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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0227

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und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschlnß Nr. 82

51. Zweites Slali.

WittwAh, de« 1. Mär?

1899.

Eine neue Niederlage Frankreichs.
fick einigen Tagen wurde gemeldet, daß die Franzosen
> eine neue Demüthigung von den Engländern zu-
, ä°8en hätten, indem der Sultan von Maskat auf Ver-
^"»en Englands einen mit Frankreich abgeschlossenen
.-/^rag aufgehoben und die Gewährung einer Kohlen-
^em an Frankreich wiederrufen habe,
y Das Sultanat Oman, nach der Hauptstadt Maskat
. eh Sultanat Maskat genannt, liegt an der Ostküste
^biens längs dem Persischen Golf und dem Golf von
^»a». Die Landspitze, welche von Arabien so weit nach
krsien vorspringt, daß dadurch die Straße von Ormuds
übet wird, die den Persischen Golf mit dem Weltmeer
findet, gehört zu dem Sultanat Oman. England sowie
' ^nkreich haben 1868 die Unabhängigkeit des Sultanats
, >Non anerkannt, und Deutschland schloß sich 1886
an.
3m October des verflossenen Jahres nun traf aus
in Maskat ein französisches Kriegsschiff ein. Es
den französischen Offizieren vom Sultan ein fest-
. Mr Empfang bereitet, und dieser wurde in gleicher Weise
^ ,'ch an Bord des Kriegsschiffes ausgenommen. Bei
Uer Gelegenheit ist ein Vertrag zwischen dem Sultan
"" Frankreich wegen Abtretung einer Kohlenstation ab-
^Ichlossen worden. In England erregte diese Nachricht
j^uth, denn England zahlt dem Sultan seit 1873 eine
hrlichx Unterstützung aus; es scheint, daß der Sultan
in einem geheimen Vertrag versprochen hat, an
chMandem ohne Zustimmung Englands von seinem Ge-
" abzutrctcn.
^ Miltheilungeu aus Maskat erzählen nun, daß der
, ultan sich geweigert habe, dem britischen Geschäfts-
ligcr Mittheilungen über den mit Frankreich ge-
gossenen Vertrag zu machen. Der Kommandani des
g)chen Schiffes Sphinx entsandte deshalb eine bewaffnete
eilung nach Benderjisseh, eben jenem abgetretenen
^Non, und begab sich nach Jask, um an die englische
ggierung zu telegraphireu. Nach seiner Rückkehr wurde
g Zahlung der monatlichen Hülfsgelder an den Sultan
.-.^stellt. Der Sultan, der auf das Erscheinen franzö-
icher Hülfskräfte wartete, verhielt sich störrisch. Am
g Februar stieß das Flaggschiff Eclipse zu den Kanonen-
"oten Sphinx und Redbreast zur großen Bestürzung des
gltans und der Bevölkerung. Am 16. Februar ver-
grnte der Admiral den Sultan, er werde, falls er zu

law

um 2 Uhr auf dem Flaggschiff anberaumten Zu-

Menkunst nicht erscheine, um 2 Uhr 20 die Be-
gießung eröffnen. Die Konsulate wurden ver-
gidjgl. Die ganze Stadt kam rasch in Aufregung. Der
Sultan wurde von seinem Rath gebeten, nachzugeben.
gKvischen wurden die Kriegsschiffe klar zum Gefecht ge-
gcht und nahmen ihre Stellungen ein. Infolge dessen
l cllte der Sultan an weithin sichtbaren Plätzen Zeichen
E, die kund thun sollten, daß das Abkommen richtig
^Macht sei, und sandte seinen Bruder auf das Flaggschiff
g seinen Vertreter. Der Admiral lehnte es ab, ihn zu
gpfangen. Kurz vor 2 Uhr kam der Sultan selbst
g das Flaggschiff und verweilte daselbst 3 Stunden,
g wird berichtet, er habe den französischen Vertrag dem
omiral ausgeliefert. In der großen Audienz im Palast
g nächsten Tage wies der Sultan öffentlich und in
ggenwart des Admirals das französische Abkommen
zurück.
Die englischen Blatter begrüßen das energische Auf-
.gei, ihrer Regierung sehr beifällig. Die Times bemerkt
" einem Rückblick auf Englands alte Beziehungen zu


oskat, Frankreichs Handel am persischen Golf sei ge-

ringfügig, verdiene jedoch Berücksichtigung. Für die fran-
zösischen Kanonenboote die gelegentlich die Consularhäfen
besuchten, könne ein Privatkohlenlager an der Küste von
Oman gehalten werden, aber von einer Kohlenstation im
gewöhnliche» Sinne, das heißt im Sinne einer Gebiets-
abtretung oder eines Flaggenpostens, abgesehen von der
Consularflagge, könne keine Rede sein.
In Frankreich hat man noch nicht Zeit gehabt, sich
mit der Sache zu beschäftigen; man hat dort zur Zeit
Wichtigeres zu thun, z. B. den neuen Präsidenten zu be-
kritteln, auf die Revision zu schimpfen und die Don
Qnixoteriecn Döronlsdes zu erörtern. Wenn man sich
erinnert, wie die Franzosen sich über die Faschoduangelegen-
heit aufregten und sieht, wie sie anscheinend stumpfsinnig
diesen neuen Nasenstüber von England hinnehmen, dann
weiß man wirklich nicht, was man von ihnen halten soll.
Möglicherweise ist diese unheimliche Ruhe nur die
Ruhe vor dem Sturm, und es kommt diesmal thatsächlich
zu einem ernsten französisch-englischen Conflikt. Die russische
Nowoje Wremja glaubt daran und sie stellt Frankreich
eine Art von indirekter Unterstützung in Aussicht, indem
sie fordert, daß Rußland am Persischen Golf zugreife.
Das Blatt schreibt: „Wenn die Faschodafrage uns nicht
unmittelbar angiug, so kann man dieses stm vorliegenden
Fall nicht sagen. Wenn auch die Ereignisse der letzten
20 Jahre unsere Grenze dem persischen Golf nur wenig
näher gebracht haben, so reichen unsere Interessen doch
schon so weit. Mit Erweiterung unserer Beziehungen im
fernen Osten haben wir noch mehr als früher Kohlen-
stationen nöthig, und wenn Frankreich und England sich
an der osmanischen Küste mit solchen versorge», so wäre
es auch uns äußerst nützlich, ihrem Beispiel zu folgen.
Ein Hafen in diesem Theil des Indischen Oceans ist
außer seiner Bedeutung als Kohlenstation als Beobachtungs-
Punkt sehr wichtig. Eine Besitzergreifung von Kasab durch
England darf von uns nicht zugelassen werden, da dieser
Punkt dank seiner geographischen Lage einer freien
Schifffahrt in der Straße von Ormus gefahrbringend
sein kann."
Wie Rußland sich aber zu dem englisch-französischen
Streit wegen des Hafens stellt und ob es bereit ist, seinem
Bundesgenossen in dieser Angelegenheit thatkräftig beizu-
stehen, das geht aus den obigen Auslassungen keineswegs
mit Klarheit hervor, und doch wäre das noch interessanter,
als die Ankündigung, daß Rußland in den persisch-
arabischen Gewässern dem Beispiel Englands und Frank-
reichs folgen wolle.

Aus Stadt und Land.
s. Vom Odenwald, 27. Febr. Es wurde schon früher in den
Tagesblättern erwähnt, daß die m a ss en h a ft en Güterver-
käufe, weiche fortgesetzt im Odenwald statthaben, die socialen
Verhältnisse der Odenwälder Bauersleute in einem bedenklichen
Lichte erscheinen ließen:c. rc. Daß diese Bedenken wirklich be-
rechtigt sind, wird wohl jedem einleuchten, dem das letzte Amts-
blatt für ven Kreis Erbach in die Hände kommt. In demselben
werden nämlich nicht weniger als 123 Grundstücke mit einem
Gesammtflächeninhalt von 1000 000 Quadratmeter aufgezählt,
die Graf Adalbert zu Erbach-Fürstenau in den letzten Jahren
allein in den Amtsgerichtsbezirken Beerfelden und Michelstadt
käuflich erworben hat, und die nun in gesetzlicher Form dem
Fideikommisse des Grafen einverleibt werden sollen. Wenn man
nun erwägt, welche bedeutendere andere Grundstücke der Staat,
verschiedene andere Grafen unb Freiherren in diesen und anderen
angrenzenden Bezirken in dieser Zeit erworben haben und in der
Folge noch fortgesetzt erwerben werden, so wird man es begreif-
lich finden, wenn behauptet wird, daß in SO Jahren der mittlere
Bauernstand des Odenwaldes verschwunden sein wird.
Hl Schwetzingen, 26. Febr. Heute Nachmittag fand die
jährliche Generalversammlung der hiesigen Volks bank statt.
Nach dem vorgetragenen Rechenschaftsbericht pro 1898 war der

Gesammtumsatz 10 755000 Mk., wovon auf den Conto-Corrent-
Conto 917 600 Mk, kommen. Der Reingewinn beträgt 5891 Mk.
und werden nun 5 pCt. Dividende für die Starnmantheile aus-
bezahlt bezw. gutgeschrieben; 3000 Mk. sollen dem Reservefond
zugewiesen werden. Die Zahl der Mitglieder beträgt 813.
lZ 0. Mannheim, 26. Februar. Die Schreiner und Holz-
dreher in Mannheim sind in eine Lohnbewegung getreten.
Sie fordern 9'/,ständige Arbeitszeit bei l'/fftündiger Mittags-
pause, 36 Pfg. Minimalstundenlohn und 25°/, Zuschlag für
Ueberarbeitszeit. Der lHirsch-Duncker'sche) Ortsvcrband der
Schreiner hat sich mit diesen Forderungen solidarisch erklärt. —
Die Badische Anilin- und Sodafabrik gewährt ihren aus-
wärtigen Arbeitern vom 1. März an freie Eisenbahnfahrt zu und
von der Fabrik.
Aus Baden, 23. Februar. Bekanntlich sollte der Gemeinde
Schlechtnau im Hinteren Wiejenthal eine Erbschaft von einer
Engländerin im Betrage von drei Millionen zugefallen sein. Die
drei Millionen minderten sich aber bald auf eine Million herab
und schließlich blieb davon gar nichts mehr übrig — mit der
Erbschaft war es nichts. In der vergangenen Faschingszeit
wurde nun in Schlechten»» bekannt, daß die Todtnaucr das
„Millionen erbe" in Schlechtnau auffübren wollen. Flugs
stellten sich Einwohner am Eingänge des Ortes wohl gerüstet
auf, bewaffnet mit Prügeln und gefüllten Spritzen, und harrten
der Todtnauer. Aber vergeblich! Sei es, daß die Todtnauer
Wind bekommen nnd deshalb auf den ihnen zugedachte» liebens-
würdigen Empfang verzichtet hatten, oder daß sie ihre Nachbar-
gemeinde nur hatten „uzen" wollen, sie kamen nicht. DieSchlecht-
naner mußten wieder leer abziehen und waren thatsächlich wieder
die „Geuzten".
X Patentbericht für Baden vom 22. Februar 1898,
mttgethettt von dem Internat. Patentbureau C. Kley er in
Karlsruhe. (Auskünfte ohne Recherchen werden den Abonnenten
dieser Zeitung bei Einsendung der Frankatur gratis crtheilt.)
».Patent-Anmeldungen: H. 20225. Maschine zum
Reinigen und Trocknen von Federn. Karl Himmelsbach, Gengen-
bach. Angemeldet am 7. April 1898. — b. Patent-
Ertheilungen: Nr. 102791. Schaufel für Wasserräder.
E. Köhler, Oberktrch. Angemeldet am 4. September 1898. —
o. Gebrauchsmuster-Eintragungen: Nr. 109908.
Militär-Marsch-Socke, mit besonders geschnittenen Seitentheileu
und doppelter Sohle aus weichem, zweiseitig gerauhtem Stoff.
Carl Korwan, Karlsruhe i. B., Markgrafenstraße 52. Angemcldet
am 24. Januar 1899. — Rr. 109 778. Fahrradöler mit ver-
schiebbarer Kappe und überstehendem Ventil. Karl Lanz, Stockach.
Angemeldet am 16 Januar 1899. — Rr. 109820. Notizblock
mit einem im Falze des Deckels einschiebbaren Kalender.
D. Kinzinger, Pforzheim. Angemeldet am 9. Januar 1899.
Lierloosungen.
Freiburger 16 Fr.-Loose vom Jahre 1878. Ziehung am
15. Februar 1899. Gezogene Serien: Nr. 424 469 833 1123
1237 1640 1647 2208 2242 2337 2461 2503 2563 2634 2867
2998 3448 H622 8641 3846 3869 8897 4396 4757 4871 5636
5972 5976 6172 6221 6272 6463 6662 6945 7004 7238 7247
7649 7639 7856 8184 8196 8967 9054 9242 9519 9618 9839
10238 10623. Die Prämten-Ziehung findet am 1. März d. I.
statt. (Ohne Gewähr.) _
Für die Nedaction verantwortlich: F. Montua in Heidelberg?
^Ilr. liralLmiillm'-
I»1üolLSlr. 24 r>. S3.
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Lopiribüestor.
Luksrtignng von Orrivlrssotrsn m kürWotsr 2srt.
Srielbogsn 4" und 8°. iilemoranclum, keoknungsn,
f>o8tkLrien sie. 8pso.: voplriäingkr llruelc.
iruritsctrueir-, MsssillA- unck IlLtuwwtsmpöl.
Jul. idlssIrlolASi', Heidelberg.
ÜLnxvsir. 161. Islsvlaoo 8r. 1S2.

Hierzu Heidelberger Familienblätter Nr. 17.
Inhalt: Stademann und Tochter. Erzählung von H. Renö.
(Fortsetzung.) — Bismarcks Mutter. — Von der Bulgaria. —
Vermischtes.

5)

Der erste Maskenball.
Novelle von I» Leopold Schiencr.

(Fortsetzung.)
^ Früh eine Waise, hatte sie von jeher die wahre Eltern-
s entbehren müssen, sie war auf die mehr oder weniger
Kindliche Behandiung Anderer angewiesen gewesen. Dieser
«angel wirklich herzlicher.Hingabe in ihrer nächsten Um-
ivi batte ihrem von Natur heiter angelegten Sinn einen
l?J»chen Anhauch gegeben, der sich durch schlagfertigen Witz
.Reffende Bemerkungen äußerte. Erst wenn sie näheren
h J'ehr pflegte, bekundete sich ihre Liebenswürdigkeit rück-
w/stog, gleichsam als suche sie Ersatz für so Vieles, was eine
yOsie auch bei der rücksichtsvollsten Umgebung entbehren
Sie war Erbin eines bedeutenden Vermögens, das sie
g°, Stand setzte, alle Annehmlichkeiten des Lebens zu
"E'kßen.
h Ueberdrüsstg des längeren Aufenthaltes in der Pension,
tci,^' dar etwa zwei Jahren zu ihrer Tante, der Jnstiz-
Engel, ihrer einzigen Verwandten, gezogen, um mit
j>?Er um ein Jahr älteren Kousine Mathilde die Freuden
vo stdenz ZU genießen.
b .Mathilde war in Vielem das direkte Gegentheil von ihr,
»bp ", stillen, fast ernsten Charakters, ruhigen Sinnes;
ihr Ast Gegensätze berühren sich, gerade dieser Gegensatz in
Charakteren gab vielleicht die Möglichkeit zu dem guten
tz.uvernehmen, in dem beide bis zur Stunde gelebt hatten-
u^Mbllen eine so innige Freundschaft, daß keine ein
tj^'Mniß ygr anderen batte, wenn es auch noch so su-
ch», Herzensangelegenheiten betraf, die doch bei jungen Mäd-
Zv ihrem Alter, die Bälle und Konzerte besuchen, nicht
ven Seltenheiten gehören.
— io hieß die Blondine — hatte zwar entrüstet die
H "Ung auf den Tisch geworfen, aber die angeborne weibliche
,c(Werde trieb sie, einmal nachzusehen, wie der heutige
s;^ 'rathsmarkt" abgefatzt war. Bei dieser Lektüre wurde
von ihrer Kousine überrascht.

In diesem Moment fielen ihre Blicke auf eine Stelle in
der Zeitung, die ihr einen lauten Schrei entlockte. Sie las
hastig die wenigen Zeilen nnd fiel dann ihrer Kousine wei-
nend um den Hals.
„Was ist Dir, Ada?" fragte Mathilde bestürzt. „Habe ich
Dir webe gethan?"
„Malbilde! Meine liebe Mathilde!" schluchzte sie.
„Kannst Du mir verzeihen, Idaß ich Dir Vor acht Tagen den
Maskenball so grausam abkürzte?"
„Du wurdest plötzlich unwohl. Es wäre hart von Mama
und mir gewesen, hätten wir Dich zurückhalten wollen."
„Ich mag mir's gar nicht verzeihen, daß ich meinetwegen
Dich um Dein Vergnügen bringen mußte!"
„Warst Du denn nicht unwohl?"
Ada sah durch Tbränen lächelnd ihre Kousine an.
„Nicht so, daß ich nicht das Ende des Balles hätte ab-
warten können." ,
„Ach l — Und ich hatte mich so sehr auf die Demaskirung
gefreut I"
„Die eben mußte ich vermeiden l"
„Mußtest Du vermeiden?> Das finde ich höchst sonderbar.
Ein gebildetes Mädchen sollte auch die Verkleidung nicht be-
nutzen, um weiter in seinen Neckereien zu gehen, als Sitte
und Anstand ihm ohne diese gestatten."°
„Mathilde, Du beleidigst mich!"
„Empfindest Du nicht schon selbst Reue über Dein Be-
nehmen gegen den Türken, dos der Mama durchaus nicht
gefiel? Wenn sie erfährt, daß Du nur deshalb Dein Unwohl-
sein heucheltest, um nicht Deine Maske oblegen zu müssen,
dann wird sie Dir sehr böse sein!"
Sie darf es auch nicht erfahren, aber Deine Verzeihung
muß ich haben!" ^
Sie zog Mathilde zu sich auf das Sopha und erzählte ihr
von ihrer Unterhaltung mit dem Türken so viel» als ihr
erforderlich schien, um die Verzeihung ihrer Kousine zu er-
langen.
„Aber woher wußtest Du seinen Namen?" fragte diese
verwundert.

„Ich hörte ihn >m Vorübergehen von einem Domino aus-
sprecken, und sogleich wuchs mein Interesse- Ich folgerte
mit Recht, daß er derselbe sei, von dem neulich bei' Frau
Direktor Gräber die Aeutzerung wegen des Höckers erzählt
Wurde. Ich wollte ihn ein wenig strafen, da ich sah, daß ich
ihm nicht gleichgiltia war."
„Und er Dir nicht?"
„Malhckde!" ries Ada erröthend.
„Gestehe es nur; wir haben doch sonst keine Geheimnisse!"
„Nun, ja — ich bin sehr für ihn eingenommen nnd
glaube, ich könnte ihn lieben. Aber Du wirst mir zugcben,
daß ich an jenem Abend das Erkennen verhindern mußte."
„Freilich, das Abenteuer hätte sonst zu schnell sein Ende
erreicht und Du hättest zum Gespräche der Leute werden
können!"
„Du denkst schlechter von ihm als er verdient!"
„Von einem Manne, der so prosaisch über seine Zukunft
spricht, daß er sich an eine» Krüppel ketten will, wenn er
nur finanziellen Gewinn hat, kann man alles gewärtigen l"
„Du vergißt, daß er auch Geist bei dem Gegenstanoe
seiner Liebe voraussetzt."
„Ich muß gestehen, daß cs mir furchtbar gleichgültig ist,
was dieser Herr Waldheim alles bei seiner Zukünftigen vor-
aussetzt, und ich begreife nicht, wie Du einen solchen Fast-
nachtsscherz einleiten konntest. Du glaubst doch nicht etwa,
daß unsere heutige Männerwelt noch so romantisch ist, um
ein derartiges Abenteuer zu verfolgen?"
„Aufrichtig gestanden, habe ich das von Waldheim ge-
glaubt."
„Das kommt von der Pension, Ada. Wenn Du erst ein
Dutzend Bälle hinter Dir hast, wirst Du auf dem dreizehnten
den liebenswürdigen Betheuernngen und Versicherungen auch
nicht mehr so leicht glauben, mit denen uns die Herren der
Schöpfung bei solchen Gelegenheiten regaliren. Sie ver-
schlafen die angenehmste Begnung schon in der nächsten Nacht
wie einen fröhlichen Rausch."
(Fortsetzung folgt.)
 
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