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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0013

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^ Erscheint täglich.
" Sonntags ausgenommen.
Preis
/ mit Familienvlatt.rn
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
, Durch die Post bezogen
vierteljährl. 125
s ausschließlich Zustellgebühr.
Telephon-Anschluß Nr. 82.



^userttonsgebühr
15 Ls. ,.r die Ispaltige
Pciitzeve od deie" Raum.
Für hlesij> Geschäfts- und
Privatanzeigcn bedeutend
ermäßigr.
Gratis-Auschlog
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. 3.

Mittwoch, den 4. Junior

1899.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das I. Vierteljahr 1899
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
ten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
( ticn, Untere Neckarstraße Nr. 21, fortwährend angenommen.
. Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen, Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.
. Bismarck über Oesterreich.
Das Neue Jahrhundert, unabhängige Wochenschrift
' für das deutsche Volk (Köln, Verlag von Friedrich Werlh)
^ setzt in seiner neuesten Nummer die Veröffentlichung der
bisher noch ungedruckten Gespräche Bismarcks mit Lothar
, Bücher fort, die sich diesmal um Oesterreich drehen und
' des Interessanten eine reiche Fülle bieten. Wir heben
^ folgende Aeußerungen hervor, welche sich mit Möglichkeiten
. einer hoffentlich entlegenen Zukunft befassen:
Kaiser Franz Joseph hat eben immer seine Ruhe haben
wollen, Ruhe im Lande; er hat, als er älter geworden
^ ist, den für seinen besten Freund angesehen, der ihm die
Lage am rosigsten gemalt hat. So ist er denn schließlich
. an die Polen gekommen. Aber Oesterreich ist kein Karpfen,
- den man mit polnischer Sauce serviren kann. Der Grund,
aus welchem man in Oesterreich die Polen so streichelt,
* ist ein doppelter. Einmal will man für den Fall eines
Krieges mit Rußland sich die Sympathie der russischen
i- Polen sichern; sie sollen immer sehen, um wie viel besser
' cs ihre Stammesgenossen in Galizien haben. Ob man
dabei nicht auch an unsere polnischen Unterthanen denkt,
r will ich dahingestellt sein lassen. Sodann ist es die Beicht-
väterparlci am Wiener Hofe, die mit den Polen, die ja
Katholiken erster Klasse sind, besonders symvathisirl. Diese
z. Partei ist mächtiger, als man glaubt, und daß sie im
- Bunde mit den Polen fortwährend gegen Oesterreichs
Freundschaft zu uns inlrigirt, ist mir lauge bekannt. Vor-
, läufig hat sie noch keine Erfolge zu verzeichnen, aber im
Laufe der Zeit wird vielleicht doch der stete Tropfen den
Stein höhlen. Sie hat auch schon den Plan gefaßt,
- Galizien selbständig zu machen, so eine Art österreichische
^ Secundogeuitur dort zu errichten. Das deutsche Element
» in Oesterreich würde ja dadurch gekrästigt werden, und
- die Polen könnten nicht mehr, wie so oft der Fall ge-
wesen, bei wichtigen Abstimmungen das Zünglein der
' Wage bilden. Allein anderseits ist zu bedenken, daß mit
einem selbständigen Galizien ein ganz unkontrolirbarer
Herd für großpolnische Umtriebe gebildet würde, der, wenn
auch nicht eine ernste Gefahr, so doch eine Quelle steter
Unruhen wäre. Das wäre freilich für Rußland schlimmer
als für uns! Die Deutschen in Oesterreich verkommen
unter der Last ihrer idealen Vorzüge. Man nannte die
' Deutschen im Allgemeinen früher das Volk der Denker,
ein Wort, das recht hübsch klingt, besonders wenn man
nicht weiß, mit welchem mitleidigen Lächeln dieses Wort
ausgesprochen wurde. Es hieß in Wahrheit so viel als:
das Volk der unpraktischen Leute, der Träumer, die über
^ ihren idealen Hirngespinsten den Boden des Thalsächlichen
unter den Füßen verlieren, die ihre Nase zu den Wolken
aufrichten und dabei über jeden Stein stolpern, der ihnen
>m Wege liegt oder von andern hingeworfen wird. Wir
^ im deutschen Reich haben uns das ein wenig abgewöhnt —
- ich glaube, daß ich dazu beigetragen habe, wenigstens auf
^ dem Gebiete der äußern Politik. Aber in Oesterreich
herrscht bei den Deutschen noch ganz der alte Zustand.
, Denen kann das Wasser bis an die Kehle gehen, da
r schreien sie noch nicht, sondern erst, wenn es ihnen bis in

Kußmauls Erinnerungen.* *)
Von Dr. Ernst Traumann (Heidelberg)."!!
Gesundheit dem bewährten Mann,
l- Daß er noch lange helfen kann.
Goethe (Faust).
In der Hast und der gährenden Bewegung unserer Tage,
deren schöngeistige Erzeugnisse diesen Charakter nothwendigerwetse
Aiderspiegeln, ist es beruhigend und erfrischend, dem ausgereiftcn
Werke eines Mannes zu begegnen, der, auf der Höhe seiner Zeit
behend, mit frohem Behagen auf die Fülle seiner Erlebnisse
Hurückschaut. Wenn diese Musterung von einer Persönlichkeit wie
, -sdolf Kußmaul ausgeht, dem sein Volk, ja die Menschheit so
, biele Fortschritte verdankt, und in einer Form, die ganz das
^ Gepräge seines feinen, edlen und abgeklärten Geistes trägt, dann
biird diese Aeußerung zu einem literarischen Ercigniß. Unter
^Uen Memotrenwcrken unserer Zeit bildet das Buch Kußmauls
h Lne einzigartige Erscheinung. Hier schreibt ein großer Arzt, ein
' Vertreter des Berufskreises, dessen Streben und Wirken rein
. Humanitären Zwecken gilt und dessen stille Thättgkeit sich sonst
i- geräuschvollen Getriebe der Oeffentlichkeit entzieht, der Re-
Msentant einer Wissenschaft, deren Resultate wohl meist ihren
k Ähgistrator, leider aber nicht allzuoft ihren Historiker finden.
hbenn Einer berufen ist, die allmäligc, aber stetige Entwicklung
' M Medizin in unserem Jahrhundert zu schildern, so ist es
- ^Ußmaul, der sie als Studtrender in der Periode eines Tiede-
» ^unn, Puchelt, Chelius, Naegele, Heule, Pfeuffer antraf, als
lUnger Arzt in den Hörsälen von Rokitansky, Semmelweis, Skoda
' im? Oppolzer erfahren und selbst so wesentlich dazu beigctragen
, fix ihre heutige Höhe zu führen. Und doch kann unser
> ^">cht nicht dieser Seite seines Buches gelten: die Fachgenossen
"den dieselbe eingehend zu würdigen haben. Was einen weit
*- Mit Ermächtigung des Herrn Verfassers den Münchner
! besten Nachrichten entnommen.

den Mund läuft. Dann ist es aber in der Regel zu
spät. Die Schlamperei, wie man's in Wien nennt,
die hat sich von da aus über das ganze Reich ver-
breitet — und bei den Deutschen am allermeisten.
Die Herren von der „Vereinigten Linken", die nie eine
recht vereinigte gewesen ist, sehen Sie sich sie nur an, sie
erinnern mich immer an eine Volksbelustigung auf einem
Jahrmarkt oder dergleichen, die ich in meiner Jugend mit
ansah. Da stand ein Mann mit einer langen Stange, an
die Würstchen gebunden waren, von einem Haufen Kinder
umgeben. Bald hierhin, bald dorthin senkte er die Stange,
die Kinder sprangen nach den Würstchen, aber nur mit
dem Munde durften sie zuschnappen. So machen cs die
österreichischen Minister mit den dcutschliberalen Abgeord-
neten, nur daß an der Stange keine Würstchen, sondern
Ministcrportefeuilles hängen. Sie schnappen alle danach,
ganz wenige ausgenommen, aber die meisten kriegen nichts.
Und doch schnappen sie immer wieder zu und drängen sich
um den Mann mit der Stange. Sehen Sie, Bücher, das
ist ein Stückchen Realismus, aber kein schönes. Die
Deutschen im Lande aber — die stecken so in ihrem
Idealismus, daß sie sich immer wieder den Bauch mit
Phrasen vollstopfen lassen und nicht merken, wie die
schlauer» Slaven ihnen den Boden unter den Füßen ab-
graben. Es ist ein Jammer, und am schlimmsten, daß
man nichts dabei thun kann, daß einem die Hände ge-
bunden sind, denn wenn wir Jedem, der sich in unsere
Angelegenheiten mischen will, ein „Hände weg!" zurufen
zu dürfen beanspruchen, so können wir auch Andern dieses
Recht nicht abstreiten. — „Freilich", fügt Bismarck nach
einer Pause gedankenvoll hinzu, „es könnte eine Zeit
kommen, in der die Macht der Verhältnisse uns zwingt,
jenes Prinzip zu verlassen. Aber der Anlaß dazu müßte
von Oesterreich ausgehen, nicht von uns!" Ein Punkt
wird bei Beurlheilung der politischen Lage in Oesterreich
gewöhnlich übersehen, so wichtig er ist, ein Punkt, in dem
sie sich von der Situation bei uns wesentlich unterscheidet:
Bei uns besteht der schwierigste Theil der Aufgabe
agitirender Abgeordneter oft darin, ihre Zuhörer erst
„warm zu kriegen", in Oesterreich ist es umgekehrt die
Zuhörerschaft, die den Abgeordneten einheizt und sie zu
energerischcm Tempo zwingt. Bei uns spornt der Reiter
den Gaul, in Oesterreich geht das Pferd mit dem Reiter
durch. Man kann sich darüber freilich nicht wundern;
selbst dem Geduldigsten muß schließlich die Galle über-
laufen, wenn er fortwährend mit seinem Sauerverdicnten
dazu beitragen soll, seinen Feinden das Sitzpolster weicher
zu machen .... Offiziell geht uns ja die Sache nichts
an und darf uns nicht angehen, aber es sind unsere Stammes-
genossen, es ist ein tüchtiges, kerniges Volk, das da
systematisch zu Grunde gerichtet wird um eines Hansens
von Natiönchen willen, von denen keine einzige gezeigt
hat, daß sie eine Kulturmission zu erfüllen vermag —
oder haben vielleicht die Hussiten eine Kulturmission voll-
bracht, als sie alle benachbarten Gebiete mit Mord und
Brand überzogen, als sie mit die Veranlassung zum dreißig-
jährigen Kriege gaben, der, vom nationalen Standpunkt
aus betrachtet, das größte Unglück war, das Deutschland
je betroffen hat? Nein, diese Völker sollen erst einmal
beweisen, was sie zu leisten im Stande sind, che man sie
denen vorzieht, die seit vielen Jahrhunderten das Haus
Habsburg aufrecht erhalten haben gegen äußere und innere
Feinde! Es ist nicht allein schwarzer Undank, den man
ihnen erzeigt, sondern mehr noch, es ist eine Dummheit
ersten Ranges, es ist ein politischer Selbstmord, den nian
begeht, indem man sich in nichts so geschäftig zeigt als
darin, die festesten Säulen des Thrones zu unter-
größeren Leserkreis vornehmlich an dieses seltene Buch fesseln
wird, ist dessen rein menschliche und kulturhistorische Bedeutung.
DaS Werk Kußmauls umfaßt die Zeit von 1822—1857, dem
Jahre seiner Geburt bis zur Habilitation. In dieser Begrenzung
gibt seine Schilderung ein durchaus eigenartiges und geschlossenes
Bild: die Zeit seiner Jugend, die Tage unserer Väter und Groß-
väter. Wohl lobt er deren Einfachheit und Biedersinn — ein
Kapitel, das dem Herzen Kußmaul mit die größte Ehre macht,
ist der „Duldsamkeit der Väter" gewidmet, worin er mit Weh-
muth der schönen Tage gedenkt, da noch die milde Lust kirch-
licher Toleranz in der badischen Heimath wehte und die Gebote
der Bergpredigt höher standen als die Dogmen der Konfessionen,
als man Joh. Pet. Hebel, de» Prälaten der evangelischen Landes-
kirche, den katholischen Dekan und den Stadtrabbiner im Karls-
ruher Museum bei einer Whistpartie friedlich vereinigt sah, und
von zwei Pfarrern des badischen Oberlandes die wundersame
Geschichte erzählte, daß sie sich einander mit so gutem Erfolge
belehrten, daß der evangelische katholisch und der katholische
evangelisch wurde — aber er verschließt sich nicht der Einsicht»
wie arm jene Zeit war an Behaglichkeit und Lebensgenuß.
Zurückschauend auf die Errungenschaften unserer Zeit sagt er:
„Die Natur hat allen Dingen Grenzen des Raums und der Zeit
gezogen, aber kühner denn je zuvor nahm der Mensch den titani-
schen Kampf mit ihr auf und durchbrach die Schranken, die sie
seinen Sinnen, seinen leiblichen Kräften gesetzt hat. Mit den
Werkzeugen der Wissenschaft bemeistert er Zeit und Raum, Stoff
und Kraft. Er zerlegt die Materie in ihre Elemente und zwingt
ihre Atome, neue Verbindungen mit neuen Eigenschaften und
Weither, etnzugehen. Mit dem Spektrum enträthselt er den Bau
des Weltalls, mit der Linse des Mikroskops den Bau der orga-
nischen Welt. Hinter der wechselnden Gestalt der Naturkräfte
erkennt er deren Einheit und macht sie seinen Zwecken dienstbar.
Listig entnimmt er dem Lichte Strahlen, begabt mit der Kraft,
das Undurchsichtige zu durchdringen; gehorsam treiben Wärme
und elektrischer Strom Schaufeln und Räder, und sprengen be-
freite Spannkräfte die granitnen Wälle der Alpen. Mit eisernen

miniren.Dumm sein darf ein Privatmann kaum,
aber dumme Minister zu haben und ihre Dummheit nicht
zu erkennen, ist das größte Unglück, das einen Fürsten
treffen kann. _ (Schluß folgt.)

Deutsches Reich
— Die Besserung im Befinden des Kaisers hält
an. Der Kaiser bedarf jedoch zur völligen Wiederher-
stellung noch einige Tage der Schonung.
— Wie der Berl. Ztg. mitgetheilt wird, hat ein ameri-
kanischer Verleger dem Kaiser einen Check auf
5000 Dollars mit der Bitte gesandt, ihm dafür einen
Artikel zu senden, in welchem er seine Ansicht über den
letzten spanisch-amerikanischen Krieg darlegen möge. Der
Check ist natürlich alsbald durch die deutsche Botschaft in
Washington dem Verleger zurückgcstellt worden, da der
Kaiser vorläufig weder Zeit noch Lust habe, unter die
Journalisten zu gehen.
— Der Kapellmeister Goldschmidt von den Königs-
grenadteren in Ltegnitz, der an Lebensjahren und an Dienstzeit
älteste Militärmusikdirigent in Deutschland, ist mit dem 1. Jan.
in den wohlverdienten Ruhestand getreten und aus diesem Anlaß
zum Leulenant ernannt worden. Den Titel „Königlicher Musik-
direktor" hatte Goldschmidt, der die Feldzüge 1864. 1866 und
1870/71 an der Spitze seiner Kapelle mitgemacht hatte, früher
erhalten.
Baden. Aus dem Tagebuch von Luise Kobell bringt
die in Stuttgart erscheinende Deutsche Revue eine interes-
sante Mittheilung über die im Jahre 1870 mit dem König
Ludwig II. von Bayern gepflogene Unterhandlung
betreffs der Wiedererrichtung des deutschen Kaiserthums.
Man erfährt daraus, daß der König Ludwig allen Ernstes
die ihm günstig scheinende Gelegenheit benützen wollte, um
für den im Jahre 1866 erlittenen — bekanntlich sehr un-
erheblichen — Territorialverlust eine Entschädigung zu
erwirken und zwar habe er die Frage angeregt, ob nicht
ein Zusammenhang zwischen dem diesseitigen und dem jen-
seitigen Bayern erreicht werden könne durch Erwerbung eines
Theiles der badischen Pfalz, die früher ohnehin
chnrpfälzisches Besitzthum gewesen, wobei Baden durch
Bezirke von Elsaß-Lothringen entschädigt werden
sollte. Auf eine dem Grasen Bismarck gesprächsweise
hierüber gemachte Mittheilung habe jedoch letzterer sofort
in bestimmter Art erklärt, eine badische Gebietsabtretung
sei eine noli ms tanKers, und daß weder sein aller-
gnädigster Herr noch der Großherzog von Baden je
darauf eingehen würden, weshalb dieses Projekt außer Be-
tracht gelassen werden wolle.
Preußen. Wie nach einem Berliner Blatt berichtet wurde,
hat die Preußische Centralgenossenschafts-
kasse bei der Reichsbank gegen Deponirung von Papieren
größere Summen entnommen, die sie mit 7 pCt. ver-
zinsen muß, während sie ihren Schuldnern nur 4 pCt.
berechne. Die letztere Angabe ist, wie ;nan der Frankfurter
Zeitung mittheilt, nicht zutreffend. Die Centralgenossen-
schaftskasse hat von ihren Geldern einen be-
stimmten Theil (20, 25 oder 30 Millionen) für die Gc-
nossenschaftsverbände gegen eine Verzinsung von 4 Prozent
reservirt. Die übrigen Ausleihungen geschehen zum Tages-
zins, und wenn sie von der Reichsbank wahrscheinlich täg-
liches Geld zu 7 Prozent entnommen habe, so ist hiernach
anzunehmen, daß sie auch ihren Kunden einen entsprechen-
den Zinssatz anrechne.

Ans der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Königlich Preußischen Staats- und Kriegsmimster Ge-
nerallieutenant von Goßler das Großkreuz mit Eichen-
laub des O-M"« vom Zäkrinaer Löwen verl-eben, den K.

Schienen hat dieses Jahrhundert den Erdball umgürtet, mit den
Flügeln des Dampfes Wagen und Schiffe beschwingt, in allen
Zonen dem Austausch der Güter und Gedanken offene Wege ge-
bahnt. Mit der Geschwindigkeit des Blitzes eilt das gesprochene
Wort von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, das geschriebene
über Welttheile und Meere, ja der Phonograph zaubert die
Stimme der Verstorbenen aus der Tiefe der Grüfte. Mit besserer
Aussicht als die Theosophie vergangener Jahrtausende wagt
sich die exakte Forschung an die Lösung des Problems der Welt-
schöpfung."
Wer auf die Gegenwart diesen Hymnus singt, der ist wahrlich
kein Dsnäator tsmxoris soll. Wohl aber hängt unser Autor mit
allen Fasern seines Gemüthes an der alten Zeit, er ist der Ver-
treter eines dahinschwindenden Geschlechts, das den Genossen und
Idealen seiner Jugend treu bleibt. Ergreifend ist die Schilderung
seiner Kindheit. Die Pietät gegen sein armes, aber ehrenfestes
Geschlecht, zu dem er sich voll Bürgerstolzes bekennt; die tiefe
Verehrung seinem braven Vater gegenüber, der sich vom Bauern-
jungen mühsam bis zum tüchtigen Arzt heraufarbeitet, sich später
als Landarzt von Frau und Kindern trennt, nur, um diesen die
Erziehung in der Stadt zu ermöglichen, und schließlich, ein Opfer
seines Berufes, vor der Zeit stirbt; die Liebe, die er seinen
Pflegeeltern, den ländlichen Pfarrersleuten, bewahrt, bewegt uns
im Innersten. Aber kein Zug von Sentimentalität. Ueberall
spielt sonnigster Humor in diese» ernsten Kapiteln. Vor uns
lebt ein an Leib und Seele gesunder Knabe, sinnig und klug,
voll tiefen Natursinns, untrüglicher Beobachtungsgabe und goldener
Phantasie. Welch' heiteres, meisterhaft angeschautes Bild gibt
nicht die Schilderung des „Zehntels", der dem Pfarrherrn
— ein ständiger Verdruß der Bauern — den Zehnten einzu-
treiben hat; wie grotesk wirkt der Boxberger Schulmeister, ein
alter Rettersmann, der seine blutdürstigen Worte zur That macht,
eine Gestalt, die aus den Schrecknissen des dreißigjährigen Kriegs
herzukomme» scheint! . , , ,,
(Fort,etzung folgt.)
 
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