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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0593

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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. Gratts-An chlcg
A der Inserate auf den Plakat-
" tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82


Mag, dm 9. Ami

1899.

Politische Umschau.
Heidelberg, 9. Juni.
Zwischen Rußland und der Freien und Hanse-
stadt Bremen ist ein diplomatischer Konflikt ausge-
brochen. Rußland hat seinen für Bremen beglaubigten
Gesandten zurückgezogen. Soweit sich die Dinge übersehen
lassen, hat Bremen in diesem Zwischenfall, der durch die
Verhaftung eines russischen Popen herbeigeführt worden
ist, das Recht auf seiner Seite. Der russische Gesandte
ist nur von Bremen abberufen worden; er vertritt seinen
Staat außerdem bei Oldenburg und den beiden
anderen Hansestädten. Diese diplomatischen Beziehungen
bleiben aufrecht erhalten. Mit Recht aber wird
darauf hingewiesen, daß solche diplomatischen Zwischenfälle
sich im Grunde mit dem einheitlichen Charakter des Reiches
herzlich schlecht vertragen, und daß eines der Mittel, solchen
Differenzen vorzubeugen, der prinzipielle Verzicht der
Bundesstaaten auf eine besondere auswärtige Vertretung
wäre. Solcher diplomatischen Beziehungen zwischen Bundes-
staaten und auswärtigen Staaten gicbt es eine ganze An-
zahl. Ein besonderer diplomatischer Vertreter von Rußland
sitzt noch in München, Dresden, Stuttgart, Karlsruhe,
Darmstadt und Weimar; ein besonderer englischer in
München, Dresden, Stuttgart und Darmstadt; ein beson-
derer österreichischer in München, Dresden und Stuttgart;
der päpstliche Stuhl unterhält eine Nuntiatur in München.
Und so viel solcher diplomatischen Vertretungen, so viel
Möglichkeiten der diplomatischen Konflikte wie im Bremer
Fall. Besonders erquicklich sind solche Ausblicke nicht.
Die englischen Blätter stimmen bei Besprechung der Trans-
vaal-Angelegenheit im Großen und Ganzen darin überein, daß
die Lage in Südafrika jetzt nach der Bloemfonteiner
Konferenz schlimmer sei als vorher. Die Times
sagt, der Ernst der durch das Fehlschlagen der Konferenz
geschaffenen Lage sei außer Zweifel. Die Weigerung der
Buren, eine Aenderung in der Lage der Ausländer durch-
zuführen und die daraus nothwendig folgende Ergebnis-
losigkeit der Verhandlungen hätten England einer Krise
unmittelbar gegenübergestellt, die unmöglich leicht zu nehmen
sei. Der Standard schreibt, Krüger verlange von England,
daß es im Austausch für das Wahlrecht der Ausländer die
Souveränetät Transvaals zugestche. Es sei jetzt Zeit für
eine kräftigere Geltendmachung der Forderungen, die mit
vielleicht übermäßiger Nachgiebigkeit vertreten worden seien.
Krüger müsse noch lernen, daß die Vormachtstellung Eng-
lands, deren Abschaffung er so eifrig anstrcbe, etwas wirklich
Bestehendes sei. Im Gegensatz zu Obigem wird aus
Prätoria, der Hauptstadt von Transvaal, unterm 8. d.
telegraphirt: Präsident Krüger ist aus Bloemfontein hier
wieder eingetroffen und sehr herzlich empfangen worden.
DasErgebniß der Konferenz mit dem Kapgouvcrneur
Milner wird morgen früh veröffentlicht werden. Plan ist
bezüglich dieses Ergebnisses hier voller Hoffnung; es
wird versichert, daß in der Wahlrechtsfrage, die den
wichtigsten Gegenstand der Besprechung bildete, ein Kom-
promiß erzielt worden ist. — Die Auffassung der Engländer
und die der Buren über das Ergebniß der Konferenz geht
somit weit auseinander.

Deutsches Reich.
— Die Budgetkommission des Reichstags
bericth den Nachtragsetat und bewilligte die erste Rathe
von 200 OOO für die deutsche Südpolexpedition, eine
Nachforderung von 359 000^. für die Betheiligung an
der Weltausstellung in Paris und genehmigte ferner
120 000 für die elektrische Lichtstation des Reichstags-

hauses, 20 000 ^ für römisch-germanische Alterthums-
forschungen beim archäologischen Institut unter Ablehnung
der geplanten Sonderccntralstelle für solche Forschungen.
— Ein Streikkomitee hatte verschiedenen Meistern
einen Lohntarif zur Genehmigung vorgclegt mit der Er-
klärung, daß, wenn sie dem Gesuche nicht Nachkommen
sollten, die Kommission gezwungen sei, anderweitige Maß-
regeln zu ergreifen. Sie wurden wegen Erpressung
verurtheilt und es ist festgestellt worden, daß unter den
anderweitigen Maßregeln Streik und Sperre gemeint ge-
wesen seien. Die dagegen eingelegte Revision hat das
Reichsgericht nach der D. Juristenztg. verworfen.
Insbesondere die Sperre sei für den Arbeitgeber eine sehr
nachkheilige Maßregel; damit sei gedroht worden und das
Komitee habe damit zwar nicht für sich, aber für die Ar-
beiter, also für Dritte, einen Vortheil — den höheren Lohn
— zu erlangen gesucht, auf welchen sie nur durch einen
neu abzuschließendcn Vertrag einen Anspruch erlangen
wollten, welcher aber durch Zwang hebeigeführt werden sollte.
— Zu Kröchlcndorff ist nach längeren Leiden der Ritt-
meister a. D. Hans v. Arnim gestorben, der einzige
Sohn der einzigen noch lebenden Schwester des Fürsten
Bismarck, der Frau Malvine v. Arnim-Kröchlcndorff,
und Schwager des Oberpräsidenten Grafen Wilhelm
Bismarck.
— Viel besprochen wird gegenwärtig der zu der sonst be-
obachteten Zurückhaltung im Gegensätze stehende lebhafte Verkehr
der Königin-Wittwe von Hannover mit dem Prinzen
Albrecht von Preußen gelegentlich des Kissinger Aufenthalts.
So hatte der Regent von Brannschweig kürzlich der Königin einen
zweistündigen Besuch abgestattet und war einer Einladung zur
Familientafel gefolgt. Dieser Verkehr gab zu dem Gerüchte einer
Verlobung zwischen dem ältesten Sohne des Prinzen Albrecht und
der Prinzessin Marie von Cmnbcrland Anlaß, welches sich hart-
näckig erhält. Der älteste Sohn des Prinzen Albrecht ist Wilhelm
Ernst Alexander Friedrich Heinrich Albrecht, geboren zu Hannover
am 15. Juli 1874, Rittmeister und Eskadronschef im 1. Garde-
dragoner-Regiment Königin von Großbritannien und Irland.
Prinzessin Marie Luise ist am 1l. Oktober 1879 zu Gmunden
geboren als die erste Tochter des Herzogs Ernst August von
Eumberland und seiner Gemahlin Thyra, Prinzessin von Dänemark.
(Von anderer Seite wird gemeldet, daß an dem Gerücht nichts
sei, die Zusammenkunft sei nur ein Höflichkeitsbesuch gewesen.)
Deutscher Reichstag. Berlin, 8. Juni. Bei Er-
öffnung der Sitzung sind nur 28 Abgeordnete anwesend.
Bei der Fortsetzung der Berathung des Jnvaliden-
versicherungsgesetzes werden eine Reihe Paragraphen
ohne erhebliche Debatte unter Ablehnung einiger sozial-
demokratischer Abänderungsanträge angenommen.
Nächste Sitzung: morgen 1 Uhr. Fortsetzung der
heutigen Tagesordnung; außerdem kleinere Vorlagen.
Baden. Karlsruhe, 6. Juni. Die Ernennung des
Geheimraths v. Neubronn zum Präsidenten des Ober-
landesgerichts entspricht der allgemeinen Erwartung; der
vorzüglich begabte, auch als Redner anerkannte Jurist ist
nun zum ersten Richter unseres Landes berufen und zwar
sofort unter Verleihung der Würde eines Geheimraths
erster Klasse mit dem Prädikat Excellenz. Herr v. Nsubronn,
jetzt im 60. Lebensjahre stehend, ist als Ministerialbeamter
aus der Staatsanwaltschaft hervorgegangcn; eine Thütig-
keit, in welcher er hohe Anerkennung erntete; dem Justiz-
Ministerium gehörter nun gerade 25 Jahre an; er versah
zugleich den Posten als Ministerialdirektor und als Oberstaats-
anwalt. Mit den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs
muß er als besonders vertraut gelten, da er als Vorsitzender
der im Justizministerium gebildeten Commission die auf
Einfühlung bezüglichen umfassenden Arbeiten leitete, welche
erst vor kurzem durch den Landtag ihre Erledigung fanden,
und zwar zu einem früheren Zeitpunkte, als in den meisten
deutschen Staaten. Auch im Parlament war Frhr. v.
Neubronn thätig als Vertreter des Wahlbezirks Emmen-

dingen in der Zweiten Kammer; auch hier war er einer
der vorzüglichsten, wenn nicht der vorzüglichste Redner.
Er legte sein Mandat nieder gleichzeitig mit dem jetzigen
Oberbürgermeister Tr. Minierer in Freiburg und mit Geh.
Kommerzienrath K. A. Schneider dahier, als im Jahre
1888 das sogenannte Ordcnsaushilfsgesetz von der Zweiten
Kammer abgelehnt worden war; selbstverständlich wurde
er damals gleich den Genossen von der Centrumspresse
gelobt, ohne daß diese ihn jedoch jemals in irgend einer
Weise mittelbar oder unmittelbar für die Partei hätte
beanspruchen können, so wenig wie Minierer in Freiburg.
Der rücktretende Präsident des Oberlandesgerichts, Geheim-
rath Schneider, war eine der hervorragendsten und
zugleich sympathischsten Gestalten der badischen Juristenwelt.
Karlsruhe, 8. Juni. Man schreibt dem Schw.
Merkur von hier: Der Verkauf der Bad. Landes-
zeitung ist noch nicht perfekt. Es werden Anstrengungen
innerhalb der national-liberalen Partei gemacht, um das
Geld zusammenzubringen, welches die Ausübung des Vor-
kaufsrechts gestattet. Der zunächst geplante Verkauf würde
bei vielen Gesinnungsgenossen Bedenken erregen und könnte
die Landtagswahlen ungünstig beeinflussen.
L. u. Pforzheim, 8. Juni. Reichstagsabgeordneter A g st er
ist heute kurz nach 12 Uhr plötzlich nach Berlin abgereist.
Württemberg. Stuttgart, 8. Juni. Bei der Be-
rathung des Eisenbahnetats theilte Ministerpräsident Frhr.
v. Mittnacht mit, in letzter Zeit hätten auf Veranlassung
und unter Theilnahme des Reichseisenbahnamts Verhand-
lungen zwischen Bayern, Baden, Württemberg und dem
Reichslande stattgefunden über die Einführung eines ein-
heitlichen P crso n ent a ri fes. Die Grundtarife für
die drei Klassen seien in Württemberg jetzt: 8, 5,z und
3,4 Pf. Die württemb. Verwaltung würde einer Ver-
billigung auf 6, 4 und 2,z bis allenfalls 2,, Pf. zu-
stimmen. In Wegfall würden kommen u. a. die Rück-
fahrkarten, ferner die Landesfahrkarten, die Fahrkarten-
bücher. Beizubehalten wären aber u. a. die Zuschläge
für die Schnellzüge (!). — Eine solche Neuerung, die für
viele Reisende eine erhebliche Vertheuerung der Fahrten
brächte, Reformen zu nennen, ist kühn, zumal wenn man
bedenkt, daß nach der Grundtaxe nur 30 Proz. der Fahr-
karten bezahlt werden, die übrigen 70 Proz. entfallen auf
Ausnahmetarife.
Mecklenburg. Der Grobherzog von Mecklenburg-Stre-
litz hat die Bitte der Lutherischen Landesgeistlichkeit, der
als bevorstehend angesehene Kon fe ssions w e chsel der
Herzogin Jutta, Braut des Erbprinzen von Monte-
negro, möge sich noch verhindern lassen, abschläglich be-
schieden. Die Herzogin sei großjährig und habe nach eige-
nem Ermessen gehandelt und ferner sei es der Wunsch des
Zaren, daß die Herzogin zur griechisch-orthodoxen Kirche
übertrete.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Königlich Preußischen Hauptmann und Kompagniechef im
2. Thüringischen Infanterie-Regiment Nr. 32 Alexis von Stein
Lieben st ein zu Barchfeld und dem Königlich Preußischen
Hauptmann a. D. Erich von Schönberg das Ritterkreuz
zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen
sowie dem Königlich Preußischen Geheimen Kommerzienrath
Krupp in Essen das Großkreuz des Ordens vom Zähringer
Löwen verliehen.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Direktor der Kunsthalle Karlsruhe Ernst Richard auf sein An-
suchen unter Anerkennung seiner langjährigen, treuen und ersprieß-
lichen Dienste aus den 1. Oktober d. I. in den Ruhestand versetzt,
den Maler Hans Thoma in Frankfurt a. M. mit Wirkung vom
1. Oktober d. I. an zum Direktor der Kunsthalle Karlsruhe er-
nannt; ferner haben Seine Königliche Hoheit den Letztgenannten
und den Maler Professor Ludwig Dill in München mit Wirkung

Josephmeus Glück.
19) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)
Brunos sinnliches Wohlgefallen an der feurigen Kleinen
hatte sich zu einem Rausch von Verliebtheit gesteigert, aber
An Rest vernünftiger Ueberlegung sagte ihm doch, daß er
sich in einer bedenklichen Lage befinde. Es würde ihm schwer
werden, zwischen dem schwachen, jede Willensäußerung ab-
lehnenden Vater und dem eigenwilligen Kinde, das schon
letzt nahe daran war, ihn mit ihrer stürmischen Zärtlichkeit
Lu unterjochen, seinen richtigen Platz zu behaupten.
Bruno ging alsdann, ohne die Braut, zu Steinberg, ihm
die Verlobung anzuzeigen.
, Er wurde von dem alten Herrn mit so viel unbefangener
Herzlichkeit ausgenommen, daß er sich überzeugt hielt, der
Rath habe an seine Verbindung mit der Tochter nie gedacht.
»Gratulire! Gratulire!" rief der biedere Freund. »Das
heiße ich in einen Glückstopf greifen, solch' ein großes Loos
zu erhaschen. Na, das wird meinen alten Dclbitz, Ihren
trefflichen Papa, recht freuen. Aber einem so netten Kerl
Wie Ihnen, konnte es ja nicht fehlen. Wird auch die Jose
vergnügt sein! Leider ist sie krank" —
Er berichtete nun eingehend von der Tochter Befinden,
Und wenn Bruno auch peinliche Gewissensbisse fühlte, so ge-
währte es ihm doch eine Erleichterung, daß er Josephen vor-
läufig nicht zu begegnen brauchte.
Er machte jetzt noch einen schwachen Versuch, sich hier im
Hause zu lösen, sprach von: nicht länger bemühen zu wollen,
wurde aber von seinem allen Freunde ausgelacht:
»Jst's Ihnen bei uns nicht mehr gut genug mit Ihren
Millionen in Sicht? Nichts da, bis zu Ihrer Hochzeit
bleiben Sie hier."
Die Anerkennung seiner Verlobung als eines Glücksfalls,
die Bruno bei dem arglosen Herrn, sowie in seinem Be-
kanntenkreise fand, hob sein Selbstgefühl und spiegelte ihm

vor, daß er sehr klug gehandelt und wirklich einen beneidens-
werthen Glückstreffer gezogen habe.
Cora sorgte dafür, daß er in den nächsten Wochen nicht
viel zum Nachdenken kam. und im Grunde entschlug er sich
desselben ja auch gern.
Gesellige Anforderungen aller Art folgten in ununter-
brochener Reihe. Aenderungen in der Villa, üppige Neu»
anschaffungen zur Ausstattung der dem jungen Paare be-
stimmten Räume, nahmen die Zeit in Anspruch.
War Bruno auch ein Freund eleganter Lebensführung, so
erschien es ihm doch zweifelhaft, ob sich's zwischen allen diesen
Draperien, Sesselchen, Bänkchen und diesem überladenen
Ausputz der Räume angenehm werde leben lassen.-
Josephine konnte, nachdem sie drei Wochen im Kranken-
zimmer zugebracht hatte, nicht umhin, wieder unten im Hause
zu erscheinen und ihre allen Pflichten zu übernehmen. Sie
glaubte auch etwas wie Frieden wieder errungen zu haben
und meinte, Bruno gefaßt gegenüber treten zu können. Die
Nichtachtung seines Wesens und Thuns sollte ihr helfen. ES
war ihr recht, daß der Vater seinen Vorschlag, auszuziehen,
nicht angenommen hatte. Sie haßte alle ausfälligen Schritte.
Sie würde ihn jo auch nur wenig zu sehen brauchen, da er
fast seine ganze freie Zeit drüben bei der Braut zubrachte,
und dort die meisten Mahlzeiten theilte.
Es war nun aber doch für beide ein schwerer Augenblick,
als sie sich endlich wieder gegenüber standen, als Josephine
mit blassen Lippen einen Glückwunsch stammelte, und Bruno,
keines Wortes mächtig, sich stumm verneigte.
Der Eintritt des Hausherrn erlöste die Beklommenen.
Der alte Herr schlug seinen unbefangenen Ton an und Bruno
ging gewandt darauf ein. . . .
Nur einzelne Male sah man sich noch, bis die Hochzeit,
die für Anfang Januar angesetzt war, herankam. Das junge
Paar wollte dann gleich auf zwei Monate nach Italien und
Aegypten reisen.
Fräulein Moser berichtete Josephinen mehr von allen
Vorkommnissen und Plänen in van Haflens Hause, als der
Näherbetheiligte.

Das Fräulein sollte nur bis zur Rückkehr der Hochzeits-
reisenden bleiben, so hatte Cora entschieden, der alte Herr
aber heimlich, zu Luisens Befriedigung, hinzugefügt: er werde
sie aus Wartegeld setzen, sie möge leben wo sie wolle, aber
bereit sein, wenn nöthig. zur Aushülfe zu kommen.-
Josephine iaß mit im Schooße gefalteten Händen am halb
zugefrorenen Fenster und sah die Hochzeitsgäste aus der
Kirche kommend, drüben anfahren.
Sie war einem inneren Zwange gefolgt, der ihr dies
Leid, das sie jetzt erduldete, auserlegte.
Heute Morgen, als er sich bei ihnen verabschiedete, hatte
sie den Männern das Wort gelassen, was hätte sie auch sagen
sollen? Bedauern über sein Scheiden empfand sie nickt,
sondern nur ein Gefühl großer Erleichterung, denn sie
hatte während der letzten Zeit unter einem schweren Drucke
gelebt.
Das Interesse aber für alles, was ihn betraf, vermochte
sie nicht zu bannen, und darum saß sie hier am Fenster des
kalten Zimmers, aus dem sie am besten nach drüben sehen
konnte, und wo sie trotz der klaren Stellen, die sie zwischen
die Frostblumen bauchte, unbemerkt blieb.
Sie wollte ihn und seine junge Frau ankommen sehen, sie
konnte nicht anders.
Wie war es nur möglich, daß sie sich, nach allem Vor-
gefallenen. noch um ihn kümmerte?,» Manchmal, wenn sich
ihr seine Handlungsweise wieder mituiller ihrer abscheulichen
Unzartheit ins Gedächtniß drängte, glaubte sie völlig mit ihm
fertig zu sein. Unwillkürlich weilten dann aber doch ihre
Gedanken wieder bei ihm, und trieben sie zu einer solchen
Thordeit, wie sie jetzt beging.
Konnte denn Liebe nickt sterben, selbst nach solch'grausamem
Todesstoß, wie die ihre einen erlitten? Seichte Verliebtheit
mochte nur für die Stunde und für den Genuß dauern, aber
das sorgende, mit seinem Wohl verwachsene, fast mütterliche
Gefühl, das sie für den Leichtfertigen beseelte, klammerte sich
so fest mit allen seinen Wurzeln in ihre Seele, daß es un-
ausrottbar schien. ^ ^
(Fortsetzung folgt.)
 
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