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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0497

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Fernsprech-Anschlnß Nr. 82

Nl-. m.

Freijaz, de« 12.M«i

1899.

Die „Los von Rom"-Belvegung in Oesterreich.
Gegen die Leisetrcterci der höchsten evange-
lisch en Behörden Oesterreichs, insbesondere gegen
jenen Erlaß des Wiener Oberkirchenraths vom 17. April,
worin den Geistlichen die Beteiligung an der „Los von
Rom"-Bewegung verboten wird, richtet der in Klageufurt
erscheinende Oesterrcichische Protestant eine bemerkenswerthe
Kundgebung. Darin heißt es u. A.:
Hat irgend ein römisch katholischer Kirchcnfürst in Oesterreich
dem Klerus die Theilnahme am politischen Leben untersagt? Im
Gegentheil, die energische Unterstützung und Förderung der kleri-
kalen Partei verlangt man von den katholischen Geistlichen. Und
den evangelischen Geistlichen allein sollte es versagt sein, in dieser
unruhigen, gährenden Zeit ein mannhaftes Wort zur Klärung
zu sprechen? Der oberkirchenräthliche Erlaß hängt unzweifelhaft
mit der jüngst erfolgten Auflösung einiger politischer und nicht-
politischer Vereine zusammen. Der Verein evangelischer Glau-
bensgenossen Augsburger Bekenntnisses in Wien hatte sich erkühnt,
das Vorgehen des Oberkirchenraths einer Kritik zu unterziehen,
und auf der Jahresversammlung des deutsch-nationalen Vereins
hielt ein Wiener evangelischer Pfarrer eine unpolitische Gedächt-
nißrede auf Bismarck Sind das nicht schreckliche Dinge? Da
muß doch gleich wieder der Hemmschuh eingelegt werden. Also
hütet Euch, Ihr Träger des geistlichen Amtes, vor der Theil-
nahme am politischen Leben!
Das Blatt weist dann darauf hin, daß die Behörde
zwar die politischen Pastoren mit dem Bann belegt, aber
doch mit den politischen Pastoren gut Freund ist, nämlich
mit denen der Regierungspartei, zumal wenn diese selbst
Mitglieder des Kirchenregiments sind. Schließlich geht
das Blatt mit dem ganzen Verhalten der Behörde ernst-
haft wie folgt in's Gericht:
Die oberste Kirchenbehörde hat es für gut befunden, ein
mahnendes Wort an die evangelischen Seelsorger zu richten. Es
wäre aber auch an der Zeit, wenn diese Behörde sich selbst an
die eine und andere Pflicht erinnern wollte. Unstreitig gehört
es auch zu den Pflichten der obersten Kirchenbebörde, die evan-
gelische Kirche vor den maßlosen Angriffen und Verdächtigungen,
wie wir sie in der Gegenwart erfahren müssen, energisch zu
schützen. Alle Augenblicke werden von der Regierung evange-
lische Schriften, wenn sie auch noch so harmlos seien, verboten.
Wie gern hörte man da vom Oberkirchenrath ein mannhaftes
Wort zum Schutze der Ehre unserer Kirche. Durch die Ucber-
trittsbewegung wird es zur Gründung neuer Gemeinden und
Prcdigtstalionen kommen. Wie soll dem Seelsorgermangcl ab-
geholfen werden, unter dem wir jetzt schon leiden? Man sagt,
die Regierung würde dem Import evangelischer Theologen aus
Deutschland erhebliche Schwierigkeiten entgegensetzen. Auf die
Beseitigung solcher Hindernisse bedacht zu sein, und dafür zu
sorgen, daß das Häuflein deutscher Jünglinge, die sich dem Stu-
dium an unserer evangelischen Fakultät widmen, immer mehr
wachse. Alles in Allem also für das Recht und tue Wohlfahrt
unserer Kirche, für die unbehinderte Ausbreitung evangelischen
EhristenthumS unbeugsam einzutreten, das ist der wichtige und
erhebliche Pflichtenkreis, in dem seine Arbeitsfreudigkeit und seine
begeisterte Liebe zur Kirche zu bethätigen dem Oberkirchenrath
gerade in dieser ernsten Zeitlage vollauf Gelegenheit geboten ist.
Und in diesem Sinne ruft gewiß die Mehrzahl der berufenen
Hirten und Lehrer unserer Gemeinden der obersten Kirchenbehörde
zu: „oavsant eonsulss!"
Leider ist, so fügt der Oester. Prot, hinzu, von dieser
Behörde keinerlei Initiative zu erwarten. Das hat die
evangelische Kirchengeschichte Oesterreichs in den letzten 50
Jahren zur Genüge erwiesen. Dafür dürfte es dem Ober-
kirchenrath aber auch schwer fallen, seinen Drohungen
Thaten folgen zu lassen.

Deutsches Reich.
— Die Postcommission des Reichstages beendete
am 10. d. die Berathung der Postnovelle und nahm mit
geringen Aenderungen die Paragraphen betreffend die Ent-
schädigung der Privatpostanstalten mit einer
Resolution an, die möglichstes Entgegenkommen den kleinen
Anstalten gegenüber empfiehlt. Die Commission nahm den
Paragraphen betreffend die Entschädigung der Privatpost-

beamten in folgender Gestalt an: Die Entschädigung beträgt
nach drei Monaten bis sechs Monaten Beschäftigungsdauer
I Zwölftel, nach einem Jahr 2 Zwölftel, ein einhalb Jahren
3 Zwölftel, nach zwei Jahren 4 Zwölftel, nach drei Jahren
6 Zwölftel, nach vier Jahren 9 Zwölftel, nach fünf Jahren
II Zwölftel, sodann für jedes weitere Jahr 3 Zwölftel
des letzten Jahresgehaltes. Das Jahresgehalt über
5000 Mk. bleibt unberechnet. Bei Uebernahme in den
Reichspostdienst werden die Privatdienstjahre voll als
Reichsdienstjahre ungerechnet.
— Das Reutersche Bureau meldet aus Apia vom
10. d., ein Waffenstillstand mit den Samoanern ist
zustande gekommen. Capitän Sturdee betrat mit einem
Missionar die Linie der Mataafaleute. Jedermann erwartet
ruhig die Ankunft der Commission. Ein britischer
Pflanzer, der sechs Wochen lang von den Mataafaleuten
gefangen gehalten wurde, traf in Apia ein; die Mataafa-
leute hatten ihn wiederholt mit Kopfabschneiden bedroht.
Der „Royalist" ging nach England ab. Der neue Ge-
meindepräsident Dr. Solf ist in Apia angekommen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 10. Mai. Das Haus
ist stark besucht.
Präsident Gras Ballestrem eröffnet die Sitzungum
1 Uhr 20 Minuten.
Zweite Berathung der Novelle zum Jnvalidengesetz.
Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragt Abg. Singer
(Soz.), die Berathung des Gesetzentwurfs zu Verlagen, da der
Bericht noch nicht lange genug in den Händen der Mitglieder
sei. Wir wollen, erklärt der Redner, ebenso wie der Präsident
die Berathung energisch fördern und nicht verzögern. Die Vor-
lage enthält aber so einschneidende Bestimmungen, namentlich für
die Versicherungsanstalten, daß sie sehr sorgsam beraihen werden
muß. Ich schlage daher vor, die zweite Lesung erst nach Pfing-
sten vorzunehmen. Wenn der Bundesrath die Vorlage schon vor
Pfingsten fertig gestellt haben wollte, so hätte der Reichstag
eben früher einberufen werden müssen. (Allgemeine Zustimmung.)
Wir haben keine Ursache, uns dem Wunsche des Buudcsralhes
zu beugen.
Präsident Graf Ballestrem: Es sei ein Jrrthum, daß er
sich bei Ansetzung dieser zweiten Berathung dem Willen des
Bundesrathes gebeugt habe. Er bitte dem Antrag Singer keine
Folge zu geben.
Abg. Dr. Lieber (Centr.j: Durch die Worte des Präsiden-
ten sei seine Partei in dem Entschluß bestärkt worden, diezweite
Berathung schon heute zu beginnen.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Der Bericht enthalte Fehler
und Widersprüche, die vor der zweiten Lesung daraus entfernt
werden müßten.
Abg. Schmidt-Elberfeld (freis. Volksp.): Der Bericht sei
nicht übereilt angefertigt worden.
Abg. Dr- v. Levetzow (cons.): Die Fehler könnten während
der zweiten Berathung ausgemerzt werden. Seine Partei wolle
die Tagung nicht weit über Pfingsten ausdehnen.
Abg. Müller-Sagau (freis. Verein.) spricht sich für die
Vertagung ans.
Abg. Singer (Soz.): Seine Partei werde nicht dulden,
daß solche für Arbeiter höchst wichtige Vorlagen von einem be-
schlußunfähigen Hanse erledigt werden.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Wenn es sich auch nur um
ein Gesetz für arme Leute handle, müsse es ernst behandelt
werden.
Präsident Graf Balle st rem stellt fest, daß der Reichstag
die Gesetze nicht danach behandle, ob sie für reiche oder für
arme Leute gemacht werden.
Der Antrag Singer wurde abgelehnt; dafür stimmten nur
die Sozialdemokraten und ein Theil der freisinnigen Volkspartei.
Das Haus tritt in die Berathung ein.
Zu Z 1 erstattet Abg. Hofmann» Dillenburg den Bericht
der Commission.
Abg. Stadthagen (Soz.) begründet einen socialdemokra-
tischen Zusatzantrag. Hausgewerbetreibende seien nicht selbstän-
dige Unternehmer und müßten daher ebenfalls versichert werden.
Eine facultative Versicherung genüge nicht.
8 1 wird angenommen, der sozialdemokratische Zusatzantrag
in namentlicher Abstimmung mit 180 gegen 3g Stimmen ab-
gelehnt.
Die ZZ 2 bis 3 werden angenommen. Zu 83a, Beiträge
des Arbeitgebers für ausländische Arbeiter, liegt ein Antrag Al-

brecht und Genossen auf Streichung vor, eventuell sei dem Ar-
beitgeber die doppelte Entrichtung des Betrages, der auf ihn ent-
falle aufzuerlegen.
Abg. Molkenbuhr (Soc): Die Prämiirung auf Be-
schäftigung ausländischer Arbeiter solle verhindert werden.
Abg. v. Loebel (cons.): Die Beschäftigung solcher Arbeiter
sei für den Grundbesitz leider eine Nothwendigkeit geworden.
Abg. Molkenbuhr (Soc.): An der Leutenoth im Osten
seien thcilweise die Agrarier selbst schuld.
Es geht ein weiterer Abänderungsantrag ein, daß im Aus-
lande beschäftigte deutsche Arbeiter sich selbst zu versichern hätten.
Gegenüber dem Abg. Stadthagen (Soc.) spricht Staatssekretär
Dr. Graf v. Posadowsky seine Ueberraschung ans, wie er
deutsche Staatsbürger polnischer Nationalität auf dieselbe Linie
mit indischen Kulis stellen könne. Wenn die Arbeiter im Westen
besser gelöhnt würden, so liege das an der besseren wirthschaft-
lichen Lage im Westen.
Abg. o. Jazdzewski (Pole): Die Angriffe Stadthagens
gegen die polnischen Arbeiter streiften hart an einen Verstoß gegen
die Ordnung des Hauses. (Beifall rechts.)
Präsident Graf Ballestrem: Die Ordnung des Hauses
nehme ich von dieser Stelle aus wahr.
Abg. Molken buh r (Soc.): Wenn die Heranziehung aus-
ländischer Arbeiter dazu diene, die Lage der deutschen zu schädigen,
so laufe das dem Arbeiterinteresse zuwider. Deshalb verurtheile
die Socialdemokratie die Beschäftigung polnischer Arbeiter im
Osten unter den jetzigen Verhältnissen.
Abg. Graf Klinckowström (cons.): Die ostpreußischen
Agrarier behandelten ihre Leute nicht so schlecht, wie Abg. Haase
ihnen vorgcworfen habe. Er bestreite, daß Haase seine Er-
fahrungen wirklich in Ostpreußen gemacht habe. (Oho! bei den
Socialdemokraten) Er erinnere daran, daß ein socialdemokratischer
Besitzer in Ostpreußen sich geweigert habe, Kurkosten für einen
verunglückten Arbeiter zu zahlen, und im Verwaltungswege dazu
gezwungen wurde. (Lärm; hört! hört! rechts.) Die gemeinge-
fährliche Agitation der Socialdemokratie in Ostpreußen Hetze die
Leute auf. (Lachen und Lärm links.)
Abg. Stadthagen (Src.), mit Lärm empfangen: Die länd-
lichen Arbeiter in Ostpreußen verdienten weniger, als der
preußische Staat für die Unterhaltung eines Zuchthäuslers auf-
wende. Die Ausführungen Graf Posadowskys hätten ihn sehr
belustigt.
Abg. Haase (Soc.): Graf Klinkowström könne den angeführten
Fall nur aus amtlicher Quelle haben, das beweise genug. Wenn
die Sache wirklich so läge, wie ausgeführt, würde die Social-
demokratie sie zu allererst verurtheilen. Es handle sich aber nicht
um einen ständigen Arbeiter, sondern der Betreffende war nur
von einem benachbarten Dorf zu einer bestimmten Arbeit engagirt.
(Lachen rechts.)
Ein Vertagungsantrag wird angenommen. Freitag 1 Uhr
Weiterberathung. Schluß 6 Uhr.
Baden, ff Aus Baden, 9. Mai. Der schon lange
glimmende Funke des Zwistes zwischen den badischen
Demokraten und den Freisinnigen ist nunmehr zu
Hellen Flammen emporgeschlagen. In der Presse der früher
in einem Parteiverband vereinigten Parteien ist man schon
so weit gekommen, daß man sich die größten Grobheiten,
die man sonst nur für die Nationalliberalen in Bereitschaft
hatte, gegenseitig an den Kopf wirft. Die Freisinnigen
erheben gegen die Demokraten den Vorwurf, daß sie
durch ihr Bündniß mit dem Centrum der Entwickelung der
freiheitlichen Sache in Baden aus eigener Kraft ein Hin-
derniß in den Weg legen, und die Demokraten erheben
gegen die Freisinnigen den schrecklichen Vorwurf der Ver-
brüderung mit den Nationalliberalen. Den direkten Anlaß
zum offenen Ausbruch der schon längst im Geheimen be-
lebenden Feindseligkeiten bildete ein Artikel des Mann-
heimer freisinnigen Organs, in welchem in der bekannten
bescheidenen Art, die nun einmal eine Eigenlhümlichkeit
unserer bürgerlichen Radikalen ist, behauptet wird, d aß die ganze
liberale und freiheitliche Zukunst unseres Landes nur auf den
Schultern der Freisinnigen ruhe. Das war in den Augen
der Demokraten ein Akt unlauteren Wettbewerbs, denn
das Patent, das Land Baden einer freiheitlichen Ent-
wickelung entgegenzuführen, besitzen die Demokraten schon
eit Jahrzehnten, ebenso das Recht des polizeiwidrigen Aus-
schneidens und der phrasenhaften Großmannssucht. Es

4)

Casars Frack.
Humoreske von Reinhold Ortmann.

(Fortsetzung.)
Der unerwartete Bescheid brachte ihn ganz aus der
Fassung, aber er sagte sich, daß es dafür nur eine einzige
Erklärung geben könne, und er fragte in aufrichtiger Be-
wrgniß:
„Mrs. Taylor befindet sich also nicht wohl?"
„O, ich denke doch. Wenigstens habe ich nicht bemerkt,
daß ihr etwas fehlt."
„Oder sie ist noch bei der Toilette?"
Die Zofe schüttelte spöttisch lächelnd den Kopf.
„Jetzt um zwölf Uhr? Nein, mein Herr, die gnädige
Frau pflegt schon um neun Uhr Morgens fertig zu sein."
„Und sie hat Ihnen nicht mitgetheilt, aus welchem Grunde
>ie mich nicht empfangen kann? Hat Ihnen nicht aufgetragen,
biir zu sagen, wann ich wieder kommen dürfte?"
„Nichts von alledem. Sie sagte mir nur, was ich Ihnen
busaerichtet habe."
y Dabei warf die Kleine so unzweideutige Blicke nach der
Ausgangsthür, daß Werner Holmfeld wohl erkennen mußte,
ü>ie unangebracht sein längeres Verweilen sei. Ganz betäubt
Und verwirrt von der schrecklichen Enttäuschung, die ihm da
hu Theil geworden, verließ er das Haus und ging wie ein
Träumender die Straße hinab. Er hatte indessen noch keine
dreihundert Schritte zurückgelegt, als er sich von einer wohl-
bekannten Stimme angerufen hörte:
^ „Nun, mein Lieber," redete ihn Cäsar Gregory an, „Dein
Besuch bei der schönen Amerikanerin muß ja verteufelt kurz
üerathen sein. Und für welche andere Göttin find denn die
brachtvollen Rosen bestimmt, die Du da zum Vergnügen der
Einwohner über die Straße schleppst?"
„Mein Besuch?" Werner lächle ingrimmig auf. „Ja,
wahrhaftig, er war kurz genug, denn sie hat mich durch ihr
Tienstmädchcn abweisen lassen wie einen Bettler. Ich war
ihr gerade gut genug zum Zeitvertreib für ein paar Stunden.

Nun, da sie des Spiels aus irgend einem Grunde überdrüssig
geworden ist, wirft sie das Spielzeug einfach bei Seile."
Er machte eine Bewegung, als ob er nun auch die für sie
bestimmt gewesenen Blumen wüthend von sich schleudern
wolle. Cäsar Gregory aber verhinderte cs, indem er sie ihm
aus der Hand nahm-
„Nicht doch! Es wäre schade darum, denn soweit ich mich
darauf verstehe, hat das Kraut wenigstens sechs Mark gekostet.
Gieb es mir — vielleicht finde ich noch eine angemessene
Verwendung dafür. Deine Wittwe also hat Dich abblitzen
lassen? Und Du weißt nicht einmal weßhalb?"
„Ick ahne eS nicht. Selbst wenn die Kühnheit meiner
Verie sie verletzt hätte, wäre doch diese Art der Abweisung
eine Strafe, die ich wahrhaftig nicht verdient hatte."
„Na, Du mußt's nicht so tragisch nehmen. Weiber haben
eben ihre Launen. Und ist es nicht die, so ist es eine andere.
Spüle den Aerger mit einem Glas Wein hinunter, das ist
daS Beste. Ich würde Dir dazu gerne Gesellschaft leisten,
aber ich habe noch ein paar nothwendige Besuche zu machen.
Guten Morgen!"
Und er ging elastischen Schrittes davon, die I-a L'rsnos-
Rosen in der Hand. Zehn Minuten später batte er Mrs.
Taylor's niedlichem Kammerkätzchen seine Karte überreicht
und sie dabei mit verliebtem Lächeln in die rosige Wange
gekniffen, wie er immer that, wenn seine Kasscnverhältnisse
ihm die Ersparung des Trinkgelds wünschenswerth scheinen
ließen.
Sie verschwand erröthend und kam schon nach sehr kurzer
Zeit mit der Meldung zurück:
„Mrs. Taylor läßt bitten."
Stolz und aufrecht, ein Lächeln der Siegeszuversicht auf
den Lippen, betrat Cäsar Gregory den reizenden kleinen
Salon, in welchem die Amerikanerin ihn erwartete. Mrs.
Helen sah heule nicht so frisch und blühend aus wie sonst,
und ein scharfer Beobachter wäre vielleicht sogar auf die
Vermuthung gekommen, daß die Mattigkeit ihres Blickes und
die leichte Röthung ihrer Augenlider von reichlich vergossenen
Thränen hcrrühren könnten. Cäsar aber nahm es für eine

natürliche Folge der halb durchschwärmten Nacht und ließ
sich im übrigen durch ihre Blässe nicht hindern, der jungen
Wittwe das unterwegs vorbereitete Kompliment zu machen,
das ihr Aussehen höchst poetisch mit dem der demülhig über-
reichten Rosen verglich.
„Wie schön !" sagte sie freundlich, indem sie ihr allerliebstes
Näschen den Blumen näherte. „Ich danke Ihnen, Herr
Gregory! Gerade meine besonderen Lieblinge sind es, mit
denen Sie mich da erfreuen."
„Ich wußte, daß es so sein müsse. Gleich gestimmte
Naturen harmoniren eben in allen Fragen des Geschmacks."
Er hatte, ihrer Einladung folgend, Platz genommen und
begann nun in der weltmännisch sicheren Weise, um die
Werner Holmfeld ihn oft beneidet halte, von allen möglichen
Dingen zu plaudern — auch von dem gestrigen Ball, an dem
! er leider nicht habe tbeilnehmen können, weil das unwider»
! stehliche Bedürfniß, sei» Drama bald zu vollenden, ihn bis
! tief in die Nacht am Schreibtisch festgehalten habe.
„Wir armen Poeten sind nun einmal die Sklaven unseres
Genius," seufzte er, um dann lächelnd hinzuzufügen:
„Uebrigens war es ein Glück für meinen Freund Holmseld.
daß ich um der heiligeren Pflicht willen der lockenden Ver-
suchung widerstand, denn ich hätte ihm sonst ja nicht mit
meinem Frack aus der Verlegenheit helfen können."
Und wie man eine lustige Anekdote erzählt, sprach er von
dem großmüthigeu Dienst, den er dem Doktor erwiesen. Mrs.
Taylor aber lachte nicht darüber, sondern ihr hübsches Ge-
sichtchen wurde vielmehr von Sekunde zu Sekunde nachdenk-
licher und gespannter. ^„ . „ ..
„Trägt sich Ihr Freund so altmodisch, wie sie es schildern,
so sollten Sie ihm rathen, seinen Schneider zu wechseln."
sagte sie mit einer Bedeutsamkeit, die Cäsar Gregory nicht
recht verstand.
„Ich würde ihm den meinigen empfehlen, aber um einen
Künstler wie Kronenwerth zu bezahlen, reichen die Einkünfte
des armen Holmfeld leider nicht aus." ...
(Fortsetzung folgt.)
 
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