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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0651

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 145. Erstes Klatt. L'musiW, Len 24. Juni

1899.

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auf die Heidelberger Zeitung für das III. Vierteljahr
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Ncckarstr. 21, angenommen.
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gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.

Das neue französische Ministerium.
Die Mitglieder des neuen militärisch-republikanisch-
sozialistischen Ministeriums werden in der Straßb. Post
wie folgt charakterisirt:
Aus dem am 12. Juni gestürzten Ministerium Dupuy
sind beibehalten der Unterrichtsminister Georges Leygues
und der Minister des Auswärtigen Delcasss; letzterer
stammt aus dem Ministerium Brisson vom 28. Juni
vorigen Jahres, und somit wäre die Leitung der aus-
wärtigen Angelegenheiten Frankreichs trotz zweier Minister-
krisen seit fast einem Jahre in derselben und, wie man
wohl sagen darf, bewährten Hand geblieben. Der Kriegs-
minister Gaston Alexander August Marquis de Gallifet
ist geboren am 25. Januar 1830 zu Paris, steht also
im 70. Lebensjahre. Er ist ein hochverdienter Kavallerie-
general, der mehr als einen Kriegsruhm hinter sich gebracht
hat. Sein großer kavalleristischer Massenangriff bei Sedan
1870 mußte zwar zerschellen, war aber doch mit Helden-
muth und Umsicht im letzten Augenblicke der gewaltigen
Schlacht unternommen. Gallifet wurde kricgsgefangen,
stand aber im Frühjahr 1871 wieder in den Reihen des
Versailler Heeres gegen den Pariser Kommuneaufstand,
in welchem er große Thatkraft und Erfolgsicherheit ent-
wickelte. In Algier stand er dann von 1872—73 und von
1879 — 82 in Tours als kommandirender General des IX.
Armeekorps. Von da bis 1886 nahm er die hohe verantwort-
liche Stelle des Vorsitzenden des Kavallerieausschusscs ein, als
welcher er 1882 das der französischen Kavallerie ganz neue
Bahnen weisende Kavalleriereglement verfaßte. Boulangec
konnte ihn nicht leiden und veranlaßte seine Absetzung 1886,
die erst 1889 wieder rückgängig gemacht wurde. Seit 1890
gehörte der Marquis dem obersten Kriegsrathe an. Er
hat stets zu den Heerführern gehört, auf den Heer und
Volk mit besonderem Vertrauen blickte. Seine Umformung
der französischen Reiterei wird als ein bedeutendes Werk
angesehen. Der Bautenminister Pierre Baudin bezeichnet
sich als ruäioul oovialisto, wie sein Genosse Alexandre
Millerand. Er ist zu Nantua, Aisne, am 21. August 1863
geboren und von Beruf Advokat. 1894 kam er in den
Pariser Gemeinderath, dessen Präsident er 1896 wurde.
Der Dcputirtenkammer gehört er erst seit 1898 an, er
wurde gegen den Sozialisten Faberot in der Stichwahl
gewählt.
Der mit der Führung des Handelsministeriums betraute
„raäioul aoviaiisto" Alexandre Miller and, Advokat,
ist ein Pariser Kind, geboren am 10. Februar 1859. Er
ist von der Presse und hat mit Clemenceau in der Justice,
dann in der Voix und schließlich in der Petite Rspublique
gearbeitet. In die Deputirtenkammer kam er zum ersten
Mole 1889. Der wohlbekannte Jean Marie Anton de
Lanessan gehört zu den an Lebensjahren älteren Mit-
gliedern des Kabinets. Er ist zu Andro-de-Cubzac am
13. Juni 1843 geboren und von Haus aus Doktor der
Medizin, als welcher er den Feldzug 1870/71 mitmachte.
1876 wurde er als Professor der Naturgeschichte der Pariser
medizinischen Fakultät beigesellt. Pariser Gemeinderath war
er 1878/81, Pariser Abgeordneter 1881/01. Von da an

beginnt seine eigentliche große politische Laufbahn, indem
er zunächst 1891/95 Generalgouverneur von Jndochina
wurde. Dann hat er durch „offene Briefe" wiederholt in
die publizistische Erörterung der jeweiligen politischen Lage
eingegriffen. Im vorigen Jahre wurde er mittels Stich-
wahl in Lyon in die Deputirtenkammer gewäblt. Eine
tüchtige Finanzkraft ist der Finanzminister Joseph Cail-
laux, gemäßigter Republikaner, geboren in Le Mans, am
30. März 1863. Er ist Jurist und war Finanzinspektor,
zugleich Professor an der Schule der politischen Wissen-
schaften; er hat eine Schrift über die „Steuern in Frank-
reich" herausgcgeben. Der Republikaner Advokat Pierre
Louis Albert Decrais, der das Kolonialministerium über-
nommen hat, ist am 18. Dezember 1838 geboren; 1867
Anwalt am Pariser Appellhof, unter der dritten Republik
verschiedene Male Präfekt. 1876 wurde er Staatsrath,
1879 Gesandter in Brüssel, 1880 politischer Direktor im
Ministerium des Auswärtigen, 1882/86 Botschafter in
Rom beim Quirinal, 1886 in Wien und in London 18o3/94.
Zum Senator wurde er 1897 gewählt; gegen den Sozialisten
Lurgand in die Deputirtenkammer 1898. Der Ackerbau-
minister Jean Dupuy und der Justizminister Monis
sind noch nicht viel im politischen Leben an besonderer
Stelle hervorgetrcten. Letzterer gehört der demokratischen
Linken des Senats au und Jean Dupuy der republikanischen
Linken derselben Kammer. Waldeck-Rousseau war
einst der Mitarbeiter Gambettas und JuleS Ferrys; jetzt
steht er an der Leitung der Geschäfte der Republik.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser versetzte den Staatssekretär des Aus-
wärtigen Amtes, Staatssekretär des Auswäriigen Amtes,
Staatsministcr Bernhard v. Bülow in den Grafenstand.
Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Standes-
erhöhung des Herrn v. Büiow mit dem Erwerb der Karo-
linen und Marianen in Verbindung bringt.
— Der Reichstag, der am 6. Dezember 1898 er-
öffnet wurde, hat sich am 22. Juni bis zum 14. November
vertagt. Er hat in diesem Sessionsabschnitt außer dem
Etat erledigt das Jnvalidenversicherungsgesetz, die Novelle
zum Reichsbankgesetz, das Hypothekenbankengesetz. Noch
nicht zur Verabschiedung gelangt von wichtigeren Gesetzen,
theilweise aber in den Kommissionen sehr weit gefördert,
sind die drei Postgesetze, die Gewerbenovelle, die Justiz-
Vorlagen, das Fleischbeschaugesetz. Von den in der Thron-
rede angekündigtcn Gesetzen sind überhaupt noch nicht ein-
gebracht der Entwurf über den Checkverkehr und über das
Tclegraphenwegerecht.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Die Nachricht,
daß Deutschland die Bäreninsel annektiren werde, ist
falsch. Die vom deutschen Seefischereiverein veranlaßte
Expedition ist lediglich zu Fischereizwecken nach der
Bäreninsel abgegangen. Findet sie den Platz für jene
Zwecke geeignet, so wird es ihr natürlich freistehen, auf
dem herrenlosen Eiland die ihr zweckmäßig erscheinenden
Anlagen herzustellen und in Betrieb zu nehmen. Einen
Auftrag oder die Ermächtigung, im Namen des Reiches
ans der Bäreninscl die deutsche Flagge zu hissen, erhielt
weder jene Expedition noch sonst jemand.
Kiel, 23. Juni. Der Kaiser bestieg heute Vor-
mittag halb 10 Uhr seine Rcnnyacht „Meteor", welche zum
„Start" fuhr. Um 10 Uhr begann sodann die Regatta,
woran 77 Jachten theilnahmen. Die Kaiserin beobach-
tete von Bord des Aviso „Grille" aus das Starten der
Jachten.
Preußen. Berlin, 23. Juni. In der keutigen

Sitzung der K a n al kom m i s s io n gab Minister Thielen
für die Regierung die Erklärung ab, daß nur Kompensationen,
Schlesien und die Kanalisation der Lippe betreffend, be-
willigt werden könnten. Weitere Kompensationen könne die
Regierung nicht zugestehen.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Fräulein Catherine Wolfe-Bruce in New-Aork die goldene
Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen.
— Der als berittener Grenzaufseher verwentcte Hauptamts-
assistent Viktor Link in Brennet wurde mit der Verwaltung deS
VIII. Grenzkontrollbezirks betraut und nach Thengen versetzt.
Karlsruhe, 23. Juni. Der Groß Herzog und
die Großherzogin trafen heute Vormittag 8 Uhr
45 Minuten von Schloß Baden hier ein. Dieselben be-
suchten nach der Ankunft alsbald die Prinzessin Wilhelm.
Von 10 Uhr an meldeten sich bei dem Großherzog mehrere
Offiziere, darunter Oberst von Zastrow, Kommandant von
Mainz, bisher Kommandeur des 2. Badischen Grenadier-
Regiments Kaiser Wilhelm I. Nr. 110. Hierauf erthcilte
Seine Königliche Hoheit bis 1 Uhr Audienzen, darunter
den Geheimen Hofräthen und Professoren der Universität
Heidelberg Dr. Crusius und Dr. Uhlig, dem Regierungs-
baumeister Grimm in Heidelberg. Die Grobherzogin reiste
heute Nachmittag V»2 Uhr von hier ab. Dieselbe begiebt
sich zunächst zum Besuch der Kaiserin Friedrich nach Schloß
Friedrichshof, verweilt dort bis zum Abend und fährt
dann nach Frankfurt. Von dort erfolgt die Weiterreise
mit dem Nachtschnellzug nach Weimar und Jena und dann
zu Wagen nach Schloß Doruburg, wo sich der Großherzog
von Sachsen mit seiner Familie befindet. Die Ankunft daselbst
wird voraussichtlich morgen Vormittag 9 Uhr erfolgen. Die
Prinzessin Wilhelm reiste heute Vormittag 11 Uhr 42 Mi-
nuten nach München. Dieselbe begiebt sich von da nach
Berchtesgaden, um dort einen längeren Aufenthalt zu nehmen.
Die Erbprinzessin von Anhalt und Prinz Max werden
daselbst in den nächsten Tagen mit der Prinzessin Wilhelm
Zusammentreffen und in Gemeinschaft einige Zeit verweilen.

Ausland.
Frankreich. Paris, 23. Juni. Infolge des Ein-
tritts des Generals Gallifet in das Ministerium
vollzog sich in der sozialistischen Gruppe der Kammer eine
Trennung; 15 Mitglieder sind aus der sozialistischen
Gruppe ausgeschieden und haben eine neue Gruppe ge-
bildet. — In parlamentarischen Kreisen heißt es, General
Gallifet beabsichtige, unverzüglich den Militärgouverneur
von Paris, General Zurlinden, durch General Brugöre
zu ersetzen, General Boisdeffre und Gonse zu pen-
sioniren und General de Pellieux zur Disposition zu
stellen und endlich General Roget aus Paris zu ent-
fernen. — Wie Gallifet sich zu der Verfolgung der
Generäle stellen wird, bleibt abzuwarten, und man kann
einstweilen nur sagen, daß Anzeichen vorlicgen, nach denen
er einem großen Rachefeldzug abgeneigt ist.
Sicher kann mau dagegen annehmeu, daß er mit starker und
rücksichtsloser Hand gegen diejenigen Offiziere Vorgehen
wird, die in der letzten Zeit in Tagesbefehlen und sonstigen
Kundgebungen eine mehr als eigenartige Auffassung von
den Pflichten der Disziplin bekundet haben. Gallifet ist
nicht der Mann, der viel Federlesens macht, und Energie
ist die letzte Eigenschaft, die ihm abgesprochen werden kann.
Wegen seiner Betheiligung au der Unterdrückung des
Communeaufstandes war Gallifet bei den Sozialisten maß-
los verhaßt, weil er mit rücksichtsloser Härte eingriff.
Wenn er jetzt in ein Ministerium eiutritt, in dem auch der
Sozialist Millerand sitzt, so giebt das dem neuen Ministerium

* Das Romanfeuilleton mußte heute Raummangels wegen
wegbleiben.

Weitere Funde in Heidelberg.
Die in dem vorläufigen Fundbericht vom 26. April d. I. er-
wähnten, mit Ermächtigung der städtischen Verwaltung und auf
Kosten der Stadt Heidelberg angestellten und von dem Unter-
zeichneten geleiteten Grabungen auf dem Boden der einstigen
Bergheimer Kirche sind von erfreulichem Erfolge begleitet
gewesen. Aus den Funden lassen sich für die früheste Geschichte
der Stadt Heidelberg wie für die Siedelungsgeschichte der ganzen
hiesigen Gegend wichtige, zum Thetl ganz neue Thatsachen er-
schließen.
Die Kirche und der sie umgebende Friedhof des Dorfes
Berg heim, das schon 769 in einer Urkunde des Klosters
Lorsch bei Bensheim erwähnt wird, 1392 von Pfalzgraf
Ruprecht II. als selbständige Gemeinde aufgehoben und mit
seiner ausgedehnten Mark die des engen Heidelberg vergrößern
mußte, lagen etwa einen Kilometer unterhalb der neuen Brücke,
zwischen Neckar, Bergheimerstraße, Kirchstraße und Mittermaier-
straße. Die einzig sichere, bis jetzt bekannte Nachricht über sie
scheint eine gelegentliche, wohl aus den Urkunden geschöpfte
Mittheilung des Heidelberger Rechtsgelehrten Hartmann von
Epptngen (kraot. obs. I. II) zu sein, nach welcher die Einkünfte
der Bergheimer Pfarrkirche nach Heidelberg übertragen worden
sind. Ihrer Selbständigkeit beraubt, mag sie noch eine Zeit lang
als Todtenkapelle benützt worden sein, bis sie zerfiel oder in
Kriegszeiten zerstört wurde, dann gleich der Michaelsbasilika auf
dem Heiligen Berg als Steinbruch diente und schließlich völlig
von der Oberfläche verschwand. Daß dieselbe im Jahre 1392
schon auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurückblickte, lehrt
ein Blick auf die Kirchen der gleich alten Nachbardörfer, wie
Handschuhsheim mit seinem zur Hälfte noch romanischen Thurm
oder St. Ilgen mit seinem interessanten romanischen Westportal.
Durch die oben erwähnten Grabungen wurden dieGrund-
mauern des Chores und Thcile der Nordmauer und der West-
mauer des Langhauses, besonders dessen nordöstliche und nord-

westliche Ecke, aufgedeckt; den Zug der ausgebrochenen Mauer-
strecken verriethen Auffüllungen von Bauschutt. Der Grundriß
der Kirche ist dem der Handschuhsheimer Kirche ähnlich, die
Maaßverhältnisse (bei einer Länge von rund 25 m und einer
Breite von 11m) kleiner; hier wie dort schließt der Chor mit
einem halben Sechseck ab. Ob das Schiff durch steinerne oder
hölzerne Stützen in Mittel- und Seitenschiffe gegliedert war,
könnte nur durch weitere Grabungen festgestellt werden. Für
einen Thurm ergaben sich bisher keine Anhaltspunkte; vielleicht
besaß die Kirche bloß einen Dachreiter. Die Stärke der Grund-
mauern wechselt zwischen 1,20-und 1,50 Meter; ihr Bruchstein-
werk gibt keinerlei chronologische Anhaltspunkte. Irgend skulpirte
oder Inschriften tragende Steine fanden sich bis jetzt leider nicht.
Auch die aufgefundenen Münzen, drei Brakteaten, gestatten keine.
Schlüsse auf die Erbauungszeit der Kirche.
Längs der Westmauer, innerhalb der Kirche, kamen eine An-
zahl Steingrüfte zum Vorschein, deren Seitenwände z. Th.
aus mächtigen, bis auf den gewachsenen Boden hinabreichenden
Steinplatten, z. Th. aus Bruchsteinen bestehen. Die Deckplatten
tragen keinerlei Inschriften; nur auf einer ist ein Kreuz roh ein-
gemeißelt. Diese Grüften sind wohl wiederholt durch Nachbestat-
tungen und Plünderungen gestört worden; mit einer Ausnahme
enthielten alle nur eine Unmenge wirr durcheinander liegender
Gebeine, keine einzige eine Beigabe. Dies ist, wie auch Herr
Baurath Behaghel freundlich!! bestätigte, alles, was bis jetzt von
den aufgedeckten Trümmern auf die einstige Bergheimer Kirche
schließen läßt. . ,
Mitten zwischen den Steingrüften, innerhalb der Kirche, nahe
der Südwestecke, trat ein Töpferofen entschieden römischer Con-
struktion zu Tage. Derselbe ist in den gewachsenen Boden (Letten)
eingeschnitten; die Durchmesser des elliptischen Heizraumes betragen
1,55 und 1,40 Meter; in den Schürraum fand sich eme christliche
Steingruft eingebettet. Gegen den Schürraum fallen unmittelbar
südlich anstoßend, zwei kleine, in den Letten Angeschnittene Mulden
ab, welche ziemliche Mengen zweier Sorten Töpferthones enthielten.
Die aus den Heizkammern und dem Schürraum gesammelten
Scherben rühren aber nur zum kleineren Theil von römischen, /
zumeist von alamannischen Gefäßen her. Letztere zerfallen in zwei

Arten: Einmal feine, doppelkonische, glänzend blauschwarze Gefäße
jeglicher Größe und Wandstärke von zierlichster Prostlirung, beson-
ders der Ränder, und reichster Verzierung; letztere erstreckte sich
bei den größeren Gefäßen bis auf die Oberfläche der Ränder
und weist z. Th. eine Verbindung von Motiven auf — Stich-
ornament mit Wellenlinie — wie sie nach der Erklärung des
Herrn Prof. Dr. Schumacher, welcher vorige Woche im Aufträge
des Großh. Konservators der Alterthümer, des Herrn Geheimen
Rathes Wagner, die Grabstelle und die Funde einer genauen
Besichtigung unterzog, sonst nirgends in Baden vorgekommen.
Die technische Vollendung dieser Urnen berechtigt, dieselben in
frühalamanntsche Zeit zu setzen, wohl in das IV. Jahrhundert,
die reiche Dekoration der Gefäße läßt auf Wohlhabenheit der
damaligen alamannischen Niederlassungen in und um Heidelberg
schließen. Daß auch die Alamannen von Handschuhsheim von
den Bergheimer Töpfereien versorgt wurden, beweisen einzelne der
in den Alamannengräbern am Hainsbachweg im Frühjahr d. I.
gefundenen Graburnen. Neben diesen feinen, ausgesprochen doppel-
konischen Gefäßen wurde eine 2. Sorte alamannischer Gefäße in
diesem Bergheimer Töpferofen hergestellt, schmucklose, dunkelgraue
Töpfe von rauher Oberfläche, doch von tüchtiger Arbeit; auch von
ihnen fanden sich Vertreter in den Handschuhsheimer Alamannen-
gräbern. Zwischen all diesen Gefäßscherben wurde noch ein Splitter
eines römischen Gefäßes torra sigiUata, und alamannische Messer
in den Heizkammern gefunden.
An der Nordwand des Langhauses scheint ein zweiter Töpfer-
ofen bestanden zu haben; der gewachsene Boden ist an der betr.
Stelle steinhart gebrannt und auf ihm lagerten unter Holzkohlen
die Scherben alamannischer Urnen, von denen einer völlig zu einer
Handschuhsheimer Graburne stimmte.
Unmittelbar östlich des Schürraumes genannten Töpferofens
in der Südwestecke der Bergheimer Kirche fanden die Arbeiter
zwei Scherben von cigenthümlichem Gepräge. Herrn Dr.
Schoetensack dahier, der zufällig zur selben Stunde auf die
Grabstätte kam, gebührt das Verdienst, diese L-cherben beachtet
und als der jüngeren Steinzeit angehörig fcstgestellt zu
haben. Sofort ward die betr. Stelle unter dankenswerther Mit-
wirkung des Herrn Dr. Schoetensack in Angriff genommen und auf
 
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