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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0020
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schon lebhaft dabei, sich fiir die kommende n R o i ch s-
tags w ahle n zri organisieren. In Ettlingen
hielten sie türzlich eine Versamnilung üesonders einge-
ladener Vertrauensmänner, in der der Abgeordnete Eich-
horn berichtete. Dieser ivird natürlich auch der .Üaudidat
sein. Ob er auch im Ettlinger Landtagswahlbezirk kan-
didieren wird, um den Abgeordneten Wacker womöglich
zu entthronem ist noch nicht parteiamtlich ausgesprochen,
aber als sicher zu betrachten. Das wäre natürlich für
Eichhor» der höchste Triumph, wenn er seinen erbittert-
sten Gegner aus dsm Sattel heben könnte.

„ , Madischer Landtag.I_. - Ä

^ L.6. Karts ruhe, 2. Juii. (119. Sitzung j der
Zweiten Kammer.) Prästdent Gönner eröffnet die
Sitzung um V4IO Uhr.

Zur Beralung stehen Petittonen.

Abg. Hauser (Natlib.) berichtet über die Bitte des
Worstandes des Vereins staatlich geprüfter Werkmcistcr und
der Ortsbaukontrolleure von Karlsruhe und Mannheim um
Verstaatlichung der Stellen der Bezirksbaukontrolleurc. Die
Kommission beantragt empfe'hlende Ueberweisung.

Djie blbgeordneten WilckenA, Biüz (Natltb.),
Dreesbach (Soz.), Eder (Dem.), Hennig,
Zchnter und Herth (Zentr.) befürworten den
Kommissionsantrag, der mit allen gegen drei Stimmen angc-
nommcn wird. Ministerialrat Nieser erklärt, die Regie-
rnng werde die Reorganisation der B'aukontrolle in ernstliche
Erwägung ziehen.

Abg. Rohrhurst (Natlib.) berichtet über die Bitte der
Gemcinden Burbach u. a. um Schutz gegen die Errichtung eines
Elektrizitätswerkes im Albthal. Der Kommissionsantrag:
empfehlcnde Ueberweisung, wird von den A'bgeordneten Wacker,
Binz befürwortet. Ministerialdirektor Heil betont, datz
von der letzten Jnstanz in dieser Frage noch keine Entscheidung
getrofsen wurde; daher sei es für die Regierung nicht mög-
lich, eine bestimmte Erklärung abzugeben. Die zuständige
Verwaltungsbehörde werde zweifellos objektiv verfahren. Ab-
geordneter Zehnter (Zentr.) Hält die Haltung der Regic-
rung für durchaus korrekt; sie könne unmöglich die Entscheidung
der obersten Jnstanz beeinflussen. Die Kommission glaube
ctber, berechtigt zu sein, an die Regierung die Bitte zu richten,
datz die Errichiung nicht gestattet wird. Der Kommissions-
antrag wird einstimmig angenommen.

Abg. Eckert (Zentr.) berichtet über die Bitte des deutsch-
nationalen Handlungsgehilfenverbandes um gesetzgeberische
Matznahmen gegen das Ueberhandnehmen der Warenhäuser.
Die Kommission beantragt Ueberiveisung zur Kenntnisnahme.
Abg. Eichhorn (Soz.) und Genossen beantragen, iiber
die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Die Sozial-
demokratie wolle damit bekundcn, datz sie gegen jede Art von
Westeuerung der Warenhänser sei. Abg. Herth ^ (Zentr.)
hält nicht viel von dem Entwurf, der den Gcmeinden die
Westeuerung der Warenhäuser überlätzt. Eine staatliche Besteu-
erung der Warenhäuser würde einen gerechten Aus-
gleich herbeiführen. Die Regierung möchte den Wünschen der
Petenten Rechnung tragen. Abg. Binz (Natlib.) tritt für
Len Kommissionsantrag ein. Die grundsätzlichen Anschauun-
gen Eichhorns teile er durchaus nicht. Ein allgemeiner Vor-
wurf gegen die Warenhäuser sei allerdings nicht gerechtfertigt.
Abg. Mampel (Antis.) schlietzt sich den Ausführungen des
Ubg. Herth und Binz an und wundert sich, datz die Sozialdemo-
kratie so eifrig für das Grotzkapital eintritt. Ministerial-
direktor H e i l betont, datz die Warenhaussteuervorlage noch
nicht endgiltig festgestellt ist und jedenfalls dem jetzigen Land-
tag noch nicht vorgelegt werde. Wenn niemand etivas von der
Gemeindebesteuerung wissen wollte, werde sich die Angelegen-
heit von selbst erledigen. Abg. Fischer (Zentr.) befürwor-
tet den Kommissionsantrag.

Nach weiteren Ausführungen des Wg. Eichhorn und des
Berichterstatters wird der Antrag Eichhorn mit allen gegen
6 Stimmen abgelehnt und der Kommissionsantrag mit allen
gegen 4 Stimmen angenommen.

Abg. Blümmel berichtet über die Petition der klei-
neren Mittelbrauereien betreffend die Malzsteuer. Die Kom-
mission beantragt empfehlende Ueberweisung. Abg. Franz
stNatlib.) befürwortet die Petition. Ministerialrat Tröger
erklärt, 'datz die Regierung bereits eine Vorlage einbringen
wollte, welche die grotzen Sprünge in den Stasfeln beseitige.
Nur mit Rücksicht auf die Finanzlage sei die Vorlage bis jetzt
nicht eingebracht worden. Dieselbe 'werde später kommen und
den Wünschen der Kleinbrauer Rechnung tragen. Mg.
B in z (Natlib.) weist nach, datz 'die Karlsruher Grotzbraue-
reien den grötzten Teil ihres Bedarfs an Gerste ans dem
Jnland beziehen. Abg. Zehnter (Zentr.) tritt für den
Kommissionsantrag ein, der einstimmig angenommen wird.

Wg. Blümmel (Zentr.) berichtet Lber die Bitte der
Leichenschauer des Amtsbezirkes Bruchsal um Belassung in
ihrem Dienst. Die Kommission beantragt empfehlende Ueber-
weisung.

Ministerialrat Gl 0 ckner erklärt: Die Regierung sei zur
Zeit mit der einge'henden Prüfung >der Frage beschäftigt, ob
nicht auch bei uns die ärztliche Leichenschau einzuführen und
die Leichenschau zu verbessern sei. Das statistische Material
sei zur Zeit tvenig zuverlässig, weil die Leichenschauer zu viel
mit allgemeinen Angaben operieren, zuweilen auch gar nicht
imstaNde sind, die wirkliche Todesursache festzustellen. Jm
Amt Engen zum Beispiel habe cin Mann, der auf dem Schaf-
fot endigte, drei Kinder erdrosselt, ohne datz es dem Leichen-
schauer äuffiel und in Donaueschingen habe ein Kindsmäd-
chen einem Kinde sämtliche Gelenke gebrochen und der Leichen-
schauer erkannte diese ivirkliche Todesursache nicht. Es liege
also auch im Jnteresse der Justiz, dah die Leichenschau den
Aerzten übertragen wird.

Wg. Zehnter (Zentr.) führt aus, datz in der Kom-
mission die Ansicht vorherrsche, datz unsere Laien-Leichenschau
im allgemeinen nichts zu wünschen übrig lasse. Die Einfüh-
rung der ärztlichen Leichenschau würde nur grohe Kosten ver-
ursachen. . ^ ^ ,

Nach weiteren Ausführungen des Ministerialrats Glockner
wird'dcr Kommissionsantrag angenommen.

Um halb 2 Uhr wird die Beratung abgebrochen. Fort-
setzung: S Uhr.

L.0. Karlsruhe, 2. Juli. (120. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Vizeprästdent Lauck cröffnet die
Sitzung um '/^5 Uhr.

Tagesordnung: Petitionen.

Abg. Schmid (Natlib.) berichtet über die Bitte von
BLrgcrn in Buch am Ahoru um Zuteilung der Gemeinde zum
dlmt Boxberg. Der Kommissionsantrag auf Ueberweisung zur
Kenntnisnahme wird vom Abgcordneten Klein (Natlib.)
besürwortet und einstimmig angenommen.

Ueber die Beschwerde des G. P. Weisbrod und Gen. in
Oppau (Pfalz) gegen das Zwangsversteigerungsverfahren,
welche Wg. Mampel (Antis.) unterstützt, und Ministerial-
direktor Heil auf den Rcchtsweg verweist, geht das dem
Kommissionsantrag eutsprechende Haus' zur Tagesordnung
iiber.

?lbg. Hauser (Natlib.) berichtet über die Bitte der

Gemeinde Kürnbach um Aushebung ihrer Sonderstellung. Die
Kommission beantragt Uebevweisung zur Kenntnisnahme.

Wg. Wittum (Natlib.) ersucht die Regierung, in dem
mit Hessen abzuschliehenden Staatsvertrag die Jnteressen der
Gemeinde nach Krüsten zu wahren. Der Kommissionsantrag
wird angenommen.

Ueber die Petitionen des früheren Schutzmanns Tld. Gra-
ser in Freiburg, die Pensionsverhältnisse betreffend, des Ber-
sicherungsinspektors Wengler und Gen. in Karlsrühe wegen
Mitwirkung von Staatsbeamten beim Abschluh von Versiche-
rungsverträgen (Berichterstatter Abg. Hennig ) und des
Rich. Beck und Gen. in Bräunlingen um Bclassung der seit
unvordenklichen Zeiten in den Hauptstrahen befindlichen Dün-
gerstätten an ihren Plätzen (Berichterstatter: H a u s e r) geht
das Haus ohne Debatte zur Tagesordnung über.

Abg. Goldschmit (Natlib.) berichtet über die Petition
des Vereins für pharmazeutische Grohindustrie und HUfs'ge-
werbe betreffend reichsgesetzliche Regelung des Geheimmittel-
wesens. Die Kommission beantragt Uebergang zur Tages-
ordnung. Abg. Pfefferle (Natlib.) hält die Auffassung,
als ob die badische Verordnung betreffend Las Geheimmittel-
wesen deni Reichsgesetz widerspreche, für nicht >zutreffend.
Es sei nur eine Vcreinbarung ünter sämtlichen 'deutschen Bun-
desstaaten in Aussicht genommen, welche bezwcckt, alle Medi-
kamente festznstellen, die nnter den Begriff „Geheimmittel"
fallen. Diese Tlbsicht könne man nur billigen. Er stimme
daher dem Kommissionsantrag zu. Der Kommissionsantrag
wird angenommen.

Schlntz der Sitzung: 7 Uhr. Morgen: Antrag betreffend
Zulassnng dcr Männerorden.

LO KarIsr 11 h e, 2. Juli. Die Eisenbahnkommission
der Ersten Kaiiimer beantragt, die Petition betr. Fort-
führung der Hanptbahn von Rastatt nach Kehl-Osfenburg
uüd die Eingabe der Gememden Langenbrücken, Sins-
heim u. s. w. nin Erbanung einer Bahn von Langen-
brücken nach Stnsheim, bezw. Waibstadt znr Kennt-
nisnahme zn überweisen. — Die Justizkoinmission
der Ersten Kamnier beantragt, dem Gesetzentwurf betr.
die Gememdebesteuerung und das Gemeindewahlrecht in
der von der Zweiten Kammer beschlossenen Fassnng die
Zustimmung zu erteilen.

Karlsrnhe, 2. Juli. Die V e r f a s s n n g s-
k 0 mmissi 0 n der Zweiten Kammer hielt gestern eine
Sitzung ab, in welcher sie sich mit dem Wahlrecht be-
schäftigte. Die Regierung stellte für den nächsten Land-
tag einen Gssetzentwurf in Aussicht, nnd äußerte sich
dRinister Schenkel in unverbindlicher Weise über die
Grundzüge desselben. wobei das PIural-System, der
Zensns nnd der mehrjährige Aufenkhalt der Wähler an
einem Ort znr Sprache gebracht wnrde. Der Land-
tag wird sich in den nächsten Tagen mit dieser Ange-
legenheit beschäftigen.

Preuße«.

— Der Fürst von Hohenzollern hat einen Teil des
Schlosses Haigerloch auf 25 Jahre an die sogenannten
„Weißen Väter" verpachtet. Hohenzollern wird dem-
nach demnächst drei Klöster besitzen._

Aus der Karlsrnher Zeitung.

— Expeditionsassistcnt Karl Schenkel in Kirchheim b. H.
wurde nach Heidelberg versetzt.

Karlsrnhe, 2. Juli. Gestern Vormittag
11 Uhr empfing der Gr 0 ßherz 0 g in Schloß Baden
den Professor Hergesell von der Universität Straßbnrg,
Präsidenten der internationalen Aeronautik, welcher
iiber die letzte internationale Konferenz dteser Vereini-
gung Bericht erstattete und über die Fortschritte der
wissenschaftlichen Aeronautik einen Vortrag hielt. Zu
diesem Vortrag hatten die Großh. Herrschaften verschie-
dene Personen eingeladen, welche dann alle an der Früh-
stückstafel teilnahmen. Nachmittags hörte der Groß-
herzog mehrere Vorträge. Gegen Abeüd besuchten die
Höchsten Herrschaften im Klostergebäude in Baden die
Ordensgesellschaft „Zum heiligen Grab". Wie schon in
Lichtenthal wollte der Großherzog anch hier der Priorin
nnd den Ordensschwestern für die schöne Jubilänmsgabe
danken, welche sie demselben in Prachtvoller Stickerei
gewidmet haben. Schülerinnen aus dem Jnternat be-
grüßten die Großh. Herrschaften mit poetischer Ansprachs
und durch eine herrliche Blumengabe. Jhre Königl.
Hoheiten sprachen mit den sämtlichen Schülerinnen und
verweilten dann noch knrze Zeit im Kreise des Konvents.
Bei günstigein Wetter unternahmen Jhre Königl. Ho-
heiten hieranf noch eine 'Fahrt in die Berge des linken
Oosufers. Heute Vormittag hörte der Großherzog in
Schloß Baden verschiedene Vorträge und empfing sodann
den Major Rott, Kommandenr des Kadettenhauses
Karlsruhe, bisher Bataillons-Kommandeur an der Haupt-
kadettenanstalt Großlichterfelde, sowie den Kgl. Schwed.
Hauptmann im Jngenieurkorps Ekman Kyrning und
>den Rittmeister Vierordt, Eskadronschef im Schleswig-
Holsteinschen Dragoner-Regiment Nr. 13, bisher im 2.
Badischen Dragoner-Regiment Nr. 21. Znr Frühstücks-
tafel waren mehrere Einladungen ergangen. Heute
Abend beabsichtigen der Großherzog und die Großher-
zogin, falls das Wetter nicht zn ungünstig wird, die
Fürstin Sophie znr Lippe in Rothenfels zu besuchen.

Ausland.

Frankreich.

Paris, 1. Juli. Die Bonner Rede des Generals
v 0 nL 0 6 wird von den hiesigen Rckdikalen mit nnver-
hohlener Genugthnung aufgenommen. Sie > erkären,
Leo XIII. fühle sich offenbar als deutscher Papst. Den
sranzösischen Klerikalen werde es nunmehr schwer fallen,
sich dem päpstlichen Willen zn unterwerfen und dann
trotzdem noch von ihrem Patriotismus zn sprechen.

Paris, 2. Juli. Mehrfach wivd gemeldet, daß der
junge Parmentier in Lyon nur deshalb verhaftet
worden sei, weil er an seinem eigenen Vater einen Er-
pressungspersuch verübt habe.

Paris, 2. Jnli. Freicynet gab bezüglich des von
General G a l l i f f e t an ihn gerichteten offenen Schrei-
bens einem Mitarbeiter des „Figaro" gegenüber folgeüde
Erklärung ab: „Jch habe nur zu erwidern, daß es nicht
üblich ist, gelegentlich einer Mademiewahl politische Ver-
pflichtnngen zn übernehmen. Jch habe mich genau an
diese Regel gehalten."

Asicn. '

^ Die „Times" meldet anS Peking : Ein englisch-
französisches Syndikat sicherte sich eine wsrwolle Berg-
bankonzession in Z)üiinnn anf 60 Fahre. Die Konzession
nmfaßt 85 Bergwerke. Eine Vereinignng der englischen
und französischen Syndikate, die im Wetlbewerb nm Er-
langniig der Bergbaiitonzessioii sür Szetschuan stehen,
wird nngestrebt.

Aus Ltadt und Lanö.

Heidelberg, 3. Iuli.

,, Eisenbalmunfall. Als gestern der fahrplanmätzig mirtags
11.32 Uhr vom hiesigen Rangierbahnhos nach Karlsruhe ab-
gehcnde Guterzug Nr. 693 die sogenannte Kriegskurve passierte.
ubersah, wie es scheint, der Lokomotivsührer, datz das Sema-
Phor auf „Halt" gestellt war. Der Zug befaud sich auf einem
logeuauuteu -sackgeleise uud als der Lokomorivführer dauu
den Zug mit allen Mittelu zum Stehen briugen wollre, war es
bereits zu spät. Durch die Gewalt der im Gaug befiudlichen
60—70 Güterwageu wurde die Lokomoiive am Ende der
Schreneustränge weitergeschobeu nud blieb schlietzlich au der
Stelle, wo die Kriegskurve die Lmie Heidelberg-Schwehiugeu
bcruhrt, stecken, sodatz der Verkehr auch auf dieser Bahnsrrccke
gesperrt wurde. Veranlatzt durch das plötzliche Halreu des
vorderen Teils des Zuges und die Gewalt der nachrollendeu
Wageu, wurdeu acht teils lecre, teils beladene Gürerwagen
inmitten des Zuges vollständig zertrümmert, sechs wcirere
schwer beschädigt. Sie lageu kreuz und quer durcheiuauder
und üüereinander. Ein in cinem Cabriol postierter Wagen-
wärter rcttete sich durch eiueu kühuen Spruug mrd kanu von
Glück sagen, datz er mit heiler Haut davonkam. Meuschen-
leben sind gottlob uicht zu beklagen. Dcr Materialschadeu ist
enorm. Die Aufräumungsarbeiten ivaren bis gegeu 1 Uhr
heute früh beendet. Ein grühercs Unglück kounte' dadurch ver-
hutet werden, datz es gelaug, deu um 11 Uhr 41 Miuuten
abgeheuden Perscmenzug an der Ausfahrt zu verhindern. —
Der beteiligte Lokomotivführer heiht Keller und ist aus Karls-
ruhe; er wurde verhaftet. Er hatke auch einen Führerlehrling,
den er im Fahrdieust unterweiscu sollte, bei sich. Wie es kam,
dah er das Haltsignal übersah, ist noch nicht aufgeklärt. Der
Lokomotivführer giebt an, er habe ein Wasserstandsglas an
Stelle des zersprungenen einsetzen müssen. Die Maschine
bohrte stch in die Erde und legte sich zur Seite. Auch sie har
zweifellos Schaden genommen.

Jn der „Karlsruher Zcitung" wird über dcn Uirsall kurz
wie folgt berrchtet: Am 2. diefes Mouats entgleisten bei
der Ausfahrt aus der Statiou Heidelberg die Lokomotive und
eine grötzere Anzahl Wagen des Güterzuges 693 infolge
Nichtbcachtung des auf Halt gestandenen Ausfahrtssignals.
Verlehuugeu von Personen kamen nicht vor, dagegen wurden
mchrere Wagen stark beschädigt. Die beiden 'Kurvengeleise
und das Geleis nach Sch'wetzingen waren auf mehrere Stunden
gesperrt. Der Verkehr nach und von Schwetzingen mußte
iiber Fricdrichsfeld geleitet werden.

Vo. Die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Eine sehr
grotze Anzahl Handlungsgehilfen, sowie auch einige wenigc
selbständige Kaufleute wareu der Einladung des Deutschnatio-
nalen Haüdlungsgehilfenverbandes gefolgt und nahmen an dem
Vurtrag, den Herr Klaus aus Mannheim „Ueber die Sonn-
tagsruhe im Handelsgewerbe" gesteru Abend im „Prinz Dlax"
hielt, teil. Herr Lenz, Vertrauensmann der hiesigen Qrts-
gruppe, begrüßte die Anwesenden und gaü seiner Freude über
dereu zahlreiches Erscheinen Ausdruck. Herr Klaus ergrifs
sodann das Wort und sprach in einem über eine Stunde dauern-
dcn Vortrag über die Sonn-tagsruhe. Zuerst warf er einen
kurzen Rückbli'ck auf die zehn Jahre, welche seir der Ein-
führnng der Sonntagsruhe bezw. Einschränkung der Sonn-
tagsarbeit verflossen sind und üerichtete, was in dieser Zeit
gethan wurde, ^nn dem Kaufmann mehr Zett zur Ruhe
zu gewähren. Sodann sprach er von den Nachteilen, welche
die Svnntagsarbcit auf die Gehilfen ausübe. Nicht allein, datz
die Gehilfen am Montag nicht die Zlrbeitskrafr besitzen, die sie
haben würden, falls der Sonntag ganz zu ihrer Verfügung
stünde und sie sich in Gottes freier Natur kräftigen und erholen
könnten, sondern die Sonntagsarbeit übe auch auf das sitt-
liche Leben einen Druck aus, -denn die meisten Gehilfen wür-
den, wenn sie, wie das da und dort vorkommt, bis Sonn-
tags Nachmittag S Uhr im Laden stehen müssen, keinen Spa-
ziergang mehr machen, sondern sich einfach in irgend einer
Kneipe oder sonstwo aufhalten. Was die bon dcn Prtnzipalen
angegebenen Gründe betreffe, sie hätten auf die Landkimdschaft
Rücksicht zu nehmen und könnten dieserhalb den Laden nichr den
gänzen Sonntag schließen, so meinte Redner, dah dieser Grund
nicht gerechtfertigt sei, um den Slngestellten das bischen Sonn-
tagsruhe zu entziehen, denn die Landleute würdeu, wenn
sie am Sonntag nichts kausen könnten, an einem Werkrage
auch kommen. Nach längeren Ausführungen über die Arbeits-
zeit am Sonntag in einigen Städten, sowie in dem Groß-
handel nnd Bureaus, stellte Redner den Antrag, einc Ent-
schlietzimg an den Bundesrat in Berlin, sowie an das Mini-
sterium nach Karlsruhe zu senden, damit bollständige Sonn-
tagjsruhe eingeführt würde. Die 'Enffchlietzungen wnrden
einstiminig angenommen. Die Entschliehung an den Bundes-
rat lautet: „Die am 2. Juli 1902 rn Heidelberg im Saale
des „Prinz Max" zahlreich versammelten selbständigen und
angestellten Kaufleute erklären die heutige Regelung der
Sonntagsruhe für das Handelsgewerbe als nicht ausreichend,
um den Angehörigen des Handelsgewerbes genügende Zeit zur
geistigen und körperlichen Erholung zu verschaffen, und sind
überzeugt, daß ein völliges Verbot jeglicher Sonntagsarbeit
für das Handelsgewerbe durchführbar ist. Am zehnten Jah-
restage der Einführung der Sonntagsruhe für das Handels-
gewerbe richten die versammelten Kaufleute an den Bundesrat
das Ersuchen, schleunigst einen Gesetzentwurf zur Verbefferung
der Sonntagsruhe vorlegen und dabei für das Handelsge-
werbe die Einführung völliger Sonntagsruhe ohne irgend
welche Ausnahmen beantragen zu wollen. Die Versammlung
stellt sich durchaus aus den Boden der von dem siebenten deut-
schen Handlungsgehi'lfentag jrufgestellten IForderungen, und
erblickt in deren Durchführung die einzige Gewähr für die
Erreichung geordneter Zustände in Bezug auf die Sonntags--
ruhe in unserem deuffchen Vaterlande." Die Enffchlietzung
an das Ministerium lautet: „Die am 2. Juli 1902 in Heidel-
berg im Saale des „Prinz Max" versammelten selbständigen
und angestellten Kausleute richten aus Anlaß des zehnten
Jahrestages der Cinführung der Sonntagsruhe für das Han-
delsgewerbe an das Grotzherzogliche Mnisterium des Jnnern
das Ersuchen, die Kommnnal- und Gemeindeverwaltungs-
Behörden anznweisen, schleunigst eine erneute Regelung der
Sonntagsarbeit für das Handelsgewerbe in die Wege zu lei-
ten und dabei die folgenden Grundsätze einzuhalten: 1. sür den
Großhan'del ist die Sonntagsarbcit überhaupt zu untersagen':
2. bis zur Einführung völliger Sonntagsruhe auch für den
Kleinhandel ist die weitestgehende Einschränkung der Berkaufs-
stunden an den Sonntagen zu verfügen, wobei der Ladenschluö
bis spätestens 12 Uhr mittags festzusetzen ist; 3. die Aus-
nahme-Sonntage vor Weihnachten sind nach Möglichkeit einzu-
schränken, sonstige Ausnahmesonntage sind nicht mehr zuzu--
lassen; 4. die Sonntagsarbeit an den drei hohen FesttageN
ist zu verbieten." Zur Erörterung meldete sich niemand, urw
die Versammlung wurde deshalb gcgen 12 Uhr geschlossen.

X Diözesan-Synode. Gestern fand die Synods der
 
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