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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0405

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Ar.M. Erstes Walt. Dienstag, den 18. April

1889.

Die Thronfolge in Coburg-Gotha.
Die Regelung der Thronfolge, die für die vereinigten
Herzogthümer Coburg-Gotha in Folge des Ablebens des
Sohnes des regierenden Herzogs nothwendig geworden, hat
staatsrechtlich inzwischen ihre Erledigung gefunden, und zwar
durch das bekannte Schreiben, das der Staatsminister von
Strenge im gemeinschaftlichen Landtag der Herzogthümer
verlesen hat: worin der jüngere Bruder des regierenden
Herzogs, als der nach den Hausgesetzen des herzoglichen
Hauses nächstberechtigte Agnat, erklärt, daß er als zur
Thronfolge berufen für sich und sein Haus bereit sei,
„unsere Pflichten gegen die uns angestammten Herzog
thümer Coburg und Gotha zu erfüllen"; unterzeichnet
„Arthur, 5z erzog von Connaught. Rom, den
6. April."
Damit ist diese Angelegenheit staatsrechtlich erledigt.
In nationalpolitischer Beziehung aber bleibt die Frage zu
beantworten, ob die Berufung eines „auswärtigen" Prin-
zen auf einen deutschen Thron bedenklich ist oder nicht.
Stellt man die Frage so allgemein, so muß man wohl
darauf antworten, daß ausländische Prinzen als Fürsten
vuf deutschen Thronen eine nicht unbedenkliche Erscheinung
find. In diesem Spezialfalle möchten wir aber doch dafür
ivrechen, daß die Thronfolge des Herzogs von
Connaught in Coburg - Gotha nicht tragisch genommen wird.
Es ist ja richtig, daß es unter der Herrschaft des
jetzigen Herzogs von Coburg — der, wie gesagt, der ältere
Bruder des Herzogs von Connaught ist — am coburg-
gothaischen Hofe sehr englisch zugeht. Vielleicht wird cs
Unter dem Herzog von Connaught, wenn er einst seinem
iohnelosen Bruder folgt, ebenso sein, allein das ist doch
Uur ein Uebergangszustand, der mit der nächsten Generation
verschwindet. Das beste Beispiel bietet ja der zukünftige
Herrscher Coburgs selbst. Sein Vater war ein deutscher
Tftinz, ihn selbst nennt man einen Engländer. Seine
Nachkommenschaft wird sicherlich wieder völlig deutsch
Werden. Man vergesse auch nicht, daß der Herzog mit
ber preußischen Prinzessin Luise Margaretha ver-
mählt ist.
Wenn diese Thronfolgeangelegenheit in der deutschen
Presse mit einigem Unmuth behandelt wird, so ist daran
öum großen Theil die englische Presse schuld, die auch bei
Meser Gelegenheit eine gewisse Ueberhebung Englands
Markirtc. Indessen hat man in Deutschland, wenn mau
me Sache recht betrachtet, gar keinen Grund, sich aufzu-
vvgen, da die englische Ueberhebung von den nächstbethei-
"gten englischen Prinzen selbst aä a.l>8nränin geführt worden
'st. Schon als es sich um die Thronbesteigung des Herzogs
von Edinburg handelte, meinten die englischen Bläiter, der
verzog werde seine Stellung als englischer Prinz nicht
vusgeben, sondern zu Gunsten seines damals noch lebenden
Lohnes verzichten. Der Herzog hat aber das Thrönchen
lehr schgn acceptirt und damit gezeigt, was er höher schätzt:
^Wischer Prinz oder kleiner deutscher Bundcsfürst zu sein.
?"tzt, nach dem Tode seines einzigen Sohnes, da die Frage
Er Thronfolge wieder auftrat, wiederholte die englische Presse
us alte Spiel mit dem für den zur Schau getragenen
Hvchmulh gleich beschämenden Erfolg. Der Herzog von
viinaught hat die Thronfolge in Coburg-Gotha vorgezogeu,
vvgleich er — man denke! — sogar Aussicht hatte, Höchst-
Mumandirender der englischen Armee zu werden.
. Es ist ja möglich, daß England und Deutschland in
EU nächsten dreißig Jahren einmal in Conflict miteinander
Kathen. Die Stellung eines als englischer Prinz ge-
hvvenen Herzogs in Coburg würde in solchem Falle aller-
es unbehaglich sein. Aber gerade deswegen würde er

seine persönlichen Beziehungen benützen, um einen Bruch
zwischen beiden Nationen zu verhüten. So hätte man an
ihm einen Mittelsmann, der Deutschland eventuell gute
Dienste leisten könnte, während er seinem wieder erlangten
Vaterland kaum schaden könnte, wenn er auch wollte, was
jedoch als absolut ausgeschlossen zu betrachten ist.
Käme ein Prinz in Frage, dessen Familie Deutschland
und dem Deutschthum seit vielen Generationen entfremdet
ist, wie etwa die russischen und ganz verrußten Olden-
burger für die Nachfolge in Oldenburg, dann wäre die
Sache bedenklich, aber der Sohn, eines coburgischen Prinzen
und einer Königin aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg
(Hannover), der mit einer deutschen Prinzessin vermählt
ist, darf doch wohl als vollblütiger Deutscher gelten. Und
er wird sich gewiß als solcher zeigen, wenn er in deutschem
Pflichtenkreis deutsche Luft athmet.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser befahl am Montag Mittag 2 Uhr, die
B erliner Garnis on zu allarmiren. Um 2 Uhr
begann auf dem Tempelhofer Felde ein Gefecht der in ein
Ost- und ein WcstcorpS eingetheilten Truppen.
— Der Kreuzer „Cormoran" ist am 24. April
auf dem Wirbelrundriff, nördlich von Neupommern, auf-
gelaufen, aber mit geringem Materialverlust losgekommen.
Das Schiff ist nicht leck, die Maschine gebrauchsfähig.
Mannschaften unverletzt. Der „Cormoran" ist am 15. d. M.
in Brisbane eingetroffen und fährt am 17. nach Sidney
weiter. (Neupommern ist eine Insel im deutschen Bismarck-
Archipel der Südsee. Die Red.)
— Die auf einem Mißverständniß beruhende Mit-
theilung des Vorwärts über die angeblich bevorstehende
Erhebung Berlins und seiner Vororte zu einer Pro-
vinz mit strammer Leitung durch Staatsbeamte hat
folgenden Hintergrund: Es soll demnächst eine Gesetzes-
vorlage in den preußischen Landtag eingebracht werden,
die für die Umgebung Berlins eine neue Regierung
schaffen soll. Die stetig wachsende Bevölkerung der Um-
gebung von Berlin hat die Ueberlastung der Behörden
derart gesteigert, daß, wie eine Neuregelung der Gerichts-
behörden, so auch eine Neuregelung der Verwaltungs-
behörden immer dringlicher wird. Zu dem Ende soll der
Bezirk :er königlichen Regierung in Potsdam, der sich bis
zur Weichbildgrenze von Berlin erstreckt, getheilt und unter
Aufrechterhaltung einer königlichen Regierung in Potsdam
eine zweite königliche Regierung mit dem Sitze in einer
der an Berlin anstoßenden Städte (Charlottenburg, Schöne-
berg u. s. w.) neu errichtet werden. Auch sollen im
Interesse einer Vereinheitlichung der Sicherheitspolizei die
Befugnisse des Polizeipräsioenten von Berlin erweitert
werden. Geht die Vorlage durch, dann ist allerdings auf
längere Zeit hinaus an eine Einverleibung weiterer Berliner
Vororte in die Reichshauptstadt nicht zu denken. Die
Regierung wünscht auch garnicht, daß die Vororte dem
fortschrittlich - sozialdemokratischen Verwaltungklüugel in
Berlin anheimfalleu.
Deutscher Reichstag. Berlin, 17. April. Zur Be-
rathung steht der Gesetzentwurf betr. die Schlacht vieh-
und Fleischbeschau.
Gerstenberger-Aschaffenburg (Centr.) wünscht eine Eiu-
'ührungsrede des Staatssekretärs zu dem Gesetz, das so großen
Sturm erregt habe. Im allgemeinen bekämpfe seine Partei den
Entwurf, doch sei anderseits ein allgemeines Fleischbeschaugesetz
zum Schutze der Volksgesundheit gegen Seuchen und die Mittel
des unlauteren Wettbewerbs äußerst nothwendig. Diesen An-
örderungen genüge das Gesetz aber nicht, da es die praktischen
Verhältnisse zu wenig beachte. Vor dem Auslande brauche man
nicht so ängstlich zu sein. Schließlich solle mau lieber die Grenze

sperren. Er beantrage ein 21gliedrige Kommission. (Lebhaftes
Bravo rechts und im Centrum.)
Abg. Graf Klinckowström (kons.): Die Landwirthschaft
halte eine Regelung der Fleischbeschau für nöthig und würde die
nothwendigen Belästigungen auf sich nehmen, wenn das aus-
ländische Fleisch ebenso behandelt würde. So aber herrsche leb-
hafte Mißstimmung gegen das Gesetz im Lande. Seine Partei
verlange doppelte Fleischbeschau auch für ausländisches Fleisch.
Führe das zur Beschränkung der Einfuhr, so werde es auch so
gehen. Unmöglich aber könne man dem Bundesrath die Voll-
macht geben, amerikanische Firmen ganz von dieser Maßregel
auszunehmen. Was für Fleisch hätten amerikanische Firmen den
eigenen Soldaten im letzten Kriege geliefert! Er erwarte aufs
bestimmteste eine Erklärung der Regierung, daß keine Aufhebung
der Sperre beabsichtigt sei.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky wendet sich
gegen die Vorwürfe der Vorredner, daß er die Vorlage nicht
durch eine Einführungsrede vertheidtgt habe. Die Auffassung
der Regierung sei in der Vorlage niedergelegt. Ein Vertreter
der Regierung habe nicht die Verpflichtung, sie gegen Angriffe
von außerhalb zu vertheidigen; sie würden aber das Wort er-
greifen, wenn sie es für geeignet hielten. Das Gesetz sei erstens
ein hygieinisches, veterinärpolizeiliches Gesetz, um der Verbreitung
von Seuchen vorzubeugen. Zweitens könne die Regierung zweifel-
los sämmtliche Controlmaßregeln auch auf ausländisches Fleisch
anwenden, weil sie auf dem Gebiet der inneren Verwaltung Herr
im eigenen Hause sei. Er sei deshalb überrascht über die agra-
rischen Angriffe auf die Bestimmungen, daß Hausschlachtungen
unter die obligatorische Fleischschau gestellt würden. Der im
Abgeordnetenhause gestellte Antrag, die Fleischschau nach Maß-
gabe der Verordnung für die Provinz Hessen-Nassau einzuführen,
lasse auf die agrarische Absicht schließen, die Hausschlachtung in
die Fleischbeschau einzubeziehen, wenn die Regierung wolle. Auch
sei die Fleischbeschau keine wesentliche Last für die Landwirthc,
höchstens daß die Abfälle größer sein würden. Fachmänner, wie
Professor Kirchhofs, hätten nachgewiesen, daß nach Einführung
der Fleischbeschau gewisse Krankheiten zurückgegangen seien.
Las Ausland ebenso streng behandeln, hieße die Einfuhr ver-
bieten. Es sei aber klar, daß eine Vorbeschau im Auslande nicht
möglich sei, und eine Beschau von erkaltetem Fleisch sei ergeb-
nißlos. Die Möglichkeit einer solchen absoluten Prohibition er-
gäbe aber die Frage, ob zur Zeit auf ausländisches Fleisch ver-
zichtet werden könnte. Diese Einfuhr, besonders die von Kon-
serven, sei ein bedeutendes Moment für die Volkseruährung.
Man müsse doch den Thatsachen objektiv entgegentreten: mit
Rücksicht auf den eigenen Viehstand und die Volksernährung müsse
man ausländische Fleischwaaren zulassen. Preußen sei mit einer
Polizeiverordnung nicht ausgekommen und habe sich daher ans
Reich gewendet. Der Entwurf habe das volle Einverständniß
der preußischen Negierung und des Landwirthschaftsministers.
Die Regierung behalte sich übrigens für jeden Augenblick vor,
schärfere Bestimmungen auch auf das Ausland anzuwenden.
Abg. Wurm (Soc.): Die Fleischbeschau müßte auf alle
Thiere ausgedehnt werden, vielleicht sei eine internationale Ver-
einbarung darüber möglich. Die Fleischbeschau müsse auch auf
dem Lande auch gegen den Willen der Bauern durchgeführt
werden und zwar auf Staatskosten.
Abg. Sieg (ntl.) spricht sich für das Gesetz aus. Der Ent-
wurf werde eine erziehliche Wirkung aus die Landwirthc haben
und sei geeignet, dazu zu führen, daß die deutsche Landwirthschaft
das Bedürfnis des Inlandes decken könne. Schwierigkeiten
würden sich überwinden lassen, da es sich um ein großes Ziel
handle.
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vg.) hält die Ausdehnung der
Fleischbeschau auf Hausschlachtung für schwierig. Vor Allem
dürften nicht protektionistische Absichten unter dem Vorwände
veterinärpolizeilicher Maßnahmen verfolgt werden, auch sollten die
Vollmachten des Bundesrathes nicht erweitert werden.
Abg. Holtz (Rp.): Regelung der Materie von Reichswegen
'ei nothwendig, doch sei die Ausdehnung der Fleischbeschau auf
Hausschiachtungen abzulehne». Jedenfalls dürfe ausländisches
Fleisch nicht besser als inländisches behandelt werden; auch das
importirte müsse volle Garantie für Gesundheit haben.
Abg. Lenz mann (fr. Vp.) begrüßt die Vorlage, wenn auch
noch einzelne Ausstellungen zu machen seien. Jedenfalls könne
die Einfuhr von Fleisch reicht unmöglich gemacht werden.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Nachdem man
zuerst ein Fleischbeschaugesetz verlangt, scheinen sich jetzt Bedenken
aus wtrthschaftlichen Gründen zu ergeben. Viele Krankheiten,
die das Fleisch schädlich für den Genuß machten, fielen nicht
unter das Viehseuchengesetz. Das preußische Abgeordnetenhaus
ei einstimmig für Ausdehnung auf Hausschlachtungen gewesen.
Obligatorische Fleischbeschau bringe für den deutschen Fleisch-
Produzenten eine wesentliche Verbesserung, denn es sei etwas

Das Romanfeuilleton findet der Leser im heurigen
<Zten Blatt._
Kleine Zeitung.
Professor Kußmaul und die Abhärtung. In seinen
dog" genderinnerunge n", in welchen sich mehrfach werth-
berai.hygienische Notizen eingeflochten finden, kommt der
h h"hlllte Kliniker auch auf die so viel ventilirte Frage der A b-
fvt?t u ii g zu sprechen. Er empfiehlt zu diesem Zwecke jahrelang
Unbesetztes tägliches Eintauchen der Füße in kaltes Wasser
hjy Abwaschen der Beine mit dem Schwamm bis zu den Knien
box 1, mit rasch nachfolgendem Wiedererwärmen im Bette kurz
i». dem Aufstehen. Dieses einfache Verfahren, wie es Kuß-
hrackn ^schreibt und wie es ihm selbst den größten Nutzen ge-
hat, läßt sich zu jeder Jahreszeit leicht «usführen und
Fgk?"gt keine großen Vorkehrungen. Jedes zur Aufnahme beider
hinreichend große, tiefe und starke Wasserbecken eignet sich
^Ntss besten wird das Becken schon am Abend zuvor mit
eim^Er )d hoch angefüllt, daß die Füße darin bis über die Knöchel
foi^"Nen, und an das Bett gestellt; daneben Trockentücher. Bc-
?^n gewisse Vorsichtsmaßregeln, so lernt die verzärteltste
zu «j as kalte Wasser ertragen. Man darf nur nicht gleich mit
drigen Temperaturen beginnen; man fängt, je nach der
ig, wit 20, ja 22 und 24 Gr. R. an und geht dann sachte
herab i, her Wochen auf 16 Gr. R., nur ausnahmsweise tiefer,
^"'ter allen Umständen muß man dem kurzen, nur wenige
jdla-n s N währenden Fußbade ein rasches Erwärmen der Beine

Nachts isffsen. Dies geschieht in wenigen Minuten, wenn man sie
^breUb ^ warme Bett zurückbringt; ein

8ebrgZ,!ben ist unnöthig; je rascher sie in bas Bett zurück-
Su «N werden, desto besser wird das Fußbad ertragen;5nur bei
dauern Eigen Temperaturen kann es länger als zehn Minuten
Person' Hs sie gut warm werden. Geschwächte und alte
20 »!^N sollen zu niedere Temperaturen meiden und bei 16 bis
?°»zen eA- bleiben. — Zur Abhärtung der Haut des
dqz s', Körpers empfiehlt K u ß m a n l für emfindliche Personen
ÄöipÄ>ende Verfahren: Man nimmt zuerst das Abwaschen des
^ bis zu den Knien vor, am besten stehend oder kniend

über das Wasserbecken gebeugt, und läßt das Wasser aus dem
Schwamm namentlich über Nacken und Hals kräftig strömen,
dann trocknet man sich rasch ab, hüllt den Leib ein, setzt sich auf
den Bettrand und taucht jetzt die Füße in das Becken, das am
Bett steht, wäscht die Beine bis zu den Knien herauf, trocknet sie
flüchtig und zieht sie zuletzt unter die warme Bettdecke zurück.
Waschung und Fußbad beanspruchen wenige Minuten, in zehn
bis weiteren fünfzehn Minuten längstens wird der ganze Körper
im Bett warm. Man steht dann sofort auf. Kußmaul schließt
diese Rathschläge mit den Worten: „Wohl denen, die solcher vor-
sichtiger Methoden der Abhärtung nickt bedürfen und schon in
der Kindheit daran gewöhnt wurden, Morgens gleich beim
Aufstehen ein flüchtiges kaltes Wannenbad, eine kalte Brause oder
eine Abwaschung des ganzen Körpers im kalten Sitzbad zu ge-
brauchen."
Eröffnung des Mädchengymnafiums in Hannover. Das
Mädchengymnasium des Vereins Franenbildnngs-Reform wurde
am 11. ds. Mts. eröffnet. Dieser Verein, der unter Fernhaltung
von allen anderen Bestrebungen sich ausschließlich auf die Wirk-
samkeit für Erschließung der akademischen Studien für das weib-
liche Geschlecht beschränkt, wurde 1888 in Weimar gegründet und
verlegte 1893 seinen Sitz nach Hannover. 1893 eröffnete er in
Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium; im August 1897
beschloß er die Errichtung einer solchen Anstalt in Hannover. Die
Vorarbeiten (Lehrplan-Gestaltung und dgl.) erledigte ein Aus-
schuß, dem außer Vereinsmitgliedern auf Einladung des Vereins
noch eine Reihe von Schulmännern und andern geeigneten Per-
sönlichkeiten beigetreten war. Der Kursus umfaßt 6 Jahre, die
Stufen Obertertia bis Oberprima einschließlich. Zunächst, ist die
Obertertia (mit elf Schülerinnen) eröffnet, der sich jährlich eine
weitere obere Klasse anschlteßen wird, bis die Oberprima erreicht
ist. Eine größere Zahl von Anmeldungen für die jetzt eröffnete
Obertertia hat bis Ostern 1900 zurückgestellt werden müssen, da
die Betreffenden noch nicht die Höhere Töchterschule ganz absol-
virt hatten.
— Dresden, 11. April. Letzthin verurtheilte das Landgericht
den angeblichen „Dien st kn echt" Ernst Schulze, der an-
geblich Ham 12. Mai 1881 zu Burg bei Hoyerswerda geboren

war, wegen Unterschlagung, Urkundenfälschung und Betrugs zu
sechs Monaten Gefängniß. Als der Verurtheilte zur Verbüßung
der Strafe eingeliefert wurde, stellte der Gerichtsarzt fest, daß
Schulze ein — Mädchen ist. Die weitere Untersuchung ergab,
daß es sich um die am 6. April 1875 zu Neudorf bei Hoyers-
werda geborene Dieustmagd Johanna Kasper handelte. Sie
hat, ohne daß Jemand hinter das Geheimniß gekommen wäre,
eine ganze Reihe von Jahren Männerkleider getragen, als
Dienstknecht gearbeitet und ist auch, wie bemerkt, als solcher ver-
urtheilt worden. Weil sie sich eines ihr nicht zukommenden
Namens einem zuständigen Beamten gegenüber bedient hatte,
wurde sie gestern des Weiteren zu einem Monat Haft verurtheilt.
— Eine glückathmmde Geburtsanzeige brachte der Schwäb.
Merkur in einer seiner letzten Nummern. Sie lautet:
Nach 16 Jahren 2 gesunde Finken im Nest „zur alten Post"
angekommen, worüber hoch erfreut
Otto Finck und Frau,
Wangen i. Allgäu.
— Von der auf der chinesischen Marine herrschenden Manns-
zucht wild aus Kinkiang ein bezeichnendes Beispiel gemeldet.
Dort ist während der chinesischen Neujahrsfeste ein Kanonenboot
ausgeraubt worden. Der wachthabende Offizier war an Land
gegangen, nur einige Kulis sowie seinen Sohn zurücklassend.
Diese wurden überfallen und geknebelt, worauf die Räuber alles,
was nicht niet- und nagelfest war, einfach mitgehen hießen. Als
der Offizier nach vier Tagen wieder an Bord kam, fand er seinen
Sohn tobt vor. Des frechen Räubergesindels ist man noch nicht
habhaft geworden.
— Paris, 12. April. Ein Greis, fast 100 Jahre alt, hat vor-
gestern sich umgebracht, nicht aus Armuth, nicht aus Krankheits-
gründeu, auch nicht eigentlich aus Lebensüberdruß, sondern ans
Furcht, überhaupt nicht sterben zu können; das Leben
schien ihm, wie dem ewigen Juden, überhaupt kein Ende nehmen
zu wollen. Er hieß Franyois le Merl, wohnte zu Montrein bei
Perigueux; um dem Rätbsel seiner Langlebigkeit auf die Spur
zu kommen, warf er sich unter die Räder eines Mitternachtszuges.
— Adelaide, 8. März. An der Mac quarie-Insel, einem
nur von Robbenschlägern besuchten, südöstlich von Neuseeland ge-
 
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