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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Telephon-Anschluß Nr. 82.

>i-. 12. Elftes Mit. Samstag, den 14. Januar

I8W.

Politische Umschau.
Heidelberg, 14. Januar.
Die erste Lesung der Militärvorlage im Reichs-
tag ist beendet. Sie hat bestätigt, daß das Centrum
milttärfromm geworden ist, wie es sich schon im
vorigen Jahre marinefromm gezeigt hat. Das ist sehr er-
freulich. Wenn einmal im deutschen Reich das Gefühl
Wurzel fassen kann, daß für die Verteidigung des Vater-
landes zu Wasser und zu Lande unter allen Umständen
und ohne Weiterungen und schwere parlamentarische Kämpfe
die Mittel vom Reichstag zur Verfügung gestellt werden,
so wird das das Sicherheitsgefühl und die innere Zuver-
sicht der Bürger erhöhen und zugleich versöhnend auf das
politische Leben einwirken. Die Aufnahme, welche die
gegenwärtige Militärvorlage gefunden hat, ist zugleich eine
nachträgliche Verurteilung der leidenschaftlichen Bekämpfung
früherer Vorlagen durch das Centrum. Wenn wir sagen,
das Centrum sei jetzt militärfromm geworden, so wählen
wir absichtlich einen etwas spitzigen Ausdruck. Voller
Verlaß auf das Centrum ist erst dann, wenn es solche
kitzelnden Ausdrücke ohne Empfindlichkeit, ohne darauf zu
reagiren hinnimmt. Was haben die Konservativen und
die Nationalliberalen nicht alles wegen ihrer Militär-
freundlichkeit hören müssen! Nun sind sie längst gegen alle
derartigen Angriffe abgehärtet und haben dafür höchstens ein
geringschätzendes Achselzucken.
Nach einer Meldung aus Washington würde Deutsch-
land nach der Ratificirung des spanisch-amerikanischen
Friedensvertrages von den Kar o l inen in sein Besitz
ergreifen. Aus Madrid liegt anderseits die telegraphische
Meldung vor, die spanische Regierung stelle die Meldung
über die Abtretung der Karolinen an Deutschland, aller-
dings etwas reservirt, in Abrede. Die Nationalzeitung
bemerkt dazu: „Wie wir von unterrichteter Seite erfahren,
sind alle bezüglichen Nachrichten verfrüht; cs darf jedoch
angenommen werden, daß die deutsche Regierung nicht
unterlassen werde, die Interessen Deutschlands in dieser
Angelegenheit zu wahren." Hiernach ist es nicht unwahr-
scheinlich, daß die Karolinen, derenwegen vor etwa zwölf
Jahren beinahe ein Streit zwischen Deutschland und
Spanien ausgcbrochen wäre, nun auf dem Wege freund-
schaftlichen Uebereinkommcns doch an Deutschland über-
gehen werden.
Mit 423 gegen 124 Stimmen hat die französische
Kammer vorgestern die Berathung der Interpellation
über den neuesten Zwischenfall in der Dreyfus-Angclegen-
heit dadurch abgeschlossen, daß sie darüber zur Tages-
ordnung überging. Diese große Mehrheit läßt erwarten,
daß auch der Anschlag des Herrn Beaurepaire die Revision
der Dreyfus-Angelegenheit nicht aufhalten wird. Beaure-
paire, bis vor Kurzem selbst Richter am Kassationshof,
beschuldigt die Strafkammer des Kassationshofes, daß sie
nicht tactvoll und nicht mit der erforderlichen Unpartei-
lichkeit vorgehe. Was er bis jetzt zur Begründung dieser
starken Anschuldigung vorgebracht hat, läuft darauf hinaus,
daß die Kammer Picquart höflich behandelt hat und ihn
sogar — man schaudere! — in einer Pause mit einem
Glas Grog hat laben lassen, weil er angegriffen und er-
kältet und durch ein langes Verhör ermüdet war. Der
Präsident Loew soll die Verhandlungen in;. Sinne der
Entlastung Dreyfus leiten, die Belastungszeugen würden
vexatorisch vernommen, und pach einigen Aussagen, die
für die Generäle belastend erschienen, soll der Vorsitzende
Loew sogar seine Befriedigung darüber geäußert haben.
Beaurepaire gilt als ein Mann »von maßloser persönlicher
Eitelkeit. Dazu bekennt er sich selbst als Chauvinist. In
seiner persönlichen Eitelkeit wurde er durch den Ausgang
der Untersuchung im Falle Bard-Picquart gekränkt, denn es
stellte sich heraus, daß seine auf Hörensagen gegründete
Behauptung, der Richter Bard habe mit Picquart frater-
nistrt, falsch war. Sein Chauvinismus ist offenbar größer
als sein Rechtsgefühl. Es scheint daher, daß er vom
Chauvinismus und von der Eitelkeit in eine Rolle hinein-
gedrängt worden ist, die man sich sonst nur erklären
könnte, wenn man ihn für einen Demagogen und intriganten
Streber unter der Toga hielte. Wie man aus den
Kammerverhandlungen weiß, will die Regierung, um jeden
falschen Schein zu vermeiden, Herrn Beaurepaire Gelegen-
heit geben, seine Behauptungen vor dem Präsidenten des
Kassationshofs, Mazeau, der eine Untersuchung hierüber
anstcllt, näher zu begründen. Das Votum der Kammer
Zeigt, daß Beaurepaire aut die Oeffentlichkeit bis jetzt keinen
großen Eindruck gemacht hat.

Deutsches Reich
— Außer den verschiedenen dankenswerthen Neuerungen,
die die Rei chspost verw altung mit Beginn ds. Js.
Angeführt hat, steht noch eine Aenderung des Postgesetzes
"evor, wonach im Verkehr zwischen eng benachbarten Or-
!^n, die aber verschiedene Postämter haben, das für den
Etlichen Verkehr festgesetzte Briefporto von 5 Pf. zur An-
wendung kommen soll. Solcher Orte gibl es nicht wenige
'di Reich, namentlich im Westen und im Süden.
. — Wie die Köln. Ztg. von zuverlässiger Seite erfährt,
>nd Verhandlungen im Gange und bereits dem Abschlüsse
?d>he, durch Gründung einer großen Spiritus-Ver-
^erthu ngs-G esellsch aft Sprit-Fabrikanten und j

Spiritus-Brenner zu gemeinsamer Jnteressen-Vertretung zu
vereinigen. Man hofft, daß es durch coucentrirte An-
strengung gelingen wird, den Verbrauch von Spiritus zu
gewerblichen bezw. häuslichen Zwecken zu heben. Der
Spirituskocher und die Spirituslampe haben vor
allem im Wettbewerb mit dem ausländischen Petroleum
eine gewaltige Zukunft. Die Technik hat auf diesem Ge-
biete in neuester Zeit die großartigsten Fortschritte gemacht
und wird mit Sicherheit die zur Zeit noch vorhandenen
Schwierigkeiten überwinden.
— In einem weiteren Brief erzählt der schon mehr-
fach genannte, vom Berliner Tagebl. nach Schleswig ent-
sandte Korrespondent einige Kuriosa, die geeignet sind, die
würdelosen Klagen deutscher Kaufleute über die Beeinträch-
tigung des deutsch-dänischen Handels und die Rachegefühle
der dänischen Händler und Fabrikanten in einem komischen
Licht erscheinen zu lassen. Er schreibt u. A.:
In Kopenhagen annoncirt ein Schuhwaarengcschäft, die Situa-
tion benutzend, daß es aus Patriotismus alle deutschen, noch auf
Lager befindliche» Schuhe, bloß um mit diesem unwürdigen
Artikel sobald wie möglich aufzuräumen, ausverkaufe — selbst-
verständlich zu herabgesetzten Preisen. Die Kopenhagener sollen
sich um diese deutsche Waare förmlich schlagen — jedenfalls nur
wiederum aus vaterländischem Gefühl, nämlich um sie dann mit
Füßen treten zu können. Die Kopenhagener Firma kann seitdem
von ihrem deutschen Fabrikanten gar nicht genug bekommen, die
gegenseitigen G e s ch äft sb ezte Huna e n haben einen
Aufschwung genommen wie nie zuvor. Für Herrn v. Köller
sollen bereits ei» Paar Ehrenstiefel angefertigt werden mit der
Inschrift: Dem Förderer von Handel und Gewerbefleiß die dank-
baren Länder Preußen und Dänemark.
Deutscher Reichstag. Berlin, 13. Jan. Der Reichs-
tag hat heute in einer 3'/,stündigen Sitzung die erste
Lesung der Nt i l itär v or l a g e zu Ende geführt.
Nach einer längeren Rede Bebels, die eine Erwiderung des
Kriegsministers hervorrief, entwickelte Frhr. v. Hertling
den Standpunkt des Centrums. Redner vermied es, ein defini-
tives Urthcil abzugeben und hatte sogar Bedenken über Bedenken
gegen die einzelnen Forderungen, wie er auch die ganze Vorlage
eine lleberraschung nannte. Man gewann jedoch aus der Rede
den Eindruck, daß das Centrum, wenn auch nicht die ganze Vor-
lage, so doch ihren wesentlichen Theil annehmen, und an der
Weigerung, die zweijährige Dienstzeit gesetzlich festzulegen, die
Vorlage keinesfalls scheitern lassen werde. Das Gebiet der hohen
Politik streifte Redner nur flüchtig, aber doch eingehend genug,
um die Lösung der römischen Frage als Vorbedingung für eine
innere Gesundung Italiens und für den Fall der Verwirklichung
des russischen Manifestes den Papst als einen geborenen Schieds-
richter für den Ausgleich von Streitigkeiten zu bezeichnen. Nach-
dem dann noch die Abgg. Sattler (nat.-lib.), Liebermann
v. Sonne nverg (Antisemit) und Rick ert (Freis. Ver.) ihre
freundliche Haltung gegenüber der Vorlage bekundet, wurde die
Debatte geschlossen und die Vorlage an die Budgetkommission
verwiesen.
Dienstag Etat des Reichskanzlers und des Reichsamts des
Innern.
Baden. LO. Karlsruhe, 13. Jan. In der hcu°
tigen Sitzung des engeren Landesausschusses
der national-liberalen Partei, die unter dem
Vorsitz des Landesgerichtspräsidenten Fieser in den „Vier
Jahreszeiten" stattfaud und vollzählig besucht war, wurde,
beschlossen, den weiteren Landesausschuß am 5
März d. I. zusainmenzuberufen.
L6. Karlsruhe, 13. Januar. Die Justizcommission
nahm im Grundsatz die Grundbuchführung durch die
Notare mit dem Rathschreiber als Hilfsbeamten an.
Größere Städte können das Grundbuchamt als Gemeinde-
amt führen.
— Vor einigen Tagen ging die Mittheilung durch
die Presse, daß der Güter- und Personenverkehr der
M ai »-Neckar-B a h n und der Großh. Bad. Staats-
bahnen durch Maßnahmen der Preußisch-Hessischen Bahnver-
waltung neuerliche Schädigungen erlitten habe; man
sprach bereits von einem Millionenverluste. Zu diesen
Meldungen schreibt nun die offiziöse Süddeutsche Reichs-
korrespondenz :
Wir sehen uns zu der Feststellung veranlaßt, daß die Ver-
handlungen über die Güterinstradirungen, die infolge der Ver-
staatlichung der Hessischen Ludwigs-Bahn erforderlich schienen,
im November v. I. zu einer Vereinbarung geführt haben, die
auch vom Standpunkt der badischen Eisenbahninteressen durchaus
billige und annehmbare Verhältnisse geschaffen hat. Die Ver-
theilung der Güterbeförderung, wie sie nun zwischen der Main-
Neckar-Linie und der ehemaligen Hessischen Ludwigs-Bahn ihre
vertragsmäßige Regelung gefunden, ist allerdings für die erstere
etwas ungünstiger im Vergleich zum früheren Zustande, bei dem
die Hessische Ludwigs-Bahn über Gebühr benachtheiligt war; sie
entspricht aber der Billigkeit und den allgemeinen Grundsätzen,
nach welchen auf allen deutschen Konkurrenzlinien die Güterbeför-
derungen getheilt wird. In der Personenbeförderung ist eine
Aenderung überhaupt nicht eingetreten.
Württemberg. S tu ttg art, 13.Jan. Die Kammer
der Standesherren hat bei der Einkommensteuer 5
Prozent als Maximals atz wiederum abgelehnt
und ans dem Budgetverlangen beharrt. Damit ist die
Steuerreform äußerst gefährdet.
Stuttgart, 18. Jan. Die V e rd e ut s ch un g der
militärischen Ausdrücke wurde auch für das
württembergische Armeecorps eingeführt.

Ans der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 13.Jan. Der Großherzog und die
Großherzogin besichtigten gestern Nachmittag im Garten-
saal der Museumsgesellschaft das dort aufgestellte Riesen-
rekief des Pilatusberges mit der Stadt Luzern und der
Umgebung des Vierwaldstätter Sees. Heute Vormittag
und Nachmittag nahm der Großherzog Vortrage entgegen.
Abends besucht der Großherzog eine Sitzung des natur-

wissenschaftlichen Vereins, in welchem Professor Kahlbaum
von der Universität Basel einen Vortrag über das Leben
und die Wirksamkeit des verstorbenen Geheimeraths und
Professors Dr. Eisenlohr und den Baseler Professor
Schoenbcin halten wird. Der Erbgroßherzog reist
heute nach Berlin. Derselbe beabsichtigt am 16., Vor-
mittags, von dort hier einzutrcffen. Die Erb großh er-
zogt n wird voraussichtlich am 15. von Koblenz hierher
kommen.

Ausland.
Frankreich. Paris, 13. Jan. Esterhazy gibt auch
in dem eben erschienenen zweiten Heft seiner Denkwürdig-
keiten vor, er seiLockspitzel im Dienste der französischen
Contrespionage gewesen und habe die frem d en Militär-
attaches betrogen. (?)
Spanien. Madrid, 13. Jan. Von den Philip-
pinen wird gemeldet: Die amerikanischen für Jlo-
Jlo bestimmten und bereits in der Bucht von Manila
eingeschifften Truppen meuterten und mutzten wieder
ausgeschifft werden. Ortis befahl die Rückkehr der Truppen
von Jlo-Jlo nach Manila, um hier die von den Auf-
ständischen bedrohte amerikanische Flagge zu schützen. Die
Lage ist ernst. Aguinaldo will nur direkt mir der
spanischen Regierung über die Auslieferung der Gefangenen
verhandeln.
Zur Feftsaalfrage.
(Eingesandt.)
Heidelberg, 14. Januar.
Die Verhandlungen, die gegenwärtig zwischen der hiesigen
Stadt, der Baugesellschaft und der Museumsgesellschaft über den
Verkauf der Liegenschaften der letzteren schweben, geben uns
Veranlassung, diese für die künftige Entwickelung Heidelbergs
höchst wichtige Frage einer öffentlichen Besprechung zu unter-
ziehen, da deren endgültige Lösung nicht von den gegenwärtig
damit beschäftigten Parteien, sondern einerseits von der General-
versammlung des Museums und andererseits von dem Bürger-
ausschusse abhängen wird.
Dabei möchten wir zur Erläuterung dieser Frage zunächst
Folgendes vorausschicken: Als die Museumsgesellschaft im An-
fang der 70er Jahre einen Umbau ihrer Liegenschaften in Aus-
sicht nahm, stand dieselbe, soweit uns bekannt, vollständig
schuldenfrei da. Die Räume, wie sie der Gesellschaft zur Ver-
fügung sianden, reichten für ihre Zwecke vollständig aus, nur
die Lage des Lesezimmers im 8. Stock des Hauptgebäudes wurde
als eine Unbequemlichkeit empfunden und wenn in den übrigen
Räumen größere Veranstaltungen statlfanden, welche nicht die
Gesellschaft, sondern die Stadt berührten, so mangelte es hin
und wieder an dem hiezu erforderlichen Platze. Bei den wohl-
geordneten Finanzverhältnissen der Gesellschaft lag für dieselbe
kein Bedürfniß zur Vermiethung ihrer Lokale vor und wurden
demzufolge auch nur solche Veranstaltungen darin ausgeführt,
welche man mehr oder minder im Interesse der Mitglieder der
Gesellschaft gelegen erachtete.
Um aber auch das Bedürfniß für größere Veranstaltungen
befriedigen zu können, beschloß die Museumsgesellschaft auf mehr-
fache Anregungen hi», einen Umbau ihrer Liegenschaften vor-
zunehmen, und vollzog mit deren Durchführung eine Aufgabe,
welche viel weniger die Interessen der Gesellschaft,
als jene der Stadt berührte, wozu aber damals bei
letzterer sich nicht die geringste Neigung zeigte. Die Geschichte
dieses Umbaues glauben wir als allgemein bekannt nicht näher
berühren zu müssen, dagegen wird es um so nothwendiger er-
scheinen, die Folgen, welche diese Bausausfllhrung mit sich
brachte, einer näheren Erläuterung zu unterziehen.
Bei Durchführung dieses Umbaues erwies sich nämlich das
Gebäude so wenig hiezu geeignet, daß weit umfangreichere
Reparaturen in demselben vorgenommen werden mußten, als
ursprünglich vorauszusehen war. Dadurch wurden aber auch die
Kostenvoranschläge in ganz exorbitanter Weise überschritten und
zugleich der Gesellschaft eine Schuldenlast aufgebürdet, welche
ihre Leistungsfähigkeit auf das höchste anspannte und wodurch
die Verwaltung genöthigt war, die Ausgaben für die Gcsellschafts-
zwccke sowohl als jene für die Unterhaltungskosten des Gebäudes
auf das nothwendigste zu beschränken.
Der hierdurch geschaffene Mißstand wurde aber noch erheblich
dadurch verschlimmert, daß in den letzten Jahren eine größere
Zahl Mitglieder aus der Gesellschaft austraten und ihren
Austritt damit motivirten, es liege für sie keinerlei Bedürsniß
vor, der Gesellschaft anzugehören. Der Austrtt aus dem Museum
beschränkte sich aber nicht bloß ans die ordentlichen Mitglieder
der Gesellschaft, es schied vielmehr eine weit größere Zahl
außerordentlicher Mitglieder aus derselben aus, deren Austritt
die Verhältnisse der Gesellschaft weit ungünstiger beeinflußte, als
es bei jenem der ordentlichen Mitglieder der Fall war.
Daß diese Umstände nicht ohne Einfluß auf die finanziellen
Verhältnisse der Gesellschaft bleiben konnten, bedarf wohl keines
näheren Nachweises und es ist daher auch heute lediglich die
finanzielle Lage der Gesellschaft die Ursache, weshalb z.Zt. Ver-
handlungen über den Verkauf der fraglichen Liegen-
schaften schweben. Für diesen Verkauf liegen nunmehr
dem Auffichtsrathe der Gesellschaft zwei Anerbietungen vor und
zwar zunächst von der Stadtbehörde, welche nach dem Ankauf
der Liegenschaft eine wesentliche Erweiterung derselbe» vor-
zunehmen und dadurch die Erstellung eines Gesellschaftshauses
auszuführen beabsichtigt. Dabei ist in Aussicht genommen, der
jetzigen Museumsgesellschatt die für ihre Bedürfnisse erforder-
lichen Räume auf eine Reihe von Jahren pachtweise zu über-
lassen.
Ehe wir die Folgen des Verkaufes des Museumsgebaudes
an die Stadtgemeinde besprechen, scheint es uns vor Allem an-
gezeigt, sestzustellen, welche Bedürfnisse in Heidelberg zur
Erbauung einer sogenannten Festhalle vorliegen.
Bislang hatten die Räume im Museum und in der Harmonie
den gestellten Ansprüchen genügt, doch durch das Anwachsen
unserer Stadt erweisen sich dieselben für Concerte und größere
Festlichkeiten von Vereinen und festliche Arrangements der
städtischen Behörden als nicht mehr ausreichend.
Hierzu kommt vor Allem in Betracht, daß unser größter
Gesangverein in den letzten Jahren sich in seiner Mitgliederzahl
so vermehrte, daß der ihm zur Verfügung stehende Museumssaal
ebenfalls nicht mehr genügend Raum bietet. Die Agitation zur
Erbauung einer Festhalle stammt ja allerdings auch besonders
aus diesen Kreisen und ist nur zu hoffen, daß aus gemeinsamer
Arbeit etwas Richtiges geschaffen wird, was auch allen An-
sprüchen genügt.
 
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