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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0493

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xl-. 109.

Mittwoch, den Ist. Mai

1899.

Des Christi Himmelfahrtstages wegen er-
scheint die nächste Nummer am Freitag.
Jnvaliditäts- und Altersversicherung.
Die Kommission des Reichstags zur Vorberalhung des
Invaliden Versicherungsentwurfs hat nunmehr
an das Plenum ihren Bericht über ihre Arbeit erstattet.
Die hauptsächlichsten Aendcrungen, welche die Kommission an
der Vorlage der verbündeten Regierungen vorgcnommen hat,
beziehen sich auf die a n d er e Ve rth ci lun g d e r Rente n -
last und auf die örtlichen Renten stellen. Nach
den Beschlüssen der Kommission würden zur Deckung der
Gemeinlast der Versicherungsanstalten, die durch drei Viertel
sämmtlicher Altersrenten, die Grundbeträge aller Invaliden-
renten, die Rentensteigerung in Folge von Krankheitswochen
und die Rentenabrundungen gebildet werden soll, in jeder
Anstalt vom 1. Januar 1900 ab vier Zehntel der Bei-
träge buchmäßig auszuscheiden sein. Ergiebt sich bei dem
Ablauf der für die eventuelle Aendcrung der Beitragsbe-
messung vorausgesehenen Fristen, also zunächst am 31. De-
zember 1910, daß das Gemeinvermögen zur Deckung der
Gemeinlast nicht ausreicht, so hat der Bundesrath für den
nächstfolgenden Zeitraum über die Höhe des dem Gemein-
dermögen zu überweisenden Theils der Beiträge unter Aus-
gleichung der entstandenen Fehlbeträge oder Ueberschüsse zu
beschließen. Eine Erhöhung des dem Gemeinvermögen
zu überweisenden Theils der Beiträge bedarf der Zustimmung
des Reichstags. Die vornehmlichste Aenderung, die damit
gegenüber dem Vorschläge der verbündeten Regierungen ge-
troffen ist, ist die, daß nicht das schon vorhandene Ver-
mögen getheilt, sondern die Theilung in Gemein- und
Sondcrlast erst mit dem Beginn des Jahres 1900 für die
dann zu erhebenden Beiträge anfängt. Außerdem ist die
Gemcinlast enger begrenzt worden.
Den örtlichen Renten stellen ist durch die Kom-
missionsbeschlüsse der strenge obligatorische Charakter ge-
nommen. Während nach dem Regierungsvorschlage die
Landescentralbehörden nach Anhörung des Vorstandes der
Anstalten Rentenstellcn errichten mußten, ist ihnen jetzt nur
die Ermächtigung dazu übertragen, auch ist die gleiche Voll-
macht den Vorständen der Versicherungsanstalten ertheilt,
beide Organe können jedoch frei beschließen, ob sie die
Errichtung der Rentcnstellen für nothwendig halten. Es
ist also nunmehr den Rentenstellcn ein fakultativer Charakter
beigclegt, und die Frage ihrer Errichtung der Entscheidung
durch Rcichsgesetz entzogen, vielmehr der durch die Landes-
Centralbehörden bezw. die Versicherungsanstalten selbst
anhcimgegeben. Man ist demnach in beiden Punkten
Seitens der Rcichstagskommission dm Vorschlägen der ver-
bündeten Regierungen entgcgengekommen, hat aber bedeut-
same Aendcrungen vorgenommen.
Auch sonst sind in verschiedenen Einzelheiten Modi-
stkationen eingctreten. U. a. sind die Wünsche der an der
Seefahrt intercssirten Kreise insofern berücksichtigt worden,
als der See-Berufsgenossenschaft gestattet werden soll, die
Jnvaliditäksvcrsicherung für die seefahrttreibende Bevölkerung
zu übernehmen, allerdings unter der Bedingung, daß für
die Hinterbliebenen der versicherten Personen von der Ge-
nossenschaft zugleich eine Wittwen- und Waisenversorgung
begründet und den Versicherten das Recht gewahrt wird,
die Versicherung auch in den Fällen fortzusetzen, daß sie
zeitweilig auf ausländischen Schiffen Beschäftigung nehmen,
ihre Familien aber in Deutschland verbleiben. Damit ist
ein gut Theil der noch jüngst vom Deutschen Nautischen
Verein geäußerten Wünsche verwirklicht. Die in der Re-
gierungsvorlage beabsichtigte Herabsetzung der Beitragshöhen
für die beiden ersten Versicherungsklassen ist von der

Kommission aufgehoben, dagegen ist die fünfte Lohnklasse
beibehalten worden.

Wochen-Chronik.
(Vom 30. April bis zum 6. Mai.)
April 30.: Aus Anlaß der Zustimmung des Präsidenten Mac
Kiuley zur Legung eines deutsch-amerikani-
schen Kabels wechseln der deutsche Kaiser und
Mac Kinley freundschaftliche Telegramme.
Mai 1.: In Heidelberg findet in Anwesenheit desGro ß-
herzogs die Einweihung des Landgerichts
statt. Beim Festmahl lobt der Grobherzog in einer
Rede seine guten Bcrather, insbesondere den Staats-
minister Nokk.
„ 2.: Der Reichsqerichtspräsidmt a. D. v. Simson stirbt.
„ 3.: In der Zweiten badischen Kammer erklärt Minister
v. Brauer, die S e l b st ä n d i g k e i t der badischen
Eisenbahnen sei nicht bedroht. An den Ab.
machungen über die Theilung des Verkehrs, die in
Folge der Verstaatlichung der Hessischen Ludwigs-
bahn stattfanden, seien alle Staaten für eine gewisse
Zeit gebunden.
„ 5.: Bei der Verhandlung der Interpellation Grouzy über
die Suspendirung der Vorlesungen des Prof. Duruy
in der französischen Deputirtenkammer wird der
K r i e g s m in iste r Fr eh ein et so oft unter-
brochen, daß er die Tribüne verläßt. Er benutzt den
Anlaß, um seine Demission zu geben.
„ 6.: Die Erste Bad. Kammer verwirft den Ordens-
antrag des Ccntrums einstimmig.
„ 6.: Der Kardinal Krementz sttibt.
„ 6.: Zum Kriegsminister in Frankreich wird der
bisherige Bautenminister Camille Krantz ernannt.
„ 6.: Es wird gemeldet, die Philippiner hätten die
Oberhoheit der Vereinigten Staaten anerkannt.

Deutsches Reich.
— Die Reichstagskommission für die Ge-
werbeordnungsnovelle nahm einen neu beantragten
8 139 v an, wonach auf Antrag von mindestens ein
Drittel der betheiligten Geschäftsinhaber zu einer Aeußerung
für oder gegen die Einführung einer Ladenschluß-
stunde aufzufordern ist. Erklären sich zwei Drittel der
Abstimmenden für die Einführung, so kann die höhere
Verwaltungsbehörde eine entsprechende Anordnung treffen.
Von 9 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens müssen die Ver-
kaufsstellen für den Geschäftsverkehr geschlossen sein.
— Die Postcommission des Reichstags lehnte in
zweiter Lesung die Bestimmungen des Artikel 2 der Re-
gierungsvorlage ab, der eine Einschränkung der Beförde-
rung durch Expreß boten vorsieht.
Deutscher Reichstag. Berlin, 9. Mai. Am Bun-
desrathstische Niemand.
Präsident Graf Ballestrem eröffnet die Sitzungum
1 Uhr 20 Minuten.
Zweite Berathung deS Antrages Liebermann von
Sonnenberg betreffend Betäubung der Schlacht-
thier e.
Abg. Liebcrmann v. Sonnenberg (Antis.) erklärt sich
mit dem Verlauf der ersten Lesung zufrieden. Der Antrag sei
nicht antisemitisch, sondern nur human. Die Gutachten seien
vielfach von jüdischer Sette beeinflußt. Die Schlachtmaske sei
der am raschesten und schmerzlosesten zum Ziele führende Ap-
parat, wie Redner unter Vorzeigung einer solchen Maske nach-
zuwetsen sucht. Die Juden schlössen sich nur immer zu einem
Staate in einem Staate zusammen.
Abg. Dr. Lieber (Centr.): Der Vorredner habe nichts
Neues vorgebracht. Alle Schlachtmethoden brächten Dinge mit
sich, die mehr oder weniger Thierquälereien seien. Es gäbe auch
Thierquälereien bei der Vivisection. Es wäre zu erwägen, ob
nicht eine Bestimmung des Strafgesetzbuches darauf anzuwenden
sei. Seine Partei wolle sich entgegen der des Vorredners grund-
sätzlich nicht in innere religiöse Angelegenheiten der Staats-
angehörigen durch die Gesetzgebung einmischen. Redner schließt
milden Worten des verstorbenen Erzbischofs Krementz: Wenn
auch die Menschen in religiöser Beziehung auseinanderaeken,

sollen sie doch in Werken der Nächstenliebe und Tugend wett-
eifern und in Liebe und Frieden trotz der verschiedenen religiösen
Anschauungen miteinander leben. (Beifall im Centrum.)
Bei den Schlußworten des Abgeordneten Lieber erhebt sich
auf der Tribüne für das Publikum ein junger Mann und wirft
eine Anzahl Schriftstücke in den Saal mit dem Rufe: „Nicht für
Ochsen-, sondern für Menschenrechte!" Ein Saaldiener entfernte
den jungen Mann.
Vicepräsident Dr. v. Frege droht, bei Wiederholung solcher
Zwischenrufe die Tribüne räumen zu lassen.
Der Ruhestörer ist ein Buchhandlungsgehilse Adolf Brand
aus Potsdam, zur Zeit in Berlin. Die in den Saal geworfenen
Drucksachen sind eine von ihm verfaßte Broschüre mit dem Titel:
„Ist ein Fall Dreyfus in Deutschland möglich?", die sich auf
den Prozeß des Dr. Sternberg bezieht.
Abg. Dr. Oertel (cons.) bittet im Namen der allgemeinen
Menschlichkeit und der christlichen Moral um Annahme des An-
trages.
Abg. v. Tiedeman (Np.) will nur einem generellen Antrag
auf Beseitigung aller beim Tödten von Schlachtvieh möglichen
Grausamkeiten zustimmen.
Abg. Bindewald (Antis.): Der Antrag werde immer
wiederkehren, wenn auch zehn Judenschutzredner hier auftreten.
Abg. Dr. Kruse (natl.): Die heutige Verhandlung zeige,
daß der Antrag einen antisemitischen Charakter hat.
Abg. Liebermann v. Sonne uberg (Antis.): Im Kampfe
gegen die Vivisection werde man auf v. Tiedemann hier nicht
rechnen können. Er beantrage, die Abstimmung über den Antrag
heute auszusetzen.
Der Antrag wird abgelchnt.
Abg. Liebermann v. Sonnenberg bezweifelt die Be-
schlußfähigkeit des Hauses.
Die Sitzung wird 5'/. Uhr geschlossen.
Morgen 1 Uhr: Jnvalidennoveue.
Abg. Singer (Soc.) theilt den Anwesenden mit, daß er
morgen vor Eintritt in die Tagesordnung die Absetzung der
Jnvalidennovelle beantragen und diesen Antrag begründen werde.
Baden. Die Kommission der zweiten Kammer für Ge-
schäftsordnung, Archivariat und Bibliothek hatte sich kürz-
lich mit einer Petition der Buchdrucker des Großherzog-
thums zu befassen, worin die Bitte gestellt ist, „staatliche
Buchdruckarbeiten irgendwelcher Art nur solchen
Druckereien zuzuwenden, die den deutschen Buchdrucker-
tarif durch schriftliche Erklärung bei dem Tarifamt nicht
nur anerkannt haben, sondern denselben auch in allen seinen
Bestimmungen innehalten." Die genannte Kommission hat
sich eingehend mit dieser Petition beschäftigt und durch den
Abg. Btrkenmayer schriftlichen Bericht erstatten lassen; sie
hält die Bitte der Petenten für berechtigt und begründet.
Der Berichterstatter sagt darüber: Die Petenten verweisen
mit Recht darauf, daß es sich hier um eine der Lösung
der sozialen Aufgabe dienende Maßnahme handelt und daß
deren Förderung und Unterstützung der Grund ist, aus
welchem sie die Hilfe der Großh. Regierung und der Land-
stände anrufen. Die Kommission stellt den Antrag: Hohe
zweite Kammer wolle die vorliegende Petition der Großh.
Regierung empfehlend überweisen.
— Anläßlich der Einführung des bürgerlichen Gesetz-
buches und der Verjüngung unseres Nicht er st an des
hört der Mannh. Anz., daß der Präsident des Oberlandes-
gerichts in Karlsruhe und die Präsidenten der Landgerichte
in Karlsruhe, Konstanz und Mannheim um ihre Peusio-
nirung einkommen. Plan spricht davon, daß zum Präsi-
denten des Obcrlandesgerichts in Karlsruhe Ministerial-
direktor von Neubronn und zum Oberstaatsanwalt der
derzeitige erste Staatsanwalt Freiherr von Dusch ernannt
wird.
Badtscher Landtag. L.6. Karlsruhe, 9. Mai.
Vizepräsident Lauck eröffnet um 9^ Uhr die
Sitzung.
Abg. Schüler (Ctr.) erstattet Bericht über die Petition des
Centralvorstandes des Badischen Handwerkerver-
bandes betreffend die Organisation nach der Novelle zur Ge-
werbeordnung vom 26. Juli 1897. Es sei ihm nahegelegt worden,
den Bericht vorzulesen. Er befürchte aber, daß dann der Schluß

Cäsars Frack.
3- Humoreske von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
Noch che Mrs. Helen ihren Wunsch ganz ausgesprochen,
suchte er schon in allen Taschen nach dem benötbigten Scbreib-
Uioterial, denn eine bessere Gelegenheit, ihr auf zarte Weise
kund zu thun. was er für sie fühlte, kehrte ja gewiß niemals
Wieder. Und in der Brusttasche deS Fracks fand er wirklich
ein zusammengefalletes Blatt Papier. Er besah es von allen
Seiten, um sich zu überzeugen, daß es leer sei, und schrieb
dann auf dem Kaminsims mit dem an Mrs. Helen's Tanzkarte
befestigten Bleistift die rasch improvisirten Verse nieder, die
ihr das Geheimniß seines Herzens deutlich offenbaren mußten,
Wenn sie nur ein klein wenig guten Willen hatte, es zu er-
gründen.
Als er ihr das Blatt überreichte, war er roth wie ein
lunges Mädchen. Sie aber sagte schelmisch:
„Ich spare mir die Ueberraschung auf und lese es erst,
wenn ich zu Haus bin."
„Und wie werde ich dann erfahren, wie es Ihnen gefiel?"
„Machen Sie mir das Vergnügen, mich morgen Vormittag
zu besuchen, dann werde ich es Ihnen sagen."
Werner Holmfeld war über diese Einladung außer sich
dor Freude. Seine Versicherung, daß er gewiß nicht ver-
säumen werde, zu erscheinen, kam herzlich ungeschickt heraus.
Mrs. Taylor aber nahm ihm seine Verwirrung nicht übel,
Und ihre «chönen Augen blickten ihn beim Abschied so freund-
lich und verheißungsvoll an, wie beredte Fraueuaugen nur
lwmer zu blicken vermögen.
Natürlich hatte das Fest nun auch für Werner jeden Reiz
verloren, und er beeilte sich, nach Hause zu kommen. Wider
Erwarten fand er Cäsar Gregory, der seine „ernsthaften
Unterhaltungen" im Rüdesheimer over in anderen Weinstuben
wnst mit Vorliebe bis zum Hellen Morgen hin ausdehnte,
beute bereits in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer Vor. Und
lein Herz war des Glückes zu voll, als daß er nicht hätte

das Bedürfniß fühlen sollen» sich dem Freunde mitzutheilen.
Zwar erzählte er ihm nicht geradezu, daß er Mrs. Taylor
liebe, und daß er an den Besuch, zu dem sie ihn so freundlich
aufgefordert, die schönsten Hoffnungen knüpfe; aber was er
ihm über seine Erlebnisse aus dem Ballfest berichtete, war
doch nicht viel weniger als ein solches Bekenntniß.
Schweigend und scheinbar mit nur geringer Aufmerksam-
keit hörte Cäsar zu, wiederholt durch ein vernehmliches
Gähnen andeutend, daß er sich durch die Begeisterung, mit
der Werner von der schönen Amerikanerin sprach, einiger-
maßen gelangweilt fühle. Aber wenn der Doktor die Fähig-
keit besessen hätte, im Dunkeln zu sehen, so würde er zu seiner
Ueberraschung wahrgenommeu haben, daß in den Augen
seines Freundes ein eigenthümliches feindseliges Glitzern war,
und daß seine Züge einen seltsam gespannten Ausdruck ange-
nommen hatten, wie wenn er gewaltige Pläne in seinem
Kopfe wälze.
„Sie hat viel Geld, Deine Wittwe — nicht wahr?" war
alles, was er auf Werners Herzensergießungen zu erwidern
hatte. Und als der Gefragte der Wahrheit gemäß in einiger
Betroffenheit erklärte, danach habe er sich bis jetzt nicht er-
kundigt und könne deshalb auch beim besten Willen keine
Auskunft darüber geben, kam von Cäsar Gregory's Bette her
ein seltsamer Laut, der fast den Klang eines halb unterdrückten,
spöttischen Auflachens halte.

Einige sorgsam in Seidenpapier gehüllte 1-a §r»nos-Rosen
— Mrs. Helen hatte ihm gestern verralhen, daß es ihre Lieb-
lingsblumen seien — in der Hand und mit hochklopfendem
Herzen, stieg Doktor Holmfeld am nächsten Vormittag die
Treppe des vornehmen Hauses empor, in dessen erstem Stock-
werk die Amerikanerin mit einer älteren Verwandten wohnte.
Es war ihm sauer genug geworden, die schickliche Besuchs-
stunde abzuwarten; nun aber, da er sich dem heiß ersehnten
Ziel seiner Wünsche so nahe sah, fühlte er sich merkwürdig
beklommen und wie von einer dangen Ahnung bedrückt.
Ein niedliches Zöschen öffnete ihm auf sein Klingeln die
Thür und nahm seine Karte in Empfang. Während sie im

Innern der Wohnung verschwand, entfernte Werner behutsam
die papierene Hülle von seinen Rosen und ließ einen letzten
prüfenden Blick an der eigenen Gestalt niedergleiten. All'
seinen Math für den großen entscheidenden Moment zu-
sammenraffend, warf er sich in die Brust, als er den leichten
Schritt der zurückkehrenden Dienerin vernahm. Aber es war
ihm, als würde plötzlich ein Kübel eiskalten Wassers über ihn
ausgeschütlei, da sie in jenem schnippischen Ton. den fein-
fühlige Kammerkätzchen unliebsamen Besuchern ihrer Herrschaft
gegenüber anzunehmen lieben, sagte:
„Die gnädige Frau bedauert, den Herrn Doktor nicht
empfangen zu können."
(Fortsetzung folgt.)

IV. Symphonie-Concert des städtischen Orchesters.
Fr Heidelberg, 9. Mai.
Das Schlußconcert hat das Unternehmen in jedem Sinn ge-
krönt. Die Theilnahme des Publikums hatte sich so gestaltet,
wie es dem Werth des Gebotenen entspricht, der Dirigent, Herr
Ra big, wurde mit Beifall förmlich überschüttet. Mehr denn je
hat der musikalische Leiter gezeigt, daß er ein ganz vortrefflicher
Dirigent ist, der mit dem Feuer und der Energie der Jugend
seine Schaar lenkt, die ihm stramm und willig folgt. Für die
warmblütige Art seiner Auffassung sprach besonders die Wieder-
gabe der Beethoven'schen Symphonie, deren göttliches Larghetto
in seiner ganzen Klarheit und Reinheit erklang. Wahrhaft strah-
lend trat das Meistersängervorspiel mit seiner fast unfaßlich sich
steigernden Kraft auf, wenn auch für solche Werke dem Orchester
noch eine reichere Besetzung des Streichquartetts zu wünschen
wäre. Ein volles Gelingen bedeutete endlich der Vortrag der
Sommernachtstraumouvertüre und der instrumentirten „Aufforde-
rung zum Tanz" von Berlioz, die heute freilich etwas verblaßt
erscheint.
Die Bürgschaft, die Herrn Radigs so lebhaft anerkanntes
Können liefert, sichert auch die Zukunft des willkommenen Unter-
nehmens, das sich so schön angelassen.
 
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