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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0205

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Xr. 46. Zweites Statt.

Damrstas. de« 23. Februar

I89S.

27. Plenarversammlung des deutschen Land-
wirthschastsraths.
Berlin, 20. Februar.
Die 27. Plenarversammlung des deutschen Laud-
wirthschaftsraths wurde heute vom Landeshauptmann
v. Röder mit einem Hoch auf den Kaiser und die Bun-
desfürsten eröffnet. Den ersten Gegenstand der Tagesord-
nung bildeten die Maßnahmen zur Förderung der
Zuckerindustrie. Der Berichterstatter Geh. Reg.-Rath
Professor Dr. Märcker-Halle a./S. befürwortete, wie
wir der Franks. Ztg. entnehmen, folgende von dem Mit-
berichterstatter Frhrn. von Erffa-Wernburg unterstützte
Erklärung:
1. Die Hebung des Zuckerverzchrs ist in erster Linie durch
die Verbilligung des Zuckers zu erstreben. Für diesen
Zweck ist die in ihrer jetzigen Höhe nicht zu rechtfertigende Zucker-
berzehrssteuer abzuschaffen und zwar zur Erleichterung des Ueber-
»angs nicht auf einmal, sondern um jährlich je 2 Mk. für den
Eentner zu erniedrigen, so daß sie nach 5 Jahren in Fortsall
kommt. 2. Die Exportprämie ist in ihrer jetzigen Höhe
bis zum vollkommenen Fortfall der Zuckerverkehrssteuer beizu-
behalten, da durch ihre Abschaffung des Wettbewerb des deutschen
Zuckers im Ausland schwer geschädigt würde. 3. Da die mit
der Verfütterung der minderwerthigen Nachprodukte der Zucker-
fabriken erzielten Erfolge dauernd günstige sind, ist die Dena-
kurirung des Zuckers zu vereinfachen uud der Verkehr mit
benaturirtem Zucker ebenso leicht zu gestalten, wie derjenige mit
denaturirtem Salz u. s. w. 4. Dem denaturirten Zucker ist eine
Prämie iu derselben Höhe, wie sie derselbe Zucker beim Export
erhalten würde, zu gewähren. 5. Zur Hebung des Zuckerverzehrs
empfiehlt sich die A b s ch a f f u n g des TheezollS, da ein
beiniehrter Theegenuß erfahrungsmäßig einen größeren Zucker-
berzehr nach sich zieht. 6. Es ist auf eine wirksame Durch-
führung des Saccharingesetzes, besonders durch sofortigen Erlaß
bon Ausführungsbestimmungcn durch den Bundesrath zu dringen
und eine Besteuerung des Saccharins anzubahnen. 7. Da die
Versuche mit der Einführung des Zuckers in die Ra-
iionen der Soldaten dem Vernehmen nach günstig aus-
gefallen sind, ist der Zucker als regelmäßiger Bestandtheil der
Rationen in der Armee einzuführen. 8. Eine wesentliche Ent-
lastung würde die Zuckerindustrie durch die Förderung der
Spiritusindustrie erfahren. Btt einem gesteigerten Ver-
brauch von Spiritus für technische Zwecke würde man sich viel-
fach wieder dem Kartoffelbau anstatt dem Rübenbau zuwenden
können. Die Steigerung des Spiritusverbrauchs für technische
Zwecke ist daher mit allen Kräften, als im höchsten Grade im
Interesse der Landwirthschaft liegend, zu erstreben. 9. Der im
Widerspruch mit unserem Meistbegünstigungs-Verträge stehende
Differentialzoll für die Einfuhr von deutschem
Zucker nach den Vereinigten Staaten von Amerika ist
A beseitigen. 10. Die Reichsregierung ist zu ersuchen, mit den
Anbauverhältniffen des Zuckerrohres und der Eittwickelungsfähig-
keit der Rohrzuckerindustrie vertraute Sachverständige zum Studium
ber einer neuen Entwicklung entgegengehenden Anbaugebiete des
Zuckerrohrs zu entsenden.
Während der Berathung dieser Thesen war u. A. Graf
Posadowsky erschienen und durch Erheben von den
Sitzen begrüßt worden. Er sagte:
^ Ich freue mich herzlich, heute unter Ihnen sein zu können.
As ist ja noch nicht lange her, daß sich die Landwirthe zu festen
Organisationen verbunden und damit den Weg beschritten haben,
ber heutzutage einzig und allein möglich ist zur Erreichung wirth-
fchaftlicher Zwecke. Die deutsche Landwirthschaft verdankt ihrer
solidarischen Haltung unzweifelhaft schon manchen Fortschritt.
Zch wünsche, die Regierung möchte in der Lage sein, in Zukunft
''och manche schwebende Forderung der Landwirthschaft zu er-
füllen. (Lebhaftes Bravo.)
In der Besprechung trat Domänenrath Rettich
Wit Rücksicht auf die Finanzlage des Reiches „für eine
Herabsetzung, nicht aber für Aufhebung der Zuckerverzehrs-
steuer ein". Nach längerer Besprechung, an der sich Dr.
v. Frege, Freiherr v. Wangenheim und v. Arnim-Güter-
^erg betheiligten, erklärte Freiherr v. Er ffa, daß die
Berichterstatter den Punkt 5 ihres Antrags zurückziehen.
Darauf wurden die Anträge der Referenten mit Ausnahme
°er Nr. 5 angenommen, die Nr. 8 in folgender amendirter
Fassung:

Das beste Mittel zur Gesundung und Erhaltung der Zucker-
industrie sieht der deutsche Landwirthschaftsrath nach wie vor in
der Schaffung von Verhältnissen, welche die übrigen Zweige der
Landwirthschaft, insbesondere aber die Getreideproduktion sowie
die landwirthschaftlichen Nebengewerbe wieder rentabel machen.
Einen weiteren Gegenstand bildeten die Maßnahmen
gegen die Einfuhr von Pferden. Der Bericht-
erstatter Geh. Reg.-Rath Reich-Meyken (Ostpreußen)
befürwortete in Gemeinschaft mit dem Mitberichtcrstalter
Gutsbesitzer Fun ch-Loy-Oldenburg folgenden Antrag:
1. Die Einfuhr von Pferden ist für Deutschland zur Zeit noch
unentbehrlich. 2. Die Einfuhr hat sich aber im Laufe der letzten
Jahre namentlich in Bezug auf mittelwerthige Gebrauchspferde
über das deutsche Bedürfniß hinaus gesteigert. 3. Hierdurch ist
unsere heimische Pferdezucht bedroht, an deren Erhaltung nicht
nur die deutsche Landwirthschaft, sondern das gesammte deutsche
Vaterland, insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung der Kriegs-
tüchtigkeit unserer Armee das größte Interesse hat. 4. Es ist
deßhalb geboten, diese Einfuhr nach Möglichkeit aus das tatsäch-
liche Bedürfniß zu beschränken und gleichzeitig der Gefahr der
Scuchenverschleppung durch dieselbe vorzubeugen. 5. Als Maß-
nahmen zur Erreichung dieser Ziele empfehlen sich L. Nach außen:
s) beträchtliche Erhöhung der Einfuhrzölle für Pferde,
b) genügend bemessene Quarantäne gegenüber allen Einfuhrländern,
und o) hieran anschließend eine auf möglichst lange Zeit aus-
gedehnte veterinärpolizeiliche Kontrolle, ä) zur Ermöglichung dieser
Kontrolle ist jedes Pferd bei der Einfuhr mit einem zweckent-
sprechenden dauerhaften Brandzeichen zu versehen. L. Als innere
Maßnahmen: Seitens der Staatsregierung Bestellung größerer
Mittel zur Hebung der Pferdezucht und zielbewußte Verwendung
dieser Mittel.
Geh. Regicrungsrath Reich bemerkte: Die Einfuhr
von mittleren Gebiauchspferden sei von 65 284 Stück im
Jahre 1893 auf 121 806 im Jahr 1898 gestiegen. Der
Mchrwerth dieser gesteigerten Einfuhr beziffere sich auf 70
Millionen Mark. Deutschland sei nämlich das Land, in
dem für mittlere Gebrauchspferde die besten Preise gezahlt
werden. Das Ausland sei im Stande bedeutend billigere
Gebrauchspferde zu produziren als Deutschland. Der
Redner ersucht schließlich, dem mitgetheilten Anträge ein-
stimmig zuzustimmen.
Nachdem auch der Mitberichterstatter Gutsbesitzer Fnnch
(Loy in Oldenburg) den Antrag befürwortet hatte, be-
merkte Freiherr Goeler v. Ravensburg (Sulzfeld,
Baden), er wolle nur betonen, daß er mit dem Anträge
des Berichterstatters einverstanden sei, um festzustellen, daß
in dieser Frage zwischen Ost und West, Nord und Süd
keine Meinungsverschiedenheit obwalte.
Der Antrag der Berichterstatter gelangte unter Ab-
lehnung des Absatzes 1 zur Annahme.

Deutsches Reich.
W. In der Presse mehren sich täglich die Stimmen
über die angekündigte Novelle zur Reichsgewerbeordnung
betr. den Schutz der Angestellten im Handels-
stande. Die Deutsche Handelszeitung, offizielles Organ
des Vereins Berliner Kolonialwaarcnhändler und des
Vereins Berliner Kaufleute der Kolonialwaarenbranche,
begleitet dieselbe mit folgendem Kommentar: „Darnach ist
in dem in Aussicht stehenden Gesetze eine Minimalruhczeit
für den Angestellten vorgesehen; allerdings soll auch ein
obligatorischer Abendschluß der Geschäfte nicht ganz aä
uota gelegt sein. Da heißt es nun für die, denen an der
letzten Form des Gesetzes gelegen ist, sich rühren, damit
sie eintretc. Wir meinen, ein obligatorischer Abendschluß
ist vorzuziehen, dann hat auch der Prinzipal etwas von
dem Schutze, den er unter Umständen mehr braucht als
die Angestellten." Der Barmer Ladenbesitzerverein beschloß,
eine Eingabe an den Reichstag zu richten mit der Bitte,
den Ladenschluß um 8 Uhr Abends gesetzlich zu regeln, da
eine freiwillige Vereinbarung, die Geschäfte um 9 Uhr zu
schließen, trotz großer Mühe und vieler Kosten an dem

Eigenwillen einiger Geschäftsinhaber gescheitert ist. Eine
Eingabe in demselben Sinn hat auch die Handelskammer
in Osnabrück gemacht. Der deutschnationale Handlungs-
gehilfen^ Verband Hamburg hat eine Massenpetition an den
Bundesrath gerichtet und ca. 1200 deutsche kaufmännische
Vereine zur Beihilfe aufgefordert. Da mit ganz ver-
schwindenden Ausnahmen sämmtliche Vereine ihre Mit-
wirkung zugesagt haben, so wird sich diese Petition als
eine große Kundgebung der Wünsche der deutschen Kauf-
mannschaft gestalten. Petitionsbogen versendet auf Wunsch
kostenfrei die Centralstelle für die Ladenschlußpetition,
Hamburg, Gr. Reichen Nr. 30._
Aus Stadt und Land.
I-. Vom Neckar, 21. Febr. Ten Imkern hat das schöne,
warme Wetter der verflossene» Woche wieder fröhliches Leben
auf den Bienenstöcken gebracht. Fröhlich und mnnter durch-
schwirren die Bienen, von den warmen Strahlen der Sonne aus
ihrer Winterrnhe gelockt, die Luft und freuen sich des Lebens.
Auch das Herz manches ängstlichen Imkers athmete froh aus,
wenn er sah, wie seine Lieblinge alle frob und munter um den
Stand summten und brumu ten, ja sogar schon Höschen von
Haseln und Erlen eintrugen. Welche Freude, wenn er sagen
kann, von meinen Lieblingen fehlt keiner, alle sind am Leben
und munter. Und ist man gleich an die Revision gegangen, so
hat man gefunden, daß sie trotz des gelinden Winters verhältniß-
mäßig sehr wenig gezehrt haben und daß dieselben noch reichlich
mit Futter versehen sind. Allerdings muß man gerade jetzt vor-
sichtig sein. Das Brutgeschäft hat schon begonnen und tritt
warmes Wetter ein, so entwickelt sich die Brut stark, die Königin
geht Tag und Nacht dem Wabenbestiften nach und wehe dem
Kargen, der im Späijahr knapp gefüttert hat. Jetzt heißt cs
gerade — Vorsicht. Flüssig darf in diesem Monat noch nicht
gefüttert werden; im nächste» Monat bei günstigem Weiter und
warmen schönen Fluglagen darf man schon mit demselben be-
ginnen, aber auch da nur mit Vorsicht. Füttere man darum
flüssig nicht zu oft, sondern wenig, aber dann viel und genügend
auf einmal, dann wird das Brutgeschäft rasch vorwärts gehen.
Hoffen wir, daß den Imkern das Jahr 1899 reichlich belohne für
verschiedene auf einander folgende Mißjahre, damit wieder frisches
Leben und Weben in die edle Imkerei einkehre und mancher der-
selben sich wieder zuwende, der schon in Folge Mißerfolges der-
selben wollte Valet sagen!
j- Rheinau, 20. Febr. Noch vor fünf Jahren standen hier
die wenigen Häuser, welche damals die Rheinau bildeten, sozu-
sagen mitten im Walde; wo man hinschaute, sah man Wald.
Im Laufe der letzten Jahre wurde aber die Waldgrenze immer
weiter zurückgerückt, um für Ban- und für Jndustrieplätze Raum
zu bekommen und große Stücke Waldes wurden abgeholzt, um
den darunter liegenden Boden als Ausfüllmaterial für den Hafen-
bau ausbaggern zu können. Nun ist soeben wieder ein Wald
verschwunden in der Rheinniederung, der sog. Backofenwald,
der einzige Laubwald der Gegend, um den neuen Hafenanlagen,
mit deren Erstellung schon begonnen ist, Platz zu wachen. Der
Umfang desselben läßt sich daraus ermessen, daß morgen aus
demselben 458 Ster Prügelholz, 35000 Wellen und 10 Loose
Weidenkopsholz versteigert werden. Mit den letzten Pappeln der
Alleen fiel wieder ei» Stück des früher so idyllischen Rheinau,
wo sich Sonntags Alt und Jung erholte, von dem Gesang der
vielen dort nistenden Vögel erfreut. Daß die idyllischen Zustände
auch sonst vorbei sind, beweist der Umstand, daß auf 1. April hier
eine Gendarmeriestation errichtet wird. Das Bild von Rheinau
selbst hat sich in den letzten Monaten auch merklich verändert.
Die vielen Plakatsäulen und Transformaiorsäulen für die
elektrische Beleuchtung, der alles überragende Wasserthurm geben
dem Ort ein großstädtisches Gepräge. Nur fehlt einstweilen noch
das „groß" wie das „städtisch".
-t- Mannheim, 21. Febr. Die hier seit October v. I. be-
stehende Ingenieurschule (früher in Zweibrücken) hat sich
bereits bestens eiugesührt und allseitiges Vertrauen erworben, so
daß eine seitens des Stadtrathes beantragte wcitergehende Sub-
vention vor dem Bürgerausschuß am 16. d. M. einstimmige
Annahme fand. Hiernach erhält die Ingenieurschule von der
Stadt einen jährlichen Zuschuß von 6000 Mk. für eine Reihe
von 5 Jahren. In den Verhandlungen des Bürgerausschusses
wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß der Direktor der
Anstalt, Herr Ingenieur Wittsack, sich bereits als Leiter der
Zweibrücker Ingenieurschule in hervorragender Weise um die
Ausbildung des Fachschulwesens verdient gemacht hat, so daß
wohl zu erwarten stehe, die Mannheimer Ingenieur-
schule werde unter der umsichtigen Leitung des Herrn Wittsack

Der erste Maskenball.
^ Novelle von I« Leopold Schiene?.
(Nachdruck verboten).
Bei dem Präsidenten von Sieber war großer Maskenball.
^>e eleganten Zimmer seiner geräumige» Wohnung waren
U erleuchtet von unzähligen Lichtern, deren flackernder
Münz, m den mächtigen Wandspiegeln bis ins Unendliche
soitgetragen, den weiten Saal zu einem blinkenden Feuer-
Mr gestaltete und die bunte Gesellschaft wiederspicgelte.
Rwn glaubte ein Märchen zu erleben, wenn man in die sinn-
"klauschende Pracht hineinsah.
.. Und nun erst die Gesellschaft! Welch' wunderliche An-
HUge l Schwerlich gab es eine Nationaltracht, die nicht ver-
Men gewesen wäre, wenn sie nur gefällig war, und kein
^Eilalter, welches sich durch groteske Moden hervorgcthan
vvtte, dos hier nicht einen Repräsentanten gesunden hätte.
,„.Und wie friedlich alle untereinander verkehrten! Die
chiterne Russin hing am Arme des apathischen Türken, die
jErschleieite Türkin hing am Arme des bärtigen Russen, die
v Koketterie wetteifernde Oesterreichcrin und Französin
^wiegte sich an die Seite des biederen Deutschen, während
ZE züchtige Deutsche von dem Franzmann galant umtänzelt
'"Urde.
Und das Wunderbarste bei der Sache: Alle schienen sich
Ls verstehen, wenn auch vielfach mit Hilfe der Sprache der
^"Mtummen.
M, Plötzlich erklang Musik. Ein neuer Walzer von Strauß
Ä*de intonirt, und nun fing das Durcheinanderschwirren
tv-n *echt an. als ob die Paare sich auf den melodischen Ton-
„ Ellen der neuesten Komposition des Walzerkönigs wiegten
"v schmiegten. Es war eine Freude, diesem Tanze zuzusehen,
k, ,GS üab beute kein Gesicht im Hause des Präsidenten,
d-s cös seine wahren Züge zeigte- Nicht nur die Theilnehmer
Festes, Alt und Jung, auch die Diener bis zum Portier
aken in charakteristischen Masken.
Die Gesellschaft bestand zumeist aus Bekannten des Prä-

sidenten. die auch sonst in seinem Hause bei festlichen Ge-
legenheiten anwesend zu sein pflegten; aber heute kannte
keiner den andern. Beides trug dazu bei. die Ungezwungen-
heit, mit der die Gesellschaft untereinander verkehrte, zu er-
höhen.
Die Jugend ist neugierig, und gerade die jüngeren Ele-
mente suchten sich mit unermüdlichem Streben das Inkognito
zu entlocken, wie die lebhaften Dispute während und nach
dem Tanze verriethen.
Dies war auch der Gegenstand der animirten Unterhal-
tung eines Türken mit seiner Tänzerin. Er hatte schon
mehrere Tänze mit ihr getanzt und sich vergeblich bemüht,
ihr Inkognito zu errathen.
Sie war in der kleidsamen Tracht der Spreewälderinnen:
ein grellbuntes Tuch, hutartig um den Kopf geschlungen, so
daß die Enden über den Rücken ungewöhnlich tief Herab-
bingen und diesen zur Hälfte bedeckten, ein ausgeschnittenes
Jäckchen mit mächtig weiten, blasenartigen Aermeln, die an
den Handgelenken eng zusammenliescn, der Halsausschnitt
durch ein blendend weißes Brusttuch bedeckt, kurzen eng an-
schließenden Rock, darüber eine weile, die ganze Figur um-
hüllende Schürze, weiße Strümpfe und kleine schwarze
Schuhe.
Nimmt man zu den edlen Formen, welche die gewählte
Kleidung zart maskirt hervorlreten ließ, den zarten Fuß
nicht ausgeschlossen, die Fülle blonden Haares, das neugierig
unter dem Kopftuch hervorlugte, so durfte man sicher unter
der undurchdringlichen Maske die schönsten Gesichtszüge ver-
muthen, die jemals eine von Evas Töchtern trug.
Das sagte sich auch der junge Türke, der nicht von der
Seite der jungen Spreewälderin wich. Wie gern hätte er
ihren Namen erfahren, aber welche erdenkliche Mühe er sich
auch gab, sie wußte ihm stets geschickt auszuweichen, ohne zu
beleidigen. Durch ihren Humor, der oft satirisch angehaucht
war, angeregt, wurde erbringender und legte sich aufs Bitten.
Es half nichts.
„Herr Türke," sagte sie neckisch, „in dem Landstnch. des-
sen Tracht ich trage, glaubt man noch viel an Wahrsager«.

Zeigen Sie mir Ihre Hand, ich will Ihnen aus den Linien
derselben wahrsagen!"
Sie nahm seine Hand in die ihrige, betrachtete sie auf-
merksam und sagte dann mit trauriger Stimme: „Gläubiger
des Muhamcd. Sie meinen, ich sei schön?"
„Sind Sie es nicht?"
„Leider bin ich häßlich."
„Schöne Maske, ich sehe Dein Erröthen wegen dieser
Unwahrheit unter der Hülle, die mir Dein Gesicht verbirgt!"
„Sommersprossen kennzeichnen mich unter den Schön-
heiten des Landes, an denen Sic nichtachtend vorübergehcn."
„Und wärst Du häßlich wie die Nacht,
Ich schwör's bei meiner Türkenmacht,
Ich find' Dich schön so wie Du bist,
Viel schöner noch ob Deiner List!"
riet er mit Ekstase und hob ihre Hand, in der die seinige noch
ruhte, um einen Kuß darauf zu drücken.
„Gemach, Herr Türke," sagte sie seine Hand loslassend.
„Sie fallen aus der Rolle, Sie sind zu galant für einen
Türken."
Er hielt ihr leine Hand wieder hin.
„Ich werde lieber so wahrsagen," lachte sie, „der Herr
Türke könnte znm zweitenmal seine Rolle vergessen. Sie
meinen ferner, ich sei jung?"
„Mit nickten, schöne Maske." unterbrach er sie- auf den
Scherz eingehend. „Ich bin gewiß, tiefe Runzeln bedecken
Dein Gesicht, die Zahl der Jahre, die über Dein einst hüb-
sches Haupt dahin gezogen, haben ihre Spuren scharf in
Deine Sammetwangen gegraben, und Kummer und Sorgen
haben Dein früher dunkelschwarzes Haar zu dem schönsten
weißen Blond gebleicht, das ich jemals gesehen." Dabei
blickte er aus die blonden Locken, die neugierig unter dem
Kopftuch hervorlugten.
„Sie fallen abermals aus der Rolle," sagte sie pikirt.
„Wer thäte es nicht an Ihrer Seite?"
„Ihr Prophet wird Ihnen zürnen."
„So verlasse ich seine Fahne und schwöre zu der Ihrigen !"
(Fortsetzung folgt.)
 
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