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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0171

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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Mittwoch, de» 15. Februar

I8S9.

Die Zustände in Frankreich.
Wie allerwärts, so interessirt man sich auch in Wien
>khr für die Vorgänge in Frankreich, woselbst die an sich
eigentlich doch ganz unpolitische Drcyfusaffaire all-
mählich zu einem Kampf auf Tod und Leben zwischen
°er Republik und ihrer monarchistischen und klerikalen
Gegnerschaft angewachscn ist. In Wien soll eine hoch-
gestellte Dame eifrig im Interesse der Napoleons wirken,
daß man dort die Ereignisse in Frankreich vielleicht noch
"fit intimerer Aufmerksamkeit verfolgt wie anderwärts. Es
stt deshalb interessant zu hören, was der Wiener Korre-
spondent des Berliner Tagebl. über die in der öster-
Michischen Hauptstadt herrschende Auffassung sagt. Er
schreibt:
Mit wachsender Besorgniß verfolgt man
Mer die Ereignisse in Frankreich, welche ganz und gar den
Charakter eines klug ausgedachten, wohlorganisirten Kom-
Avts an sich tragen. Die räthselhafte Abstimmung der
Kammer, die Kühnheit der Agitatoren, welche, wie Ques-
itz de Beaurcpaire, die Losungsworte ausgeben und alle
frischenden Gewalten herausfordern, die Kravalle in den
Straßen, sie alle zeugen von einem wohlberechneten, alle
Gebiete umfassenden Arrangement, bei dem es sich lange
picht mehr um den armen Drcyfus, sondern um die Re-
publik handelt. Wenn es wahr ist, daß der Spielpächter
^lanc, der Schwiegervater des Prinzen Roland Bonaparte,
r>nen Theil seiner Millionen flüssig gemacht hat, so
lhun sie gute Arbeit.
Aber alle die überraschenden und aufregenden Vor-
gänge in Paris sieht man hier nur als Vorbereitungen zu
rillem Hauptschlag an, zu dem sich der erste Akteur
rwfinden müßte. Dieser müßte im Augenblick der größten
girren, von dem wir vielleicht nicht allzu fern sind, auf
.km Plan erscheinen, seinen Haupttrumpf ausspielen und
lein Leben in die Schanze schlagen. Ob einer der ver-
söhnten, im Wohlleben erzogenen Prinzen, die wir als
uonapartistische Prätendenten kennen, das Zeug dazu hat,
solches Auftreten zu wagen, das ist die wichtigste
präge. Von ihr hängt vielleicht die Rettung Frankreichs,
lu unter Umständen die Ruhe des Welttheils ab.
. Alle Besorgnisse, die man an eine Wiederauf-
rüstung der Monarchie in Frankreich knüpfte, welcher
purst Bismarck bekanntlich nachdrücklich entgegenzuarbeiten
luchte, find hier wieder rege geworden. Man verhehlt sich
plcht, daß eine Monarchie, um in Frankreich eine wirkliche
Grundlage zu gewinnen, einen Revancheversuch machen
Aüßte ohne Rücksicht darauf, wie er sich gestalten könnte,
^ics ist die ernste Gefahr, die man im Auge hat. Es
Aäre eine wahre Ironie des Schicksals, wenn am
Vorabend der Abrüstungskonferenz in Frankreich Ereignisse
^"treten sollten, die den Keim kriegerischer Entwickelungen
pl sich tragen.

Wochen-Chronik.
(Vom 5. bis zum 11. Februar.)
^ebr. 5.: Aus Manila wird gemeldet, daß die Filipinos
einen Angriff auf die amerikanische Truppenmacht bei
Manila gemacht hätten, aber zurückgeschlagen worden
seien.
» 6.: Der ehemalige Reichskanzler Graf v. Caprivi stirbt.
-> 6.: Der Erbprinz von Coburg stirbt.
» 8.: Der Senat der Vereinigten Staaten von Nordamerika
genehmigt den Friedensvertrag mit Spanten.
- 8.: Agutnaldo, der Führer der Filipinos, erklärt
den Amerikanern den Krieg.
» 9.: Der bekannte liberale Politiker v Bocknm - Dolffs
stirbt im Alter von 97 Jahren.
» 19.: Die französische Deputirtenkammer nimmt das Gesetz
^ an, wonach die Endaburtheilung der Dreyfus - An-

1)

Ju der Falle.
Humoreske von Paul Blitz.

(Nachdruck verboten).
s, Ewgld Bergemann stand vor dem Spiegel und machte
L-lifältig Toilette. Mit großer Kunstfertigkeit knüpfte er den
s-Uuten der Kravatte, glättete die Falten des Hemds und
zUberte den eleganten Rock, sodaß auch nicht ein Stäubchen
lck, öu sehen war. Dann nahm er Hut und Stückchen und
-Änderte nach der Lindenpromenade, um irgend etwas zu
""bei,.
ko Herr Ewald Bergemann war ein Glückskind, — er war
b "Ui 25 Jahr alt und schon war er in der glücklichen Lage,
seinen Renten leben zu können, ohne seine eleganten
tz,'pde durch irgendwelche Arbeit raub oder unansehnlich
„ojpEn zn müssen. Ein alter Onkel war rechtzeitig gestorben
batte den lieben Neffen Ewald als Universalerben ein-
str- Dies begrüßte der junge Mann mit um so größerer
ltz^de, als er an wirklicher Arbeit nie sonderlich großen
sein gesunden hatte. Und deshalb lebte er jetzt, nun er
igl^.reichlich gutes Auskommen hatte, als sünfundzwanzig-
h^figer Rentier in Berlin, allwo man ja stets gute Gelegen»
;Mlid. sich für gutes Geld auch gut amüsieren zu können,
restu'fm^ln schluderte er durch die Linden, spähte nach
Käb- ""p links und geradeaus, ob es denn nirgendwo etwas
Wechs üms in dem öden Alltagseinerlei eine interessante Ab-
Nvv r wäre. Aber soweit er auch sehen konnte, immer
die/"-, er dasselbe Getriebe, fast alle dieselben Menschen,
iveil. d^r zu finden schon jeden Tag gewöhnt war. Gelang-
L und biasirt flanirte er weiter.
Plötzlich bekamen seine müden Nerven einen Ruck,
des L*oßen erstaunten Augen starrte er zu der Auslage ei-
/^ainen-Artikel-Bazares hin.
^am-^r Dame erblickte er dort, — eine ganz entzückende
elegant, frisch und jung, mit naiven freude-
elenden Augen-
^eues """erwetter!" öfterste er, „das ist wirklich mal etwas

gelegenheit dem gesammten Kassationshof zugc-
wiesen wird.
Febr.10.: Die Budget-Kommission des Reichstags bewilligt die
von der Regierung geforderte Vermehrung der
Feldartillerie.
„ 11.: Im Reichstag macht Staatssekretär v. Bülow
auf eine Interpellation hin Mitthellungen über den
Stand der handelspolitischen Verhandlungen mit den
Vereinigten Staaten und des politischen Verhältnisses
Deutschlands zu denselben. Es geht daraus hervor,
daß Deutschland seine handelspolitischen Interessen
gegenüber Amerika nachdrücklich vertritt, wobei es auf
die Thatsache Hinweisen kann, daß der amerikanische
Export nach Deutschland beständig wächst. Die politi-
schen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen sind
gut und freundlich, für Verstimmungen zwischen den
beiden Völkern ist kein greifbarer Grund vorhanden.

Deutsches Reich
— Der Kaiser ordnete an, daß die im Heere an-
geordnete Verdeutschung einzelner fremder Ausdrücke
auch in der Seemacht sinngemäße Anwendung finden soll.
Für Kadett soll gesetzt werden: Seekadett, für Seekadett
Fähnrich zur See, statt Unterlieutenant zur See Leutnant
zur See, statt Lieutenant Oberleutnant zur See, statt Ca-
pitänlieutenant Capitänleutnant, für Secondelieutenant Leut-
nant, statt Charge Dienstgrad, statt Funktion Dienststellung,
statt Avancement Beförverung und statt Anciennität Dienst-
alter.
— Die Budget com Mission des Reichstages
setzte am 14. d. die Berathung der Militärvorlage
fort. Kriegsminister v. Goßler bat, von dem Wunsche ab-
zusehen, daß er die Vorlage durch politische Gründe, eine
Darlegung der Weltlage stütze. Eine solche Erörterung
könne nicht förderlich sein. Das Ansehen Deutschlands im
Auslande sei durch den großartigen Erfolg der eben auf-
gelegten Anleihe genügend dargethau. Man möge die
Vorlage nicht mit politischen Fragen verquicken; er sei be-
auftragt, zu ersuchen, daß man die Vorlage lediglich
vom militärischen Standpunkte aus betrachte.
Die Commission nahm schließlich denjenigen Theil der
Militärvorlage an, der die Neuorganisation der
Armeecorps betrifft, und zwar mit zwanzig gegen acht
Stimmen. Dafür: Ccutrum, konservative, Nationalliberale,
freisinnige Vereinigung und der Antisemit Werner; da-
gegen die freisinnige und deutsche Volkspartei, Sozial-
demokraten und Polen.
— Im Seniorenkonvent des Reichs-
tages legte am 13. d. der Präsident an der Hand des
Berathungsmaterials und des Kalenders dar, daß es
unmöglich sein würde, vor Ostern den Etat und die Mili-
tärvorlage zu verabschieden und die noch vorliegenden Ge-
setzentwürfe in erster Lesung zu berathen, wenn sich nicht
alle Parteien bei den Verhandlungen Beschränkungen auf-
erlegen. Ihm selbst stehe in dieser Beziehung nur eine
geringe Einwirkung zu, da er nicht verhindern könne, daß
sich an eine nebensächliche Aeußerung eine längere Berath-
ung anknüpfe. Der frühere Präsident v. Levetzow pflichtete
ihm hierin bei. Die Osterferien sollen mit Rücksicht
auf den vor Sonntag Palmarum fallenden katholischen
Feiertag schon am 22. März beginnen.
— Zur Herbeiführung eines Reichsgesetzes, betreffend
die Besteuerung der W aa renh äuser, ist der Zen-
tral-Verband der städtischen Haus- und Grundbesitzervereine
Deutschlands beim Reichstag in einer Petition vorstellig
geworden. In derselben wird ausgeführt, daß unter dem
Großbazarbetrieb auch die Hausbesitzer zu leiden hätten, weil die
Preise für Ladenmielhen in der Nähe solcher Waarenhäuser
sinken und manche Läden überhaupt nicht mehr vermieth-
bar seien, so daß dadurch die betreffenden Grundstücke

entwerthet würden. Eine Besteuerung der Waarenhäuser
in einzelnen Städten hätte aber infolge des Versandt-
geschäftes dieser Unternehmen eine unbillige Bevorzugung
auswärtiger Waarenhäuser gegenüber den in dem betref-
fenden Orte befindlichen zur Folge. Darum hält der Ver-
band die Einführung eines Reichsgesetzes für wünschens-
werth und schlägt eine Branchensteuer in Verbindung mit
einer progressiven Umsatzsteuer vor.
— Aus Washington wird gemeldet: Alle hiesigen
Blätter berichten ausführlich über die Rede des Staats-
secretärs v. Bülow. Der allgemeine Eindruck ist
günstig, namentlich der politische Theil der Rede be-
gegnet sympathischer Zustimmung. Doch fehlt es nicht an
Beschwerden über unfreundliche Aufsätze der als amerika-
feindlich bekannten deutschen Blätter. Auch die Nachrichten
über die Zurückweisung von getrocknetem amerikanischen
Obst unter dem Verdacht (?), daß es mit der Schildlaus
behaftet sei, wirken noch verstimmend.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: „Amtlich veran-
laßte Ermittelungen in Hongkong führten zu der Fest-
stellung, daß von dort eine Ausfuhr deutscher oder
unter deutscher Betheiligung gelieferter Waffen nach
Manila niemals stattfand." Gegenüber der in
einigen deutschen Zeitungen aufgenommenen, angeblich von
New-Aorker Blättern verbreiteten Behauptung, die freund-
schaftliche Haltung der deutschen Politik gegenüber den
Vereinigten Staaten sei auf formelle, von dem hiesigen
amerikanischen Botschafter White in den letzten Tagen ge-
machte Vorstellungen zurückzuführen, stellt die Nordd. Allg.
Ztg. fest, daß kein derartiger Schritt von amerikanischer
Seite geschehen ist.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. Febr. Die Be-
rathung des Entwurfs des Invalidenversicherung s-
gesetz es wird fortgesetzt.
Abg. Hoffmann-Dtllenburg (natl., schwer verständlich) be-
kämpft die gestrigen Ausführungen des Abg. Molkenbuhr. Gegen
die örtlichen Rentenstellen habe er nichts einznwenden; doch
könne die Sache nur dann wirksam werden, wenn die ver-
schiedenen Versicherungen vereinigt würden. Die Rentenstellen
würden auch nur am Hauptamt verwaltet werden. Das Ver-
fahren der Rentenfestsetzung vor der Rentenstelle sei unklar.
Redner schließt sich dem Antrag auf Ueberwetsung der Vorlage
an einen Ausschuß von 28 Mitgliedern an.
Abg. Rö si cke-Dessau (wild-ltb.) hofft, daß die Regierung
die Ausgleichsaufgabe nicht auf dem Verwaltungswege lösen
werde, sondern daß es zu einer Verständigung zwischen der Re-
gierung und dem Reichstag kommen werde. Die finanzielle Noth-
lage der Anstalten in den landwirthschaftlichen Bezirken habe
ihren Grund in versicherungstechnischen Fehlern, namentlich in
der Uebergangszeit. Für abztehende junge Kräfte müßten die
Kassen des Anzugsortes das Risiko tragen. Es sei bedenklich,
dem Bundesrath so große Vollmachten für die Vermögensaus,
gleichnng zu gewähren. Auch könne man die Beiträge für die
höheren Kassen herabsetzen. Die Einrichtung örtlicher Renten-
stellen sei zu billigen. (Beifall links.)
Abg. Ga mp (Reichsp.): Die Calamität in Ostpreußen sei
auch eine solche für die Arbeitnehmer. Bedenklich sei die Steuer-
freiheit ausländischer Arbeiter. Es würde dadurch eine Prämie
auf die Heranziehung von Ausländern gesetzt. Die örtlichen
Rentenstellen seien zu begrüßen; nur würden dadurch auch die
Schiedsgerichte überflüssig. Durch die Annahme der Handels-
verträge sei die Nolhlage der Landwirthschaft verschuldet worden.
Eine Entschädigung der durch die Fehler der Uebergangszeit be-
nachtheiligten Anstalten sei wünschenswerth, aber auf dem Boden
der Vorlage.
Abg. Raab (Reformp.) erklärt sich im allgemeinen mit der
Vorlage einverstanden.
Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen wird die Weiter-
berathung auf morgen vertagt, außerdem Interpellation Johannsen.
Baden. Der Straßb. Post wird aus Karlsruhe
geschrieben: Nachdem in letzter Zeit die Benachtheiligung
Badens in den Eisenbahneinnahmen durch die preußisch-
hessische Eisenbahngemeinschaft und durch Auf-
hören der Selbständigkeit der hessischen Ludwigsbahn

Im nächsten Augenblick stand auch er vor der Auslage
und musterte mit solchem Interesse die Hüte und Blusen
und Schirme, als ob er ein vereidigter Sachverständiger wäre;
dabei fand er aber noch Zeit und Gelegenheit genug, ein
paar diskrete Seitenblicke nach der schönen Dame zu senden,
die erkunden sollten, weß Rang und Herkunft die holde Un-
bekannte sei.
Aber all sein eifriges Bemühest war umsonst, — zwar sah
er nun, daß die Dame nicht nur elegant und schön war,
sondern er erkannte auch an ihrer Haltung, daß sie der guten
Gesellschaft angehörte. — weiter aber brachte er nichts heraus,
und erwidert wurde keiner seiner Blicke, obgleich sie nach und
nach recht sprechend und deutlich geworden waren-
Ohne ihn zu beachten, ging die Dame weiter.
Aber Herr Bergemann war nicht der Mann der blassen
Furcht, — er wußte aus Erfahrung, daß die Geduld eine
der schätzenswerthesten Eigenschaften ist, — und deshalb ging
er auch weiter, natürlich unmittelbar hinter der Un-
bekannten her.
Kaum hundert Schritt weiter war wieder ein eleganter
Modevazar mit prunkvollen Auslagen und wiederum machte
hier die Dame Halt.
Herr Ewald natürlich auch. ....
Und wieder begann er, die Schöne mit fragenden und
bittenden Blicken zu bombardiren, aber wieder mußte er mit
langer Nase abtrollen.
Jetzt aber beschleunigte die Dame ihre Schritte; vor kei-
nem Schaufenster blieb sie mehr stehen, sondern steuerte
direkt auf das Brandenburger Thor los, lief behend mit
graziös gehobenem Rock, über den Fahrdamm, sprang in einen
der haltenden Pferdebahnwagen — und fuhr davon.
Und Herr Ewald lächelte wie ein moderner Philosoph. —
er dachte: „Du entgehst mir nicht, mein holdes Kind, gerade
Dein Widerstand reizt mich!" — Dann nahm er eine Droschke,
instrmrte den Kutscher, und fuhr in entsprechender Ent-
fernung hinter dem Pferdebahnwagen her.
Nach kaum einer Viertelstunde stieg die Dame aus und
ging zu Fuß weiter.

> Herr Ewald, in entsprechender Entfernung, that dasselbe
und folgte der Unbekannten, bis sie in einem Hause der Kur-
fürstenstraße verschwand. Dann wartete er ein paar Minuten,
ging dann zu dem Portier desselben Hauses und erkundigte
sich nach dem Preis der leerstehenden ersten Etage, und so
ganz nebenbei fragte er dann: „Sagen Sie mir bitte, —
die Dame, die eben hier eintrat, ist das nicht Fräulein Mül-
ler ?" Dabei legte er zugleich dem Portier ein Markstück hm.
Der Portier machte ein pfiffiges Gesicht, strich dankend
die Mark ein, und sagte: „Nein, das war Frau Brauwald,
die wohnt in der zweiten Etage."
„So so — ich glaubte in der Dame eine Bekannte zu er-
kennen," sagte Ewald leichthin.
„Na, ich weiß nicht, vielleicht ist sie 'ne geborene Müller,"
lächelte der Alte, — „die Herrschaften sind nämlich erst ein
halbes Jahr verbeirathet."
„So. so, — danke, danke sehr!" er ging. Vorerst wußte er

genug.
Diesem Hause gegenüber war eine Konditorei und in
dieser Konditorei saß Herr Ewald Bergemann am anderen
Tage Vormittags um elf Uhr. Zuerst trank er einen Cognac,
dann eine Tasse Bouillon, dann ein Glas Portwein und end-
lich noch einen Cognac. Inzwischen war es halb eins ge-
worden, da plötzlich erschien in der Hausthür gegenüber Frau
Brauwald, und zwar wieder allein l
Eine Minute später war Herr Ewald hinter ihr. und
zwar fo nahe, daß er den Duft ihres diskret feinen Parfüms
riechen konnte. Er war so kopflos, daß er sich gar keinen
Plan machte, wie er nun vorzugehen habe. Nur ein Gedanke
verließ ihn nicht: weshalb geht sie auch heute wieder allein
aus? Für eine Ehe, die erst sechs Monate alt ist, könnte
man dies als ein schlechtes Zeichen ansehenl — jedenfalls ist
der Gatte ein bequemer älterer Herr, oder er ist ein über-
eifriger Geschäftsmann, sonst würde er doch so ein entzücken-
des Weibchen nicht fortwährend allein berumlausen lassen: —
fo grübelte er, und folgte der schönen jungen Frau immer in
einer kleinen Entfernung. ^ ,
(Fortsetzung folgt.)
 
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