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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0406

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anderes, ob Massen von Fleisch ununtersucht ins Land kämen, '
als wenn es an bestimmten Zollstellen durch hervorragende Sach-
verständige durchsucht würde.
Schluß 5,45 Uhr. — Weiterberathung morgen.
Baden. 6. Kehl, 14.Mpril. Noch ist die Landtagswahl in
weiter Ferne nnd doch hört man schon da und dort einander
vertrauliche Mittheilungen betreffs der Kandidaturen in unserem
Bezirk zuslüstern. Die Antisemiten beabsichtigen einen eigenen
Kandidaten aufzustellen und in neuerer Zeit hat noch eine neue
Parteibestrebung eingesetzt, der Bund der Landwirthe, der durch
seinen Agitator die Ortschaften bearbeiten läßt. Herr Neunreiter
sucht Boden zu gewinnen unter Hinweis auf die Vorzüge dieser
Vereinigung; bis jetzt hört man wenigstens nicht viel von Aus-
fällen auf andere Parteien. Es mag das allerdings darin be-
gründet sein, daß er sich sagt: „Mit Herunterzerren anderer,
besonders nationalliberaler, verderbe ich gleich alles in dem doch
noch überwiegend dieser Partei angehörigen Bezirk." Bis jetzt
ist nur eine ganz bescheidene Zahl Hanauer Bauern dem Bund
der Landwirthe betgetretcn, in einzelnen Ortschaften ist der Erfolg
so gut wie Null. Die nattonalliberale Partei wird gut thun,
gleich von vornherein Stellung zu nehmen zu dieser Bewegung,
damit sie nicht zu Verwirrungen führt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Revisor Franz Zimmermann bei der Generaldirektion der
Staatseisenbahnen zum Bureauvorsteher ernannt und den Haupt-
kaffenverwalter Rechnungsrath Ludwig Volz bei der Eisenbahn-
hauptkasse bis zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in den
Ruhestand versetzt.
— Expeditionsassisteut Reinhold Freudemann in Müll-
heim wurde nach Waldshut versetzt. Gewerbelehrer Andreas
Bö sing er an der Gewerbeschule in Neustadt wurde in gleicher
Eigenschaft an jene in Schwetzingen versetzt.
— Durch landesherrliche Verordnung vom 8 April 18S9 ist
die zur Zeit bestehende amtliche Bezeichnung der Bezirksbehörden
der Forstverwaltung dahin abgeändert worden, daß die bisherigen
Bezirksforsteien des Staats und der Gemeinde künftig die Be-
zeichnung Forst amt zu führen haben.
Karlsruhe. 17. April. Gestern Vormittag nahmen
die Großherzoglichen Herrschaften am Gottesdienst in der
Schloßkirche theil. Hierauf empfingen dieselben eine größere
Anzahl von Personen. Zur Frühstückstafel folgten Ihre
Königlichen Hoheiten einer Einladung der Fürstin zur
Lippe. Heute Vormittag gewährte der Großherzog dem
Professor Keller an der Akademie der bildenden Künste
wieder eine Sitzung. Die Großherzogin begab sich heute
früh '/zlO Uhr nach Baden, um daselbst verschiedene Be-
suche abzustatten. Dieselbe traf Nachmittags °/^2 Uhr
wieder hier ein.

Ausland.
Frankreich. Die Brüsseler Roforme weist eingehend
nach, daß der fremde Agent R. C., mit dem Lauth und
Henry in Basel Unterhandlungen gepflogen, der deutsche
Spion Richard Ouers gewesen sei, der 1890/91 in
Brüssel an der Spitze des deutschen Spionendienstes ge-
standen habe (was übrigens schon bekannt war). Er habe
sich, nachdem er in Brüssel erkannt worden sei, nach Straß-
burg und dann nach Basel zurückgezogen, wo er er öfter
die französischen Agenten durch d. h. Spioniren,
nach beiden Seiten hin hereinlegte. Im Jahre 1896 be-
zeichnet er in Basel dem Henry und dem Laulh Esterhazy
als den richtigen Verräther. Die beiden wollten jedoch
davon nichts wissen und verschwiegen die Mittheilung in
ihren Berichten. Daraus erklärt fick der Schrecken Henrys,
als ihm Untersuchungsrichter Bertulus ein auf diese Unter-
redung bezügliches, bei Esterhazy mit Beschlag belegtes
Schriftstück vor Angen hielt. Laurh ist in seinen Aussagen
vor dem CassationShof dabei geblieben, daß Quers ihm
und Henry keinen Namen genannt, sondern sich. mit der
Andeutung begnügt habe, der Verräther sei ein Major im
Alter von 45 bis 50 Jahren.
Rußland. Petersburg, 15. April. Trotz der Ver-
öffentlichung seitens der Regierung und der Androhung
schwerer Strafen und trotz des Hinweises, daß schon revo-
lutionäre Elemente sich in die Bewegung drängen und ihr
einen ernstern Charakter geben, herrscht allen Anzeichen nach
unter den Petersburger Studenten die Absicht vor,
die Bewegung mit allen Kräften weiterzuführen. Am
Freitag fanden nach Bckanntwerden der Mittheilung der
Regierung neue Ansammlungen unzufriedener Studenten
vor der Universität statt; die Polizei schritt ein und ver-
haftete ohne ernsten Zwischenfall 28 Studenten. Mit Aus-
nahme der militärärztlichen Akademie und der Hochschule
für Mädchen sind jetzt alle Hochschulen geschlossen. Prü-
fungen finden in sehr geringer Zahl an einigen Hochschulen
statt, wobei übrigens die Professoren die Entfernung der
Polizei aus der Universität verlangen.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 18. April.
X Aus dem Stadtrath. In der gestrigen Stadtraths-
sitzung wurden u. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß bezw.
Erledigung gebracht:
1. Nach dem Geschäftsberichte des Vorstandes des städtischen
chemischen Laboratoriums wurden von demselben im vorigen
Monate 3 Proben von Bier, 12 von Brod und sonstigen Back-
waaren, 8 von Hackfleisch, 1 von Honig, 24 von Eierfarben,
8 von Kuhbutter, 10 von Kuhmilch, 2 von Käse, 5 von Kanal-
Wasser, 2 von Margarine, 6 von Pfeffer, 6 von Petroleum,
6 von Schweineschmalz, 3 von Trinkwafser, 1 von Tranbenwein,
4 von Sodawasser und 47 von Wurst untersucht, wobei sich keine
Beanstandung ergab. Von den 148 Untersuchungen erfolgten
145 im Auftrag von Behörden und 3 auf Antrag von Privaten.
Die Untersuchung je einer Milchprobe aus den Milchkuranstalten
von Johann Baur und Jakob Schweickardt lieferte ein günstiges
Ergebniß.
2. Die Verträge mit den Seitens der Stadt und des Frauen-
vereins anzustellenden Hauspflegerinnen bezw. Haushaltungs-
führerinnen wurden gutgeheißen.

legeneu Eiland, strandete das Schiff „Gratitnde" am 20. Novbr.
v. I. Daß dies erst jetzt bekannt wird, hat seinen Grund darin,
daß die völlig abseits von der großen Heerstraße liegende Insel
alljährlich nur einmal vom Regierungsdampfer „Tantanekei" an-
gelaufen wird. Die Schiffsmannschaft hat während ihres vier-
monatigen Aufenthaltes auf der rauhen, ganz unbewohnten
Insel entsetzliche Entbehrungen durchgemacht; die Leute glichen
Skeletten und konnten sich kaum bewegen, als die Retter er-
schienen. Die Regierung wird ihren Plan, auf den einsamen
Inseln eine Lebensmittel-Niederlage zu errichten, nun wohl be-
schleunigen.

3. Das Ergebniß der Holzversteigerung vom 10. d. M. mit
einem Erlös von 6014 „/L 95 ^ wurde genehmigt.
4. Mit einer Seitens der Gr. Kulturinspektion anläßlich der
Feldbereinigung in Rahrbach vorgeschlagenen Regulirung der
Gemarkungsgrenze Heidelberg-Rohrbach erklärte der Stadtrath
sich einverstanden.
6. Der gegen den Entwurf eines Telegrapheuweggesetzes ge-
richteten Petition, welche die badischen Städte an den Reichstag
zu richten beschlossen haben, wird beigetretcn.
6. Das Bauvorhaben des Betriebs-Assistenten Martin Beier-
bach, Bergheimerstraße Nr. 64, wird nicht beanstandet.
sH Bismarck-Ehrung durch die deutsche Studentenschaft.
Als Erinnerungsgabe zur diesmaligen Wiederkehr des Geburts-
tages unseres Bismarck, als ein Zeichen der echten Vaterlands-
liebe, die die „Deutsche Studentenschaft" durchweht, hat sie durch
ein Mitglied ihres „Ausschusses", Herrn sanä. rnsä. Walther
Ho ffm an nfl-sonsnÄss), Vorsitzenden des „Bismarck-AuSschusseS"
der H ei d e lbe rg e r Studentenschaft, in einer Schrift unter
obigem Titel Zeuaniß abgelegt von dem Wirken der akademischen
Jugend, dem größten Deulschen ein seiner würdiges Volksdenk-
mal von unvergänglicher Dauer zu errichten. Anfang Dezember
vorigen Jahres trat, wie bekannt, die deutsche Studentenschaft
mit einem Aufruf „An das deutsche Volk" an die Oeffcntlichkcit
und forderte alle Deutschen ohne Unterschied des Standes und
Bekenntnisses auf, den großen Plan verwirklichen zu helfen,
unserem Bismarck zu Ehren überall auf den Höhen unserer
Heimath als ein Sinnbild der Einheit Deutschlands das gleiche
Zeichen, eine „Bismarcksäule", zu errichten. In schlichter An-
spruchslosigkeit beschreibt nun das genannte Schriftchen, wozu
die unvergängliche Liebe und Verehrung zu dem Schöpfer der
deutschen Einheit die Herzen der Studentenschaft in heiliger Be-
geisterung fortriß, wie diese Begeisterung sich in gemeinsame Be-
schlüsse, und diese Beschlüsse sich in die That umsetzten. Der
Reinertrag aus dem Verkauf der bei Herrn Otto Petters in
Heidelberg soeben erschienenen Schrift wird zur Errichtung der
Bismarcksäulen verwendet und in den dafür bestimmten Fonds
der deutschen Studentenschaft abgeführt. Der Preis von 50 Pfg.
für das Merkchen, das außer einer vortrefflichen Wiedergabe
eines Lenvach'schen Bismarckbildes zwei große Gruppenbilder
vom Hamburger Studententag enthält, ermöglicht es Jedem,
seinerseits zur Durchführung des schönen Planes beizntragen.
-fff Misstons-Frauenverein. In einer zahlreich besuchten
Frauenvcrsammlung, die am 15. April in der Sakristei der
Peterskirche unter dem Vorsitze von Frau Hofrath Holtzmann
stattfand, wurde ein Missions-Frauenverein gegründet,
der sich dem allgemeinen evang.-prot. Missionsverein angeschlossen
hat und es sich zur Aufgabe macht, dessen Missiousarbeit in
Japan und China zu unterstützen. Ihre Königliche Hoheit die
Erbgroßherzogin-Wittwe Pauline von Sachsen-Weimar h -t das
Protektorat über sämmtliche dem allg. ev.-prot. Missionsverein
vngefügte Frauenvereine übernommen und ist also auch hohe
Protektorin dieses Vereins. Vorsitzende ist Frau Prof. Hart-
felder, Rohrbacher Straße 35, Stellvertreterin derselben Frau
Pfarrer Ziller, Weberstraße 2, Rechnerin und Schriftführerin
Frl. Kaufmann, Lehrerin der höheren Mädchenschule, Plöck 56,
weitere Vorstandsmitglieder sind Frau Stadtrath Ammann,
Friedrichstrabe 5, Frau Buch he im, Krämergasse 1, Frau
Schreinermeister Ebner, Untere Neckarstraße 80, Frau Emmer-
ling, Untere Neckarstraße 21, Frau Hofrath Holtzmann,
Sophienstraße 15, Frau Stadtpfarrer Schneider, Bergstr. 7,
Frau Spitzer, Neuenheimer Landstraße 4. Beirath ist Stadt-
Pfarrer S ch mit t h en n e r, Sandgassei. Im Einvernehmen
mit dem Berliner Centralvorstande des allg. ev.-prot. Missions-
Vereins hat sich der hies. Missions-Frauenverein für die nächste Zeit
zwei spezielle Aufgaben gestellt: die Beschickung eines
Bazars zu Gunsten der japanischen Mission, der im
November dieses Jahres in Tokyo, der Hauptstadt Japans, ab-
gehalten werden soll, und die Mithilfe zur Errichtung einer
evangelischen Schule im Chinesenviertel zu
Kiautschou. Was die erste Aufgabe betrifft, so haben die
Frauen beschlossen, daß zweimal des Monats gemeinschaftlich
für diesen Bazar gearbeitet werde. Die Direktion der höheren
Mädchenschule hat in liebenswürdigster Weise den Arbeitssaal
im unteren Stocke der höheren Mädchenschule (Plöck 40) für dies
Zusammensein zur Verfügung gestellt. Da die für diesen Bazar
bestimmten Gegenstände bereits am 1. Juli in Bremen eiuge-
troffen sein müssen, so wird der erste Arbeitsnachmittag schon am
Mittwoch, den 18. April (von 2 bis 5 Uhr im genannten Lokale)
stattfinden; dis folgenden werden sich allvierzehntäglich jeweils
am Mittwoch zu denselben Stunden und am gleichen Orte an-
reihen. Da selbstverständlich nur solche Gegenstände nach Japan
geschickt werden sollen, die dort gerne gekauft werden, so muß
die Beschickung nach einem einheitlichen Plane, zu dem vom
Centralvorstande die Grundlinien gegeben sind, stattsinden. Frln.
Kaufmann hat die Leitung übernommen, uno alle, die durch
Mitarbeit oder durch Spenden fertiger Gegenstände den Bazar
unterstützen wollen, werden höflich gebeten, sich an sie um Rath
und Auskunft zu wenden. Die Handarbeiten können in den ge-
meinsamen Arbeitsstunden wie auch zu Hause gefertigt werden;
im letzteren Falle werden sie aber nur dann ersprießlich sein, wenn
sie nach Anweisung von Fräulein Kaufmann gearbeitet werden.
Das Material für die in den gemeinsamen Arbeitsstunden her-
zustellenden Gegenstände wird vom Verein bezogen werden;
selbstverständlich wird man sehr dankbar sein, wenn die Damen
die Kosten für das von ihnen verarbeitete Material selbst
tragen wollen. Außer den Handarbeiten sind hübsche Puppen,
gute Bilderbücher, Märchen- und Geschichtsnbiicher, deutscher
Christbaumschmuck, Spielsachen, besonders auch für Gesellschafts-
spiele in Japan gut verkäuflich, und Geschenke dieser Art sind
sehr erwünscht. Möchten sich recht viele Damen bereit finden,
sowohl zur Mitarbeit als auch zur freundlicheu Bedenkung durch
Gaben. Jedes Vorstandsmitglied wird solche gerne empfangen.
— Die andere Aufgabe des Missionsfrauenvereins ist die
Unterstützung der deulschen evangeliichen Mission in Kiautschou.
Sobald der allgem. ev.-prot. Missionsverein an den in Aussicht
genommenen Bau eines deutschen Missionsspitals gehen kann,
wird der hiesige Verein dieses Unternehmen unterstützen; bis
dabin wird er die Einnahmen, die nach Abzug der sachlichen
Unkosten übrig bleiben, alljährlich zur Beförderung der Chinesen-
schule, die alsbald errichtet werden soll und mit der ein Lese-
zimmer sür unsere deutschen Soldaten, Seeleute, Beamte und
Kaufleute verbunden sein wird, an den Centralvorstand ein-
senden. Die Einnahmen setzen sich zusammen aus freien Gaben,
um welche herzlich gebeten wird, und ans den auf 1 Mark fest-
gesetzten Jahresbeiträgen der Mitglieder. Wir haben im Vor-
stehenden das Wesentliche aus den Verhandlungen und Be-
schlüssen der Versammlung mitgetheilt und haben nur noch
hinzuzufügen, daß die Versammlung der Frau Hofrath Holtz-
mann sür ihre mühevollen Vorarbeiten und der Direction der
höheren Mädchenschule für die Bewilligung des Arbeitssaales
geziemenden Dank ausgesprochen hat. Der junge Verein führt
kein neues Interesse in unsere Bevölkerung ein, sondern er will
einem solchen dienen, das in unserer Gemeinde schon seine Hei-
math hat und haben muß. Er wird darum nicht zerstreuend
wirken, sondern sammelnd, vertiefend und belebend. Möge er
vi.le Mitglieder finden und seine Arbeit gesegnet sein!
O Liederkranz. Morgen, den 19. April, sind 60 I ahr ^
verflossen, seit der „Liederkranz Heidelberg" ge-
gründet wurde. Die eigentlichen Gründer sind die Herren
Riedel, S.Wolff, Hafner, Neff, Breunig, Desaga,
V- S ch aaf und Hub er. Die Veranlassung zum Entstehen des
Liederkranzes bot der Umstand, daß auf Antrag des Herrn Buch-
händler W inter die beiden hier zu jener Zeit bestandenen Männer-
qnartette sich zu einem Ständchen für den Geh. Kirchenrath Prof.
Dr- Paulus vereinigten. In einer Probe zu diesem Ständchen,
welcher auch Herr Winter beiwohnte, sprach dieser seine Freude
aus über die schöne Klangwirkung dieses Doppelquartetts, gleich-

eitig aber auch den Wunsch, daß dieses Doppelquartett auch ferne
Gsammen bleiben möge. „Meine Herren", sagte dort Herr Winter,
„Sie haben sehr schön gesungen: aber nun reichen Sie sich die
Hände, bilden Sie einen Kranz, bilden Sie einen Liederkranz!"
und damit war die Gründung des heute blühenden Vereins that-
ächlich vollzogen. Vieles mußte der junge Verein erdulden,
mancherlei Kümpfe hat er in der langen Zeit seines Bestehens
durchgemacht, aber überall ist er siegreich gewesen nnd heute steht
der Heidelberger Liederkranz sowohl in musikalischer als auch in
gesellschaftlicher Beziehung auf einer Achtung gebietenden Stufe;
geachtet auch weit über die Grenzen unseres engeren Heimath-
landes hinaus. Es seien dem „Liederkranz" zu seinem morgigen
60. Geburtstage heute schon die besten Wünsche für ein ferneres
Blühen nnd Gedeihen darbebracht. Möge er mit zunehmendem
Alter sich stets verjüngen in der Pflege des Liedes, zur Freude
einer Mitglieder, aber auch zur Freude der Bürgerschaft von „Alt
Heidelberg!"
O Verein Alt-Heidelberg. Gestern Abend fand in der Re-
stauration Stichling eine zahlreich besuchte Versammlung des
Vereins Alt-Heidelberg statt, in welcher der Vorstand auf die
bevorstehende Eröffnung des Landgerichts hier hinwies und
erwähnte, daß dieses Ereigniß geeignet sei, ebenso wie die
Eröffnung des Neckarstadens, Freude und Dankbarkeit bei der
Bürgerschaft Hervorzurufe», und daß es angemessen wäre, diesen
Empfindungen sichtbaren Ausdruck zu geben. Da zu der Eröff-
nungsfeier der Großherzog und die beiden Kammern eingeladen
ind, so wurde beschlossen, eine der von denselben zu paisirenden
Straßen in geigneter Weise aasznschmücken. Die Mittel dafür
sollen durch freiwillige Beitrüge aufgebracht werden. In der
Versammlung wurde gleich eine beträchtliche Summe gezeichnet,
außerdem sollen einige Sammelstellen errichtet werden. Der
Vorstand referirte ferner über verschiedene Vereinsangelegenheilen,
und erwähnte n. A., daß der Verein in letzter Zeit um ca. 200
Mitglieder zugenommen. In Folge dessen können auch die
Kossenverhältnisse als recht günstig bezeichnet werden, trotz-
dem der Jahresbeitrag nur 1 Mk. beträgt. In einer demnächst
tatlstndenden Generajversammlung soll ausführlicher Bericht er-
stattet werden.
* Eisenbahn-Linienkommisston. Hierselbst tritt am 23. April
die Frühjayrstonferenz der deulschen Eisenbahn-Linienkommission
zusammen; es sollen an ihr etwa 80 Offiziere und 40 Beamte
aus den verschiedensten Theilen des Reiches theilnehmen.
IV. Cirkus Hammerschmidt. Der Cirkus Hammerschmidt übt
auf das Publikum eine narke Anziehungskraft aus. Die Eröff-
nungsvorstellung am Samstag, die beiden Sonntagsvorstellnngen,
sowie die gestrige waren alle stark besucht. Das täglich wech-
selnde Programm ist recht reichhaltig und bietet Sehenswerthes-
Aus dem gestrigen sei Folgendes hervorgehoben: „Der kleine
Römer auf seinem LiedlingSvferd." Der kleine Knabe reitet sei-
nen Ponny mit einer erstaunlichen Sicherheit, wofür ihm reichet
Beifall gezollt wurde. Herr I. Hammerschmidt erntete reichen
Applaus mit der Vorführung zweier Schulpferde. Der
jugendliche Jockeyreiter Mister Edir leistet Vorzügliches. Während
des Reitens zäumt er sein Pferd ab und reitet dann ohne Sattel-
zeug. Das Publikum applaudirte ihn außerordentlich lebhaft.
Die Leistungen Frln. Kälhchens als Cadres-Reiterin sind eben-
falls recht gute. Auch der Original-West-Indianer Mister Wake
mit seinen indischen Voltigss gefällt sehr. Desgleichen die
Springfahrschule mit zwei Trakhener-Rapphengsten von Frln-
Hammerschmidt im Herrensattel. Große Heiterkeit erregte die
Pidce: „Eine Wette zwischen Parforcereiter Mister Friedrich und
August oem Dummen betreffend des Anziehens zu Pferd." Mister
Friedrich entledigte sich seiner sehr schwierigen Aufgabe mit einer
Präzision und einer Eleganz, üher die selbst der dumme August
sich nicht genug verwundern konnte. Den akrobatischen Then
füllen die Onoldiatruppe, genannt die modernen Sportskollegen ü.
tbs 3 Rsliags, Original-Luft-Kraft-Athleten. aus. Beide leiste»
Außerordentliches und der mehrfache Hervorruf bewies zur Ge-
nüge, wie die schweren, exakt ausgeführten Produktionen vow
Nubjikum anerkannt wurden. Nicht wenig zur Belustigung des
Publikums und zur heiteren Stimmung des Abends trugen die
drei Clowns Willi, Fredt und August der Dumme bei. Der
Elftere, welcher den Besuchern des früheren Varisis zum Zwinger
als kleiner Willi nicht unbekannt sein wird, hat es verstanden-
sich beim Heidelberger Publikum beliebt zu machen. Den Schluv
bildete eine höchst komische Pantomime, „Schusters blauer Mon-
tag", welche vom Publikum ebenfalls recht beifällig aufgcnoatt
men wurde. Heute findet wieder eine große Vorstellung nju
neuem Programm, an deren Schluß ebenfalls eine komiM
Pantomime aufgeführt wird, statt.
Hi Schöffenqerichtssttzung vom 17. April. 1) Anton Eppi»-
Flaschner, Karl Böhm, Maurer, beide dahier, erhielten wegen
Körperverletzung je 1 Woche Gefängniß. 2> Philipp Jako»
Bender, Taglöhner in Wieblingen, erhielt wegen Ruhestörung-
Beleidigung und Widerstand 4 Wochen Gefängniß und 3 Tage
Haft. 3) Karl Hanne, Taglöhner dahier, wegen Hausfriedens
bruch und Bedrohung 20 Geldstrafe. 4) Maria Magdale»"
Heidt, Fabrikarbeiterin in Kirchheim, wegen Diebstahls eine»
gerichtlichen Verweis. 5) Peter Kollenz, Cemrntarbeiter in Wall-
dorf, wegen Körperverletzung 6 Tage Gefängniß. 6) Karl CHO'
stoph, Taglöhner, Karl Straub, Ofensetzer, beide dahier, ang-,
klagt wegen Körperverletzung und Ruhestörung; Christoph/,
hielt 3 Tage Haft und 3 Wochen Gefängniß, Straub 3 Tag
Haft. 7) Sophie Wagner, Ehefrau geb. Merkel, und KathariN»
Wagner, beide in Handschuhsheim, angeklagt wegen Körperver
letzung; die Ehefrau S. Wagner erhielt 10 ^ Geldstrafe,
K. Wagner wurde freigesprochen. 8) Andreas Halter, Ma»r,
in Gaiberg, erhielt wegen Diebstahls 5 Tage Gefängniß. 9) Ä'
Hann Philipp Seeger, Commissiouär Eheleute in Frankfurt a.
angeklagt wegen Unterschlagung; der Ehemann erhielt 3 WoE
und die Ehefrau 14 Tage Gefängniß. .,
— Polizeibericht. Ein Dienstmädchen wurde gestern weg-
Diebstahls verhaftet; drei Personen kamen wegen Rnhestörunn
zur Anzeige. „
O Mörlenbach. 17. April. In Folge des regncriE
Wetteis sind oberhalb Weiher beim Bahnbau ganz bedeuten
N u tschungen vorgekommen, wodurch die Arbeiten ganz e».
pfindlich gehemmt sind. — Das anfangs voriger Woche
angefangene Enteignungsverfahren konnte leider noch nicht -X
endigt werden und wird morgen wieder fortgesetzt. Leute, ven„,
5000 Mark pro Morgen geboten werden, sind leider darüber
dankbar und erklären: ihre „Bauplätze" (!S!) seien w
Werth; doch ist die hiesige Bauthätigkeit der letzten Jahr*
Verhältnitz zu anderen Orten gleich Null.
ff Mannheim, 17. April. (Strafkammer.) 1)
Sittlichkeitsvergehens im Sinne des Z 176 Ziffer 3 R.-St.-Z
erhielt der 31 Jahre alte Landwirth und Schmied Peter Re»,
hard II- von Hilsenhain 1 Jahr Gefängniß, abzüglich 5 W»^,
Untersuchungshaft. 2) Die italienischen Erdarbeiter stehen w^,,
ihrer Neigung, beim geringsten Anlaß das Messer zu ziehen, ,.e
üblem Rufe. Als in der Nacht zum 24. Juli v. Js. ew 1
Bahnbedienstete auf dem Bahnhof Heidelberg drei angetruNffX
von Eppelheim zurückkehrendc Italiener wegen ihres Tm»"/
zur Ruhe verwiesen und sie aufforderten, ihres Weges zu
ariff der 26 Jahre alte Veter de Ros von Monte Reale

griff der 26 Jahre alte Peter de Ros von Monte Reale
zum Messer und versetzte dem Hilfsschaffner Karl Eckert M
Würzburq ohne Weiteres einen Stich in den Rücken, der 0-X^.
an den Rand des Grabes brachte. Erst am 17. Januar d. M
konnte der Verletzte seinen Dienst wieder antreten. Mit Rückk-
auf die Wildheit, Rücksichtslosigkeit und Gefährlichkeit des
griffs lautete das Urtheil auf 3 Jahre Gefängniß. Herr
sulatssekretär Dr. H. Gauß hier vermittelte als Dolmetscht
Verhandlung. ,yt
ff Mannheim, 17. April. Die Straßenbahn frage
nunmehr ihrer Lösung entgegen. In seiner letzten SitzuNÜ
schloß der Stadtrath mit der Brüsseler TrambahngcsellschnOAck
Besitzerin der Mannheim-Ludwigshafener Trambahn, eine»
 
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