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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0321

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^ Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienvlättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!-1.25 ^
«usschließlich Zustellgebühr.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Insertionsgebühr
15 Pf. f».r die' Ispaltige
Petitzelle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Pridatanzeigen bedeutend
ermäßigt.

Gratis-Anschlag
der'Jnserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

72. Erstes Mit. S»«st«i, de» 2v. Mär?

I8S9.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das II. Quartal 1899
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in "der
Expedition, Untere Neckarstraße Nr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.
Um in der regelmäßigen Zustellung keine Störung ein-
treten zu lassen, bitten wir dringend, die Bestellung bei
der Post jetzt schon zu erneuern, wo es noch nicht ge-
schehen ist.
Neu eintretende Abonnenten erhalten auf Wunsch das
Blatt bis Ende dieses Monats gratis.
Die transafrikanische Telegraphenverbindung.
Ueber dieses gewaltige Unternehmen, an dem auch das
deutsche Reich sich bethciligcn wird, bringt Daily News
eine Reihe interessanter Einzelheiten. Wir erfahren zunächst,
daß die Linie täglich um durchschnittlich zwei Meilen, d. i.
über 3km, vorrückt, und daß es noch über zwei oder drei
Jahre dauern wird, bis die südliche Strecke mit der nörd-
lichen verbunden sein wird. Gegenwärtig wird bereits
auf der Hochebene zwischen dem Nyassa und dem Tanga-
nyika-See gearbeitet. Die Strecke ist bis zur Grenze des
Eongostaatcs vermessen. Eine Zweiglinie ist von einem
Punkte auf halbem Wege am Tanganyika bis zum Stanley-
Vool in Aussicht genommen, sodaß das Unternehmen des
Herrn Cecil RhodeS und seiner Mitarbeiter auch den
Belgiern zugute kommen wird, die übrigens mit der Anlage
ihrer Linie von Westen her eifrig Vorgehen. Unter Be-
nutzung der sogenannten Stevensonstraße wird die Leitung
vom Karonga am Nordende des Nyassa in nordwestlicher
Richtung nach dem Südende des Tanganyika geführt.
Ueber die Richtung, die die Linie von Süden her bis Karonga
verfolgt hat, haben wir neulich bereits berichtet. Entgegen
der allgemeinen Annahme wird die Leitung nicht das öst?
Uche, sondern das westliche, belgische User des Tanganyika-
Sees verfolgen, um erst von der Nordspitze des Sees an
auf eine Länge von etwa 400km durch deutsches Schutz-
gebiet nach dem Westufer des Vicloria-Nyanza und von
"a nach Uganda gelegt zu werden. Diese Abweichung
auf deutsches Gebiet ist deshalb beliebt worden, weil die
Anlage auf congostaatlichem Gebiet viel schwieriger wäre.
Das Material wird gegenwärtig mit 14 Dampfern
auf dem Schiröfluß nach dem Innern geschafft, muß
ledoch bei den Murchisonfällen, die die Schifffahrt unter-
brechen, umgeladen werden, um dann auf drei kleinen
Raddampfern den Fluß weiter hinauf befördert zu werden.
Ruf dem Nyassa werden vier Frachtdampfer, darunter ein
deutscher, benutzt; auf dem See fahren noch zwei Kanonen-
voote, deren eines der britischen Verwaltung, das andere
der Telegraphengesellschaft gehört. Der Tanganyika wird
swstweilen bloß von einem Dampfer befahren, es sind
ledoch ein englischer und ein deutscher in der Zusammen-
setzung begriffen. Daß auf den Seen mit schweren Stürmen
gerechnet werden muß, ist bekannt. Die Hauptarbeit
bei der Anlage der Telegraphenlinie ist die Vermessung
der Strecke. Einer der beiden Leiter des Vermessungs-
Enstes der Gesellschaft, Herr Otto Behringer, befindet sich
gegenwärtig auf Urlaub. Er war bei seiner Abreise mit
Inner Arbeit dem Draht um 350 km voraus. Er leitet
Nne Expedition von 10 Weißen und 800—1000 Schwarzen
»d mit 2 Weißen und 200 Arbeitern und Trägern
drzugehen. Nachdem er die Strecke bestimmt hat, wobei
^ a. auf die Ueberschwemmungsgefahr für die Regenzeit
achten -ist, läßt er einen 5m breiten Weg schlagen.

Dabei muß jedes Hinderniß weichen, und sogar Brod-
fruchtbäume von 40 m Umfang, Jahrhunderte alte Riesen,
werden nicht umgangen, sondern umgehauen. Es werden
am Wege Richtstangeu gesetzt, 13 auf 1 km, worauf eine
zweite Gruppe von Arbeitern folgt, die den Weg auf 20 m
verbreitert oder auf etwas mehr oder weniger, je nach der
Art des Geländes und der Höhe des nahen Baumwuchses.
Eine dritte Gruppe tritt dann ein, um die Löcher für die
Telegraphenstangen zu graben, eine vierte setzt letztere ein,
und eine fünfte bringt den Draht an. Die Stangen sind
aus Gußeisen und wiegen je etwa 72 KZ; sie bestehen
aus drei Theilcn, so daß jeder dieser Thcile eine Träger-
last bildet. Sie sind beinahe 5 m hoch; wo indcß
längere Spannungen nothwendig sind, werden höhere
und schwerere Stangen benutzt; beim Uebcrschrciten von
Abgründen oder Flüssen sind Spannungen von 200 und
250 m keine Seltenheit. Es ist bereits vorgekommcn, daß
Elcphanten die Stangen ausgehoben haben. In Portu-
giesisch-Ostafrika sind sämmtliche Telegraphenstangen aus
Holz und verfaulen daher in kurzer Zeit. Bei der
transafrikanischen Telegraphenarbeit wird von 5 Uhr früh
bis 6 Uhr Abends gearbeitet. Die Leute sind auf zwei,
die Aufseher auf sechs Monate angewocben. Nach all-
gemein afrikanischem Brauch arbeiten die aus einer Dorf-
schast gewonnenen Leute unter einem Vormanne, der für
ihr Verhalten verantwortlich gemacht wird. Die Löhnung
erfolgt nach Landessitte in Calico, mit etwa 10 m monat-
lich, und da das Meter sich auf etwa 25 Pfg. stellt, ist
der Lohn nicht hoch; in Westafrika sind weit höhere Löhne
üblich. Aufseher erhalten oft bis zu 30 Mk. monatlich.
Eine Beköstigung der Leute durch die Gesellschaft findet nicht
statt; Samstags erhalten sie ihre Stücke Zeug und müssen
sich dann damit Lebensmittel in den umliegenden Dörfern
kaufen, Sonntags Abends aber wieder mit ihren Mund-
vorräthen im Lager sein. Da die Arbeiter vielfach ver-
suchen. sich mehr Tage aurechnen zu lassen, als sie ge-
arbeitet habe ', ist masi>r>al eine Züchtigung nothwendig;
ein paar Schlüge genügen. Die Europäer sind stets mit
Streichholzdosen und kleinen europäischen Sachen versehen,
die von Zeit zu Zeit als Ansporn vertheilt werden und
viel Freude bereiten. Es erübrigt noch zu bemerken, daß
die Regenzeit vom November bis zu April dauert und
daß Waldbrände während der Trockenzeit sehr häufig sind.
Die Hitze ist am Schire manchmal so stark gewesen, daß
man die eisernen Telegraphcnstangen nicht anfassen konnte,
ohne Blasen an die Hände zu bekommen.

Deutsches Reich.
— In der kaiserlichen Marine vollzogen sich folgende
Personalveränderungen: Contreadmiral Oldekop wurde
zum Viceadmiral, Diederichsen zum Contreadmiral, Fritze
zum überzähligen Contreadmiral, Müller und T. Nuppel
zu Kapitäns zur See befördert.
Baden. Karlsruhe, 24. März. Die Regierung
fordert vom Landtag eine Million für das Gelände zur
Bahnhofverlegung in Basel.
Badischer Landtag. L.O. Karlsruhe, 24. Mürz.
In der Ersten Kammer, die heute unter dem Vorsitz
des Prinzen Karl wieder eine Sitzung abhielt, wurde der
Gesetzentwurf betreffend das Grundbuchwesen in der
Fassung der Zweiten Kammer einstimmig angenommen.
Der Berichterstatter, Oberlandesgerichtspräsident Geh. Rath
Schneider, erklärte, daß es die Kommission für besser
gehalten hätte, wenn die Amtsgerichte als Grund-
buchämter bestellt worden wären, denen ja nach Bcdürf-
niß auch Notare als Grundbuchbeamte hätten beigegeben

werden können. Von einem bestimmten Antrag habe man
aber abgesehen, weil man auf einen Erfolg im anderen
HauS nicht rechnen könne. — Der Gesetzentwurf betreffend
die Besteuerung des Liegenschaftsverkehrs,
über den Geh. Rath Joos Bericht erstattete, wurde ohne
nennenswerthe Debatte einstimmig angenommen.
8.6. Karlsruhe, 24. März. (132. Sitzung der Zweiten
Kammer.) Die Berathung der Petition der Eisenbahn-
be amten wird fortgesetzt.
Abg. Flüge (wildlib.) wünscht, daß die jüngeren Bahnange-
siellten infolge der neuen Gehaltsordnung nicht die älteren über-
flügeln. — Abg Pfisterer (Antis) wünscht eine durchgreifende
Erhöhung der Gehälter. — Abg. Geiß (Soz.) spricht sich für
Erhöhung der Taglöhne aus. — Abg. Venedey (Dem.) tadelt
die Zurückhaltung der Eisenbahnverwaltung inbezug auf die Ge-
haltsaufbesserung ihrer Beamten. — Abg. Schar er (Soz.)
rügt es, daß die Regierung nur einen Vertreter geschickt hat, sie
scheine die Petitionen als Nebensache zu behandeln. — Abg.
Hug (Ctr.) würde es gern sehen, daß die Oberschaffner zu Zug-
meistern anfrücken. — Abg. B i r ken m aye r (Ctr.) ist nicht
damit einverstanden, daß man über das Gesuch der Güterpacker
und Bremser um etatsmäßige Anstellung zur Tagesordnung
übergehen will. — Abg. Wa cker (Ctr.) glaubt, daß das ganze
Haus einmüthig von Wohlwollen gegen die Eisenbahnbeamten
erfüllt sei. In dieser Frage gebe es keine Parteien.
Geh. Rath Zittel bemerkt, daß auch die Regierung Wohl-
wollen gegen die Beamten habe. Für die behördlichen Maß-
nahmen seien nur die Rücksichten des Dienstes bestimmend. Die
Bremser und Packer könnten nicht etatsmäßig angestellt werden,
weil diese Beamtenkategorien in der Gehaltsordnung gar nicht
existiren. Die Beschickung der Regierungsbank sei, so sei es
bislang Hebung gewesen, bei Petitionen Sache des Ministeriums,
denn Petitionen gehörten nicht in das Ressort der Generaldircktion.
Abg. Frank (nat.-lib.) plädirt für eine raschere etatmäßige
Anstellung der Beamten, damit diese bei ihrem raschen Verbrauch
infolge des schweren Dienstes später an der Pension nicht Schaden
leiden. Die Oberschaffner solle man zu Zugmeistern befördern
und die Bureauassistenten in die Gehaltsklaffe L. 4 versetzen.
Wenn die Aenderungen ohne Revision des Gehaltstarifs nicht
möglich seien, so möge man diese bald vornehmen.
Abg. Köhler (Centn.) rügt es, daß so selten Räthe der
Babnverwaltung hinausfahcen und sich auf den Stationen Um-
sehen, wozu
Geh. Rath Zittel bemerkt, daß für den Ucberwachungs--
dienst besondere Beamte, die Centralinspektoren, angestellt sind.
Für die Kommissionsanträge sprachen noch die Abgg. Mampel
(Antis.), Eder (Dem.) und Weber (Centr.).
Abg. Dreesbach (Soz.) findet die Löhne der Bremser un-
zureichend. Die Bahn beute geradezu ihre Arbeiter aus.
Geh. Rath Zittel legt gegen diese Darstellung entschieden
Verwahrung ein.
Abg. Köhler (Centr.) betont, daß die Centralinspektoren
sich nicht um die Verhältnisse der Unterbcamten kümmern.
Abg. Dreesbach (Soz.) hält seine Bemerkung, daß die
Bahn die Arbeiter ausbeute, aufrecht. Die Löhne seien unter
aller Kritik.
Nach einem Schlußwort des Berichterstatters werden die
Kommissionsanträge angenommen.
Das Haus vertagt sich bis Mittwoch, 12. April, Nachmittags
4 Ubr.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 24. März. Die Kronprinzessin
von Schweden und Norwegen ist von Neapel nach
Rom zurückgekehrt. Dieselbe ist seit vielen Wochen vom
herrlichsten Sommerwetter begünstigt. Ihre König!. Hoheit
hat von Neapel aus mit der Kronprinzessin Stephanie von
Oesterreich mehrere Ausflüge nach Capri, Amalfi und,
Sorrent unternommen._
Ausland.
Holland. Haag, 24. März. Die holländische Re-
gierung, die in diesen Tagen die Einladungen zur Ab-
rüstung scon f erenz an die Mächte versenden wollte,
ist neuerdings von der russischen Regierung gebeten wor-
den, die Absendung bis auf Weiteres hinauszuschieben.
England. London, 24 März. Daily Chronicle
schreibt, daß die Regierung die beste Hoffnung habe, daß

, Das Romanfeuillcton
festen Blatt.

findet der Leser im heutigen

Das Unterseeboot „Gustav Zede".
Der deutsche Oberstleutnant Rogalla von
,,^b erste in bespricht in der Zukunft das französische
""terseebot „Gustav Zede". Das französische Geschwader,
" dessen Manövern der „Gustav Zede" thcilnahm, dampfte
18. Januar er. von Toulon nach den Hyerischen Jn-
ab. Da starke Brise und schwerer Seegang hcrrsch-
ließ sich der „Gustav Zede", der besseren Steuerung
alber, so tief sinken, daß nur seine Kuppel über das
Ausser hinausragte. Die Fahrt war nur kurz, allein nach
eeridigung der Manöver legte das Boot noch 50 See-
Rlen in Begleitung eines anderen Schiffes zurück. Es
"achw sechs Knoten in der Stunde mit der Kuppel über
bi Wasser und erreichte im Maximum acht Knoten; allein
„.Egen des schweren Seeganges mußte alles an Bord, um
cht durcheinander geworfen zu werden, unter Verschluß
. halten werden, so daß sich die Bemannung sieben Stun-
hindurch unter denselben Verhältnissen befand, als
I.ENN das Boot unter Wasser gefahren wäre. Wenn das
dj-0^. ^ bald an der Meeresoberfläche erschien, bald in
Tsiie hmabsank, auftauchte, sah man nichts als das
enster der Metallkuppel, das von dem Blau der
gen selbst für das geübte Auge eines Seemannes schwer
^..^erscheiden war. Sobald jedoch der gefährliche Feind
^ eckt und das Geschütz auf ihn gerichtet war, verschwand
üiii ^E^er und hatte augenscheinlich genügend rekognoszirt,
den Panzerschiffe angreifen zu können. Zu verschiede-
Malen kam das unterseeische Boot sehr nahe an die
oaderlinie heran, weil es auf 30 bis 40 Meter vor


sich das Panzerschiff, gegen welches es dirigiert wurde, noch
nicht erkannt hatte so daß es sich an dieOberfläche wagen mußte.
Zweimal gelang ein Torpedo-Angriff auf das Schlacht-
schiff „Magenta", sowohl während das Schiff in Fahrt
war, als während es vor Anker lag. Das Boot aber
selbst schien unangreifbar zu sein. Im Ernstfälle wäre
die „Magenta" mit ihrer Besatzung von 800 Mann, ihren
gewaltigen Geschützen und Panzerthürmen von dem un-
scheinbaren Angreifer vernichtet worden. Nach den bis-
herigen Versuchen nun kann der „Gustav Zede" 150 Kilo-
meter zurücklegcn, ohne feinen elektrischen Kraftvorrath zu
erschöpfen, und damit ist seine Eignung für die Küsten-
verthcidigung erwiesen. Für den Kampf auf hoher See
aber ist er nicht geschaffen, denn das Boot ist noch immer
gezwungen, zwecks Orientirung von Zeit zu Zeit an die
Oberfläche zu kommen, wodurch er die Aufmerksamkeit seines
Gegners auf sich lenkt. Allein trotz alledem bedeutet diese
Erfindung eine Thatsache von größter Bedeutung; denn
ein wirksames Feuer auf das Boot ist kaum möglich, und
nur bei ganz ruhiger See und völlig klarem Wetter ist es
denkbar, die feine gekräuselte Linie im Meeresspiegel wahr-
zunehmen, welche auf einen Kilometer Distanz die Bewe-
gungen des unter Wasser fahrenden Bootes vcrrathen soll.

Stadt-Theater.
Heidelberg, 25. März.
Schluß der Opern-Saison.
„Undine", romantische Zauberoper in 4 Aufzügen von
Albert Lortzing.
Lortzings Wassergeister haben den Schlußreigen gesungen.
Dem Publikum den Abschied schwer zu machen, hat die Oper

noch einmal ihr gefälligstes Gesicht gezeigt. Jeder der Mit-
wirkenden gab in jener eigenartigen Stimmung, wie der Abschied
sie schafft, sein Bestes her, und das allerdings nicht sehr zahl-
reiche Publikum gab dafür, was es an Sympathiekundgebungen
irgendwie passend anbringen konnte.
Der Kühleborn bot Herrn Görger Gelegenheit, zum letzten
Mal mit seinen glänzenden Mitteln wahrhaft verschwenderisch zu
Hausen. Die Dimension des Lorbeerkranzes, der ihm nach Vor-
trag seiner Einlage zuflog, entsprach der Dimension der Beliebt-
heit, die dieser Sänger sich zu erwerben wußte. Mit aufrichtigem
Bedauern sieht man ihn scheiden, indem man ihm die besten
Wünsche auf seine Künstlerlaufbohn mitgibt. Auch allen seinen
Kolleginnen und College», die redlich gestrebt und gearbeitet, seien
gleich herzliche Wünsche entgegengebracht.
Die Oper bedarf hier besonders solcher Magnete, wie er in
Herrn Görger sich fand. Sie ist immer noch, trotz aller Be-
mühungen, das Stiefkind des Publikums. Außer einigen glück-
lich gerathenen und erfolgreichen Experimenten wird sie von den
Heidelberger Theaterbesuchern hinter Lust- und Schauspiel zu-
rückgesetzt.
Die Erklärung liegt, soweit das eigentliche Musikpublikum in
Betracht kommt, sehr nahe. Ich habe oft darauf hingewiesen,
daß Schau- und Lustspiel, schon bei einer gewissen Güte auch dem
Anspruchsvolleren genügen können, während die Oper nur in
einer bestimmten, allerdings sehr kostspieligen Vollkommenheit für
das verwöhnte musikalische Ohr Reiz erhält.
Der Zweck, den unsere Oper hat, und der namentlich seit
Jahren darin bestehen soll, auf die Lenkung des Geschmacks
Einfluß zu üben, ist sicherlich auch in dieser Saison erreicht
worden.
Am Dirigentenpult steht in Musikdirektor Radig ein
Mann, von dem man das Beste erwarten darf, der in konkur-
rirendem Streben die Over unserem Konzertwesen in entsprechen-
dem Schritt Nacheilen lassen könnte und möchte. Sein Ernst
hat viele reife Früchte gezeitigt, darunter die Wunderfrucht
einer Wagneroper. Diese Tbat ist reichlich gewürdigt worden,
aber gern erinnert man am Schluß der Saison nochmals an
dieselbe.
Wie der Kapellmeister, ist auch das Orchester heute so
 
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