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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Sonntags ausgenommen.
Prers
mit Familienvlätt.rn
monatlich ix) Pf.
frei in's Hans gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1.25 ^
ausschließlich Zustellgebühr.


Telephon-Anschluß Nr. 82.



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15 iif. l-r die Ispaltige
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Für hiesig- Geschäfts- und
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ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Telephon-Anschluß Nr. 82.

M.4.

Dlmcrstiz, den 5. Januar

1899.

ginnt auch sie zu ergreifen. Es ist jammerschade darum,
denn die österreichische Armee hat ein vorzügliches
Material. Aber wenn die Politik in die Kreise des
Heeres dringt, so ist es verloren. Oesterreich wird all-
mählich auseinanderfaulen, und ich will nur hoffen, daß
meine Nachfolger dies bei Zeiten erkennen und für Ersatz
sorgen. Der dümmste Streich, den jemals ein österreichi-
scher Minister machen könnte, wäre der, eine Lösung des
Bündnisses mit uns herbeizuführen. Denn uns stehen jeder-
zeit andere Bahnen offen, Oesterreich zwar auch, allein wenn
irgend eine europäische Großmacht die Wahl zwischen uns
und Oesterreich hat, so wird sie uns den Vorzug geben,
nicht allein, weil wir im Kriegsfälle ein größeres Gewicht
in die Waagschale werfen können, sondern auch, weil wir
nach außen hin stets ein geschlossenes Ganzes bilden,
was bei der österreichisch-ungarischen Monarchie scheinbar
ja auch der Fall ist, aber eben nur scheinbar. Rußland
sowohl als England würden, wenn sie die Wahl hätten,
keinen Augenblick zaudern, uns vorzuziehen, und sogar
wenn, was ich gar nicht einmal für so unmöglich halte,
ein österreichischer Premierminister unehrlich genug sein
sollte, bei Rußland oder bei England Anlehnung hinter
unserem Rücken zu suchen, um uns dann, wenn er diese
gefunden, den Bündnißvertrag unter irgend einem Vor-
wände zu kündigen, so würde, wenn wir ernste Geneigt-
heit zeigten, mit dieser selben Macht in engere Beziehungen
zu treten, diese bei erster Gelegenheit Oesterreich den
Laufpaß geben, und dieses würde zwischen zwei Stühlen
sitzen — ein Fall, der dort nicht zu den Seltenheiten ge-
hört. Selbst Frankreich würde, wenn unserseits keine
grobe Ungeschicklichkeit gemacht würde, sich zehnmal be-
sinnen, ehe es mit einem intimen Verkehr mit Oesterreich
sich Rußland gegenüber eine Blöße gäbe, die man an der
Newa den Franzosen nicht so leicht verzeihen würde.
Käme aber eine Koalition zwischen Rußland, Frankreich
und Oesterreich nach dem Kaunitz'schen Recept zu Stande,
so wäre in diesem Rußland ebenso sehr der Spiritus rootor,
wie jetzt schon Frankreich gegenüber, und Oesterreich würde
sich selbst zu einer Großmacht zweiter Klasse degradiren.
Verzweifelt wäre unsere Lage selbst dann noch nicht, wenn
wir dieser Koalition gegenüber allein ständen, wie cs bei
Friedrich dem Großen der Fall war, aber daran ist gar
nicht zu denken, denn England sowohl als Italien wären
dann unsere sicheren Alliirten, und wenn wir England
oder — auch diese Combination ist Möglich — Rußland
für Oesterreich eintauschten, so würden wir dabei ein sehr
gutes Geschäft machen — Oesterreich freilich ein desto
schlechteres. Es würde für einen Bundesgenossen, der
sich ihm stets unbedingt zuverlässig gezeigt hat und mit
dem es eine Menge gemeinsamer Interessen verbindet, einen
solchen erhalten, den es sich nur durch Opferung vitaler
Interessen conserviren kann. Das alles ist so klar, daß
ein Schüler, der drei Jahre Geschichtsunterricht gehabt
hat, es sich an den fünf Fingern abzählen könnte —
aber Oesterreich ist bekanntlich das Land, wo das Un-
wahrscheinliche zuerst Ereigniß wird, und es gibt gar keine
Dummheit, die dort nicht möglich wäre!
Deutsches Reich
— Die commandirenden Generäle, welche
vom Kaiser nicht empfangen werden konnten, sind, wie
es heißt, nochmals zum 18. Januar (Ordensfest) nach
Berlin geladen worden.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt, der den Bundes-
regierungen im Herbst zugegaugene, vom Reichsschatzamte
ausgearbeitete umfangreiche Zolltarife ntwurf, wel-
ches neue Zollschema auch die bisherigen Zollsätze enthält,

dürfte mit den eventuellen Aenderungen erst gegen Ende
des Jahres dem wirthschaftlichen Ausschuß, und, wie an-
zunehmen, den gleichzeitig berufenen Vertretungen des Han-
dels, der Industrie und der Landwirthschaft zugehen.
— Der seit einiger Zeit im Reichs-Versicherungsamt
beschäftigte frühere Centrums-Abgeordnete Würmelin g
ist nunmehr, wie der Reichs-Anzeiger meldet, zum Regie-
rungsrath und ständigen Mitglicde des Amtes ernannt
worden.
— Der Zar hat unserem Kaiser als Weihnachtsge-
schenk zwei prächtige Rothhirsche für den königlichen Wildpark
bei Potsdam gesandt. Infolge von Schneeverwehungen in Ruß-
land ist es jedoch nicht möglich gewesen, das werthvolle Ange-
binde rechtzeitig zu dem bestimmten Termin in Potsdam ein-
treffeu zu lassen. Die Thiere haben vielmehr erst jetzt die deutsch-
russische Grenze bei Sosnowicc passirt.
— In den letzten 36 Jahren ist der Verbrauch von
Thee auf das 2'/, fache, derjenige von Cacao dagegen
auf das neunfache gestiegen, während der Kaffee-
genuß sich mit Schwankungen nur um 35 Prozent ge-
hoben hat. Erwägt man, daß Thee und Kaffee nur dann
als der Gesundheit des Menschen zuträglich anzusehen
sind, wenn sic in sehr bescheidenen Mengen genossen werden,
daß bei dem Cacao wegen seiner nahrhaften Bestandtheile
eine derartige Beschränkung dagegen in viel weiteren
Grenzen liegt, so ist die bedeutende Verbrauchssteigerung
des Cacaos in Deutschland eine um so erfreulichere, als
an der Lieferung dieses Erzeugnisses auch die nationale
Arbeit in unseren Kolonien in wachsendem Maße be-
theiligt ist.
— Das Reutersche Bureau meldet ausLissabon: Eine
halbamtliche Verlautbarung erklärt die Nachricht von einem
englisch - deutsch -portugiesischen Abkommen
über Afrika für unbegründet. Die Mitthcilung fügt
hinzu, daß England, Deutschland und die übrigen Mächte
die Versicherung ihrer Achtung vor der Unantastbarkeit der
portugiesischen Colonieen erneuert hätten. (Von England
aus wurde vor einiger Zeit erklärt, daß im August vorigen
Jahres zwischen Deutschland und England ein derartiges
Abkommen geschlossen worden sei. Die Lösung des Wider-
spruchs zwischen dieser allgemein verbreiteten Annahme
und den neuesten portugiesischen „Verlautbarungen", wozu
auch die jüngste portugiesische Thronrede gehört, muß der
Zukunft Vorbehalten bleiben.)
Baden. Karlsruhe, 4. Januar. Es verlautet, die
Fürstenber g'sche Erbschaftssteuer Werdeineiner
Anzahl Jahresterminen im Gesammtbetrag von mehreren
Millionen entrichtet werden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Kammerherrn der Kronprinzessin von Schweden und Norwegen,
Kapitän der Königlichen Marine F. von Peyron, das Kom-
mandeurkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen
verliehen. — Steuerkommissär Josef Groß in Wiesloch wurde
in gleicher Eigenschaft nach Karlsruhe versetzt und der Kataster-
kontrole zur Dienstleistung zugetheilt. — Expeditionsassistent Franz
Roth in Mannheim wurde nach Schwetzingen und Expeditions-
assistent Emil Rectanus in Offenburg nach Mannheim versetzt.
Karlsruhe, 4. Jan. Gestern Vormittag nahm der
Großherzog den Vortrag des Ministers von Brauer
entgegen und ertheilte verschiedene Audienzen. Abends hörte
Seine Königliche Hoheit die Vorträge des Geh. Legations-
raths Dr. Freiherrn v. Babo und des LegationSraths Dr.
Seyb. Später besuchten die Grobherzoglichen Herrschaften
mit der Kronprinzessin Viktoria die Opernvorstellung im
Großh. Hoftheater. Hierauf begab sich der Großherzog
zu dem Empfangsabend des Ministers von Brauer und
seiner Gemahlin, zu dem sehr zahlreiche Einladungen er-
gangen waren. Seine Königl. Hoheit blieb daselbst bis

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das I. Vierteljahr 1899
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den Agen-
ten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der Expedi-
tion, Untere Neckarstraße Nr. 21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen, Mk. 1.25 vierteljährlich,
mit Zustellgebühr Mk. 1.65.
Bismarck über Oesterreich.
(Schluß.)
Andrassh war ein Mensch mit klarem Kopf und warmem
Herzen, aber nachher ist es immer mehr bergab gegangen,
und wenn es so weiter geht, dann kommen noch Premier-
minister in Oesterreich zum Vorschein, die so dumm sind,
daß sie gar nicht einmal wissen, daß sie dumm sind —
armes Oesterreich, ich glaube, deine Tage sind gezählt,
und wenn wir es auch nicht mehr erleben werden, daß der
große Krach stattfindet, kommen wird er — vielleicht noch
eher, als man glaubt! Wenn in Oesterreich ein neues
Ministerium gebildet werden soll, so fällt mir immer das
Wort ein, das einst ein oberschlesischer Landrath an die
zur Schulzenwahl versammelte Gemeinde richtete: „Meine
Herren, eS ist nicht unbedingt nöthig, daß man immer ge-
rade das größte Rindvieh zum Schulzen macht!" . . . .
Es ist sonderbar: die Fachministerien sind manchmal recht
gut besetzt, besonders das des Auswärtigen, aber an der
Spitze da hapert es immer! Und dabei ist Kaiser Franz
Joseph doch nicht der Mann, der einen tüchtigen und ge-
scheiten Premierminister nicht dulden könnte, weil er von
demselben verdunkelt zu werden fürchtet, er bleibt gern im
Schatten, ihm ist das Rcpräsentiren keine angenehme Pflicht,
und das Regieren erst recht nicht. Es ist auch kein
Wunder, wenn es ihm verleidet ist; der arme, alte Herr
hat zu viel Unglück gehabt, als Herrscher wie als Familien-
vater. Seit sein einziger Sohn auf so schmachvolle Weise
um's Leben kam, hat er wohl keine recht frohe Stunde
mehr gehabt. Wenn ihn das Schicksal nicht auf den
Thron gesetzt hätte, wenn er so als reicher Privatmann
hätte leben können, ganz seinen Neigungen folgend, wie
viel besser wäre es für ihn gewesen — und für Oester-
reich! Als ich das Bündniß mit Oesterreich schloß, war
ich keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß wir mehr
der gebende als der empfangende Theil seien, und daß dieses
Verhältniß in Zukunft sich noch verschlechtern werde.
Oesterreich ist keine Großmacht mehr und wird es nie
wieder werden. Man könnte da das Wort von den Je-
suiten umkehren, statt: „8int nt sunt, aut non sint!"
sagen: „8int nt non sunt, nnt non sint!" Je mehr
man in Oesterreich den Czechen gewährt, desto mehr ver-
langen sic; je mehr sie verlangen, desto mehr gibt man
ihnen. Aus diesem oiroulus vitiosus kommt Oesterreich
nicht mehr heraus, und das Taaffe'sche System war,
wenigstens für einen Mann, der nicht die Kraft in sich
fühlte, die Verantwortlichkeit einer Reform an Haupt und
Gliedern auf sich zu nehmen, das Natürlichste. Jetzt hat
die Fäulniß sich so tief eingefressen, daß eine Heilung
kaum noch möglich erscheint. Die Slaven werden schließ-
lich einmal die österreichische Regierung zwingen, sich so
zu compromittiren, daß wir nicht mehr mit ihr gehen
können. Wir werden uns sagen müssen: On no s'allis
xn3 L nn vaäavrs! Sehen Sie, Bücher, es wäre für
mich eine verlockende Ausgabe gewesen, auch einmal zu
„beusten". So lange die österreichische Armee noch intakt
war, war es noch möglich, den Augiasstall zu reinigen.
Aber sie ist es sckon jetzt nicht mebr, die Fäulniß be-

Kußmauls Erinnerungen.
Von Dr. Ernst Traumann (Heidelberg).
(Fortsetzung.)
Dem wechselnden Wohnsitz des Vaters folgend, bezieht der
Knabe die Gymnasien von Wertheim, Mannheim und Heidelberg.
Meisterhaft ist in diesen Abschnitten die Schilderung von Ort
und Landschaft. Viele mögen noch am Leben sein, die mit
Kußmaul die erstaunliche Entwickelung der Stadt Mannheim
mttangeschaut, keiner, der sie mit so klarem Blick erfaßt und so
treu festgehalten, der sie so greifbar wiederzugeben wüßte, wie
er. Was er hier über beide Neckarstädte schreibt, wird stets ein
werthvoller Beitrag zu deren Entwicklungsgeschichte bleiben. Und
erst sein Auge für landschaftliche Schönheit! Wie gerne vernimmt
man das Lob der Reize Heidelbergs aus diesem fein beredten
Munde! Als ein scharfer Beobachter von Menschen und Ver-
hältnissen erweist sich schon der Gymnasiast. Auch die Zeit-
begebcnheiten in ihren wesentlichen Zügen entgehen nicht diesem
Hellen Verstände. Schon dem Volksschüler von Boxberg hatten
sich die großen Ereignisse von 1827 und 1830, Navarino und die
französische Juli-Revolution, in die Seele geprägt. Interessante
Streiflichter wirft er auf Franzosenzeit und Napoleonkultus.
Ein anmuthendes Bild gibt die Schilderung der „alten Land-
straße im Rheinthal", und wir erleben die Eröffnung der ersten
badischen Eisenbahn. Eine tief empfundene Erinnerung ist seinem
„Bruder Rudolf" geweiht, einer glänzenden Erscheinung, einer
„Landsknechtnatur", die sich auf dem alten Kontinent beengt fühlt
und in die neue Welt flüchtet, wo sie ein stürmisches, kämpfe-
reiches Leben als friedlicher Farmer patriarchalisch beschließt.
Und nun greift unser Held selbst in die Weltgeschichte ein, in
die Geschichte seiner Welt! Er ist Student und Bursche. Im
Jahre des Franzosenlärms 1840 bezieht er die Universität Heidel-
berg, 1845 verläßt er sie — es ist die bewegte Zeit vor den
politischen Stürmen. Mit Eifer anfänglich den Freuden und
Verpflichtungen des CorpslebenS hingegeben, verkennt er, durch-

aus liberal gesinnt, nicht das Rückläufige dieser Institution. Er
tritt aus und gründet mit Gleichgesinnten die „Alemannia", die
nebst vier anderen Reformverbindungen in der weiteren Organi-
sation der „Allgemeinen Studentenschaft" den Corps gegenüber-
trat.*) Wie schon früher auf dem Mannheimer Gymnasium, so
findet er auch in allen diesen studentischen Vereinigungen hoch-
begabte Genossen. Dort Jolly, hier Männer, wie R. v. Freydorff,
Beruh. Beck, Friedr. Serger, Friedr. Kapp, v. Negenauer, sodann
Karl Blind, Scheffel, Ellstätter, Stgm. Pfeuffer, nicht zuletzt
seinen treuen Kameraden Eduard Bronner. Ein tiefes Gefühl
für Freundschaft, das treueste Herz spricht aus diesen Blättern.
Das Jubilänmsjahr 1886 hat verschiedene Monographien gezeitigt,
die unter Anderem auch die vierziger Jahre des Heidelberger
Studentenlebens schildern, keine ist so klar und eindrucksvoll wie
die Darstellung Kußmauls, freilich hat auch keiner der Erzähler
so wie er jene Bewegungen mit erlebt und mit erzeugt. In
lyrischen Ergüssen mit Heine'scher Pointe — ganz an die gleich-
zeitigen Gedichte seines Freundes Scheffel erinnernd — nimmt
er Abschied vom Burschenleben. Sein Fachstudium erfüllt ihn
jetzt ganz.
Gute, fast vergess'ne Zeit,
Oeffne Deine Thore weil:
Sieh! in stolzer Majestät
Naht die alte Fakultät.
Nach einem kurzen Rückblick auf das Heidelberg der Romantiker
und Rationalisten schildert er, jeder Erscheinung ein besonderes
Kapitel widmend, die Persönlichkeit seiner Lehrer in ihren be-
ruflichen und menschlichen Eigenschaften, ihre Unterrichtsmethode
und den derzeitigen Stand ihrer Lehrinstitute. Mit Begeisterung
wird jeder Fortschritt in der Wissenschaft begrüßt, aber nirgends
verleugnet sich auch der feine, kritische Beobachter.
Die Bearbeitung und Lösung einer akademischen Preisaufgabe
läßt den jungen Mediziner nahe an die Entdeckung des Augen-

*> Auf diese Weise ist die betreffende Stelle im Artikel des
Münchner Blattes zu berichtigen.

spiegels heranstreifen; jedenfalls hat er das Problem in seiner
vollen Bedeutung erkannt. Sodann folgt die Vorbereitung zur
Staatsprüfung in ländlicher Stille, gemeinsam mit Freund Bronner,
das Examen selbst und die erste Thätigkeit des Arztes als Assistent
Pfeuffers. Inzwischen hat er sich verlobt — ein reizendes Kapitel
voll ungetrübten, seligen Ertnnerns ist diesem Ereigniß gewidmet.
Einige Blätter gelten einer gewissen Seite der damaligen
Heilmethode, den Wunder-Purgir- und Vomirkuren, sowie den
Blutentziehungen; diese werden allgemein dem größten Interesse
begegnen. Im Winter 1816/47 bringt ihm ein akuter Gelenk-
rheumatismus die erste Prüfung aus dem Krankenbette. Alles,
auch diese Heimsuchung, wird ihm zur inneren Erfahrung und
zum Antrieb, das Erlebte für die leidende Menschheit auszunützen.
Er schreibt: „Meine schmerzhafte Krankheit ist mir ein guter
Lehrmeister geworden. Wer selbst auf der Folterbank gelegen ist,
fühlt am wärmsten mit den Gemarterten, er begreift ihr Jammer-
geschrei, aber auch ihre leisen Seufzer finden bet ihm volles Ver»
ständniß. Es gibt viele Dinge in der ärztlichen Praxis, die der
wissenschaftlichen Medizin gletchgilttg sind, aber für den Kranken
Labsal und Balsam; wer auf dem Krankenbette und nicht bloß
an ihm geprüft wurde, weiß den Werth eines mitfühlenden
Blickes, eines guten Wortes zur rechten Zeit am besten zu
schätzen; den Physiologen läßt es gleichgtltig, wie die Kissen für
den Kranken gelegt werden, für den praktischen Arzt ist es eine
wichtige, ernste Sache." Goldene Worte aus goldenem Herzen!
(Schluß folgt.)

Das Bachstelzchen.
3) Novelle von Martha Renate Fischer.
(Fortsetzung.)
II.
Unvermnthet stand er auf, ging in die Remise und unter-
suchte die Pflüge und Eggen. Holte den allen Bierguts dazu.
„Hier der Pflug. Vater BiergutS, muß zum Schmied.
 
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