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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Xr. IV6. Zweites SIE.

Smslsg, den 8. Mai

1889.

Zur „Los von Rom"-Betvegung in Oesterreich.
Anknüpfend an den vorgestrigen Bericht über den Vor-
trag des Herrn Pfarrer Bräunlich, der hier in weiten
Kreisen interessirt har, lassen wir hier den Hauptpassus der
schwächlichen Erklärung des Presbyteriums der Wiener
evangelischen Kirchengemeinde Augsburger Konfession fol-
gen. Er lautet:
„Das Presbyterium hat, um Mißdeutungen seines
bisherigen Schweigens gegenüber der Uebertrittsbewegung
vorzubeugen, einstimmig die Veröffentlichung folgender
Resolution beschlossen: Das Presbyterium muß lebhaft
wünschen, daß die bisher gedeihlich fortschreitende Entwick-
lung der evangelischen Kirche in Oesterreich, welche der-
selben durch die Staatsgrundgesetze und die Kirchenver-
fassung gewährleistet ist, nicht gestört werde. Weil nur
der aus religiöser Ueberzeugnng erfolgte Uebertritt zu einem
andern Glaubensbekenntnisse vom kirchlichen Standpunkte
aus zu billigen ist, muß das Presbyterium sich gegen jede
Ausnutzung des evangelischen Bekenntnisses zu politischen
Zwecken energisch verwahren."
Es ist klar, daß das Wiener Presbyterium in schwäch-
licher Weise einem Druck von oben nachgegeben hat, als
es diese Erklärung veröffentlichte.
Energisch und kraftvoll ist dagegen die Erklärung, die
eine große Anzahl Pfarrer und Presbyterien im Lande
zur Abwehr klerikaler Verdächtigungen erlassen.
Sechsundsiebzig deutsch-evangelische Pfarrer und Pres-
byterien — weitaus die Mehrzahl der in Betracht kom-
menden — haben sich zu folgenden Leitsätzen, zum Theil
mit überaus freudig bewegten Worten bekannt:
1. Wir bekennen auf Grund der heiligen Schrift, in
Uebereinstimmung mit dem Bekenntnisse der Apostel und
Reformatoren und unserer Väter, wie auf Grund unserer
eigenen Erfahrung, unseren Glauben an Gott, den Schöpfer
und Erhalter der Welt, den Vater unseres Herrn und
Heilandes Jesu Christi, des alleinigen Hauptes der Kirch-,
außer welchem kein Heil ist und außer welchem kein Name
den Menschen gegeben ist, darin sie können selig werden.
Und weil unsere theuere evangelische Kirche, geleitet durch
den heiligen Geist, solchen Glauben wieder an den Tag
gebracht hat und ihn hegt und pflegt zum Segen für uns
und unsere Kinder, für unser Volk und unser Vaterland,
darum bekennen wir uns zu ihr in inniger Dankbarkeit.
2. Als deutsche evangelische Christen bekennen wir uns
offen und in Treue za unserem Volke in seinen jetzigen
schweren Kämpfen und schmerzlichen Erfahrungen. Wir
stehen ein für unseres theuren deutschen Volkes Recht, für
deutsche Sitte und deutsche Sprache, für unsere deutsche
Heimath in Oesterreich und verwahren uns dagegen, daß
es seine ihm von Gott zugewiesene Kulturausgabe an ihm
selbst und an den anderen Völkern unseres geliebten Vater-
landes zu erfüllen gehindert werde.
3. Wir wissen, daß frisches, freies, geistiges und sitt-
liches Leben in dem Maße in jedem Volke erwacht, als
das Evangelium Christi es durchdringt. Darum freuen
wir uns, daß jetzt so viele Volksgenossen in unsere Kirche
eintreten wollen, um mit ihren Kindern die Segnungen
des Christenthums, wie sie unsere Kirche vorzüglich durch
das unverfälschte Gotteswort, sowie durch Pflege auf-
richtiger ernst-sittlicher, innerlicher Frömmigkeit darbietet,
theilhaftig zu werden. Wir erkennen darin ein Sehnen
nach der von Menschensatznngen und Gewissenszwang be-
freienden Kraft des Evangeliums und halten es für unserer
Geistlichen heilige Pflicht, solches Suchen nachdrücklich zu
fördern.
4. Als evangelische Christen sind wir treue Unter-
thanen unseres angestammten Herrschers und hingebende

Bürger unseres Vaterlandes. Wir weisen jene lügnerischen
Verdächtigungen auf das entschiedenste zurück, die theils
offen, theils insgeheim, auch in Tagesblättern und selbst
an „geweihter" Stätte, ausgestreut werden als ob lutherisch
so viel bedeute wie preußisch gesinnt und deutsch so viel
wie hochverrätherisch. Es liegt ja auf der Hand, daß
hinter solch scheinbarer Fürsorge für Oesterreich nur kleri-
kale Herrschsucht sich verbirgt. Der Vorwurf unter einer
fremden Macht zu arbeiten, fällt auf unsere Angreifer zu-
rück, die vielmehr selbst, im Gegensätze zur evangelischen
Kirche, ihre Anweisungen und Befehle von einem Fremden
erhalten. Es genügt uns aus vielen Aeußerungen unseres
allergnädigsten Kaisers selbst zu wissen, daß er unseren
patriotischen Sinn kennt und nicht bezweifelt.
Und so begrüßen wir denn, unbeeinflußt von irgend
einer politischen Parteianschauung, die mächtige geistige Be-
wegung, die jetzt durch unser Volk geht, als eine christliche
und eine vaterländische aus vollem Herzen, in fester Ge-
bundenheit an das Gebot Christi: „Gebt dem Kaiser, was
des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!"
Wie man der Franks. Ztg. aus Wien in Ueberein-
stimmung mit den Miltheilungen des Herrn Bräunlich meldet,
wird die „Los von Rom"-Bewegung nach wie vor von
der Preßpolizei sehr eifrig verfolgt. Protestantische Schriften,
Flugblätter und dentschnationale Ansichtskarten werden
massenhaft beschlagnahmt. Beim Wiener Zollamt ist eine
förmliche (natürlich gesetzwidrige) Censur aller einlangenden
evangelischen Agitatwnsschriflen eingerichtet. Die „Los
von Rom"-Bewegung wird, so lautet der Bericht weiter,
durch diese Verfolgungen eher befördert als gehemmt.
Sie schreitet langsam, aber stetig vorwärts.

Deutsches Reich
— Aus Berlin wird der Köln. Ztg. geschrieben:
„Schon vor einem Jahre traten hier Vereine in eine rege
Agitation, um die Geschäftsinhaber zu veranlassen, ihren
Verkäuferinnen für die Zeit, wo sie gerade keine
Kunden zu bedienen haben, die Gelegenheit zu bieten, sich
niederzusetzen und sich auszuruhen. Die Forderung
ist eigentlich so selbstverständlich, daß man meinen sollte,
kein Geschäftsinhaber könne so grausam sein, sich ihr zu
entziehen; thatsächlich hat auch die damalige Anregung bei
Vielen gefruchtet, aber nicht bei Allen. Daß das ununter-
brochene Stehen gesundheitsschädlich sein muß, steht außer
Frage, und thatsächlich sollen sich bei Ladenverkäuferinnen
gewisse Berufskrankheiten ausgebildet haben, die auf das
erzwungene Stehen zurückzuführen sind. Wie jetzt ver-
lautet, beabsichtigen die Krankenkassen, die für solche
Krankheiten die Verkäuferinnen pflegen und unterstützen
müssen, gegen die Geschäftsinhaber gerichtlich vorzu-
gehen und sie für die entstandenen Kosten regreß-
pflichtig zu machen, weil sie durch Außerachtlassen
der pflichtmäßigen Sorge (Schaffung von Sitzgelegenheit)
die Krankheit verschuldet hätten. Es handelt sich nur
darum, durch ärztliches Gutachten den Beweis zu er-
bringen, daß zwischen der Krankheit und dem Fehlen der
Sitzgelegenheit ein ursächlicher Zusammenhang besteht,
und ferner, daß die Beschaffung des Sitzes nach der
ganzen Art des Geschäfts nicht unmöglich ist. Die Sozial-
demokraten bemächtigen sich mit großem Geschick dieser
Frage, und da es sich hier um eine unzweifelhafte Härte
handelt, die durch gar nichts entschuldigt werden kann, so
macht ihre Vertheidignng der Verkäuferinnen auch iu nicht-
sozialdemokratischen Kreisen großen Eindruck. Hoffentlich
lassen die Ladeninhaber es nicht erst zu Prozessen kommen,
sondern entschließen sich unter dem Druck der öffentlichen

Meinung, die auf Seilen der Verkäuferinnen steht, einem
ungesunden und unwürdigen Zustand ein Ende zu machen."
Aus Stadt und Land.
Mannheim, im Mai. Zum Beweis, Laß das Oktroi es
nicht ist, welches die Preise der Lebensmittel erhöht, ver-
öffentlichen die Karlsruher Zeitungen die derzeitigen Fleischpreise
von Karlsruhe und Mannheim (in welch' letzterer Stadt bekannt-
lich das Oktroi aufgehoben ist). Es kostet zur Zeit 1 Kilo in:

Ochsenfleisch
Rindfleisch
Kuhfleisch
Kalbfleisch
Hammelfleisch
Schweinefleisch

Mannheim
1,50 Mark
1.40 „
t.20 ..

1,60
1,50
1,50

Karlsruhe
1,44 Mark
1.M „
1.16 „
1,52 „
1.80 „
. . 1.44 „
Aus dieser Aufstellung geht deutlich hervor, daß Oktroi am
Fleischpreis thatsächlich nichts ausmacht und Mannheim ohne
Oktroi ziemlich theurere Fleischpreise als Karlsruhe hat.
8. 0. Karlsruhe, 3. Mai. Bei der heutigen Berathung des
städt. Voranschlags gab Oberbürgermeister Schnetzler
ein interessantes ExposS über die gegenwärtige Finanzlage der
Stadt Karlsruhe. In Folge der großartigen vom Bürgerausschuß
bereits genehmigten, kostspieligen Unternehmungen der Stadt fällt
die Aufnahme einer neuen Anleihe im Betrage von über
7 Millionen Mark nothwendig. Der seitherige Umlagefuß
von 33 Pfg. soll nach dem Vorschlag des Stadtraths auf 45 Pfg.
erhöht werden. Die Gründe der Umlageerhöhung sind keineswegs,
wie in auswärtigen demokratischen Blättern berichtet wurde, in
der Errichtung des Elektricitätswerks oder in der Erbauung des
Rheinhafens zu suchen, sondern in den großen Ausgaben, die der
Stadt aus einer Reihe von nothwendigen Neu- und Umbauten er-
wuchsen. So wurde z. B. die Festhalle renovirt, ein neues
Schnlhaus erstellt, die Kanalisation von Mühlburg durchgeführt,
das Vierordtsbad mngebaut; ferner erforderte die Schwemm-
kanalisation, die Ueberwölbnng des Landgrabens, der Zuschuß
zum chem. Laboratoriums-Neubau, der Umbau des Rathhauses
u. s. w. enorme Summen. Andererseits erzielte das städtische
Gaswerk eine beträchtliche Mindereinnahme Einen erheblichen
Mehraufwand erforderte: der Feuerschutz, die Kreisumlagen und
die soziale Fütsorge für die städt. Arbeiter. Weitere große Unter-
nehmungen hat die Stadt für die nächste Zeit in Aussicht ge-
nommen, so die Hafenhochbauten, den Umbau dcs Maxaner Bahn-
hofs, die Gemarkungserweiterung. Es ist daher nicht ausge-
schlossen, daß der nächste Voranschlag eine weitere Erhöhung
des Umlagefußes bringen wird. Die Karlsruher sehen also,
wie der Oberbürgermeister ausführte, recht ungünstigen Jahren
entgegen, doch dürfe man die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht
verlieren, namentlich, wenn sich die zahlreichen und kost-
spieligen Unternehmungen, die in den ersten Jahren
noch keine Rente abwerfen, einmal rentiren werden.
— Die Sozialdemokraten haben gleich zu Beginn der Berathung
des städtischen Voranschlags ihren Wunschzettel präsentirt: Sie
verlangen trotz der nicht gerade rosigen Finanzlage Aufhebung
des Schulgeldes und des Oktrois auf Mehl, Brod und Fleisch.
Der Antrag, der erst später im Bürgerausschnß zur Verhandlung
kommt, hat unter den gegenwärtigen Umständen selbstverständlich
keine Aussicht auf Annahme. Der neu gewählte sozialdemokratische
Stadtverordnete Kolb, der Führer der hiesigen Sozialdemokraten,
benutzte die erste Gelegenheit, um dem liberalen Stadtregiment am
Zeug zu flicken. — Mit caustischem Humor plaidirte der Obmann
des Stadtverordnetenvorstands, Prof. Dr. Golds chmit, um
mildernde Umstände für den jungen Springinsfeld, dessen abge-
droschene Phrasen man Dutzendmal im Wahlkampf gehört habe,
die aber hier bei der Berathung des städt. Voranschlags deplacirt
seien. Auch Oberbürgermeister Schnetzler verstand es vortrefflich,
die Vorwürfe des sozialdemokratischen Führers zu entkräften.
Für die Redaction verantwortlich: F. Montua in Heidelberg.
3ot». Olrr. O, o o 8 , Ooaäitorsi, llaaptstrass s dir. 174,
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Oofrorones, pimonaäon, Piqueure, /keine.
ULtrni rrirel Or-si»68 gskilllls Vs88si-18.
Hierzu Heidelberger Familie nblättcr Nr. 36.
Inhalt: Die Restauration des Heidelberger Schlosses unter dem
badischen Fürstengeschlechte. Von Alfred Starck, Notar a. D. in
Heidelberg. — Feinde ringsum! oder „Das Tagewerk eines
modernen Menschen". Von Moritz Schäfer. (Schluß.) — Der
Brand auf der Germaniawerft. — Verschiedenes. — Die Beichte.
(Gedicht.)

Am Vorabeuv der Kapitulation.
Von Julie Wilbor.
(Nachdruck verboten.)
„Es freut mich ja, daß er kommt, es freut mich wirklich
recht sehr, aber so besonders auch nicht, denn verliebt bin ich
gewiß nicht in ihn," sagte sie und ihre Äugen leuchteten dabei,
und in ihrem Herzen sang und jubelte es; wahrscheinlich weil
das Frühlingswetter draußen so schön war.
„Er dürfte heute so gegen Abend kommen, Mops," sagte
ne zu ihrem Hündchen, das ihr bellend entgegen kam- „Wie
b-ärs, Mops, wenn wir ihm ein paar Blumen ins Zimmer
nellten?" Und als der Hund seine freudige Zustimmung
durch erneutes lebhaftes Gebell zu erkennen gab, setzte sie
beschwichtigend hinzu: „Du weißt, daß ich das für jeden Gast
>hue."
Und sie ging in den Garten hinaus und plünderte ihn so,
daß die Pflanzen, die Bäume selbst, vor allem aber der
Gärtner einen vorwurfsvollen Ausdruck bekamen.
.. „Es ist nur — ich bekomme einen Gast," entschuldigte sie
och denn auch, und brach schnell ein Aestchen voll duftender
-aflrsichblüthen ab, deren Zukunft damit nun ein für allemal
Ktknickt war.
Als die Blumen in „seinem" Zimmer hübsch arrangirt
waren, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Sie öffnete all
wre Schränke und holte all ihre Toiletten hervor. Eine
krüne, eine blaue, eine rosa, eine graue.
, „Ich brauche doch nicht auszusehen wie eine Vogelscheuche,"
wn:e sie sich, „auch wenn mir nichts an ihm liegt." Und
endlich entschied sie sich für das blaue Kleid. Das steht zu
°wnd ja immer noch am besten. Ach und sie wußte, das
?wnde Haar gefiel ihm so gut. Es lag ihr zwar nichts
°°ran, gar nichts, denn sie hatte wahrhaftig kein Interesse
M ihm, aber es freut einem doch, wenn man jemandem ge-
!stllt, wenn man einen guten Eindruck auf ihn macht. Und
"e zog sich an-
Ein goldiger Sonnenstrahl drang voll in den Raum.

„Ach, wie ist das Leben doch so schön," rief sie und streckte
ihre Arme der Sonne, dem Leben entgegen. Dann lachte sie
auf und fing beim Anziehen an zu singen. Sie nestelte ihr
Haar los, das frei über ihre Schultern Hinabsiel. Sie sah es
im Spiegel und lächelte wieder.
„Er ist doch ein sehr netter Kerl," dachte fte dabei ganz
unvermittelt, „wenn ich auch absolut nicht verliebt in ihn
bin." Und wie um sich zu überzeugen, ob er wirklich so nett
fei, ging sie zu ihrer Schatulle und entnahm ihr ein Bild.
Sein Bild. Ja. er war nett, sehr nett, und sie betrachtete
das Bild lange mit sehr glücklichem Lächeln. „Sehr nett,"
wiederholte sie dann, das Bild wieder verschließend. Aber
man kann die Männer nett finden, ohne im geringsten ver-
liebt in sie zu sein.
Nun nestelte sie ihr Haar wieder hoch und arrangirte es
zu einer Frisur, die ihm gefallen mußte. Ihm, ihm! Was
ging denn er sie an. Sie srisirte sich doch immer so gut sie
konnte. Immer, und für ihn machte sie gewiß keine Aus-
nahme.
Dann zog sie sich fertig an. Ein Prüfender Blick in den
Spiegel. Ja, sie sah gut aus, sehr aut sogar. Und nun trat
sie ans Fenster. Kam er schon? Nein. Ach was, wenn eS
Zeit ist, wird er schon kommen. Geht die Uhr nicht zurück?
Nein, die andere zeigt auch dieselbe Stunde. Sonderbar.
Jetzt konnte er doch eigentlich- schon da sein. Nein, noch
immer nicht. Aber jetzt... da ... da ist er und sie fliegt
ihm schon entgegen. ^ ^
Entgegen? Nein. Wie käme sie dazu. Nur ihren Mops
drückt sie ans Herz, lüebt ihm einen hastigen Kuß auf die
Schnauze, dann geht sie ihrem Gast würdevoll gemessen ent-
gegen.
„Ich freue mich wirklich, Sie bei mir zu sehen," und sie
reichte ihm die Hand herablassend, so kühl, so fremd, daß er
förmlich vergißt, sie ihr zu drücken.
„O bitte, lassen Sie Mops doch nicht so an sich hcrum-
springen. Gehst Du wohl, Mops, was wird der Herr von
Dir denken."
Sein Gesicht wurde immer länger. Trotzdem überwand

er sich und gab eine heitere Antwort. Dann im Salon
sprachen sie miteinander, beim Thee plauderten sie und dann
. . . . Ich weiß nicht. —
Aber als sie die Kerze auslöschte und in ihrem Bette lag,
küßte sie noch einmal irgend etwas, das wenn man's im
Dunkeln hätte sehen können, ausgesehen hätte wie ein Bild,
und dabei flüsterte sie: „Er ist doch zu reizend, zu reizend,
wenn ich auch nicht ein bißchen verliebt in ihn bin. Nicht
ein bißchen."

Kleine Zeitung.
— Die Wahrheit über Goethe und Lessing findet sich in
dem in Donauwörth erscheinenden ultranwnlanen Taschenkalender
für die studirende «katholische) Jugend. Da steht gedruckt zu
j lesen: „Ja, Goethe ist, die Wahrheit muß gesagt werden, ein
! großer Dichter und ein niedriger Mensch ... Es ist ein purer
Schwindel, von einer innigen Freundschaft zwischen Goethe und
! Schiller zu reden; mau darf ja ungescheut aussprechen: Goethe
hat den frühen Tod Schillers geradezu auf dem Gewissen . . .
UebrigenS trank Schiller beim Schreiben niemals Spirituosen,
sondern nur Kaffee. Goethe aber trank gern und viel Wein
i und sogar Kirschwasser I . . . Lesstng war ein schamloser lite-
! rarischer Dieb, der an Unverfrorenheit Seinesgleichen in der
Literaturgeschichte aller Länder und Völker sucht und — findet...
! In „Emilia Galotti" und „Nathan dem Weisen" ist auch nicht
ein einziger Satz dem Gehirn des „unsterblichen Lessing" ent-
> sprangen . . . Lessing litt an einer gewissen Diebstahlswuih,
er fälschte mit Wollust . . . Ganz besonders praktizirte er die
sogenannte Kreuzfälschung, er war ein Kreuzdieb ersten Ranges...
Lessing ist gebrandmarkt als gemeiner Dieb für alle Zeiten, und
das einzige Denkmal, das ihm von Rechts wegen noch gebührt,
ist der — Pranger." Das steht in einem Taschenkalender für
die studirende Jugend I
 
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