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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xl-. 99.

Freitag, den 28. April

1899.

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Die Ordensdebatte in der Zweiten badischen
Kammer.
(Schluß.)
g Abg. Birkenmayer (Centr.) erklärt, die Wiederkehr des
Antrags sei ein Zeichen dafür, daß seine Partei nicht ruhen
Mde, bis sie zum Ziel komme, und er hoffe, daß dies in ab
Marer Zeit erreichbar sei. Wenn man sich an der Form des
sllitrags stoße, dann könne man dies ja vermeiden, indem nmn
rsu Z ii anwende. (Zu den Nationalliberalen:) Sie gerade,
Zle haben allen Grund, sich zu ändern. Wenn Sie Angst haben
M den Kapuzinern, dann muß die Wirksamkeit des national-
Mralen Gedankens im Volke doch nicht so groß sein. „Soll
Glocke auferstehn, muß die Form in Stücke gehn." An der
Mm des Antrags Wacker halte er nicht fest, wenn man von
7°M Z ii Gebrauch mache. Es sei ein merkwürdiger Gegensatz
fischen den Ausführungen des Abg. Binz und des Abg. Wacker
Alvesen. Die Rede Wackers sei die friedfertigste von der Welt
Alvesen, und Dr. Binz habe nicht geruht, bis der alte Knltur-
Avipston wieder durchgeklungen habe. (Sehr richtig im Cen-
g M>) (Zu den Liberalen:) Lassen Sie das doch! Sie richten
Uch tm Volke nichts mehr aus, wenn Sie das Kulturkampf--
Mrd besteigen. Die Ordensleute haben den Frieden nie ge-
Mt, sondern sie haben ihn gefördert. Die Klöster werden sich
Mt um die Wahlen bekümmern. Sie haben sonst genug zu
?Un. Darüber können Sie also ruhig schlafen. Wenn die Re-
Mung es will, hat sie es in der Hand, das Staatswohl zu
ilchern. Es wäre uns lieb, wenn der Streitpunkt aus der Welt
schafft würde. Wir wären froh, wenn wir mit Ihnen Hand
A.Hcmd gehen könnten, nachdem dieser Streitpunkt aus der Welt
^schafft ist. (Beifall im Centrum.)
A Präsident Gönner theilt mit, daß ein von den Abgg.
Z.lockhorner, Pfisterer und Heimburger unter-
Mchneter Antrag eingegangen sei, dahingehend:
Für den Fall, daß der Antrag Wacker und Genossen nicht
Ae Zustimmung aller gesetzgebenden Faktoren findet, soll die
Droßh. Regierung ersucht werden, von der ihr nach Z 11
öez Gesetzes vom 9. October 1860 zustehenden Befugniß Ge-
brauch zu machen.
-g Dbg. v. Stockhorner (cons.) weist als Antragsteller be-
glich der Begründung dieses Antrags lediglich auf seine früheren
Führungen.
t«, Abg. Pfisterer (Antis.): Er werde dem Antrag des Cen-
,-ARs zustimmen. Die Orden werden uns Protestanten nichts
^aden; die Annahme des Antrags kann nur zur Herbeiführung
^ Friedens dienen.
s», Abg. Müller (natl.): Der Antrag von Stockhorner gehe in
siAer Unbeschränktheit zu weit. Er selbst habe in seiner Er-
Mung die Regierung nicht aufgefordert, von dem ihr gesetzlich
Muhenden Recht unbeschränkten Gebrauch zu machen; er habe
ausgeführt, daß er seinerseits nichts einzuwenden hätte, wenn
vx, einzelnen Plätzen, insbesondere an altberühmten Wallfahrts-
w Klosterniederlaffungen genehmigt würden,
h, Nach einer kurzen Debatte über den Sinn des Antrags Stock-
j> btters stellt Abg. v. Stockhorner fest, daß der Antrag über
>n?Maß, in dem die Regierung von ihrem Recht Gebrauch
'bchen soll, nichts enthalte.
L Korreferent Dr. Binz bemerkt gegenüber dem Abg. Dr.
^'Uiburger. daß er zu Unrecht seinen Standpunkt mit der
l^nerschaft gegen Ausnahmegesetze begründet habe. Der An-
Wacker wolle geradezu einen Ausnahmezustand schaffen, in-
er die Orden privilegire. Geck habe seinen Standpunkt mit
jhA.»gleichen Recht für alle" begründet. Er habe aber dabei
when, daß die Ordensfreiheit und die Freiheit des Ordens-
h'ANes nicht dasselbe seien. Die persönliche Freiheit des Ordens-
si^ANes sei doch nicht im geringsten gehemmt. Im übrigen habe
U Geck wieder in Ausführungen ergangen, die die segensreiche
dj^'ung der sozialistischen Doktrin erweisen sollen. Man sei
»i ° Nachgerade gewöhnt und lege den Darlegungen keinen Werth
j>M bei. Wenn die Garantie gegeben sei, daß die Zulassung
Frieden schaffe, dann ließe sich darüber reden. Wenn

Die geraubte Braut.
Eine rumänische Dorfgeschichte von Bertha Kätscher.

^ (Nachdruck verboten.)
,H»Sei gescheit, Mädel, und gieb nach!" bat der alte Barbescu.
weißt, Dein Vater hat einen harten Schädel und wenn
sy k'nnial etwas will, muß es geschehen. Auf ein Wunder
iß Alt Du heutzutage auch nicht mehr rechnen. Die Menschheit
schlecht geworden, daß sich unser Herrgott ihr nicht
offenbart."
pg »Du sagst, mein Vater habe einen barten Schädel und
kM nicht nachgeben ? Ich aber sage Dir Moschule (Alterchen).
Ed nachgeden, denn seine Tochter hat einen noch härteren.
pjE, Bilde der Mutter Gottes schwöre ich, daß ich
Und nimmer das Weib des Bojaren werde und wenn er
dxsUrnal so reich wäre wie er ist," rief Arsena Pascu, vor
rohgezimmerten Heiligenschrein niederkniend, der am
Bain im Schatten einer Rieseneiche stand,
dx» Arsena galt für das hochmüthigste, zimperlichste Mädchen
Dorfes. Die Burschen hatten ihr den Spottnamen
dxZAe Hummel" beigelegt. Vielleicht mit Recht, denn sie
Aud keinen Spaß. Gar mancher ländliche Don Juan,
gewagt hatte, ihr nachzustellen oder sie mit seinen
ivxMunträgen zu verfolgen, empfing den „fünffingrigen Be-
4g- >hrer Zuneigung", wie sie beim Tanz lachend erzählte.
>»o» .Mädel halte den Teufel im Leibe, kein Bursch im Dorfe
^»en - dut genug, sie machte sich bald über diesen, bald über
^stig und wehe, wenn Arsena in der Spinnstube ihrer
ihtxA^fteien Lauf ließ! Die Wunden, die sie der Eitelkeit
^cinc ' Werber mit dieser schlug, schmerzten noch mehr und
lixssi Ueiliger als ihre „Zärtlichkeitsbeweise". Die bezeich-
Spottnamen, die sie in ihrer Bosheit den Burschen
Eckte, verbreiteten sich im Dorfe wie Lauffeuer, man
dvg-PH eher von dem eigenen Schalten befreien können als
hstgEnen. Und doch konnte dem jungen Mädchen eigentlich
"Ud so recht gram sein, denn es hatte nicht nur den

wir aber nachgeben, dann werden andere Forderungen kommen
und so ist des Streites nie ein Ende. (Fischer I.: Sollen wir
etwa nationalliberal werden? Heiterkeit.) Dr. Binz fortfahrend:
Wir sind Gegner politischer Parteien auf confesstoneller Grund-
lage. Gebe es diese nicht, dann wäre vielleicht Kollege Birken-
mayer ein guter Nationalliberaler. (Heiterkeit.) Es sei jeden-
falls nicht am Platze, Böswilligkeit oder überhaupt etwas anderes
als die objektive Ueberzeugung über die Schädlichkeit der Klöster
bei ihm (Redner) vorauszusetzen.
Referent Wacker (Centr.): Der Kultusminister habe die
Kontinuität des heutigen Zustandes seit Bestehen des Groß-
herzoglhums betont und hervorgehoben, daß kein Erzbischof einen
Antrag auf Männerklöster gestellt bat. Wie könne ein Regierungs-
vertreter darauf Hinweisen? Wisse er nicht, daß in den ersten
Jahrzehnten der Staat tief in das Heiligthum der Kirche ein-
gedrungen sei? Habe der Kultusminister nicht die leidenschaft-
liche Periode des Kulturkampfes in einflußreicher amtlicher
Stellung mitgemacht? Wisse er nicht, daß das Centrum damals
anderes zu thun hatte, als die Orden zu fordern? Das fehle
gerade noch, daß man auch die Frauenorden verbiete. Wenn
man die Zulassung von Ordensmissisnen erwähne, so muffe er
darauf Hinweisen, daß es sich hier nicht um fremde Priester
handle, sondern um badische Priester, die in der Fremde leben
müssen. Diese Verhältnisse schreien ja gerade um Acnderung.
Wenn der Minister das Entgegenkommen von der Sicherung des
friedlichen Verhältnisses der Konfessionen und Milderung der
konfessionellen Gegensätze abhängig machte, so frage er den
Minister Nokk kategorisch, ob er glaube, daß durch das Centrnm
der Friede gefährdet sei. Dem Kollegen Freiherrn v. Stockhorner
sei er für sein mannhaftes Auftreten sehr dankbar. Er lege
darauf Werth, daß gerade von dieser Seite die Regierung anf-
gefordert worden sei, ein Unrecht am katholischen Volke gut zu
machen. Er wolle abwarten, ob die Regierung auch nach An-
nahme des Antrags Stockhorner auf ihrem heutigen Standpunkt
beharre. Werde der Antrag Stackhorncr angenommen, dann
werde die Regierung auf ihrem heutigen Standpunkt auf die
Dauer nicht verharren können. (Zn den Liberalen): Liefern Sie
denn nicht heute wieder den Beweis, daß Sie gefährlicher sind,
als die Sozialdemokraten? Ihr Verhalten zwingt ja geradezu,
Ihre parlamentarische Macht auf das geringste Maß zu be-
schränken. Schlimmere Erben als Sie kann es im Lande nicht
geben. (Zuruf von Fieser und Binz.) Wir müssen cs uns ent-
schieden verbitten, wenn Sie unseren unerbittlichen Kampf gegen
Ihre Macht und Ihren Einfluß als einen Kampf gegen die
Staatsautorität und den Landesherrn bezeichnen. (Beifall im
Centrnm.)
Staatsmiiuster Dr. Nokk erklärt, daß er in den wenigen
Worten, die er gesprochen habe, nichts anderes behauptete, als
daß die Dringlichkeit des Bedürfnisses nach Klosterzulassnng tm
Grade der heutigen Darstellung nicht vorhanden sei. Gerade in
jeyer Zeit, die Wacker erwähnt habe, hätten Staat und Kirche
öfter aus demselben Boden gegen den Liberalismus gestanden.
Im Z 11 des Gesetzes von 1860 sei die Ordensniederlassung in
das Ermessen der Regierung gestellt und in dieser Hinsicht lasse
sich die Regierung von den Auffassungen ihrer Pflicht leiten.
(Zu Wacker): Sie haben also nicht zu sagen, die Regierung thut
Unrecht. Angst hat die Negierung vor den Klöstern auch nicht.
(Heiterkeit, auch auf der Gallerie.) Aber sie will den Frieden.
Was man mit der Sicherung des Friedens meine, sei sehr klar.
Wir können nicht heute offiziellen Frieden schließen, um morgen
wieder den frischen fröhlichen offiziösen Krieg zu beginnen.
(Bravo bei den Nationalliberalen.) Wenn eine Friedensgarantie
gegeben ist, dann Kat die Regierung die Pflicht, Orden zuzulassen,
aber nicht einen Augenblick früher, es mag der Ansturm von
welcher Seite immer kommen! (Lebhafter Beifall bei den National-
liberalen.)
Nach einer kurzen Geschäftsordnungsdebatte, ob die mit dem
Schlußwort Wackers geschlossene Debatte wieder eröffnet werden
soll, nachdem der Regierungsvertreter noch einmal das Wort er-
griffen, wird beschlossen, die Debatte nochmals zu eröffnen.
Abg. Wacker (Ctr.): Die letzten Worte des Ministers haben
sehr energisch geklungen; noch nie habe der Kultusminister so klar
und entschieden seine Ablehnung ausgesprochen, wie heute.
Hoffentlich werde auch von anderer Seite eine ebenso klare und
bestimmte Aniwort erfolgen, und es gäbe dann vielleicht Gelegen-
heit. dem Minister, wie dies der Abg. Kiefer einmal gethan habe,
ein stärkeres Rückgrat zu wünschen.
Staatsministec Dr. Nokk: Ich weiß nicht, was ich soll abge-
lehnt haben. Ich habe lediglich gesagt, die Regierung lasse sich
durch nichts von ihrer Pflicht der Prüfung im einzelnen Falle
abdrängen. Wenn der Abg. Wacker den „Kultusminister" so
besonders betont hat. so stelle ich fest, daß ich mit Betonung des
Grundsatzes, von dem die Regierung sich leiten läßt, die Meinung
der Regierung in ihrer Gesammtheit uneingeschränkt ausgesprochen

habe. Ich verwahre mich sodann dagegen, daß ich etwas andere^
als die Grundsätze dargelegt habe, nach denen die Regierung ent-
scheiden wird. Eine Entscheidung habe ich nicht gegeben und
konnte ich nicht geben.
Nachdem der Abg. Binz dem Hause die Entscheidung darüber
anheimgestellt, ob er sich in seinem Referat nicht streng sachlich
gehalten habe, ergreift
Abg. Wacker nochmals das Wort. Es sei vergebliche Mühe,
ihn schwarz machen zu wollen (Große Heiterkeit), ihn schwarz
machen zu wollen als Förderer der Sozialdemokratie, es sei dies
eine Verdächtigung, für die auch nicht der Schatten eines Grundes
vorhanden sei.
Nun wird zur Abstimmung geschritten. Der Antrag Wacker
und Gen. wird mit 32 gegen 25 Stimmen angenommen. Mit
Ja stimmen: Centrum, Demokraten, Sozialdemokraten und der
Abg. Pfisterer (Antis); mit Nein: Nationalliberale und die Abgg.
Flüge (wild), Kirchenbauer (kons.). Abwesend sind die Abgg.
Geldreich, Hagist, Mampel und v. Stockhorner.
Der Antrag Stockhorner wird mit 3t gegen 24 Stimmen
angenommen. Der Abg. Müller (nat.-lib.) enthält sich hierbei
der Abstimmung._

' Deutsches Reich.
— Die russische Sängerin Dolina, die kürzlich in
Berlin vom deutschen Koiserpaar empfangen wurde,
erzählt, der Kaiser habe im Gespräch zu ihr u. A. ge-
sagt: „In meinem Theater ist die Akustik deshalb schlecht,
weil in den Logen eine Menge Stoff hängt. In Paris
ist dasselbe der Fall, da sind die Logen wie Kästchen ein-
gerichtet und alles verhängt; ich habe nichts von dem
gehört, was man dort gesungen hat." — Bisher ist nicht
bekannt geworden, daß der deutsche Kaiser jemals in Paris
war. Einmal wurde wohl gerade in russischen Blättern
erzählt, daß Kaiser Wilhelm im Herbst 1896, als Zar
Nikolaus Frankreich besuchte, gleichfalls inooZnito in Paris
anwesend gewesen sei, während es offiziell hieß, daß der
Monarch sich im Hubertusschlößchen befinde; allein man
hat dieser Meldung keinen Glauben geschenkt.
— In der Reichstagskommission für das Gesetz über
die Fleischbeschau wurde Z 1 angenommen mit dem
Zusatz; daß auch die Hunde zu den der Fleischbeschau
unterliegenden Thieren gehören sollen.
— Zum Fall Esser erklärt Dr. Hans Wagner
in der Tagt. Rundschau, daß das ehrengerichtliche und
kriegsgerichtliche Verfahren gegen Herrn Dr. Esser streng
zu sondern sei. Die Untersuchung wegen der Duellforderung
ist im Gouvernementsgericht geführt, sie konnte schnell zu
Ende geführt werden. Ganz zu trennen von dem Spruch
des Gouvernementsgerichts ist das von dem Bezirkskommando
IV. geführte ehrengerichtliche Verfahren gegen Dr. Esser.
Dieses ehrengerichtliche Verfahren, das schon eingeleitet war,
bevor Dr. Wagner mit seinem Angriff hervortrat, habe so
viel Anschuldigungen wegen des Privatlebens des Herrn
Dr. Esser zu untersuchen, daß die Verhandlungen recht
lange dauern können. Dr. Wagner sei auch gern bereit,
sich dem Spruch eines Civilgerichts anzuvertrauen, wenn
Dr. Esser nur wollte. Er halte die Behauptungen seiner
Broschüre vollkommen aufrecht und könne Herrn Dr. Esser
noch Nachweisen, daß er ein Plagiator sei.
— Zur Richtigstellung der Meldungen über an-
gebliche Eon flicke zwischen deutschen und fremden
Marinevertrctern vor Samoa veröffentlicht die Nordd.
Allg. Ztg. Stellen aus den bis zum 25. März zurück-
greifenden Berichten des Commandanten des Kreuzers
„Falke", Eorvettencapitäns Schönfelder. Er berichtet: Ueber
die Verhältnisse des Offiziercorps und der Besatzung des
„Falke" zu den Engländern und Amerikanern sind die
wüstesten Gerüchte verbreitet. Grade einige Landsleute
werden nicht müde, durch Schüren solcher Gerüchte eine
Verhetzung zwischen Offizieren und Mannschaften herbeizu-
führen. Thatsächlich ist das Verhältniß zwischen Comman-

doshasren „Schnabel", Ion der auch das Herz aus dem rechten
Fleck- Da gab es keinen Armen, Kranken oder des Trostes
Bedürftigen, der nicht ein Loblied auf Arsena gesungen hätte,
und erst die Kinder! Diese schworen bei allen Heiligen,
daß es auf der ganzen weiten Erde keinen so ausdauernden
Spielkameraden und keinen so guten „Puppendoktor" gäbe
wie die „tolle Arsena".
Ihr treuester und bester Freund aber war der alte Bar-
bescu. ein entfernter Verwandter ihrer Mutter, der bei ihnen
das Ausgeding hatte. Sie liebte und verehrte den fast
achtzigjährigen, aber noch immer rüstigen Greis, dem sie alles,
was sie wußte, verdankte. Als er vor fünfzehn Jahren, kurz
nachdem er seine „Alte" verloren, ihren Eltern lein kleines
Anwesen um einen Spottpreis verkauft hatte und zu ihnen
gezogen war, hatte Ariena sein Herz im Sturm erobert. Der
kleine, neugierige Guck-in-die-Welt, der damals kaum noch
auf seinen eigenen Füßen stehen konnte, half dem kinderlosen,
vom Schicksal arg zersausten Manne, sich wieder in der Welt
zurecht zu finden. Sein Leben' bekam Zweck und Inhalt.
„Moschule" wurde Arsenas Spielkamerad und Erzieher —
ihre Eltern hatten nickt Zeit, sich viel um das lebhafte Kind
zu kümmern — und später der Vertraute ihres Herzens. Bis
vor drei Monaten batte sie ihm freilich nichts Wichtiges an-
zuvertrauen aehabt. — lose Streiche, die sie ihren Freundinnen
gespielt, Neckereien mit diesem oder jenem Nachbarburschen.
Aber am Pfingstsonntag — da ward es ibr nach dem Kirch-
gang mit eincmmale so eigenthümlick zu Muthe. Der selbst-
gewebte, goldschimmernde Ovrek (eine lange, ziemlich breite,
bunte Schärpe, die bei den Rumäniern das Mieder ersetzt)
schien ihr zu eug um die Mitte geschlungen, das Blut jagte
wie toll in ihren Adern. Bald hätte sie weinen, dann wieder
vor Lust anfiauchzen mögen. Sie, die sonst beim Heimwege
keinen Menschen in Ruhe ließ, suchte einsame Pfade ans und
machte den großen Umweg um den Berg herum, damit sie
allein sei. Allein mir ihren Gedanken. Sie kam denn auch
eine halbe Stunde zu spät nach Hause. Mutter hatte schon
den süßen Malay (Maisspeise) fertig und schalt sie tüchtig
wegen der Verspätung. Sie beging an jenem denkwürdigen

"TägUnö noch an vielen folgenden einen Unsinn nach dem
anderen, bis Moschule, der mit dem arg gescholtenen Liebling
Erbarmen empfand, Arsena ins Gebet nahm.
Als sie ihm eines Tages sein Mittagessen hinaus auf die
Weide brachte — im Sommer hütete er nämlich die ziemlich
große Schasheerde ihres Vaters — bat er sie, bis zum Abend
bei ihm zu bleiben.
„Was wird Mutter sagen? Ich bekomme sicher wieder
Schelte, denn ich kann ihr seit drei Wochen ohnehin nichts
mehr nach Wunsch machen. Moschule, Du bist ein erfahrener,
aller Mann, sag' mir doch, was mit mir los ist ! Kein Mensch
ist mit mir zufrieden und ich am allerwenigsten," ries das
leidenschaftliche Mädchen heftig aus. „Bin ich verhext oder
ist die ganze Welt verhext? Was soll ich nur ansangen?
Am liebsten möchte ich sterben I"
„Vor allem setz' Dich und trink ein Glas Molke, das wird
Dein heißes Blut ein wenig abkühlen .... So! Nicht wahr,
das schmeckt nach einem Gang in der Mittaasgluth und wenn
das Herz vor Sehnsucht nach einem gewissen Virgil Rossu
vergeht? Na, weshalb wirst Du denn so krebsrolh? Ja, ja.
die Junihitze und das zweifarbige Tuch!" schmunzelte der
Alte, behaglich seine Bohnensuppe löffeind, aber dabei keinen
Blick von Arsena wendend.
„Moschule, magst Du eine saure Gurke? Diesmal sind
sie großartig gelungen, ich habe sie selbst eingelegt!" suchte sie
abzulenken.
„Her damit! Aber wenn Du sie eingelegt hast, dürften
sie wohl etwas versalzen sein. Macht nichts, Du bist ein
braves Mädel; trotz Deiner ersten Liebe auch noch an den
Moschule zu denken und ihm seine Leibspeise mitzubringen."
„Woher weißt Du . . .?" ^
„Was? Daß saure Gurken meine Leibspeise find?"
„Daß . . . daß . . . aber es ist ja gar nicht wahr l Ich
lieb' ihn nicht. Weshalb sollt ich auch? Wir bähen uns nie
vertragen können, der Virgil und ich. Du weißt, daß er mir
alles zum Trotz machte und gerade hinter denjenigen her
war, die ich nicht aussteden konnte. In der Spinnstube,
beim Kukurutzrippeln und Federnschleißen half er einer jeden.
 
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