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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Mnia-, den IS. Juni

1899.


Zur Lage des Arbeitsmarktes.
Eine merkwürdige Erscheinung ist auf dem deutschen
Arbeitsmarkte eingetretcn: Arbeitslosigkeit als
Folge g ü n st i g e r G e s ch ä f t s l a g e! Die Berliner
Monatsschrift Der Arbeitsmarkt führt hierüber Zn ihrer
neuesten Nummer aus: Die Kohlenbergwerke können in
der Hochkonjunktur nicht mehr allen Anforderungen gerecht
werden; dies führt bereits zur Betriebseinschränkung in
manchen Industrien. Wenn speziell die Hochöfen sich ein-
schränken müssen, so macht sich der entstehende Mangel an
Koks, Roheisen unv Halbzeug an den verschiedensten Stellen
der Maschinen- und Metallindustrie geltend. So zeigt sich
in der Hochkonjunktur auf der einen Seite Arb ei ter-
mangel und als dessen Folge auf der anderen Seite
Arbeitslosigkeit. Arbeitermangel kommt im Kohlen- und
Eisengewerbe zwar in jedem Frühjahr stellenweise vor.
Was aber in diesem Jahre darüber berichtet wird, über-
steigt alles sonstige Maß. Nach Schätzungen, wie
sie in die Tagespresse übergegangen sind, sollen allein im
niederrheinisch-westfälischen Bergbau zur Zeit 15 000 Berg-
leute fehlen. Ob der Arbeitermangel nun freilich allein
an der Koks- und Kohlennoth schuld ist, deren Folgen so
einschneidend für den Arbeitsmarkt sind, wäre noch zu
untersuchen. Wenn zum Beispiel die dem Kohlensyndikate
angehörigen Zechen ihr Quantum an Kohle nicht fördern,
das Syndikat also darum außer Staude ist, seinen Licfer-
verpflichtungen nachzukommen, so wird der Vermuthung
Ausdruck gegeben, daß die Abnahme der Förderleistung
gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nicht immer auf
den Arbeitermangel, sondern vielmehr zu einem guten Theil
auf den Wunsch der Zechen nach einer weiteren Steigerung
der Kohlenpreise zurückzuführen sei. Diese Vermuthung
ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen, da der
Arbeitermangel sich mehr auf die Gruben und Zechen be-
schränkt, deren Kohlenproduktion neu, also bei der Ueber-
«ahme von Lieferungen für das laufende Jahr noch nicht
Mit in Rechnung gezogen ist. Die widerspruchsvollen Er-
scheinungen des Arbeitsmarktes treten auch darin zu Tage,
daß die Arbeitsnachweise ein günstiges, die Krankenkassen
weit eher ein ungünstiges Zahlenbild geben. Die Arbeits-
nachweise sind andauernd außer Stande, so viel Arbeiter
Zu beschaffen, wie von ihnen verlangt wird; auf 100 offene
Stellen kamen im Mai dieses Jahres nur 98,9 Arbeit-
suchende (gegen 114,1 im Vorjahre). .Hingegen hat im
Laufe des Mai der Mitgiedcrbestand der Krankenkassen um
1 Prozent weniger zugenommen als im Vorjahre (nämlich
Nur um 0,6 Prozent gegen 1,6 Prozent). Allerdings muß
bei günstiger Lage schließlich auch einmal die Zunahme
stocken, wenn neue Arbeiter nicht mehr vorhanden sind;
»der eine ganze Anzahl von Kassen (so die meisten Ber-
liner) zeigt direkt einen Rückgang der Beschäftigten. In
Manchen Berufen ist die Zahl der Beschäftigten selbst ge-
ringer als im Vorjahre. Im Baugewerbe zeigt sich jetzt,
was der Arbeitsmarkt schon oft warnend vorhersagte, daß
rin milder Winter auf das Baubcdürfniß im Sommer
berringernd wirken mutz.

Der Papst über Bismarck.

Kürzlich sprachen im Vatikan zu Rom nieder-
ländische Pilger vor, in deren Gesellschaft sich auch der
päpstliche Legat im Haag, Tarnassi, befand. Papst
Leo XIII. sagte in einer Ansprache an die Pilger:

. Man hat mich von der Friedenskonferenz ausge-
schlossen; die niederländischen Katholiken sind nicht schuld daran;
5fin, die, die Rom dem Papst geraubt haben, sind es, welche
Ae Ausschließung des souveränen Oberpriesters bewirkt haben.
-Mn, es sei sol Aber erinnert euch jenes Mannes in
Deutschland, erinnert euch Bismarcks! Er, der große
Staatsmann, der scharfsinnige Diplomat, rief
°merzeit meine Vermittlung an, als ein Krieg zwischen Spanien
Ich Deutschland auszubrechen drohte; ich mußte zwar den

Spaniern Recht geben, allein auch ihm, dem Gewaltigen,
in verschiedenen Punkten nachgeben, sodaß schließlich beide Theile
zufrieden waren. Dies ist aus vielen anderen ein sprechendes
Beispiel, daß der Statthalter Christi auf Erden der Friedens-
stifter sein kann.
Der Papst in Rom, ein Italiener, denkt doch um ein
gut Stück besser und dankbarer von Fürst Bismarck, als
so manches kleinliche und gehässige Centrumspäpstlcin in
Deutschland, das dem Altreichskanzler seine geniale Größe
noch übers Grab hinaus nachträgt.

Von der Abrüstungs- und Friedenskonferenz.
Haag, 17. Juni. Die erste oder Abrüstungs-
kommission ist in ihren Arbeiten vollständig ge-
scheitert. Die amtlichen Mittheilungen an die Presse
über die Arbeiten der Unterkommission sprechen zwar von
Annahme einiger Anträge durch Stimmenmehrheit, aber
durch diese Mehrheitsbeschlüsse ist gar nichts erreicht, denn
in den Vollversammlungen müssen die Anträge bekanntlich
einstimmig angenommen werden. Diese Einstimmigkeit wird
aber für keine einzige von all den Fragen erreicht werden,
mit denen sich die Unterausschüsse der ersten Kommission
zu befassen haben. — Der Türkei ist cs sehr unangenehm,
daß Armenier und andere der türkischen Herrschaft unter-
worfene Volksstämme die Konferenz mit Bittgesuchen und
Vorstellungen bestürmen. Sie droht deshalb die Abberufung
ihrer Vertreter an.
Eine deutsche Feier in Texas.
Wie wir der Nr. 36 des Texas-Volksboten vom
19. Mai d. I. entnehmen, fand kürzlich zu Brcnham
im Staate Texas eine erhebende deutsch-vaterländische Feier
statt, die Ueberreichung der von unserem Kaiser gestifteten
Erinnerungsmedaille an die in dortiger Gegend wohnenden
Kriegsveteranen von 1864, 1866 und 1870.
„Es war", so schreibt das genannte Blatt, „eine statt-
liche Kompagnie, 84 Mann stark, die zum Parademarsch
unter Führung des Herrn A. von Kalckstein und seiner
Unteroffiziere Schill, Zwahr und Nowack antrat. Die
meisten in Ehren ergraut, viele die Brust mit den Denk-
münzen der drei Kriege geschmückt, auch vier eiserne Kreuze
waren vertreten. Es müssen eigentümliche Gedanken ge-
wesen sein, welche diese Helden dreier Kriege durchbebten,
als sie hier in weiter Ferne unter den Klängen lang ent-
behrter vaterländischer Weisen zu einer Ehrung zusammen-
traten, wie sie wohl noch nie stattgefunden hat und wie
sie in gleicher Sinnigkeit nur der Patriotismus und die
rührende Pietät des Enkels des großen Kaisers ersinnen
konnte. Er hat durch diesen Akt nicht nur die Veteranen
geehrt und das Andenken an die Großen jener Tage von
Neuem wachgerufen, — er hat vor allem auch dem
deutschen Namen einen neuen Klang gegeben und sein An-
sehen gehoben, was gerade zur jetzigen Zeit der schweren
Anfechtungen dem deutschen Herzen doppelt wohlthut."
Von diesem Gedanken war auch die glänzende Festrede
des Herrn Richard Kleine getragen, die in einem mit Be-
geisterung aufgenommenen Hoch auf Kaiser Wilhelm II.
gipfelte. Nach Ueberreichung der Medaillen wurde ein
Telegramm an den Kaiser abgesandt, das diesem die Ver-
sicherung des Dankes und treuester Ergebenheit der ganzen
dortigen Bevölkerung übermittelte.
Die Feier, die noch durch die Vorträge des deutschen
Gesangvereins „Vorwärts" verschönt wurde und an die
sich ein Exerziren der Feldartillerie anschloß, trug das
Gepräge deutscher Vaterlandsliebe und Treue und auch
echt deutschen Frohsinns, und wie es allen Bethciligten in
steter Erinnerung bleiben wird, so wird es auch dazu bei-
tragen, die Anhänglichkeit an die alte Heimath in dem
heutigen, wie in dem Heranwachsenden Geschlechts zu stär-
ken und zu erhalten.

Deutsches Reich.
Deutscher Reichstag. Berlin, 17. Juni. Zweite
Lesung des Handelsprovisoriums mit England.
Abg. v. Levetzow und Genossen beantragen, dem Bundes-
rath nur bis zum 30 Juli 1900 Vollmacht zu ertheilen.
Abg. v. Wangen heim und Genossen wollen England nur
dann Meistbegünstigung gewähren, wenn weder in England noch
in dessen Kolonien eine Verschiebung zu Ungunsten Deutschlands
eintritt.
Abg. v. Levetzow (kons.) beantragt zwei Resolutionen über
die Aufstellung eines neuen Generaltarifs und die Einführung
zweckentsprechender Ursprungszeugnisse und über die Aufhebung
von Werthzöllen und Zollzuschlägen.
Abg. Dr. Lieber (Centr.) billigt den Antrag Levetzow und
die Tendenz der Resolutionen, welch letztere aber aus der Vor-
lage losgelöst werden müßten, da diese keine Feindseligkeiten gegen
England enthalten solle. Dasselbe gelte von dem Anträge
Wangenheim.
Abg. Dr. Hahn (B. d. Landw.): Der Antrag Wangenheim
sei England nicht feindlich. Er drücke nur die Entschlossenheit
aus, die deutschen Handelsinteressen gegenüber dem Auslande
besser zu schützen.
Abg. Graf Kanitz (kons.) kündigt an, daß er demnächst einen
Antrag im Sinne der Resolution Levetzow einbringen werde.
Abg. v. Levetzow (kons.) zieht seine Resolution zurück.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Die Ursprungs-
zeugnisse würden dem deutschen Handel ungeheure Lasten auf-
bürden. Auch der Antrag Wangenheim sei nicht annehmbar,
denn er zwinge uns gegen das ganze britische Reich vorzugehen,
wenn nur ein Theil uns differenzire. Es sei nicht wünschens-
werth, in England den Verdacht zu erwecken, daß wir unnöthiger
Weise geneigt seien, eine Verstimmung hervorzurufen. Man könne
mit England freundschaftlich stehen, ohne über alle schwebenden
Fragen einig zu sein.
Abg. Heyl zu Herrnsheim (ntl.) kündigt einen Antrag
zur Sicherung des Entwurfs gegen die Differenztrung an. Der
Antrag Wangenheim wird mit Rücksicht darauf zurückgenommen.
Nach unerheblicher Debatte wird der Antrag Levetzow und
die Vorlage 1 angenommen. Ferner werden debattelos in dritter
Lesung angenommen das Uebereinkommen mit Uruguay über
Handels- und Schifffahrtsverträge, die Uebereinkunft mit Brasilien
über die Konsularvertretung, und die Novelle über die Rechts-
verhältnisse in den Schutzgebieten.
Es folgen Wahlprüfungen. Die Wahl der Abgg. Gamp
(Reichsp.), v. Waldow (cons.), v. Richthofen (cons.) werden für
giltig erklärt, über die Wahl der Abgg. v. Löbell (cons.), Böckel
(Antis.) und Müller-Rudolstadt werden Beweiserhebungen an-
geordnet.
Darauf wurden einige Petitionen erledigt.
Baden. Der Petersburger Korrespondent der Polit.
Corresp. meldet: Von unterrichteter Seite wird versichert,
daß die Kommentare, welche an die Rückgängigmachung
der Verlobung des Prinzen Max von Baden mit
der Großfürstin Helene von Rußland geknüpft
werden, unzutreffend sind. Ebensowenig als politische Rück-
sichten seinerseits bei der Verlobung im Spiele waren,
haben gegenwärtig Gründe politischer Natur zur Auflösung
der Verlobung beigetragen. Nach der Mittheilung cin-
geweihter Kreise ist vielmehr die allzugroße Verschiedenheit
im Alter und Temperament die einzige Veranlassung der
jetzigen Wendung gewesen. Der Vorgang wird auf die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen Petersburg und
Karlsruhe keinen nachtheiligen Einfluß ausüben, noch we-
niger darf daran gedacht werden, daß das ausgezeichnete
Verhältniß zwischen Petersburg und Berlin dadurch tangirt
werden könnte. (Die Thatsache, daß die Verlobung gelöst
wurde, wird durch diese offiziöse Auslassung somit be-
stätigt. Wenn einige deursche Blätter fortfahren, politische
Motive für die Aufhebung de: Verlobung zu suchen, so
erscheint uns das höchst als überflüssig. Die von Petersburg
ausgehende Erklärung: die Brautleute paßten nicht zu-
einander, ist doch durchaus plausibel. Vielleicht weil der
Grund so naheliegend und so alltäglich ist, suchen Manche
nach versteckten politischen Motiven. Ist nun die Aufhebung
eines Verlöbnisses auch immer ein unangenehmes Ding, so
darf man doch jedes Brautpaar beglückwünschen, das die
einmalige Unannehmlichkeit aus sich nimmt, um einem
dauernden Unglück zu entgehen, denn eine Ehe zwischen
Personen, die nicht zu einander passen, ist für beide Theile

Josephmeus Glück.
Erzählung von A. von der Elbe.
(Schluß.)
> Die Verwandten aus Holland, die sogleich zur Uebernahme
'st Erbschaft zur Stelle gewesen waren, boten Josephine
siNen kleinen Beitrag zur Erziehung der Waisen an. Sie
Mnte aber ab. Ein kleines Kapital blieb für die Kinder aus
Nachlaß, und im Uebrigen gewährte es ihr eine Be-
erdigung, allein zu sorgen.
-. Auch der Landgerichtsrsth von Delbitz, der zur Beerdigung
Zves Sohnes herüberkam, überließ willig seine Rechte an
Enkelkindern der verständigen und wohlhabenden Josephine
Weinberg, der geschätzten Tochter seines alten Freundes, die
'w so liebevoll der verlassenen Kleinen angenommen hatte.
. .»Wir sind alte Leute, liebes Fräulein Josephe," sagte der
Mengte Vater mit dankbarem Händedruck, „und würden die
Mhe dieser kleinen, unruhigen Geschöpfe schwer ertragen.
Meine Töchter sind jetzt alle verheirathct, was sollten wir
Men mit den armen Kleinen!"
„Ich bin Ihnen sehr dankbar," erwiderte Josephine bc-
iM. „Mir giebt die Pflege und Erziehung der Kinder einen
chönen Beruf."-
> Ein Jahr ist nach dem Tode des jungen lebensfrohen
Mbjtz'schen Ehepaares verstrichen.
v Josephine erwartet, froh erregt, den Besuch ihrer Schwester,
persönlich kommt, um Josephine zu überreden, daß sie
und ihrer Familie Wunsch erfüllen und zu ihnen nach
Aladelphia übersiedeln möge.
^ Der große Garten prangt wieder im sommerlichen Grün
"d im schönsten Blumenschmuck.
L, Nach einem wehmüthig freudigen Empfange des lieben
Ries führt Josephine die stattliche Frau auf die Veranda,

wo die Schwestern Hand in Hand sitzen und Nächstliegendes,
der Eltern Tod und Ottiliens Familienglück, besprechen.
Dann fragt die junge Frau herzlich: „Und jetzt halten die
kleinen, fremden Kinder Dich hier so fest, daß alle meine
Bitten, zu uns zu kommen, bisher v-rgeblich waren?"
„Ja," erwiderte Josephine, indem ein frohes Lächeln und
ein seines Roch ihre Züge verschönt, „ja Ottilie, sieh nur
meine lieben kleinen Jungen, die ohne mich ganz verlassen
sind, dann wirst Du verstehen, wie sie mich hier festhalten."
Die Schwestern gehen in den Garten hinab und treffen
unter den hängenden Zweigen der Eschenlaube die Wärterin
mit den Kindern. Sie haben sich in dem Jahre gesund ent-
wickelt, sehen hübsch und blühend aus.
Der kleine Hans kommt seiner „Mama" lustig entgegen
gelaufen und hängt sich an ihr Kleid, während Bruno, noch
unsicher auf den Füßen, Josephinen die Arme entgegenftreckt.
Sie nimmt ihn auf, aus seinem Wagen, und sagt zu ihrer
Schwester:
„Das Gefühl, daß sie mein sind, daß ich ihre Liebe ge-
nieße. daß ich für sie sorge, daß ich eine Arbeit habe und
eine Verantwortung trage, giebt meinem Herzen und meinem
Leben Inhalt. Was kann ich mir Besseres wünschen?" —
Sie küßt das kleine, frische Kind auf ihrem Arm.
„Der Aeltere sieht seinem Vater, dem Thunicktgut, soviel
ich mich erinnere, lächerlich ähnlich; Du wirst Deine Last mit
ihm bekommen."
„Sie mögen von beiden Eltern ein unbändiges Tempera-
ment geerbt haben. Ich dars meine Ausgabe nicht leicht
nehmen, wenn es mir aber gelingt, genügsame, tüchtige
Menschen aus ihnen zu erziehen, und sie vor den Fehlern zu
bewahren, die ihre Eltern unfähig machten, eine ernste Schick-
salswendung zu ertragen, so wird dies das höchste Glück sein,
das ich mir für mein Leben erbitte."
— Ende. —

Kammermusik-Matinee.
Fr Heidelberg, 19. Juni.
Zum Besten der Bismarcksäule in Heidelberg wurde gestern
aus dem Kreise der Musikalischen in liebenswürdiger Weise eine
Beisteuer in Form einer Matinöe geleistet. Das Publikum zeigte
sich dem Zweck, wie den Darbietungen geneigt. Hr. Stenoldjr.
hat, wie immer, wenn er eine musikalische Veranstaltung leitet,
feinen, glücklichen Takt und Sicherheit bewiesen. Sein Klavier-
spiel bewährte auf's schönste die an ihm oft gerühmten Vor-
züge: bedeutende Technik, Klarheit und Empfindung bei reichem,
sympathischem Anschlag. In einer Reihe von Solonummern er-
freute Herr Brumm mit seinem ausgereiften, reichen Können.
Als Solistin hatte sich Frau Radig in bereitwilliger Weise
eingefunden, die mit glücklichem Vortrag eine der Pagenarien aus
„Figaro" und Lieder leichterer Art brachte.
Die Einleitung des Konzerts bildete das Quintett von Beet-
hoven für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott. Die
ungewohnte Klangwirkung bietet eine angenehme Abwechslung.
Das Andante und der Schlußsatz enthalten große Schönheiten.
Die Herren Sicnold, Henkelmann, Wollweber,
Thurmann, Dautenhahn hatten sich wacker in einander
eingelebt. vr. 8.

Kleine Zeitung.
— Darmstadt, 14. Juni. Der Landgerichtsdirektor
Küchler hier, dessen außeramtliche Thätigkeit durch den jetzt
schwebenden Prozeß Rapp in eine so wenig günstige Beleuchtung
gerückt wird, ist um seine Pensionirung eingekommen.
— Flüssigen Wasserstoff führte in London Professor Dewar
der Versammlung vor, die sich zur Feier des hundertjährigen
Bestehens der Royal Institution zusammengefunden hatte. Dewar
wies die klare, leicht flüssige Masse vor, die von so geringem
spezifischen Gewicht ist, daß ein Kork wie ein Stein darin versinkt.
 
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