über gewisse Fragen in Verbindung setzen können. Der Gesetz-
entwurf solle nun den Inhabern von Schuldverschreibungen eine
Organisation geben und zweitens diese Organisation so gestalten,
daß eine Vergewaltigung der Minderheiten nicht stattfinden könne.
Gelinge es, dies zu erreichen, so würde der Reichstag einen für
das wirthschoftliche Leben des Volkes wohlthätigen Schritt thun.
Abg. v. Strombeck (Centr.): Die Vorlage bedürfe der
Verbesserungen. Sie biete namentlich keinen genügenden Schutz
gegen die Vergewaltigung der Minderheiten, da die Betheiltgung
an Versammlungen von Zufälligkeiten abhänge. Er beantrage
Verweisung an eine Commission von 21 Mitgliedern, in der neben
Juristen auch die Landwirthschaft vertreten sein müßte.
Abg. Büsing (nat-): Die Vorlage sei gründlich durchgear-
beitet, das Bedürfniß dafür vorhanden und für die Minderheit
seien genügende Schutzmaßregel getroffen.
Abg. Schräder (frei,. Volksp.): Der Entwurf bringe nur
zur Erscheinung, was schon längst Thatsache sei, daß die Besitzer
gleicher Obligationen eine Interessengemeinschaft bilden. Alle
billigen Anforderungen seien im Allgemeinen erfüllt.
Abg. Lenzmann (freis. Volksp.): Die Minderheiten seien
nicht genügend geschützt, außerdem greife die Vorlage in schärfster
Weise in Privatrcchte ein und trage die Staatsautorität in ganz
neue Gebiete.
Nach einigen Bemerkungen des Abg. Beckh wird die Vorlage
an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen
Erste Berathung des Hypothekenbankgesetzes.
Staatssekretär Dr. Nied er ding: Die Nolhwendigkeit einer
gesetzlichen Besserung des Hypothekcnbankwcsens sei niemals i»
Zweifel gezogen worden. Seit Jahren ständen die verbündeten
Regierungen auf dem Standpunkte, daß die Regelung der Frage
dringend sei, zweckmäßig aber erst nach Abschluß der Reform des
bürgerlichen Rechts erfolgen könne. Auch in der Oeffentlichkeit
sei das Bedürfniß der Regelung des Hypothekenbankwesens an-
erkannt. Wenn wir überhaupt nicht auf eine Regelung auf diesem
Gebiete verzichten wollen, so muffe eine solche möglichst bald er-
folgen. Der Verkehr der deutschen Hypothekenbanken repräsentirte
1897 einen Werth von fast 6 Milliarden Mark. Hier könnte sich
nun das Verhältniß entwickeln, daß die weniger starken Banken
den schwächeren Gläubigern gegenüber einen zu großen Einfluß
gewinne». Die Vorlage solle das ganze Gebiet des Hypotheken-
bankwescns nach der rechtlichen und wtrthschaftlichen Sette regeln.
Sie beruhe aus sehr eingehenden Vorarbeiten. Auf Grund des
so gewonnenen ganz gewaltigen Materials sei der Entwurf ent-
standen, um dessen wohlwollende Beurtheilung er bitte. Die
Geschäfte der Hypothekenbanken hätten sich gewaltig vermehrt.
Auch sei hervorzuhcben, daß sie aus allen Theilen des Landes
Ersparnisse, namentlich des Mittelstandes, heranziehen. Esscheine,
als ob ihre Tendenz dahingehc, daß sich in ihnen mehr und mehr
der Schwerpunkt des Realkredits in Deutschland ausdrücken wird,
besonders da ihre Verwaltung meist durchaus solide sei.
Abg. Rettich (cons.) ist im Allgemeinen mit dem Entwurf
einverstanden, besonders da die bestehenden Einrichtungen ge-
schont werden sollen. Fraglich sei, ob die Genossenschaften zum
Betrieb des Pfandbriefgeschäfts zugelassen werden sollen. Im
Allgemeinen seien aber in dem Entwurf die Pfandbrief- und
Hypothekenbesitzer genügend geschützt.
Abg. Büsing (natl.): Das Hypothekenbankwesen einheitlich
zu regeln, sei noihwendig geworden. Auch seine Partei sei mit
dem Entwurf im Wesentlichen einverstanden. Die Durchführung
der BeteibungsarnnSlätze ici indessen zu allaemein aekalten.

Bei der Menge juristischer, wirthschaftlicher und speziell technischer
Fragen der Vorlage sei eine eingehende Kommissions-
berathung am Platze.
Abg. Spahn (Centr.) schließt sich letzterem Vorschläge an.
Abg. Munckel (freist Volksp.) bemängelt Einzelheiten be-
züglich der Bestimmungen über den Pfandhalter, Beleihung S»
grundsätze und Staatsaufsicht, ist aber im allgemeinen mit der
Vorlage einverstanden.
Abg. Ga mp (Reichsp.): Schon die vielfache Durcharbeitung
der Vorlage beweise ihre Schwierigkeit. Wesentlich für die
Sicherung der Forderungen sei die Solidität der Verwaltung.
Er vermisse in dem Entwurf genauere Bestimmungen über die
Beleihung von Baugrunbstücken; in dieser Beziehung seien ge-
wisse Einschränkungen erforderlich.
Abg. Dr. Hah n (Bund d. Landw.) stimmt der Commissions-
berathung zu, bemängelt aber Einzelheiten in der Zulassung der
Pfandbriefe zum Börsenverkehr.
Abg. Calw er (Soc.) kann den Ausführungen des Leut-
nants Hahn (der Abg. Dr. Hab» ist in der JnterimSuniform
eines Leutenants der Reserve erschienen) nicht zustimmen. Die
Abstellung von Mängeln könne in der Commission erfolgen.
Die staatliche Aussicht könne nicht weiter ausgedehnt werden.
Präsident Graf Ballestrem bezeichnet unter großer Heiter-
keit die Anrede des Abg. Hahn als Leutnant Hahn als harm-
los, aber unpassend.
Nach einigen Bemerkungen des Abg. Lenzmann
(freis. Volksp.) wird die Vorlage an dieselbe Commission wie
der erste Gegenstand der Tagesordnung überwiesen.
Uebermorgen 1 Uhr: I-ox Heinze und die verschiedenen An-
träge dazu.
Schluß SV. Uhr.
Baden. Karlsruhe, 7. März. Es verlautet, der
Direktor des Verwaltungshofes v. Stösser trete in den
Ruhestand und werde durch den Konstanzer Landes-
kommissär Engelhorn ersetzt, letzterer durch den Karls-
ruher Amtsvorstand v. Bo dm an. Ferner verlautet,
Wasser- und Straßenbaudirektor Haas trete in den
Ruhestand und werde durch Oberbaudirektor Honsell
ersetzt werden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Direktor der Höheren Mädchenschule Karlsruhe, Dr. Theodor
Löh lein, zum Hofrath ernannt.
— Mit Entschließung Großh. Ministeriums des Innern sind
in gleicher Eigenschaft versetzt: Großh. Bezirksthierarzt August
Hink in Pforzheim nach Müllheim und Großh. B ezirksthierarzt
Lorenz Fischer in Müllheim nach Pforzheim.

Ausland.
Oesterreich-Ungar». Wien, 5. März. Die „Los
von Rom"-Bewegung macht, zunächst in Deutsch-
böhmen, derartige Fortschritte, daß sie anfängt, in den
obersten Regierungskreisen ernstliche Besorgnisse zu erregen.
Es stehen der Regierung keine Mittel zur Verfügung, um
die Ueberhandnahme des Uebertrilts von der römisch-
katholischen Kirche zur protestantischen zu verhindern, da
ebendie evangelische Kirche in Oesterreich mit der katho-
lischen staatsrechtlich gleichgestellt ist. In Eg er sind
bereits 1100 Katholiken aus der katholischen Kirche aus-
getreten und zum Protestantismus übcrgegangen; in
Karlsbad 100 und neucstens haben sich weitere 1000
Katholiken dort zum gleichen Schritte entschlossen. In
kurzer Zeit erwartet man, daß halb Deutschböhmen bis
über R-ichenberg hinaus protestantisch werden dürfte, da
die Bewegung in allen Gemeinden immer mehr um sich
greift zum größten Aerqer der Klerikalen. Am 1. April
erwartet man den Maffenübertritt von 10 000 Katholiken
zum Protestantismus. Dieser gut vorbereitete Uebertritt
ist die beste Antwort auf die Umtriebe der feudal-klerikalen
Partei. Die Bewegung ist derartig im Fluß, daß sie
nicht mehr aufzuhalten ist, zumal sie auch schon in anderen
Kronländern um fick greift.

Das RomanfeuiUeton finde- ber Le,er :m heutigen
weiten Blatt.

Kleine Zeitung.
^ -- Don Carlos' Schwiegersohn in Nöthen. Vor dem Buda-
^Iter Gericht wird demnächst ein Schwiegersohn des (Kron-
prätendenten von Spanien Don Carlos, der Fürst Schönburg.
Waldenburg. als Zeuge und Kläger erscheinen. Der Fall liegt
'°lgendennaßen: Der Fürst war vor drei Jahren von der
protestantischen zur katholischen Religion übergetreten. Hierüber
Mr seine Familie so ungehalten, daß sie dem damals 23jährigen
7"anne jede Hilfe und Apanage entzog. Der Fürst wandte sich
Z'den Budapester Geldagenten Adolf Freund um ein, Darlehen
Iw verpflichtete sich bei Aufnahme des Darlehens, daß ein
)?°hn des Geldagenten von dem Fürsten als Güterdirektor mit
"em Gehalt von 6000 fl. angestellt werden sollte. Nun hatte
»er der Fürst gar kein Gut und die Stellung des Güterdirek-
bestand darin, daß er mit seinem Gebieter eine Reise durch
de« machte, auf welcher der Fürst in Venedig die Tochter
cs Kronprätendenten von Spanien, Don Carlos, Donna Alice,
nnen lernte und auch heirathete. Jetzt war dem Fürsten der
» "dogent und dessen Sohn unbequem geworden, und er entließ
ni^,. h- Freund verlangte jedoch 40 000 fl. Schadenersatz für
d-n Ungehaltene Verpflichtungen und strengte eine Klage gegen
Fürsten an. Dieser wieder klagte gegen den Geldagenten
au« ,ffen Sohn auf Zahlung von 15 000 fl., welche dieselben
»p» seinem Vermögen verwirthschaftet hätten, außerdem auf
Sucher und Defraudation. Unter den zahlreichen Zeugen, die
L?°wwen werden sollen, befindet sich auch Don Carlos, der
Hwiegervater des Klägers, der seine Zeugenaussage in Venedig
""geben wird.
gl Eine Reihe von warmen Zähren ist in Aussicht. Wenn-
h.cich eine sichere Wetterprognose auf weiter als einige Tage
sgfwuii nach dem heutigen Stand der meteorologischen Wissen-
iak unmöglich ist, hat man doch das Recht, aus den Er-
de» der Vergangenheit gewisse Regeln abzuleiten, nach
"en sich der allgemeine Werterstand auf längere Zeit mit

eimger Wahrscheinlichkeit begimmen läßt. So glaubt Dr. Maurer
als Resultat seiner Beobachtungen von Berliner bis ins Jahr
1720 zurückreichenden Temperaturaufzeichnungen die Behauptung
aufstellen zu können, daß wir eine Reihe von warmen Jahren
zu erwarten haben. Professor Brückner in Berlin hat durch Be- ^
trachtung von sehr eingehenden Temperaturaufzeichnungen, die .
bis zum Jahre 1000 zurückreichen, die Ansicht gewonnen, daß
das Klima Europas in diesen 900 Jähreu nicht zu allen Zeiten !
dasselbe war, sondern daß vieljährigc Kälteperioden, in denen
kühle Sommer mit strengen Wintern verbunden waren, und
Wärmeperioden, bet denen die Sommer heiß und die Winter
gelinde waren, abwechselten; Brückner konstatirt in den von ihm
in Rechnung gezogenen 900 Jahren nicht weniger als 25 solcher
Perioden. Maurer glaubt nun, daß wir im Begriff sind, jetzt
wieder in eine solche Wärmeperiode einzutreten, daß also das
neue Jahrhundert mit milden Wintern und sehr heißen Sommern
beginnen wird; der diesjährige Winter mit seinen extrem hohen
Fevruartemperaturen scheint für die Richtigkeit der Maurer'schen
Ansicht zu sprechen.
— Hamburg, 7. März. Infolge des TarifkampfeS mit der
Nordatlanttschen Schnelldampserlinie hat die Hamburg-Amerika-
Linie ihren Ueberfahrtspreis für die 1. Kajüte ab Southampton
von 20 auf 10 Pfund herabgesetzt.
— Breslau, 7. März. Der Schles.Ltg. zufolge wird dem-
nächst eine neue Schnellzugsverbinduug zwischen Berlin und
Koustantinopel über Breslau, Krakau, Czernowitz, Buzen (Ru-
mänien), Constanza und von dort per Schiff nach^konstantinovcl
geschaffen werden. Die Fahrzeit beträgt 44—45 Stunden. Der
Vertrag unterliegt noch der Genehmigung der rumänischen
Kammer.
— Toulon, 7. März. Nach den letzten Nachrichten betragt
die Zahl der bei der Katastrophe in Lagoubran Um-
gekommenen 54, die der Verwundeten 130. Neuerdings verbreitet
sich das Gerücht, die Explosion sei von verbrecherischer Hand
herbeigeführt worden. Im Schutt sei eine l'/s Meter lange
Lunte gefunden worden. Lockroy sagte zu einem Interviewer,
die Hypothese, daß die Explosion durch Selbstentzündung ent-
standen sei, sei unzulässig. Anderseits wird vermuthet, ein Stein

habe sich von der Decke abgelöst, sei auf eine Pulverkiste gestürzt
und habe so die Explosion veranlaßt.
— Newyork, 6. März. Rudyard Kipling, der erkrankte
Schriftsteller, an dessen Gattin der deutsche Kaiser ein Telegramm
sandte, ist ein anglo - indischer Schriftsteller. Er wurde am
30. December 1865 in Bombay als Sohn des im indischen
Staatsdienst stehenden Malers I. Lockwood Kipling geboren,
wurde dort und in Allahabad erzogen und bildete sich auf größeren
Reisen, die er durch das Radschputenland nach Bengalen, Birma,
China, Japan und Nordamerika unternahm. Seiner Erstlings-
schrift „Echoes" (Lahor 1884) folgten zunächst kurze Erzählungen,
die ebenfalls in Indien erschienen und infolge dessen nur geringe
Verbreitung fanden. Desto größer war ihr Erfolg, als sie 1890
in England selbst bekannt wurden, wo Kipling bald der lite-
rarische Tagesheld war. Mit unbestreitbarer Begabung gibt er
die anschaulichsten Bilder aus dem Leben der anglo-indischen
Gesellschaftskreise, im Civil und Militär, in Krieg und Frieden,
wie in den unteren Schichten der Eingeborenen. Der Un-
zufriedenheit der herrschenden Europäer mit ihrer Lage gibt er
oft treffenden Ausdruck in seinen Erzählungen; auch in Versen
hat er sich versucht. Peinliches Aufsehen erregte seine Skizze
Ibs oitx ok llrgacikai nigllt (London 1891), eine Schilderung
der Nacht- und Schattenseiten Kalkuttas. 1892 ließ Kipling sich
in Nordamerika nieder.

Literarisches.
—LI Kleine Schriften zur inneren Geschichte
des Katholicismus. Erster Band: Aus dem letzten
Jahrzehnt vor dem Vatikankonzil. Von Friedrich
Ni pp old; Jena, Hermann Costenoble, 1899. — Wenn der
beste Kenner der Geschichte des Katholicismus des 19. Jahr-
hunderts, der die Triebfedern sowie die literarischen Aeußerungeu
desselben bis ins Einzelnste verfolgt und kennt und behält, sein
reiches Material dem Geschichtsschreiber wie dem Gebildeten von
neuem darbielet, so darf man von vorneherein annehmen, daß
für beide eine unendliche Fundgrube von gut gruppirtem Stoffe
in authentischer Weise dargeboten wird. Diese Annahme wird
 
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