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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
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in denen für junge Leute Kvischen 15 uird 18 Jahren, die sich

später dem Heeresdienste widmen wollten, eine cin- bis zwei-
jährige Ausbildung augeboten wurde und zwar gauz unentgelt-
lich, abgesehen von einem Etntrittsgeld von 20 Mk. Die Pro-
spekte enthielten ein langes Unterrichtsprogramm und flötzten
namentlich durch die als Mitglieder der Leitung antzeführten
Namen hoher Offizieve ein gewisses Vertrauen ein. So war
als Protektor der Kontreadmiral a. D. Przowisinski genannt.
Auf diesen guten Namen htn haben viele Blätter das „Jn-
stitut" erwähnt, zumal auf eine erste Erkundigung sich nichts
Nachteiliges gegen die Unternehmung ergab. Nunmehr stellt
sich aber heraus, daß wir es hier mit einem Schwindelunter-
nehmen zu thun haben, dem es nur auf die Ergaunebung des
Eintrittsgeldes zu thun war. Das Jnstitut besteht nicht; die
Militärs, die als Protektoren, Lehrer und Teilnehmer ge-
namrt waren, sind ohne ihr Wissen angeführt worden, und vor
nllem giebt es gar keineu Jnstitutsleiter Thilo bom Rhein,
hinter dem sich ein Herr Br. verbirgt, der bereits unter der
Anklage des Betrugs nach dem Untersuchungsgefängnis ein-
geliefert worden ist. Es ist beruhigend, datz dieser Schwindel
aufgedeckt worden ist, bevor vetrauensselige Eltern ihm zum
Opfer fallen konnten. Der Umstand, Idah alles bis auf das
geringe Eintriltsgeld unentgeltlich sein sollte, war allerdings
etwas ungewöhnlich für ein Privatunternehmen, und gewitz
isr es gerade diese Bauernfängerschlauheit gewesen, die dem
patriotischen Gründer verhängnisvoll geworden ist.

Kleine Zeitung.

— Aus dcr Pfalz, 20. August. Jir dem Pfälzischen
Städtchen Grünstadt wurde der 83jährige pensionierte
Lehrer Miedreich in seinem Bette mit Hiebwunden be-
deckt, tot a n f g e f u n d e n. Die llntersuchung hat
ergeben, daß die etwa gleichaltrige Ehesrau des Ermor-
deten die That begangen hat. Die Greisin ist nicht mehr
im Besitze ihrer vollen geistigen Kräfte. Die beiden
Ehegatten hatten fortwährend Zänkereien.

— Grünstadt, 21. August. Der Fall Mied -
reich ist dem „Pfälzer Kourier" zufolge folgendermaßen
gelagert: Der 85jährige pensionierte Ldhrer Miedreich
crlitt vor Wochen einen leichten Schlaganfall, von dem er
sich aber wieder erholte. Altersschwächen warfen ihn
erneut aufs Krankenlager, so daß, da die hiesige barm-
herzige Schwester überlastet l ist, eine Frankenthaler
Schiwester reguiriert wurde. Als die Schwester und eine
Herrn Miedreich nahestehende Frau ihn am Sonntag be-
snchten, trug er verschiedene VeMinndungen am Gesicht,
bie ein Verbinden seitens des Arztes notwendig machten.
Herr Miedreich war vollständig bei Bewußtsein, konnte
jedoch nicht gut sprechen nnd schluckeimnnd konnte auch
die hl. Komnmnion nicht mehr empfangen. Erst Mon-
tag Nacht 10 llhr starb Herr Miedreich. Da die Ver-
wundnngen desselben eigenartiger dlatur waren, fiel
der Verdacht daranf, seine Fran, die keineswegs geistig
nmnachtet ist, müsse ihn geschlagen haben. Sie gab zwar
vor, er sei aus dem Bette gestürzt. Die Sektion ergab,
dah die Wunden von einem Schlag, ebensowohl aber
auch von einein Sturz herrühren könnten. Was ge-
wisse Zeugen Belastendes wissen, kann vorerst noch nicht
gejagt werden. Auswürtige pfälzische Blütter behan-
deln diesen Fall so, als ob der Verstorbene mittels eines
Hammers erschlagen worden wäre. Es ist sehr bedenk-
lill,, dieses offentlich als Thatsache auszusprechen. bevor
Las Gericht seine ilntersuchungen abgeschlossen hat. Rich-
tig ist, daß im Schlafzimmer Miedreichs ein Hammer
gefunden wurde, der einen Flecken trug. O'b es aber
ein Rost- oder ein Blntflecken ist, wnrde bisher noch nicht
festgestellt. Thatsäche ist, daß beide Eheleute rscht zän-
kisch mit einander lebten. woran jedoch nur sie die Schuld
ist nnd ebenso, daß sie ihren Mann völlig unter dem
Pantofsel hatte, so zwar, daß er sich fürchtete, sich satt
zn essen. Jhr kärgliches Leben ist um so mehr befrem-
dend, als gestern bei der Familie an 90 000 Mark an
Bargeld und Obligationen vorgesnnden wurden. Dis
Ehesrau Miedreichs hat ihren Mann thatsächlich so be-
handekt — von jeher — daß sie es verdient, bei Wasser
und Brot hinter Schloß und Riegel zu sitzen.

— Ans der Pfalz, 21. Angust. Die Petroleu m-
bohrungen im Bienwalde dürften wohl in
allernächster Zeit eingestellt werden, da die in den letzten
Zwsi Jahren vorgenommenen Bohrversuche ein absolut
negatives Ergebnis gehabt haben.

— Ausgrnbungcn im Kloftcr Lvrsch. Der „Frankf.
Zeitnng" wird geschrieben: Der Historische Verein für das
Großherzogtüm Hessen hat in snngster Zeit wieder Ans-
grabnngen innerhalb des Klosters Lorsch vornehmen las-
sen, immer noch in der Hoffnung, den Sarg des im Kkoster
bestatteten Karolinger Königs Ludwig des Deut-
schen zu Tag fördern zu können. Man hat früher

Mit dem Zusammenbruch seines glänzenden Loses und der
Zertrümmerung semer eitlon Selbstzufriedenheit war eine
Wcmdlung über ihn gekommen. Die Selbsttäuschung machte
einem gcbieterischen Wahrheitsbeidürfnis Platz und dazu war
Hans von Glaichen bei all seinen Fehlern doch zu sehr Ehren-
mann, um sich jetzt nicht unerbittlich als Richter gegenüberzu-
stehen.

Und die langen drei Fahre mit ihver harten Zucht blieben
auch nicht fruchtlos, das „erkenne dich selbst" war mit unab-
weisbarer Macht über ihn gekommen. O, diese vielen Stunden
bitterer Scham und Rene!

Nur eins konnte er nie bereuen: seine Liebe zu Hildel
Die war ihm seiner festen Ueberzeugung nach innerste Natur-
notwendigkeit und nie war er darin wankend geworden.

Datz Hilde so rasch verblühte — er sah es mit trauernder
Sorge, er matz sich die Schuld daran bei, aber um so irmiger
hattc seine Seele sich an die der geliebten Frau gekettet.

Und jetzt kam plötzlich Fritz, der Hilde so wenig kannte,
Ler nichts von ihrer Zaubermacht verstand und sagte ihm:
„Jch bin nach wie vor dein Bruder — die Liebe verzeiht
allesl"

O, mit wievicl leichterem Herzen schritt es sich jetzt dähin
durch die frühlingsschöne Welt, die sich im Abendgold badetel

An der Station wartete bereits ein Herr auf den Zug. Als
Hans an ihm vorüberging, rief er ihn überrascht an: „Glaichen
— bist du es wirklich?"

Jm ersten Augenblick schien Hans das ihn freundlich an-
lachende Geficht völlig fremd; plötzlich erkannte er es: Graf
Tasseähofenl Sie hatten ein frohes Jähr dcr Studienzeit in
München verlebt, nachher waren sie auseincmder gekommen und
hatten sich trotz ihrer damaligen Jntimität nie geschrieben.

Hans kam die Begegnung trotz der Herzlichkeit des Bayern
ungelegen. Er hattc dritter Klasse fahrcn wollen, um cin paar
Mark zu sparen, jetzt, wo sein Studienfreund ihn gleich um-
armte und dann seinen Arm nahm, brachtc er das Cingeständ-
nis seiner bedrängten Lage nicht über dre Lippen, sondern stieg
in die zweite Klasse, sah aber dann, datz Tassenhofen dem

wo'hl Steinsärge cms jener Zeit gefunden, von denen
man nicht weiß, wer darin begraben worden war, bei
denen aber sicher erscheint, daß in ihnen der genannte
Kvnig nicht bestattet wnrde. Bei den neueren Aus-
grabungen im Klosterbezirt wnrde wieder kein Sarg ge-
funden, wohl aber in der Kirche die Grundmauern eines
inneren Anbanes, der möglicherweise der Beisetznng von
Särgen diente. Gegenstände, die einen Schluß auf die
frühtzre Bestimmnng des Baues zuließen, wurden nicht
gesnnden. Von Jnteresse sinö die römischen Funde,
die innerhalb des Klosterbezirkes gemacht wurden und
als Beweis gelten müssen, daß schon in rönstscher Zeit
hier Banten standen.

— Hamburg, 22. August. Jn einem hiesigen kleinen
Hotel wurde der Hausdiener von einem Gast namens
Karl Sieg, Waffenschmied aus M ann h eim , der die
Kasse erbrechen wollte, evstochen. Der Mörder erschoß
sich, als man ihn verhaften wollte.

Kvnigsbcrg, 19. August. Ein nener Lokom o-
tiventyp wird gegenwärtig auf der Eydtkuhner
Strecke der Ostbahn zunächst probeweise benutzt. Die
Maschine ist nach der „Hartungschen Zeitung" vom Ge-
heimen Regierungsrat Garbe ge'bant. Sie besitzt einen
Dampfüberhitzer, in welchem der vom Kessel erzeugte
Dampf in einem Schlangenrohrsystem getrocknet und bis
auf 360 Grad erhitzt wird. Dadnrch wird die Leistungs-
fähigkeit der Maschine ganz bedeutend erhöht nnd eine
größere Sparsamkeit im Ko'hken- und Wasserverbrauch
erzielt. Die Maschine, eine zweizystndrige Zwiltings-
maschine mit 12 Atmosphären lleberdruck, letstet dieselkie
Arbeit, wie eine vierzylindrige Verbundmaschine mit 14
Atmosphären Ueberdruck im Kessel. Dabei wird bei
der Dampfheißlokomotive cine Kohlenersparnis von 16
Prozent und Wasserersparnis von 30 Prozent gegenüber
den Verbundlokomotiven erzielt. So beförderte zum
Beispiel die Heitzdampflokomotive von Königsberg nach
Jnstevburg einen Zug von 44 und von Jnsterburg nach
Königsberg einen solchen von 49 Achsen bei einer Durch-
schnittsgeschwindigkeit von 77,5 Kilometer in der Stunde,
wobei die Lokomotive tädellos ar'beitete. Welch eine lln-
snmme von Arbeit und Wissen in dieser Gattung von
Maschinen steckt, geht schon daraus hervor, daß es 7^
Jahre angestrengter Arbeit kostete, bevor der Konstruktenr
die Zeichnungen für diese Maschine fertiggestellt hatte.

— Einschränkung des weiblichen Beamtenpcrsonals.
Nachdem ein Erlaß des Staatssekretärs des Reichspost-
amts die Anstellung weibstchen Personals im Post- nnd
Telegraphendienst eingeschränkt hat, sind die Behörden
angewiesen worden, bei der Auswahl weiblicher Arbeits-
kräfte größere Vorsicht zu beobachten. Anlaß zu dieser
Verfügung yat die Wahrnehmung gegeben, 'daß bei dem
weiblichen Personal Erkranknngen infolge der Anforde-
rimgen des Dienstcs sehr hänfig vorkommen, namentlich
stellt sich bei Telephonistinnen leicht eine Alteration dcr
Kopfnerven, allgemeine Nervosität und Blutarmut ein;
ebenso ist das Bedienen der Schreibmaschine jungen Möd-
chen vielfach nnzuträglich. An einer Dienststelle muß-
ten beispielsweise sämtliche mit dem Schreibmaschinen-
dienst betrauten Beamtinnen wegen lleberanstrengung
beurlaübt werden, nm Heilung für dic iin Dienste er-
worbenc Nervosität zu suchen. Derartige üble Erfäh-
rungen sind istcht nur mit snngen Mädchen gemacht wor-
den, welche schon schwächlich in den Dienst traten, sondern
auch mit solchen, die sich bei der llebernahme der Stel-
Inng der besten Gesimdheit erfrenten.

— Bcrn, 22. Augnst. Die beiden Brüder Ferar-
sons, welche am Dienstag von Grindelwald aus mit
den Führern Scimnel Brawand nnd Fritz Bohren
das Wetterhorn bestiegen, sind bis jetzt nicht zurückge-
kehrt. Man befürchtet das Schlimmste. Eine Hilfs-
karawane von 30 Manu ist aufgebrochen. Eltern und
Geschwister der beiden Engländer wohnen im HotK
Schonegg in Grindelwald.

— Prags (Tirol), 22. August. Die Leiche des bei
einer Vesteigung des Seekofels verungIückten 'Ka-
puziners Pater Edmund Bnchetma n n wnrde gestern
von 10 Führcrn geborgen. Der Pater hatte die Berg-
tour am Dienstag in Kutte und Sandalen unternom-
mene; er wurde mit zerschmettertem Schädel und me'hr-
fach gobrochenen Füßen aufgesunden. Der Pater ent-
stammt einer vornehmen Münchener Familie.

— Paris, 21.. August. Die „Aurore" kann das bal-
dige Erscheinen des dritten Romans aus dem
Cyklus der „Vier Evangelien" ankündigen; zu denen
Emile Z o la den Plan entworfen hat: „Verite", trägt
sich in der Welt des Primarnnterrichtes zn, liest man an

Schaffner ein Billet erster vorwies, ohne darüber ein Wort zu
verlieren.

Sie hatten Glück; es satz nur noch ein Herr in dem Rauch-
koupee uud der schlief. Der Graf plauderte mit grotzer Freude
vou der Studienzeit, dann erzählte er, datz er die Familien-
güter übernommen habe, statt sich, wie er gewollt, dem Staats-
dienst zu widmen; seiu Vater sei viel zu früh gestorben und
dadurch sein Leben in ganz andere Bähuen gelenkt. Jeht komme
er bei den starken Anforderungen, die er an sich selbst stellen
müsse und die dami noch andere an ihn stellten, gar nicht zur
Ruhe. Sie seien nämlich in ihrer Provinz daran, von seiten
dcs grundbesitzcnden Adels eine ritterschaftliche Bank zu grün-
den und ihm habe man die ganze Arbeit aufgebürdet.

So ging das weiter und dazwischen fragte er Hans, was
denn aus ihm geworden sei.

Er sah uicht bei der gedämpften Beleuchtung, wie dieser
bis unter das Haar errötete; er hörte nur etwas Gedrücktes aus
dem Ton der Antwort: „Recht wenigl Bürgermeister eines
'kleinen, verstaubten Grenzstädtchens."

„Ah?" machte unwillkürlich der Gras. Er wutzte sich noch
sehr gut der ehrgeizigen P'läne Glaichens zu erirmeru. Wie
mochte das gekommen sein?

Hans hatte seiue Selbstbeherrschung bereits wiedergefunden.
„Die Sache ist die, ich ha-be ein-e Liebesheirat geschlossen — eine
arme Offizierstochter und der vermögenslose Offizierssohn —
das war unvernünftig — und die kleine erbärmliche Stelle
giebt uns eben den Lebensunterhalt. D-u wirst vielleicht Uicht
begreifen —"

„Jch ehre solchen Mut l Du -bräuchst ja auch nicht immer
öa zu bleibcn!" unterbrach ihn der Freund.

Hans zuckte die Achseln. Sie red-eten wied-er von allerlei
Bankangelegenheiten.

Hans hatte solche als Regierungsrat bearbeitet, äls Schiwie-
gcrsohn Wo-lzins sehr viel bon diesem und in seinem Kreife'
d-arüber gehört und unbLwuht gelernt. Jetzt, nach der langen
geistig-en Oede, in d-er er gele-bt, war's i-hm plötzlich, als ob
di-cs Gelernte sich in ihm fortentwickelt hätte. Das Gespräch

der Spitze der „Aurore". Während der Ereignisse dec
letzten Jahre hatte der Autor die Wahrnehmnngen ma-
chen können, daß nnr ein gutgeschultes Volt der Gerechtig-
keit sähig ist. Ein Volk, das noch im Zahrhunderte alten
Schlummer der llnwissenheit befangen ist, wird die leichle
Beute des Jrrtums nnd der Lüge. Vor jedem anderen
Fortschritte mnß man znm Ansang zurückkehren, das
Volk unterrichten, die Finsternis bekämpsen, in öer
die reaktionären Mächte der Vergangenheit es erhalten.
Jn unserem Lande ist es also der Kamps der Laienschule
gegen die Koügreganiftenschule, die rauhe schlacht, öer
wir gegenwärtig beiwohnen. Was die schr dramatische
Handlung betrifft, so hat der Versasser die Dreyfus-
Asfäre aus der militärischen Welt in die des Lehrer-
Personckls versetzt, um an einem Beispiel zn zeigen, daß
eine verständige, tapsere Gerechtigkeit und Freiheit wol-
lende große Nation all ihre Kraft in der Kenntnis der
Wahrheit schöpfen muß. Er sührt den Kampf zwischen
dem sreidenkerischen Manne und der katholischen Frau
wegen des Kindes vor.

— Der in Newyork vcrstorbcne nlte Achtundvierzigcr
Franz Sigcl war geboren am 18. November 1821 zu
Sinsheim, wurde 1844 Lentnant in einem badischen
Jnsanterie-Reglment, nahm 1847 seinen Abschied, um
die Rechte zu stndieren, beteiligte sich 1848 an dcr Revo-
lution im badischen Oberland und ward, als der Aus-
stand im Frühjahr 1849 von nenem ansbrach, zum Kom-
mandanten der Trnppen des Oberrhein- und Seekreises,
dann zum Oberkommandanten der Truppen am Neckar
ernannt. Nach der Niederlage bei Heppeüheim wnrde
Sigel Kriegsmirstster und Mitglied der provisorischen
Regierung, später Generaladjutant Mieroslawskis, ge-
gen Ende des Feldzuges Obergeneral der badisch-psäl-
zischen Truppen, deren Trümmer er schließlich auf schwei-
zerisches Gebiet führte. 1852 begab sich Sigel nach Ame-
rika, wo er in Newyork, später in St. Lonis als Jnge-
nieur und als Lehrer thätig war. Beim Ausbruch des
Bürgerkrieges errichtete Sigel ein Jnsanterieregiment
und ein Artilleriebataillon, die bei der Einnahme ds
Camp Jackson am 10. Mai 1861 wichtige Dienste leiste-
ten. Er lieferte am 5. Juli das Trefsen von Carthage
und nahm am 10. August hervorragenden Anteil an der
Schlacht bei Wilsons-Creek bei Springfield. Unter Fre-
mont befehligte Sigel die Vorhnt, im ddovcmber nnter
Hunter die Nachhut der Bundestruppen, mit der er
1862 wieder vorrückte. An der Spitze von 7000 Mann
gewann Sigel am 7. und 8. März 1862 den glänzenden
Sieg von Pearidge, der ihm den Rang eines General-
majors einbrachte. Nachdem er Ende Funi das Kom-
mcmdo des 1. Korps der Armee von Virginien übernom-
men hatte, bestand Sigel glückliche Gesechte am Rappa-
-hannock nnd befehligte am 29. August den rechten Flügel
in der zweiten Schlacht am Bnll-Run. Wegen mehr-
facher Kränkungen zog sich Sigel im Frühjahr 1863
vom Kommando zurück, übernahm 1864 wieder das
Departement Westvirginien, wurde jedoch von Breckin-
ridge am 16. Mai bei Nenmarket geschlagen und mnßre
dem Gencral Hunter Platz machen. Nachdem er darauf
aus dem Heere ausgetreten war, wurde er Chefredak-
teur des „Baltimore-Wecker", gäb diese Stellung im
Juli 1866 auf und wurde 1871 Beamtor dor Sladt
und dos County Newyork.

Wöntgenstrahten vor Kericht.

Wie dcm „Berl. L.-A." aus Hannover berichtet wird, tzer-
handelte die dortige Strafkammer am 18. d. M. in fast els-
stündiger Sitzung einen Fall von Behandlung mit Röntgen-
strahlen, der Aerzte und Publikum gleichmätzig interessiert.
söwohl wegcn des Falles se-lbst, als wegen des Urteils. Ange-
klagt war der in weiten Kreisen als Spezialist in Röntgen-
stWhl-Behandlung bekarmte nnd -anerkannte Dr. Schürmayer
in Hannover. Derselbe hatte eine junge Dame, die an
Bartwuchs litt, nach d-er b-ekannten Methöde zur Vertilgung
der Haare durch Beleuchtung mit Röntgenstrahlen in drei ver-
sch-ie'denen Perioden behandelt, zunächst mit Erfolg ohne schäd-
liche Begleiterscheinungen. Jn der dritten Behandlungsperiode
hattc nuii! d-er An-geklagtc, als die auch bei der früheren Be-
handlung auftretende, hinterher ab-er jedesmal -wieder ver-
sch-wundene charakteriftische Rötung der bestrahlten Stelle sich
zeigte, die Bestrahlung noch ein- oder zw-eimal vorgenommen.
Als nun in weiterer Folge sich stärkere Verbreunungserschei-
nung-en zeigten, 'die von dem Kinn auch auf die andern Hals-
und obercn Brustpartien übergriffen, mehrere Monate an-
dvu-erten, eiterten und hätzlich entstellende Narben zurücklietzen,
wutzde D-r. Schürmayer -bon- der Patientin sowohl für die Ent-
stehung der Verbrcnnung, als' auch für den böscn Vevlaus des
Heilungsprozesses vermctwortlich gemacht und, nachdcm er eine
namhafte Schadenersatzforderung abgelehnt, b-ci der Staats-

erweiterte sich, denn der Herr, welcher bis -vor kurzem gcschla-
fen, beteiligte sich eifrig 'darcm, interessante Punkte wurden
berührt, Hans entwickelte, dank Wolzins häufiger Erörtcrun-
gen über sölche Angelegenheiten, ein-e genaue K-euutnis, die ihn
selbst erstaunte und da der dritte Herr offenbar ein routinierter
Fachmann toar, so gerietcn ste in einen stundenlangen leühafren
Gedankenäustäusch.

Beinahe erschrocken sahen sie plötzlich, daß sich der Himmel
im Osten rötete. „Jetzt schnell noch ein Stündchen schlafen —
der morgende Tag will auch sciu Recht," mcchnte Graf Tassen-
hofen und jed-er 'drückte sich in seine Wagenecke.

Hans konnte nicht schlafen. Er hielr die Augen still auf
die laugfam sich entwickelnde INorgenröte gerichtet: sollte sie
ihm als gutes Omen gelten?

Jetzt mutzte er umsteigeir. Seine Reisegcfährten schliefen
fest — er verlietz sie ohne Abschied.

Und damr kam er bei grellem Mittagslicht in seinem Städt-
chen an, das ihm in dieser Beleuchtrmg herzbeklemmend nüch-
tern und w-eltvergessen erschien. Alles so kleinlich, so um hun-
dert Jahre zurück! Aber wie froh waren er und Hilde damals
gewesen, datz sich ihnen dieser Unterschlupf bot! Mit einrgsn
alt gekauften, hübschen Möbelstücken, die ücn Kleinstädtern
sehr elegant vorkamen, zogen sie damals ern und am ersten
Abend rechneten si-e mit tiesster Sorge ihren Geld-vorrat zu-
samm-en, der höchstens noch für ein paar Wocheu reichte.

A-m andern Tage machte der neue Bürgermeister heimlich
ein Päckchen zusammen und brachte cs selbst zur Post — seine
Frau ahnte ntchts.

Dem G-eldbriefträger imponierte es aber gswaltig, daß er
zweimal in den uächsten Tagen den neuen Bürgcrmcisters ntcht
unbc-trächtliche Summ-en bringen mußte.

Mann und Ftzau aber lagen sich lachend und weiuend in
den Arincn; cr hatte seine sehr Werwolle Uhr und die schwere
Kette vcrkauft, sie das Armbaud mit der Diamantrosette —
beid-es Geschenke von Wolzin.

(Fortsetzung folgt.)
 
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