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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0261

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». 59.

Freitag, den 19. März

1898.

Verein der nationalliberalen Jugend zu Köln.
Mit allseitigem Interesse ist die Nachricht ausgenommen
Korden, daß auch die nationalliberale Partei den
Anfang damit gemacht hat, die jüngeren Elemente für die
Betheiligung an ihren Bestrebungen zu gewinnen.
In Köln hat sich der Verein der nationalliberalen
Lugend gebildet, der es bezweckt, die Lässigkeit der Jugend
llcgenübcr den Aufgaben des politischen Lebens zu be-
kämpfen und seine Mitglieder zu praktischer Mitarbeit im
Dienste der nationalliberalen Partei hcranzubildcn.
Diese Bestrebungen will man abgesehen von gelegent-
kichen geselligen Veranstaltungen durch regelmäßige
Versammlungen erreichen, indem durch Mitglieder
über politische Tagcsfragcn Vorträge gehalten und Re-
ferate erstattet werden, an die sich Diskussionen in parla-
mentarischen Formen anschließen werden. Während die
Borträge zur nothwendigen politischen Aufklärung und Be-
lehrung, sowie als Unterlage für die Diskussionen bestimmt
sind, sollen diese letzteren noch dazu das allseitige Interesse
Wecken und schlagfertige Redner heranziehen. Junge
Aiänner aller Stände bis zu 35 Jahren können Mitglieder
werden und der geringe Beitrag (1 ermöglicht auch
tatsächlich eine Betheiligung der weitesten Kreise; die
Altersgrenze bis zu 35 Jahren gewährleistet, daß eine gb-
uügende Anzahl ernst strebender und besonnener Männer
ihre Kenntnisse dem Verein widmen. Nachdem der Verein
sich an die Oeffentlichkeit mit einem Aufrufe gewandt hat,
uer in eindringlichen Worten die Nothwendigkeit betont,
baß die Jugend sich lebhafter als bisher mit Fragen des
öffentlichen Lebens beschäftigt, fand nun am 27. Februar
dieses Jahres die erste regelmäßige Versammlung des Ver-
eins statt, die äußerst zahlreich von Angehörigen aller
Stände besucht war. In dieser Versammlung, in der auch
die Vorstandswahl stattfand und mit einer Rede über die
Entstehung der nationalliberalen Partei die Reihe der Vor-
träge eröffnet wurde, ist besonders bemerkenswerth der
Bericht des Vorsitzenden des bisherigen Ausschusses — ge-
wissermaßen ein Programm der Bestrebungen des Vereins —.
Die eingehenden und überzeugenden Ausführungen des
Redners gipfelten etwa in Folgendem: Es gelte, die
Jugend systematisch mit der Politik vertraut zu machen,
damit sie nicht später zu der Menge von Kannegießern
gehöre, die überall vcrständnißlos mitsprächen. Auch dürfe
Wan sich nicht beim gegenwärtigen Stand der Partei be-
ruhigen, zumal da die idealen Bestrebungen dieser Partei
w>Mer wieder den gefährlichsten Angriffen ausgesetzt seien.
Durch gegenseitigen freien Meinungsaustausch müsse man
llch zeitig schulen. Dies thue allen Ständen noth — ob
Kaufmann oder Arbeiter, Handwerker oder Beamter —
alle könnten recht viel von einander lernen. Alle Arbeit
aber müsse dadurch geadelt werden, daß es eine Arbeit sei
für das Vaterland, das über den Parteien stehe, für
Kaiser und Reich, für die cinzustehen gerade die Jugend
allezeit bereit sein müsse.
Der junge Verein hofft, daß sein Vorbild auch an
anderen Orten Nachahmung finden werde, und hat eine
borläufige Centralstclle in Köln, Chlodwigsplatz 17 II,
Eingerichtet, die bereitwilligst auf alle Anfragen Auskunft
ertheilt.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser und die Kaiserin begaben sich am
Donnerstag früh nach Charlottenburg, um dort am
Sterbetage Kaiser Wilhelms I. einen Kranz auf seiner
Gruft niederzulegen.

— Auf die Verabschiedung des kommandirenden
Admirals v. Knorr fällt ein besonderes Licht durch
Mittheilungen, die ein dem Admiral nahestehendes Blatt,
die Berliner Neuesten Nachrichten, machen. Das ge-
nannte Blatt sagt, daß die Verabschiedung des Admirals
v. Knorr mit einer Neuorganisation der obersten
Marinebehörden zusammenhängt, die in kurzer Zeit
in Wirksamkeit treten dürfte und bei der das jetzige Ober-
kommando der Marine in Wegfall kommt. „An seine
Stelle tritt der direkt dem Kaiser zu unterstellende Admiral-
stab. Die bisherige Kommandoabtheilung des Oberkom-
mandos geht an das Marinckabinet über und damit auch
die oberste Kommandoführung wie beim Landheer auf den
Kaiser selbst. Die andern Dezernate des Oberkommandos
werden wahrscheinlich vom Reichsmarineamt übernommen,
das damit eine abermalige Erweiterung erfährt. Weiter
verlautet, das die Stationschefs der Nordsee und der Ost-
see den Rang und die Vollmachten von kommandirenden
Admiralen erhalten sollen, eine Maßnahme, wobei in dem
oben skizzirten Rahmen diese Aendernngen in naher Zeit
eintreten müssen." Die Nachricht wird von der Köln. Ztg.
bestätigt. Die Dreitheilung: Marinckabinet, Komman-
dirender Admiral, Staatssekretär der Marine habe sich
nicht bewährt, sondern zu Reibungen Anlaß gegeben. Das
Oberkommando solle nunmehr ganz fortfallen. Dafür
werden die Kompetenzen der Stationschefs der Ostsee und
der Nordsee erhöht. Die Kieler Station erhalte Admiral
Köster, die Wilhelmshavener Admiral Karcher.
Deutscher Reichstag. Berlin, 9. März. Erste Be-
rathung der sogenannten loxHeintze in Verbindung
mit den dieselbe Materie behandelnden Anträgen des
Cent rums und des Frhrn. v. Stumm.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Vorlage befasse sich
mit einzelnen Bestimmungen, welche zwar nicht in unmittelbarem
usammenhang ständen, aber den gemeinsamen Zweck hätten, die
ugend vor sittlicher Verrohung zu schützen. Diese Aufgabe habe
den Reichstag schon in seiner dritten Legislaturperiode be-
schäftigt. Wenn nun auch in einigen Punkten durch die viel-
fachen Bemühungen eine Einigung erzielt worden wäre, so lasse
doch in anderen Punkten die mangelnde Uebereinstimmung das
Zustandekommen des Gesetzes ohne Weiteres nicht erwarten. Die
Gesetzgebung vermag den sittlichen Mißständen nur schwer bei-
zukoinmen. Die Statistik beweise, daß wir in einer Zeit des
sittlichen Niederganges begriffen sind. Seit 1892 habe sich die
Zahl der Sittlichkeitsoerbrechen um fast die Hälfte vermehrt.
Die jetzige Vorlage suche sich der vorjährigen möglichst zu nähern.
In einzelnen Punkten seien die Kommissionsbeschlüsse für die
Regierung unannehmbar gewesen. Vor allen Dingen werde sich
die Regierung zu einer Beistimmung zu dem Arbeitgeber-
paragraphen nicht entschließen können. Könnte sich der Reichstag
den Ansichten der Regierung nicht anschließen, so würde diese zu
ihrem Bedauern den Weg der Gesetzgebung in dieser Hinsicht
nicht weiter beschreiten können und sich mit dem Bewußtsein
trösten, das Ihrige gethan zu haben. Die Vorschläge des
Centrums seien deshalb unannehmbar, weil sie die Wirkung der
Gesetzgebung auf dem Gebiete des sittlichen Lebens überschätzten
und die Bethätigung unseres Volkes auf gesellschaftlichem, ge-
werblichem, künstlerischem und literarischem Gebiete unterschätzten.
Der Schaden, der dadurch angerichtet würde, sei größer als der
scheinbare Erfolg. Redner bittet, diesen Antrag nicht zum Aus-
gangspunkt der Verhandlung zu machen, sondern, wie oft, durch
eine weise Mäßigung zu einem Ausgleich zu gelangen, der einen
Fortschritt für unser Volksleben bedeute.
Abg. Roeren (Centr.) gibt eine Vorgeschichte des Centrums-
antrages, der sich auf das Nothdürftigste beschränke, und wirft
darin der Regierung Inkonsequenzen vor. Wenn die Ausstelluna
unzüchtiger Schriften verboten werde, so müßten folgerichtig auch
unzüchtige theatralische Darstellungen mit Strafe bedroht werden.
Das Centrum lege das Hauptgewicht auf die Bestimmung,
welche den Schutz der Jugend vor der Gefahr der Unsittlichkett
bezwecke. Wohl seien die Polizei und der Staatsanwalt nicht
dazu berufen, die Erziehung der Jugend zu fördern; es muß
aber das Resultat der Erziehung vor der Schädigung durch un-
sittliche öffentliche Schaustellungen geschützt werden. Der Antrag
des Centrums sei durchaus nicht geeignet, Kunst und Wissen-

schaft cinzuschränken. Auch der Vorwurf, der Arbeitsgeber-
paragraph gebe Anlaß zu unbegründeten Denunziationen, treffe
nicht zu. Redner beant 'gt, den Antrag des Centrums sowie
den des Abgeordneten Frhrn. v. Stumm einer 14gliedrigen
Kommission zu überweisen.
Abg. Frhr. v. Stumm (Reichsp.) begründet seinen Antrag:
Es handle sich bei Sittlichkeitsverbrechen nicht um Verbrechen
gegen den Einzelnen, sondern um Verbrechen gegen die bürger-
liche Gesellschaft. Sittlichkeitsverbrechen müßten so streng be-
straft werden wie Raub und Erpressung; im Rückfalle mit lebens-
länglichem Zuchthaus. Trunkenheit dürfe nicht als Milderungs-
grund gelten. Da rohe Individuen nicht vor der Zuchthaus-
strafe zurückschreckten, lei hier die Prügelstrafe am Platze. Sühne
für die Sittlichkeitsverbrechen zu schaffen, sei eine heilige Pflicht
gegen Gott und die Menschen.
Abg. Graf Limbur g-Stirum (cons.): Wenn man den
8 175 des Strafgesetzbuches aufhebe, wie die Petition wolle,
welche auf die krankhafte Veranlagung von Personen Hinweise,
so werde das vom Volke nicht verstanden werden. Seine Stel-
lung zum Theaterparagraphen behalte er sich vor. Uebrigens sei
die Prügelstrafe auch noch in anderen Fällen anwendbar, als
Frhr. v. Stumm glaubt.
Abg. En de mann (ntl.) beleuchtet die Vorlage vom mcdi-
zitiischen Standpunkte. Die Prostitution sei eine unausrottbare
Nothwendigkeit unserer Zeit. Der Begriff von Sitte und Sitt-
lichkeit habe sehr geschwankt, o tsmxora o moros Die beseligende
Kraft der Kirche kann ein Theil meiner protestantischen Freunde
nicht anerkennen. Das Wesen des Protestantismus liege im
Individualismus. (Widerspruch rechts.) Meine Freunde stehen
auf dem Boden der christlichen Moral. Redner befürwortet die
Ueberweisung an eine 21gliedrtge Commission.
Abg. Bergmann (freist Volksp.): Seine Partei sei bereit,
sich an der Abstellung der fraglichen Uebelstände zu betheiligen.
Einige Mängel dürften in der Commisfionsberathung sich be-
seitigen lassen.
Abg. Bebel (Soc,): Bei den Uebelständen, wie sic hier
vorliegen, müsse die Gesetzgebung prophylaktisch Vorgehen. Die
geringen Löhne treiben viele Arbeiterinnen der Prostitution in
die Arme. Man gebe den Frauen das Coalitionsrecht. Dem
Volke solle die Sittlichkeit erhalten werden; was die oberen
Stände thäten, sei gletchgiltig.
Abg. Gaulcke (freist Vg.) bemängelt Einzelheiten der Vor-
lage. Die Prügelstrafe könne seine Partei nicht annehmen.
Die Vorlage wird mit den Anträgen einer Commission von
21 Mitgliedern überwiesen.
Morgen 1 Uhr: Colonialetat und Etat des Auswärtigen.
Bade». L.O. Karlsruhe, 8. März. Die Pfarr-
dotationsfrage ist nunmehr in der Commission end-
gültig erledigt; die Verhandlungen haben sich, wie wir
erfahren, vollständig oon swore abgespielt. In dem Ple-
num dürfte dies anscheinend weniger der Fall sein. Der
Beschluß ändert den Regierunzsentwurf in fast allen seinen
Thcilen. Für beide Confessioncn sind Dotationen von je
300 000 Mk. festgesetzt. Dazu kommen noch 50000 Mk.,
die für den katholischen Religionstheil bedingt bewilligt
werden. Die Bedingungen lauten dahin: 1) daß in der
kathol. Kirche die allgemeine Kirchensteuer eingeführt wird,
2) daß aus deren Erträgnissen, die auf 500 000 Mk. ver-
anschlagt sind, 130 000 Mk. für die Dotation verwendet
werden und 3) daß der Staat das Bedürfniß, das über
den Betrag von 300 000 -s- 130 000 --- 430000 Mk.
hinaus noch nachweisbar ist, bis zu einem Höchstbctrag
von 50000 Mk. aus seinen Mitteln deckt. Eine wesent-
liche Veränderung gegenüber dem Regierungscntwurf besteht
in der Einführung der Dienstaltersskala, die durch die oben
erwähnten 130 000 Mk. aus der allgemeinen Kirchensteuer
ermöglicht wird. Man stellte sich in der Commission auf
den Standpunkt, daß die katholische Kirchengemeinschaft,
da sie diese Summe aus eigenen Mitteln aufbringt, auch
über deren Verwendung bestimmen dürfe. Die Dienst-
altersskala bewegt sich in den Grenzen zwischen 1800 und
28 000 Mk. und hat 4 Stufen. Der frühere Vorschlag
der Centrumspartei verlangte deren nur drei und setzte
2600 Mk. als Höchstgehalt fest. Tie Skala bewegt sich auf
folgenden Sätzen: Minimalgehalt bei einem Dienstalter bis
zu vollen zehn Jahren 1800 Mk., von da bis zu vollen

Der erste Maskenball.
13) Novelle von I. Leopold Schienet.
(Fortsetzung.)
Ada hatte unterdessen auf ihrem Stübchen mit zitternder
Hand den Brief erbrochen und mit Hast gelesen.
„Mein Fräulein!
Auch ich nenne Sie noch nicht mit Ihrem Namen, weil
'ch ihn noch nicht kenne, wohl aber weiß ich Ihre Wohnung
Und daß Sie wirklich so häßlich und bucklich sind, wie Sie
wir gestanden.
Aber dies soll mich nicht abhalten, Ihnen die reinste Liebe
Mgegenzubringen. denn ich liebe Ihren Geist, mein Fräulein.
>!ch bin Arzt, bewege mich in einer praktischen Wissenschaft,
°ercn einziger Gegenstand der menschliche Körper ist. Sie
snint am besten seine Hinfälligkeit und weiß, ein wie
ichwankender unsicherer Besitz die Schönheit ist. Nur Seelen-
udel und Herzensgüte sind ein bleibender Schmuck.
Von letzterer haben Sie mir aber eine so geringe Dosis
bezeigt, trotzdem Sie die Mitleidigkeit Ihres Herzens lobten,
vatz auch Sie sich einer Probe unterziehen müssen. Ich habe
?uch so viele traurige Beispiele neckisch täuschender Liebe ge-
Wen. daß ich Ihnen diese Prüfung nicht ersparen kann.
Rur was uns Mühe gekostet hat, besitzt rechten Werth für
uns und behandeln wir mit nicht erlöschender Zärtlichkeit.
Ist es Ihnen also mit Ihrer Neigung zu mir so ernst
wie mir mit der meinigen zu Ihnen, so geben Sie mir einen
Feweis, der Ihnen deutlich genug erscheint, um über alle
-ttwenel hinwegzusetzen
den Türken mit dem engen Herzen."
Sie wußte nicht, sollte sie weinen oder lachen. Ihre
Me Bekannischast, io heiler am Anfang, so trübe am Ende.
-Gas sollte sic lhun? Sie las nochmals die Zeilen und
neckte sie dann zu sich.
. „Es war auch eine tbörichte Zumuthung," zankte sie mit
nch selbst, „in dem großen Berlin ein Mädchen suchen zu
«ollen, dessen Name und Wohnung man nicht kennt, von dem

einem nur gesagt ist. daß es reich aber grundhäßlich sei. Ich
hätte ihm meinen Namen nennen und abwarten sollen, ob er
mich aussuchen würde." Sie preßte die kleine Hand gegen
das pochende Herz. „Ich liebe ibn und stieb ihn muthwillig
von mir. Nun mag ich meinen Schmerz tragen, den ich nicht
einmal mittheilen darf, wenn ich nicht ausgelacht werden
will. Und das will ich nicht," fuhr sie sich aufraffend fort,
„es soll niemand etwas merken I"
Sie trat vor den Spiegel, der ihr heute ein recht be-
trübtes Gesicht zeigte, strich sich die Locken zurück und ver-
ließ ihr Stübchen. Aber trotz ihres Vorsatzes lag doch ein
Schleier über ihren heiteren Zügen, als sie in das Wohn-
zimmer zurücktrat, in dem sich jetzt auch die Justizräthin
befand.
Sie setzte sich schweigend an das Pianino und sing an, die
von Mathilde heimgebrachtcn Musikstücke durchzuspielen.
Mathilde Wh ihr über die Schulter zu und als ein „forte"
kam. neigte sie ihre Lippe an Adas Ohr und fragte leise:
«Was schreibt er?"
„Es ist aus l"
„Aus?'
„Du hast recht gehabt, er ist auch nicht bester wie die an-
dern. Er ist des Suchens überdrüssig."
„Ich habe Dich ja gewarnt!"
„Leider ist es jetzt zu spät!"
„Aber Ada, da steht ja „pianisstmo" und Du spielst
„forte". Das Stück bekommt ja einen ganz falschen Cha-
rakter."
„Bitte, spiele Du," sagte Ada und stand auf. „Mir
gefällt das ganze Stück nicht. Elende Träumen, die zu
nichts führt!"
„Verrathe Dich doch nicht," flüsterte ihr Mathilde ins
Obr. Sie spielte die Rcverie mit Ausdruck und fast fehler-
los zu Ende. ^ ^ ,
Ada stand neben ihr und blätterte in den Notenheften.
von denen manches einen Kniff erhielt. Sie war aufgeregt
und es wollte ihr durchaus nicht gelingen, ihrer Erregung
Herr zu werden.

Unterdes war es Mittag geworden, und die Gesellschaft
setzte sich ru Tisch.
Die Professorin hatte eine ausgesprochene Passion,
Herzensfragen zum Gegenstände der Unterhaltung zu machen-
Sobald das Dessert berumgereicht wurde, sah sie nach ihrer
Uhr und sagte:
„Nun wird mein Neffe bald kommen."
„Hast Du denn einen Neffen, Tantchen?" fragte Ma-
thilde lebhaft.
„Freilich, und noch dazu einen, der ärztliche Praxis sucht
und eine Frau l"
„Liebe Anno," sagte die Justizräthin» „Du wirst eS mir
bezeugen, daß ich cs nicht war. die den Besuch Deines Neffen
verrieth."
„Ja, warum denn nicht?" fragte diese verwundert. „Hast
Du Deinen Mädchen noch nichts davon gesagt?"
„Dein Neffe wünschte uns zu überraschen."
„Nichts da Von Ueberraschen, wir Frauen müssen immer
vorbereitet sein, sonst überrumpelt man uns."
Gleichwohl hütete sie sich, nähere Angaben über ihren
Neffen zu machen, ja auch nur seinen Namen zu nennen.
(Fortsetzung folgt.)

Symphonie-Concert für die Mitglieder des Museums,
ausgeführt vom städtische» Orchester.
Heidelberg, 10. März.
DasConcert bot eine willkommene Gelegenheit, Herrn Musik-
director Radig als Concertdirigenten von Werken größeren
Styles in anderem Rahmen, als dem der Unterhaltungsmusik,
und im Concertsaal kennen zu lernen. Das Resultat war ein
sehr erfreuliches. Herr Radig hat sich als ein seiner, temperament-
voller Leiter bewährt, von dessen Wirksamkeit man sehr Tüchtiges
auch nach dieser Seite hin erwarten darf.
Den Glanzpunkt des Abends bildete die Wiedergabe von
Beethovens 0-moU-SyniPhonie, die er außerordentlich klar, warm
und schwungvoll interpretirte. Es war wirklich erquickend, dem
 
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