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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0519

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 1l5.

DWNttstag, den 18. Mai

1899.

Zur Haager Abrüstungskonferenz.
Die Nuova Antologia bringt im Hinblick auf die Ab-
rüstungskonferenz in ihrer neuesten Nummer einen interes-
santen Artikel aus der Feder Crispis. Der berühmte
Staatsmann frischt dabei Erinnerungen an Gambetta
und Bismarck auf und schreibt, nachdem er das Pro-
gramm der Abrüstungskonferenz ausführlich erläutert hat,
u. A.: „Nach Aufzählung obiger Argumente wird die
Weitläufigkeit des Programms Jedem klar; jedenfalls
werden auch einzelne Punkte Annahme finden, deren
Probleme leicht zu lösen sind und das wäre das erste und
unstreitig menschenwürdigste Resultat der für unsere Zeit
bedeutenden Konferenz. U. A. ist seit unzähligen Jahren
besonders ein Problem viel umstritten. Am 30. August
1877 besprach ich in Paris mit Gambetta die schwere
Lage der Politik jener Zeit, welche besonders für Frank-
reich gefährlich war. Der Marschall Mac Mahon präsi-
dirte über das Geschick der Republik und man schien da-
mals einen Staatsstreich zu befürchten. Ich bemerkte
Gambetta, daß die Armee und der Klerus eine Gefahr
für das Land seien; er gab dies zu und bemerkte, daß
das einzige Mittel in diesem Falle eine Universal-
abrüstung sei. Da ich im Begriffe war abzureisen,
und ein Zusammentreffen mit Bismarck zu gewärtigen
war, veraulaßte mich Gambetta, diese äußerst delikate
Frage in Deutschland anzuregen. Am 17. September
gleichen Jahres sprach ich Bismarck in Gastein und
entledigte mich des Auftrags Gambettas. Bismarck sagte
mir wörtlich: „Die Abrüstung in der Praxis ist
nicht möglich; denn es sind im Wörterbuch
noch keine Worte zu finden, welche dieGrenze
zwischen Abrüstung und Rüstung bezeichnen.
Die militärischen Einrichtungen in den ver-
schiedencnStaaten sind grundverschieden, und
wenn man selbst die Heere für Fricdenszeit
bestimmt hat, kann man nicht sagen, daß die
Nationen, welche für Abrüstung zugänglich
sind, gleiche Konditionen für Beleidigung
und Vertheidigung haben. Ueberlassen wir
das Problem der Vereinigung der Freunde
des Friedens." Der Autorität eines solchen Mannes —
fährt Crispi fort — sollte nichts beigefügt werden. Trotz-
dem hoffe ich, daß nach eingehendem Studium sich etwas
erreichen läßt. Wenn es auch lächerlich ist, in Bälde Tage
zu erhoffen, in denen die stehenden Heere abgeschafft wer-
den, so kann mit gutem Willen doch eine Reduktion, ein
Verhindern der neuen Zurüstungen erlangt werden. Die
Schwierigkeiten, welche sich einer Vereinbarung entgegen-
stellen, find nicht groß, wie aus dem ersten Artikel des
Programms erhellt."
Herr Crispi setzt also doch eine kleine Hoffnung auf
die Friedens- und Abrüstungskonferenz. Wir wollen uns
an das einsichtsvolle Wort Bismarcks halten, der die Ab-
rüstung als in der Praxis nicht möglich bezeichnet hat.
Wir haben als Deutsche auch gar keinen Grund, uns
eines Theils unserer Kraft und unseres Kraftgefühls durch
irgend eine Konferenz berauben zu lassen.
Vorsitzender der Konferenz wird der russische Bot-
schafter in London, Herr v. Staat, sein. Herr
v. Staat, der bereits im 75. Lebensjahre steht, hat an
der Moskauer Universität studirt ; 1845 trat er in das
asiatische Departement des Ministeriums des Aeußern ein,
1850 wurde er zu der russischen Vertretung nach Kon-
stantinopel commandirt, 1857 Secretär der russischen Ver-
tretung in Bukarest, 1859 erster Secretär der russischen
Gesandtschaft in Athen. 1862 erster Secretär in Kon-

stantinopel, 1871 Gesandter in Stuttgart, 1883 in
München, 1884 Botschafter in London, wo er ebenso beliebt
wie geachtet ist.
Es versteht sich eigentlich von selbst, daß von den
Verhandlungen der Konferenz alle inneren Fragen der
einzelnen die Konferenz beschickenden Staaten ausgeschlossen
sind. In den Vereinigten Staaten scheint man aber von
diesem Grundsatz keine Notiz nehmen zu wollen; denn
Mc Kinley wurde seitens einer Abordnung finnischer Aus-
wanderer um seine Vermittlung beim Zaren angegangen,
daß letzterer den Aufruf vom 15. Februar zurücknehme;
der Präsident schlug dies ab, erklärte sich aber bereit, den
russischen Bevollmächtigten im Haag die Bittschrift über-
geben zu lassen. Ferner wendet sich eine von dem „Aus-
schuß der vereinigten polnischen Presse und Vereine in
Chicago" Unterzeichnete Adresse an „die Amerikaner und
alle anderen gesitteten Nationen", worin in lebhaften
Farben das den Polen angethane Unrecht geschildert wird,
ohne dessen Sühne die Konferenz gar nicht als ein ernst-
hafter Versuch zur Sicherung des Weltfriedens betrachtet
werden könne. Es drängen sich also jetzt schon sehr be-
denkliche Znmuthungen an die Konferenz heran.
Auf den Verlauf der Konferenz ist man begreiflicher-
weise überall sehr gespannt.

Deutsches Reich.
— Die P o stkommissi on des Reichstags beendete
die zweite Lesung der Fernsprechgebührenoidnung, wesent-
lich den Beschlüssen der ersten Lesung entsprechend. Die
Pauschgcbühr in der Fünskilometertaxe wurde bis zu 50
Anschlüssen auf 80 Mark festgesetzt mit sieben weiteren
Stufen bis 180 Mark über 20 000 Anschlüsse. Bei Be-
zahlung der Panschgebühr ist die unentgeltliche Benutzung
durch Dritte gestattet. Die Gesprächsgebühr zwischen ver-
schiedenen Orten bis zu 25 Kilometer Entfernung wurde
auf 20 Pfennig festgesetzt.
— Im Jahre 1898 sind in Deutschland an Fleisch
und Fleischwaaren eingeführt worden für 81,12 Mill.
Mark gegen 48,85 Mill. Mark im Jahre 1897 und 35,43
Mill. Mark im Jahre 1896. Die Fleischeinfuhr ist also
im letzten Jahre um 32,27 Mill. Mark gestiegen. Im
Jahre 1899 sind in den ersten drei Monaten für 20. l 6
Mill. Mark Fleisch u. s. w. eingcführt gegen 19,45 Mill.
Mark im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
— Dem Gouverneur von Deutsch-Neu-Guinea, von
Bennigsen, ist der Rang der Räthe zweiter Klasse mit
der Maßgabe beigelegt worden, daß ihm diese Rangklaffe
nur außerhalb Europas und für seine Amtsdauer zustcht.
Deutscher Reichstag. Berlin, 17. Mai. Weitcr-
berathung der Jnvalidennovelle.
Die Berathung wird bei Z 25a fortgesetzt und bis zu Ab-
schnitt V ohne wesentliche Debatte durchgeführt.
Bei Abschnitt V Rentenstellen W 51 ff. beantragt Abg.
Richter (freist Volksp) Vertagung, findet aber nicht die
nöthige Unterstützung.
Nachdem Abg. v. L o e b e l l (kons.) einen inzwischen einge-
brachten Abänderuugsantrag begründet hat, wird ein neuerlicher
Vertagungsantrag Leüzmans angenommen.
Morgen 11 Uhr Weiterberatbung.
Baden, ffMannheim, 17. Mai. In dem Landtags-
Wahlkreis Schwetzingen fand eine sehr zahlreich
besuchte Vertrauensmännerversammlung der national-
liberalen Partei statt, in welcher beschlossen wurde,
Herrn Professor Treiber von Plankstadt als Kandi-
daten für die Landtagswahl aufzustellen. Herr Treiber
hat aus schriftliche Anfrage die Kandidatur angenommen.
Die Aufstellung erfolgte einstimmig. Herr Treiber gab
die Erklärung ab, daß er sich zu den von der national-

liberalen Partei aufgestellten Programmpunkten bekenne.
Der Bund der Landwirthe, dessen erster Vorsitzender für
den Reichstagswahlkreis Mannheim-Weinheim-Schwetzingen
Herr Professor Treiber ist, hat ihn bekanntlich bereits vor
einigen Wochen als Kandidaten nominirt. Sowohl im
Wahlkreis Weinheim als im Wahlkreis Schwetzingen gehen
somit bei den Landtagswahleil der Bund der Landwirthe
und die nationalliberale Partei gemeinsam vor, was die
besten Aussichten für die Eroberung dieser zwei Wahlkreise,
von denen Schwetzingen demokratisch und Weinheim anti-
semitisch vertreten war, für die nationalliberale Partei
eröffnet. An emsiger, umfassender Arbeit wird es sicherlich
nicht fehlen. Schon nach Pfingsten sollen in allen Orten
der beiden Wahlkreise unter Thcilnahme der Mannheimer
Parteifreunde Versammlungen stattfinden. Sehr erfreulich
ist die Thatsache, daß die Aufstellung des Herrn Treiber
im Schwetzinger Bezirk durch die nationalliberale Partei
einstimmig erfolgte, so daß also die lokalen persönlichen
Verstimmungen, welche vor 4 Jahren die Wahlschlacht
verlieren ließen, als ausgeschlossen gelten können.
— Die Einnahmen der badischen Bahnen haben
im Monat April 1899 gegenüber dem gleichen Monat des Vor-
jahres um 146 980 zugenommen. Die ersten vier Monate d. I.
haben bereits ein Mehr von 872970 gebracht.
Elsaß-Lothringen. Metz, 14. Mai. Eine ergötzliche
Geschichte, welche wieder einmal den Beweis liefert, daß
wir im Zeitalter der Nervosität leben, geht zur Zeit in
Metz von Mund zu Mund. Dort instruirte einBezirksoffizier bet
der letzten Kontrolversammlung die Reservisten und Land-
wehrmänner über ihre Obliegenheiten bei eintrctender
Mobilmachung und nahm dabei, um besser verständlich zu
werden, den 5. Mai d. I. als ersten Tag der Mobil-
machung an. Die Mannschaften gaben denn auch durch-
aus zutreffende Antworten unter genauer Bezeichnung des
Tagesdatums, au welchem sie sich persönlich zu stellen
haben würden. Daraufhin erzählte nach Beendigung der
Kontrolversammlung beim Schoppen Wein irgend ein Spaß-
vogel den biederen Landbewohnern, daß am 5. Mai d. I.
mobil gemacht würde und siehe da, trotzdem wir im tiefsten
Frieden leben, standen am 5. Mai d. I. zw ei Kavallerie-
rcg imenter unserer französischen Nachbarn, befehligt
von einem General, an der französisch-deutschen
Grenze und üblen scharfe Grenzbewachung aus.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Rektor der Technischen Hochschule, Geh. Rath Professor Or. Karl
Engl er, und dem Prorektor der Technischen Hochschule, Geh.
ofrath Professor Josef Hart, das Kommandeurkreuz zweiter
lasse des Ordens vom Zähringcr Löwen verliehen, den Forstrath
Wilhelm König e bei der Domänendirektion auf sein Ansuchen seiner
derzeitigen Stelle enthoben und ihm das Forstamt Heidelberg
übertragen, ferner dem Oberförster Ludwig Müller in Kirch-
zarten das Forstamt Freiburg und dem Oberförster Gustav
Ried matter in St. Leon das Forstamt Kirchzarten übertragen,
sowie den Forstaffessor Karl Feist in Heidelberg zum Oberförster
in St. Leon und den Forstassessor Otto Eberbach in Bonndorf
zum Oberförster daselbst eruaunt.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den der
Domänendirektion als Hilfsarbeiter im Kollegium beigegebenen
Forstrath Karl Wittmer zum Kollegialmitglred dieser Behörde
ernannt und den Oberförster Eugen Gretsch in Kandern unter
Verleihung des Titels Forstrath der Domänendirektion als Hilfs-
arbeiter im Kollegium beigegeben, den bisherigen Hof-Zeremonien-
meister Sigmund Freiherrn von G emmingen-Guttenberg-
Bonfeld auf den Wunsch Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Prinzessin
Wilhelm zu deren Hofmarschall ernannt und den Präsidenten des
Verwaltungsgerichtshofs, Geheimen Rath Ioos, zum Präsidenten
der Oberrechnungskammer ernannt.
— Finanzaffessor Anton Gerspach in Säckingen wurde zum
Hauptsteueramt Freiburg und Finanzassessor Julius Fehren-
bach in Lörrach zum Hauptsteueramt Säckingen versetzt; Finanz-
asfistent Friedrich Weidenhammer beim Hauptsteueramte Lahr
wurde als Hauptamtsassistent etatsmäßig angestellt.

Josephineus Glück.
2) Erzählung von A. von der Elbe.
(Fortsetzung.)

„Rechts nach dem Garten ist das Eßzimmer," sukr Jose-
bhine fort, „und davor nach der Allee Stube und Kammer,
die ihrer Kühle wegen Dir im Sommer besonders angenehm
Waren. Wie oft hast Du da von der Gartenarbeit ausgeruht
Und Dein Mittagsschläfchen gehalten, auch wohl den einen
oder anderen Besuch empfangen."
Ach. wir können die Zimmer entbehren I Laß sie für
Delbitz zurechtmachen. Ich will heute noch meinem alten
Kollegen schreiben, daß ich seinen Sohn für die ersten Wochen
Zu mir einlade."
Nachdem der Vater diese Entscheidung getroffen, wagte
josephine keine Widerrede mehr und ging, wenn auch unlustig,
daran, die für den Gast bestimmten Räume wohnlich ber-
iurichten.

Rath Steinberg beantwortete den Brief des Freundes
wit der Einladung für den Sohn, und erhielt alsbald vom
Direktor von Delbitz einen Dank und vom Assessor die ver-
bindlich gefaßte Annahme des gastfreundlichen Anerbietens
wmmt Tag und Stunde seiner Ankunft.-
. Josephine war unangenehm aufgestört und unwillkürlich
drängten sich ihr Erinnerungen aus den Knabenjahren des
öu Erwartenden auf. Sie hatte als Zwanzigjährige den sech-
zehnjährigen Jüngling wenig beachtet, in Bruno's Knaben-
whren ihn aber mit besonderer Vertraulichkeit und Hülfs-
Meitschaft ganz wie einen jungen Bruder behandelt. Welchen
-4-on sollte sie jetzt gegen ihn anschlagen?

. Damals, als sie sich zuletzt gesehen, war sie ein lebens-
frohes Mädchen gewesen. Die Hochzeit ihrer einzigen Schwester,
we nach Amerika heirathete, war gefeiert worden, und auch
jdr hatten sich junge Männer artig genähert. Aber keinem
darunter hatte sie ihr Herz erschließen können.
Sie mochte zur Ehelosigkeit bestimmt sein, sonst würde.sie

doch jemals für den einen oder anderen Mann lebhaster
empfunden haben.
Dann freilich hatte ihrer armen Mutter Lähmung allen
ihren Jugendfreuden ein Plötzliches Ende bereitet und sie an
das Schmerzenslager der über olles Geliebten gebannt, mit
der sie eine lange schwere Zeit durchlitten.
Nun war sie mittlerweile 32 Jahre alt geworden, zu alt,
wie sie meinte, zur Ehe. und sah keinen anderen Lebenszweck
mehr vor sich, als den, ihrem Vater dereinst dieselben Liebes-
dienste zu leisten, die sie lange Zeit der Mutter geleistet
hatte.-
Es war ein wundervoller Tag im Frühsommer, so klar
und sonnig und vom Vogelgezwitscher und Blumenduft
erfüllt, wie ihn nur diese Jahreszeit hervorbringt, als Bruno
von Delbitz. in einer Droschke vom Bahnhof kommend, am
Gartenthore der Steinberg'schen Villa vorfuhr. Leichtfüßig
spang er aus dem Wagen und wie ein Bild des sonnigen
Tages stand er da.
Als er das Filzhütchen herunterzog, hoben sich kurze blonde
Locken im Luftzuge, seine blauen Augen leuchteten, das srische
Gesicht strahlte in übermüthiger Heiterkeit und unter dem
aufgewirbelten Hellen Schnurrbärtchen lachte ein voller frischer
Mund den alten Herrn io freundlich an, daß prächtige weiße
Zähne hervorblickten. Er reckte seine schlanke Gestalt und
schlug herzlich in die ihm dargebotene Hand.
Ein Hauch der alten guten Zeit schien von dem jungen
Gaste auszugehen und erfüllte das Herz des Raths mit
freundlichem Behagen, während er Bruno von Delbitz will-
kommen hieß:
„Sobald Sie sich des Reisestaubs entledigt haben, hoffe
ich, Sie zum Mittagessen im nebenan liegenden Zimmer zu
sehen. Wir haben damit auf Ihre Ankunft gewartet," lautete
die mehr offenherzige als höfliche Hinzusügung.
Als der alte Herr gegangen war, sah Bruno sich etwas
genauer in den beiden ihm angewiesenen Räumen um. Der
erste Eindruck hatte nicht getrogen. Das altmodische Maha-
gonimobiliar, mit grünem Seidendamast bezogen, ebensolche
reiche Fenster- und Bettvorhänge im anliegenden Schlafgemach,

zeugten von großem Wohlstände. Bruno warf sich in einen
der weichen Lehnstühle, er liebte die Genüsse der Beguem-
lichkeit und des Wohllebens. Reichthum lmponirte ihm
immer, hatte er doch zeitlebens unter der Unzulänglichkeit
seiner Mittel gelitten.
Rasch sprang er wieder empor, er durfte doch die Freunde
nicht noch länger aus ihr Mittagessen warten lassen, auch
ihm sollte es schmecken. Gewiß führte der alte Herr einen
vortrefflichen Weinkeller.
Mit seiner Toilette machte er wenig Umstände, er war zu
sorglos und des guten Eindrucks seiner Persönlichkeit zu
sicher. So trat er wenige Minuten später in das ihm be-
zeicbnete Eßzimmer.
Alle Wetter, welch' großes, schön ausgestaltetes Gelaß!
Bruno fand einige Minuten Zeit, sich umzusehen. Der
Hausherr spazierte draußen aus der Veranda hin und her,
gewahrte seinen Gast aber alsbalb.
Er kam mit ausgestreckter Hand auf Bruno zu: „So, so,
mein Lieber, da sind Sie ja. Na. wir wollen gleich unsere
Suppe essen. Da ist ja auch die Josephine. Kennen Sie
Ihre alte Freundin noch? Hier haben wir den Bruno. Jose,
famos herausgewachsen, ganzer Kerl geworden! He? was
meinst Du? Hab' ich recht?"
Josephine. die ein Körbchen mit frischen Kirschen trug,
ließ ihren kühlen, gleichgültigen Blick über den jungen Mann
gleiten. Als er ihr freundlich die Hand entgegenstreckte.
reichte sie ihm gelassen die ihre, die er, mit warmem Aufblick
seiner schönen Augen an die Lippen zog.
Wenn er auch die alte Freundin seiner Jugendiahre
schwerlich am dritten Orte wiedererkannt oder sonderlich be-
achtet habe» würde, so regte sich doch hier ein warmes Ge-
füllt dankbarer Anhänglichkeit. Auch hielt er es ebenso
höflich wie praktisch, ihr möglichst artig entgegenzukommen.
Josephine entzog ikm, etwas rascher, als er es gewohnt
sein mochte, leicht erröthend ihre Hand; war ihr doch solche
Huldigung von den älteren Personen, mit denen sie verkehrte,
seit Jahren nicht dargebracht worden.
(Fortsetzung folgt.)
 
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