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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0055

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Ar. 13.

Montag, den 1k. Za««ar

I89S.

Politische Umschau.
Heidelberg, 16. Januar.
Die Kaiserin Friedrich hat sich von England
^cr Frankreich an die Riviera begeben. Präsident Faure
Hut in liebenswürdiger Weise der Kaiserin seinen Salon-
wagen angeboteu, die Kaiserin mußte aber dankend ab-
w^nen, da sie in strengem Jncognito reist. Die Höflichkeit
des Präsidenten hat auch eine gewisse politische Bedeutung,
insofern, als früher von dergleichen keine Rede war.
früher ist die Kaiserin einmal in Paris einer Behandlung
ausgesetzt gewesen, die Deutschland nahe genug an einen
Neuen Krieg mit Frankreich brachte. Wenn sich jetzt die
Stimmung in Frankreich so wesentlich geändert hat, so
N>ird das nirgends lebhafter begrüßt werden, als in
Deutschland. Als ein weiteres Zeichen der veränderten
Stimmung sei angeführt, daß der Pariser Figaro in einem
Leitartikel über die Frage der deutsch-französischen Be-
gehungen erzählt, Kaiser Wilhelm habe bei seiner
Ängsten Anwesenheit in Konstantinopel mit einem an-
gesehenen Mitglieds der deutschen Kolonie über die Pflege
freundschaftlicher Beziehungen zu der dortigen französischen
Kolonie mit wohlwollender Anerkennung gesprochen und
Fortsetzung dieser Beziehungen anempfohlen unter Hinweis
darauf, daß dieses gute Einvernehmen beider Kolonieen,
dank dem beharrlichen Willen des Kaisers, früher oder
später eine Rückwirkung im Westen Hervorbringen werde.
Figaro empfiehlt schließlich seinen Landsleuten eine
koloniale Verständigung mit Deutschland. Alles
das sind sehr erfreuliche Symptome einer inneren Besserung
der Beziehungen zwischen den Gegnern von 1870/71.
In ven Vereinigten Staaten von Nordamerika
flt keine Einmüthigkeit darüber vorhanden, wie die Union
sich zu den Philippinen stellen soll. Eine Partei
arbeitet auf die Annexion unter irgend einer Form und
Unter irgend einem Namen hin, die andere fordert ganz
entschieden, daß Amerika die Philippinen sich selbst Über-
sasse. Die Vertreter der Annexion haben einen schweren
Stand, die Volksstimmung ist ihnen nicht sehr günstig,
sie ist ihnen heute weniger günstig, als vor einigen Mo-
naten. Da wird nun von ihnen in echt amerikanischer
Weise ein „Boom", wie man drüben sagt, inszenirt. Um
die Leidenschaften aufzustacheln und die Volksstimmung
ihren Plänen geneigt zu machen, hat die genannte Partei
das Märchen erfunden, daß Deutschland den Amerikanern
die Philippinen abjagen wolle. Telegramme aus Amerika
ließen bereits erkennen, in welch gewissenloser hetzerischer
Weise dort gelogen wird, um Stimmung gegen Deutsch-
land und damit indirekt für die Philippinen zu machen.
Die Köln. Ztg. gibt jetzt aus der neuesten europäischen
Ausgabe des New-Iork Herald die fettgedruckten Inhalts-
Überschriften wieder, um zu zeigen, in welcher Weise drüben
die politische Brunnenvergiftung betrieben wird. Die
Ueberschriften lauten: „Steht ein Zusammenstoß mit
Deutschland zu erwarten? Die Beziehungen
Zwischen diesem Lande und den Vereinigten Staaten werden
gespannter denn je. Die Washingtoner Verwaltung
bereitet einen Gegenstoß vor. Die Freundschafts-
verficherungen sind als falsch erkannt. Prinz Hein-
rich von Preußen soll Aguinaldo aufhetzen. Briefe
bon Hongkong, die in San Francisco eingetroffen sind,
geben mit allen Einzelheiten die Wege an, auf denen Se.
kgl. Hoheit mit den Aufständischen verkehrt. Eine Schutz-
herrschaft über die Philippinen ist der Gegenstand
"er Berliner Wünsche. Gegenmaßregeln gegen das
kaiserliche Fleischschaugesetz." Soweit die Ueberschriften,
bie sich als eben so viele lügnerische und gemeine Ver-

Das Bachstelzche«.
kl) Novelle von Martha Renate Fischer.
(Fortsetzung.)
. Neben ihm stand das Bachstelzchen, sprach zu ihm mit
Ihren Augen: „Erbarme Dich — für Dich selber I —" Aber
stk sah erleichtert und froh aus. daß nun alles glücklich Vor-
ader war. Und dann sagte sie ihm noch: „Verzeih' mir I"
M sagte es so voller Inbrunst und Liede mit zaghaften
Blicken.
Er antwortete ihr: „Ja. Du hast mich gebissen. Du böses
^lädel. So gram bist Du mir. Aber nun sollst Du mich
auch verbinden — da mit Deinem Tuch vom Hals- Ist das
">cht dasselbe, was wir auf dem Tisch hatten — damals- —"
2-..Er preßte die Wunde zusammen und Aennchen faltete ihr
Büchlein zum Verbände-
^.„»Sieh' Aennchen — jetzt kommen wieder Rosen auf Dein
Aachlem — wie damals-" Seine Stimme bebte, seine
Aust arbeitete krampfhaft, still liefen ihm die befreienden
^-dräuen über die Wangen.
Und die Mutter-
s. Als ihr Sohn sich auf den Knecht stürzte,-— sah
''E den Tod über das Ackerfeld heranschreiten, — sah eine
Blutsahne aufgepflanzt, die gewaltig anwuchs, bis die
Mze Pust von dem Schein durchtrünkt wurde. Und die
Flitter konnte nicht helfen: denn ihr brachen die Kniee und
ure Sinne wankten.
Unerhört! Nie geschehen!
»n, W sie sich aufraffte, sah sie, wie ihrem Sohne Hilfe
uurde gegen sich selber-
»>, Otto trat wieder zu den Leuten. Er hörte, daß die
mutter nach den Gendarmen geschickt hatte.
«j. Das war gut so. Die Leute alle waren Zeugen, wie
jMwterlich er gereizt worden war. Er wollte und mußte
^u Menschen los werden. Mau mochte ihn nach seiner
Deiniath abschieben.

i hctzungsversuche darstellen. Bemerkt sei noch, daß die
engllsche Presse der amerikanischen im Ausstreuen von
Lügennachrichten und gegen Deutschland aufhetzenden Er-
findungen eifrig sckundirt. Es ist schwer, einem solchen
Treiben gegenüber kaltes Blut zu behalten.
Die Lage der Amerikaner auf den Philippinen
ist eine außerordentlich ungünstige. Sie beherrschen nur
die Bay von Manila. In Mindanao liegt noch eine
größere spanische Truppenzahl. Das ganze übrige Gebiet
der Philippinen ist in der Gewalt der Aufständischen. Es
ist kein übler Witz der Geschichte, daß die Amerikaner sich
veranlaßt sahen, die Spanier zu ersuchen, doch nur ja
noch in Mindanao zu bleiben, damit nicht auch dieser Ort
in die Hände der Aufständischen falle. Die amerikanischen
Freiwilligen sollen durch das Klima und die schlechte Nahrung
entmuthigt sein und das Verlangen bekunden, nach Amerika
zurückzukehren. Zur Rechtfertigung ihres Verhaltens gegen
die amerikanischen „Befreier" veröffentlichen die Philippiner
einen Vertrag, der zwischen ihren Führern Aguinaldo und
Santos einerseits und dem amerikanischen Admiral Dewey
sowie dem amerikanischen Generalkonsul in Singapore,
Spencer, andererseits im April 1898 abgeschlossen worden
ist. Darin wird festgestellt, daß die Philippinen un-
abhängig sein sollen und daß eine zentralistische Republik
mit einer Regierung errichtet werden soll, deren Mitglieder
provisorisch Aguinaldo ernennt. Dieser Vertrag trägt
amerikanischerseits nur die Unterschrift des Generalkonsuls
der Vereinigten Staaten in Singapore und ist mit Zu-
stimmung des Admirals Dewey abgeschlossen. Von einem
Einverständniß des Präsidenten der Vereinigten Staaten
ist nicht die Rede; es fehlt ihm also der Charakter eines
regelrechten Staatsvertrages. Gleichwohl läßt sich nicht
bezweifeln, daß Aguinaldo das Einverständniß still-
schweigend vorausgesetzt hat, sonst würde er den Vertrag
nicht unterzeichnet haben. Er und die Philippiner bestehen
nun auf ihrem Schein und verlangen die Einsetzung einer
zentralistischen Republik mit eigener Regierung. Möglicher-
weise siegt in Amerika doch noch die Richtung, die für
den Verzicht auf die Philippinen eintritt, dann kann sich
die ganze jetzt schon große Spannung in Wohlgefallen
auflösen. Andernfalls sind kriegerische Konflikte zwischen
den Amerikanern und den Philppinern unvermeidlich.

Deutsches Reich
— Die Freisinnigen beabsichtigen diese Woche im
Reichstag die Lippe'sche Angelegenheit zur
Sprache zu bringen.
— Rittmeister v. Rüd gisch vom 1. Dragonerregi-
ment (Prinz Albrecht von Preußen) in Tilsit tritt in tür-
kische Dienste, um bei der Reorganisation der türkischen
Kavallerie thätig zu sein.
— Ein neues Unternehmen für das Kamerun-
gebiet mit dem Sitze in Hamburg wird sich der Börsen-
halle zufolge constituiren; die Gesellschaft wird die Form
einer Colonialgesellschaft nach dem Gesetze vom 15. März
1888 haben; das Kapital, welches ganz gezeichnet ist. be-
trägt 1000 000 Mark. An der Spitze der Gesellschaft
werden die Herren Douglas, Adolf Woermann, Professor
Dr. Wohltmannn. Professor Dr. Warburg-Berlin, Graf
v. Tiele-Winkler, Generalconsul Dollmann, sowie eine
Anzahl anderer Herren stehen. Die Leitung der Gesell-
schaft wird Herr Johs. Thormählen-Hamburg übernehmen.
Zweck der Gesellschaft wird die Anlegung von Cacao-
pflanzungen und wenn möglich von Kaffeepflanzungen im
Kamerungebiete sein, wozu bereits 16—18000 Hektar

Die Kartoffelernte war vorüber, die stillen Tage des Land-
wirtbs begannen.
Frau Wanders zog sich nach dem Essen an zu einer
Visitentour. Sie trug ein graues Kleid, mit breiten Streifen
und ein Dublejacket. Ueber den Kopf hatte sie einen wollenen
Sdawl mit Spitzengrund geknüpft. Das Kleid war eigenes
Gespinnst und eigene Weberei; aber es war von einer städ-
tischen Schneiderin gearbeitet worden.
Die Visitentour schloß die Familien der drei Erbinnen
ein. Da saß die Frau in den verschiedenen Putzstuben und
berichtete ausführlich das Geschehniß aus dem Kartoffelacker.
Wie oft batte sie das schon berichtet. Und es hätte schon
Gras darüber wachsen können. Aber es bildete nun einmal
das Geschehniß. Und man folgerte ungenirt auf ein inniges
Einvernehmen zwischen Otto Wanders und des alten Vier-
gutS Tochter. Die Mutter hatte qarnicht nöthig, sich auf
die Unbesorgte und Leichtfertige aufzuspielen.
Als sie daheim wieder ankam, fand sie den Tisch zum
Abendessen gedeckt. Aber ihre Anordnungen waren um-
gestoßen worden. Otto hatte das Hausregiment übernommen,
und sie hatte kaum Zacket und Spitzenshawl abgelegt, als auch
schon aus der Küche ein angenehmer Kaffeedust herein-
strömte, gemischt mit einem leckeren brenzlichen Bratgeruche.
„Du — Du läffest wohl Kartoffelpuffer backen? — Lecker-
maul !"
Er freute sich wie ein Kind, warf die Serviette, die auf
einem Packet in der Sophaecke lag, zurück und brachte die
versteckten Tassen zum Vorschein. Dann holte er den Kaffee
herein und eine Schüssel braunknusperiger, settglänzender
Kartoffelkuchen. Er benahm sich wie eine Haustochter, nur
ein bißchen riesenmäßiger und ungeschickt-vorsichtiger.
Der Hund saß neben ihm, schlug sich die Ohren um den
Kopf und gähnte. Dafür bekam er jedesmal einen Bissen
und Otto lachte dazu oder spitzte die Lippen und flötete ein
wenig. ----- MW»
„Du, Mutter. woZwarsts Du 'eigentlich? Du warst bei
meinen drei Frauen."

Land in der Nähe von Victoria und am Sannaga-Fluß
erworben sind.
Baden. Karlsruhe, 14. Jan. Der Parteiausschuß der hie-
sigen Centrumspartei hat zwar beschlossen, daß die Partei
bei den bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen sich dem
Bürgerbund nicht anschließe, indessen dieser Beschluß ist nur mit
14 gegen !3 Stimmen gefaßt worden; der Vorsitzende legte
alsbald sein Amt nieder und die örtlichen Führer, sowie
sämmtliche ultramontanen Stadtverordneten traten
aus dem Ausschuß aus. Wir wollen, so schreibt man dem
Schwab. Merk, hierzu, dies Ereigniß nicht überschätzen. Zunächst
wird die Centrumspartei über die Vorgänge hinter den Koulissen
Schweigen beobachte»; aber je näher der Termin der Wahlen
kommt, umsomehr wird den beiderseitigen Centrumsgr»ppeu die
Zunge gelöst werden und ein Ereigniß, das heute einem reinen
Zweckmäßigkeitszwist seine Entstehung verdankt, wird in seinem
letzten Ende doch zu einer Auseinandersetzung über die grund-
sätzliche Zulässigkeit dieser unfruchtbaren Rachepolitik führen.
Einstweilen indeß steht die Frage auf der Tagesordnung, ob die
örtliche Sachlage auch nur einigermaßen die Haltung der Be-
obachterjünger zu rechtfertigen vermag. Nach unserer Ansicht
wohl kaum. Bei den städtischen Wahlen kann nicht, wie bei den
vorjährigen Wahlen zum Landtag, die nat.-liberale Mehrheit ge-
brochen werden, denn diese ist in der 2. Klasse durch das Stimmcn-
verbältniß 8 :3 und in der 1. Klasse durch das Verhältniß 30 : 4
gesichert. Eine Verbindung mit der Sozialdemokratie kann des-
halb nicht einmal mit dem Rachebedürfniß gegen den Liberalis-
mus begründet werden, weil dieser ja — selbst wenn die dritte
Klasse von der Sozialdemokratie und ihren Satelliten erobert
wird — nicht in seinem Lebensnerv getroffen werden kann. Wie
bei keiner der vorangegangcncn Wahlen noch wird also hier der
Hang zum Radikalismus entschleiert. Sodann bedeutet ein An-
schluß an den Bürgerbund, namentlich bei der freisinnigersetts
anerkannten Freigebigkeit der Nationalliberalen, die Sicherung
der Centrumsmandate, während die in Gemeinschaft mit der
Landesbotenpartei und der Sozialdemokratie versuchte Kraftprobe
das Glück des Centrums auf des Messers Schneide setzt. Zu ge-
winnen ist also mit der radikalen Taktik nichts, dagegen kann
alles verloren gehen. Vom allgemeinen politischen Standpunkt
aus kann man eine erstmalige Spaltung der Zentrumspartei in
zwei Richtungen, auch wenn sie nur bei einem kleinen Anlaß ein-
getreten ist, für wünichenswerlher halten als ein unbedingtes
Eintreten in die Wahlverbrüderung. Denn zunächst kommt, wie
bereits gesagt, die Frage über die Zulässigkeit des grundsätzlichen
Klerikalismus in Fluß. Wenn es aber außerdem durch die An-
spannung aller bürgerlichen Kräfte noch erreicht werden sollte,
daß die 3. Klasse gewonnen wird, dann muß ein schweres Ge-
witter sich über die Häupter derjenigen Gruppen entladen, die
auch bei den städtischen Wahlen ohne Zweck und ohne eine eigent-
liche Aussicht auf Nutzen gedankenlos den alten Pfad, wie bei
Land- und Reichstagswahlen, wieder gewandelt sind. Die radi-
kale Politik des Zentrums steht, mit einem Wort gesagt, vor
der Möglichkeit eines baldigen Zusammenbruchs.
ö. 6. Karlsruhe. 13. Januar. Die Erträgnisse der
Taxen für die 1897/98 im Großherzogthum ausgestellten
Jagdpässe beziffern sich auf 149781 Mark (gegen 150 258 Mk.
im Vorjahr). Den größten Ertrag hat auch Heuer, wie seit
Jahren, der Bezirk Offenburg mit 7470 Mk. aufzuw eisen; dann
folgen Lörrach mit 6400 Mk., Karlsruhe mit 5705 Mk., Frei-
burg mit 5420 Mk. Alle übrigen Bezirke des Landes haben
weniger als 5000 Mk. vereinnahmt. Den geringsten Ertrag mit
926 Mk. hat der Bezirk Eppingen zu verzeichnen.
Karlsruhe, 13. Jan. Der Verband selbständiger Kauf-
leute bittet das Ministerium, ein Gesetz über die Erhebung einer
progressiven Umsatzsteuer auf Waarcnhäuscr
und Großbazare auszuarbeiten.
L6. Karlsruhe, 15. Jan. Die Großh. Herr-
schaften werden am 25. Januar die Reise nach Berlin
antreten. Der Aufenthalt daselbst dürste sich bis in die
ersten Februartage hinein erstrecken.
— In einer am 8. d. M. in Tauberbischofsheim ab-
gehaltenen Centrumsversammlung führte der Reichs-
tagsabgeordnete des Wahlkreises, Landgerichtsdirektor
Zehnter von Mannheim, den Vorsitz. Er war, wie der
Beobachter bemerkt, „wider Erwarten, aber gewiß zur
Freude Aller" erschienen. Herr Zehnter brachte bei diesem
Anlaß eine von ihm seit längerer Zeit vertretene An-
schauung zur Sprache, wornach die Reisekosten der Notare
auf die Staatskasse zu übernehmen sind, weil durch diese
Kosten die nicht am Amtssitz des Notars wohnenden, je-

„Ja."
„Lassen sie mich schön grüßen?"
„Gewiß eine so zärtlich wie die andere. Bist Du schon
mit Dir einig? Welche soll denn nun meine Schwiegertochter
werden?"
„Keine!" sagte er drollig. „Aber weißt Du was —" er
genirtc sich — „sowas fragt man doch nicht."
Er rückte dicht neben die Mutter, bückte seinen Kops ein
wenig an ihre Schulter und sagte verlegen: „Hör' mal blos,
was ich mir überlegt habe-steh mal — damals — die
fürchterliche Geschichte, wo ich den Menschen beinah erwürgt
habe-siebst Du—daß es ohne Unglück abgegangcn ist—
das haben wir doch dem kleinen Mädel zu verdanken.-"
„Ja," sagte die Frau mit schwerer Stimme.
„Sieh mal an — da müssen wir ihr eigentlich ein Geschenk
machen — das kann sie verlangen.-"
„Gewiß I Kaufe doch was — vielleicht ein Kleid. — Oder
willst Du ihr ein paar Thaler Geld geben?"
„Nein, ich habe mir gedacht — was von Gold — ein
goldenes Kreuz."
„Du kannst ja morgen reinfahren und ein Kreuz kaufen.
Aber vielleicht wäre ihr Geld doch angenehmer."
„Nein," sagte er und bezwang sich, „ich hole morgen Vor-
mittag lieber das Kreuz, und Du kannst es ihr dann gleich
Nachmittags überreichen."
„Ich?" sagte die Frau in peinlichem Schreck, „was soll ich
denn dabei? Du bist doch der Geber."
„Ja! jal — Aber Du bist jawohl auch betheiligt. Und
ich meinte sogar, sie kriegte es von Familienwegen, gewisser-
maßen aus Ehrung-Herr! Herr! — sowas begreisst
Du nun nicht!"
„Sie macht sich mehr daraus, wenn Du es ihr giebst,"
erwiderte die Mutter, aber sie fühlte ihr schlechtes Gewissen
und senkte den Blick-
(Fortsetzung folgt.)
 
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