Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

DOI chapter:
Nr. 177-202 (01. August 1902 - 30. August 1902)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23861#0396
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ist, zu den drückenden Lasten der bestedenden indirekten
Steuern noch neue schwere Lasten dem Volke aufzubürden,

. . . Kein Wort von den Getreidezöllen, kein Wort von
der versprochenen Witwen- und Waisenversorgung. Nur
demagogische Sprüche, um die „dummdösige Masse" zu
fanatisieren. Das ist die „Arbeiterpolitik" des Zen-
irums.

Hambu r g, 25. Aug. Nachdem kürzlich die Bau-
arbeiter von ihren Lohnforderungen haben abstehen müs-
sen, ist eine weitere Bewegung, die der Klempner,
ebenfalls zu Ungunsten der Arbeiter zu Ende gegangen.
Vor zehn Wochen hatten die Gesellen über eine Firma
der Branche wegen persönlicher Differenzen die Sperre
verhängt. Die Jnnung antwortete daraus mit der Aus--
sperrung aller bei ihren Mitgliedern beschäftigten Ge-
werkschastsmitglieder — etwa 960 Mann — und er-
klärte, die Arbeiter erst wieder einstellen zu wollen, wenn
die Sperre über jene Firma aufgehoben sei. 'Es ist den
Unternehmern nun gelungen, Arbeitswillige in großer
Zahl, namentlich aus Holland, heranzuziehen. Etwa 360
bis 400 auswärtige Klempner sind jetzt hier in Arbeit.
Ilnter diesen Umständen war es den Organisierten nicht
möglich, ihren Widerstand aufrecht zu erhalten. Eins
Versammlung ihrer Mitglieder beschloß gestern, die
Sperre über die Firina aufzüheben. Es wird erwartet,
daß nun auch die Jnnung die Aussperrung sür beendigt
erklärt. Allerdings ist die Voraussetzung des Friedens,
daß den Arbeitern nicht der Lohn herabgesetzt wird. Jn
diesem Falle würde der Streik fortgesetzt werden. Nach
einer weiteren Mitteilung der „Frkf. Ztg." beschloß die
Klempnerinnung die Aussperrung der Gesellen, da diese
die Sperre nichit bedingungslos für beendigt erklärt ha-
ben, nicht eher auszuheben, als bis die Gesellen den Zu-
zug nach Hamburg sreigegeben habcn und den Arbeits-
nachweis der Jnnung anerkennen.

Elsaß-Lothringcn.

Straßburg, 27. Aug. Am Montag, 25. August,
3 Uhr nachmittags, war dem „Elsässer" zufolge vom
Hauptvorstand 'des A u g u st i n u s v e r e i n s zur
Pflege der katholischen Presse in Mannheim eine Der-
sammlung der Gruppe E I s a ß - L o t h r i n-
gen anberaumt worden, in der eine große Anzahl ans
Elsaß-Lothringen, darunter mehrere Geistliche, erschienen
waren. Es fand ein lebhafter Meinungsaustausch statt.
Die Ausführungen der verschiedenen Redner bewegten
fich ausnahmslos in derjenigen Richtung, welche ihren
Ausdruck in folgender zur Kenntnis gebrachten Resolu-
tion fand, gegen die Widerspruch nicht erhoben wurde:
Die anläßlich der 49. Generalversammlung der Katho-
liken Deutschlands in Mannheim versammelten Mitglie-
der des Augustinusvereins aus allen Teilen des Deut-
schen Reiches sprechen den Wunsch aus, die katholische
Presse des Reichslandes möge einmütig und entschieden
dafür eintreten, 'daß die elsaß-lothringischen Katholiken
in Land, Bezirk und Gemeinde auf der Grundlage des
bewährten Programms der deutschen Zentrumspartei
unter Berücksichtigung der besonderen elsaß-lothringischen
Verhältnisse sich organisicren und insbesondere dafür
wirken, daß die nächsten Reichstagswahlen auf der Grund-
lage dieses Programms sich vollziehen und die aus diessn
Wahlen hervorgehenden Wgeordneten der Reichslande
der Zentrumsfraktion des deutschen Reichstags sich an-
schließen.

Batzern.

München, 26. Aug. Die Münchener Metzger-
meister haben in einer heute im großen Saale des Kreuz-
bräu abgehaltenen, äußerst zahlreich besuchten Versamm-
lung nach mehrstündiger Beratung einstimmig beschlos-
sen, vom 1. September d. I. an die F l e i s ch p r e i s e
um j e 6 P f e n n i g für das Psund zu erhöhe n.

Sachscn.

LeiPzig, 24. Aug. Die h ohen Fleis ch -
preise sind auch hier Gegenstand lebhafter Erörterun-
gm umsomehr. als die Fleischer eine öffentliche Erklä-
rung dahin erlassen werden, daß sie unter dem gegenwär-
tigen Viehmangel eine abermalige Preis - Ex -
höh u n g cintreten lassen müssen.

Preußen.

-— Eine Erhöhung derFleis ch- und W u r st-
preise haben in allen Städten der Prövinz Hessen-
Nassau die Schweinemetzger in Anbetracht der hohen
Viehpreise beschlossen.

Ausland.

Holland.

H a a g, 27. Aug. Die „Korr. Nederland" ist ermäch-
tigt zur Verbreituug der folgenden Erklärung: Die Ge-
nerale Botha, De Wet und Delarey wünschen,
festzustellen, daß ihnen in englischen Blättern wiederholt
angeblich von Korrespondenten im Haag, in Brüssel und
anderswo auf dem Festlande herstammende Berichte auf-
gefallen sind, die den Zweck haben, das gegenseitige gute
Einvernehmen und die Einigkeit zwischen den Generalen
und dem Präsidenten Krüger, der Sonder-^Gesandtschaft
oder Dr. Leyds durch völlig unbegründete Mitteilungm
über Msinungsverschiedenheiten, die in ihren verschiedent-
lichen Konferenzen zutage getreten, zu stören und als
gestört hinzustellen. Die Generale wünschen demgegen-
über nachdriicklichst zur allgemeinen Kenntnis zu bringen,
daß zwischen ihnen und den genannten Persönlichkeiten
die v o I l k o m m e n st e H a r m o n i e herrscht und stets
geherrscht hat. Jede gegenteilige Behauptung oder Nn-
terstellung ist von Grund ans wahrheitswidrig und hat
nur böswillige oder schlecht unterrichtete und leichtgläu-
bige Leute zu Urhebern.

Das Krgeönis der WotkszMung in Kyina.

Die Aufbringung der Kriegscntschädigung ließ es dem
Schatzamt in Peking erwünscht erscheinen, eine genaue Auf-
stellung der Bebölkerung des Reiches zu haben. Es
ordnete demgemäß eine Volkszählung an. Diese ist nunmehr,
wie schon kurz gemeldet, durchgeführt. Sie wird ziemlich
allgemein überraschen, da sie ungefähr dieselbe Bevölkerung
ergiebt, die nach den Schätzungen der 60er Jahre schon vor-
handen sein sollte, währcnd neuere Schätzungen bon einer
erheblich geringeren Bevölkerrlng, nämlich von nur 850 Mil-
lionen sprechen. Jetzt sind in den 18 Provinzen allein über
400 Millionen gezählt worden, undl ganz China dürfte rund
426 Millionen Einwohner haben. Jnteressant ist dabei die

Bild:

Provinzen:

Tschili....
Schantung. .
Schansi . . .
Honan . . . .
Kiangsu . . .
Anhui . . . .
Kiangsi . . .
Tschekiang . .
Fnkien. . . .
.tzupeh . . . .
tzunan . . . .
Kansn . . . .
Schensi. . . .
Szetschuan. .
Knangtnng .
Kuangsi . , .
Kneitschu. . .
Mnnan . . .

18 Provinzen
Mantschnrei .
Mongolei . .
Tibet ....
Tnrkestan . .

n „Ostasiatischen Lloyd"

das folgende

Quadrat-

Ktlometer:

Bevölkerimg:

Auf ein
Q.-Kilom.

300000

20937000

70

145000

38247900

264

112000

12200456

57

176000

35316825

201

100000

13980235

140

142 000

23 672 814

167

180000

26532125

148

96000

11580692

122

120000

22876540

191

185000

35280685

191

216000 -

22169 673

103

325000

10385376

32

195000

8450182

43

566000

68724890

121

259 000

31865251

123

200000

5142330

26

174000

7650282

44

380000

12721574

34

3970000

407737305

103

942 000

8500000

9

8543000

2580000

0,7

1200000

6430020

5

1426000

1200000

0,8

11081000 420447326 38,7

Danach ist die die deutsche Jnteressensphäre üildende
Provinz S ch a n t u n g die engbevölkertstc in ganz China.
(Die Bevölkerungsdichtigkeit in Sachsen beträgt 234 auf das
Quadratkilometer.) Kiaigu, tn welcher Provinz Shanghai
liegt, entspricht in Bezug auf die Bevölkerungsdichtigkeit dcm
räumlich allerdings dreimal kleineren Holland. Schansi ist
ähnlich dicht wie Üngarn bevölkert, Fukien nnd Hupeh etwa wie
England, Tschili wie Frankreickf und Uünnan wie Bulgarien.
Jm Durchschnitt ist das eigentliche China, das heißt die 18
Provinzen weniger stärker als das Deutsche Reich bevölkcrt,
während die bier großen Außenländer mit ihren weiten Step-
pen und Wüsten nur sehr dünn besiedelt sind.

Aus Stadt und Land.

--- Heidelberger Erinnerungen cines Brettl-Spezialisten.

William S ch üff, der hier noch in gutem Andenken stehende
Klavier-Humorist und Jmprovisator, schreibt in einem artisti-
schen Fachblatt, in sernen Erinnerungen und Betrachtungen über
Baricte-Kapellmeister und Variete-Musiker Folgendes über
Heidelbcrg : Nunmehr wende ich mich nach meinem lieben
Heidelberg. Dort sah es im Fahre 1896 und 97 schön cms,
als der Direktor Hänsler (jetzt Elberfeld, Sälamander), das
Variete zum Zwinger führte. Da saß inmitten von nur cin
pcrar Mann am Klavier der Kapellmeister Schadewitz, der von
Nürnberg damals gekommcn und später wohl wieder zurück-

gegangen war. Was gab es da für erne Musik! Schcrdewitz'
war auf dem Klavrer ein Titcm und doch ein feinsinniger Be-
gleiter. Er transponierte einst der Sängerin Hermrne Held
Kückens „Stille Wasserrose" glerch einen halben Ton höher;
das war eine Leistung, und er that, als sei es ein Kinderspiel.
Jch hätte es nicht so schrrell fertig gebracht. Und wenn er
abends am rundcn Tisch eine gute Priese nähm und cmsteilte,
und seine schönen Dresdener Erinnerungen zum Besten gab,
oder für nnseren großen Wagner eine Lcmze brach, falls ein
Nörgler dazwischen war, da war er köstlich, das Haupt, umrahmt
von einer großen Mähne, zurückwerfend. Einst besuchte mich
auch, wie das sehr oft der Fall war, der 1898 leider ver-
storbene städtische Kapellmeister Zschoppe im Zwinger-Variete,
und als er nach meiner Nummer, wre immcr, den Scrcrl mit
seirier Gesellschaft verließ, ging er erst ans Klavier, gab dem
lieben Schadewitz die Hand und sagte laut vor allen Leuten:
„Adieul Herr Kollegel" Da hat sich Schadewitz gefreut, rmd ich
mit rhm.

X Patentbericht für Baden vom 26. Auqust 1902. mit
qeteilt vom Jnternationalen Patentbureau C. Kleyer in
Karlsruhe (Baden), Kriegsstraße 77. (Auskünfte ohne Recherchen
werden den Abonnenten dieser Zeitung kostenfrei erteilt.)
Die Ziffern vor den betreffenden Nummern bezeichnen die Klafle.
Patentanmeldungen: 19b. L. 21170. Schienenreinigungs-
wagen. Florian Krajca und C. F. Riether. Karlsruhe, Baden,
Kaiserstr. 225 bzw. Gecwigstr. 47. 19. April 1901. 55 k. 0.10 696.
Verfahren zur Herstelluna lichtdurchlaffender, feuerstcherer elasrischer
Platten als Ersatz für Opalescentglas. Albert Carl Catharius,
Karlsruhe i. B., Karlstraße 13 a. 7. April 1902. Patent-
erteilungen: 12 ä. 134920. Vorrichtung zum Halten von
Filterapparaten verschiedener Größe für Laboratoriumszwecke u.
dgl. Eugen Roth, Karlsruhe i. B. Lessingstr. 4. 12. Febr. 1902.
Gebrauchsmuster-Eintragungen: 54 b. 181233.
Briefkouvert mit besonderem Abteil zum Einstecken des Verschlnß-
stückes. Karl Schaudig, Rastatt. 21. Juli 1902. Sch. 14 828.
44 b. 181230. Stift mit Zündpille an einem Ende für sicheres
Zigarrenanzünden. Friedrich Woertz, Offenburg i. B. 21. Juli
1902. 8ä. 181220. Kragentrockenvorrichtung aus Draht, deren
löffelartig erweiterte Hacken an mit einander durch Längsdrähte
versteifte Joche angebogen stnd. Frau Caroline Herrmann, Karls -
ruhe i. B., Schützenstr. 47. 17. Juli 1902. H. 18 931.

d d d d d d d d d G w

erverire ick mir einen kauj-
krMgen XunSenkreir?

IIm äisss srsts ärikgabs sinss jsäsn Osssbäkts-
msrrnss ru srrsiobsn, muss sr snäsnsrnä in sinsr
MZessbeusii unä bslisbtsn InAssrsilniiA inssriei su,
vslebs in bmrkkäbigsn Lrsissn Zsbaitsn unä Zs-
Isssn virä.

rlm klatrs ist äissss ssit 44 äabrsn äis

„Hsiäsldsi'gsr 2situng", rvsloks bsbanntliob

in silen lrLufki'äftigen Kl-eieen

LeläoldorAS uvä ävr IIiUAOfniüA

ivsltvsrdi-silst rrnä mrissgsdsnL

ist, unä wslobs in bolZs ärsssr intensivsn Vsr-
brsitunx, -:umal in unssrsn gutsitursrtsn unä bauk-
köbiAsn Lrsissn, srkLbrnnZsZsmüss VnüeiZeii jsäer
Vrt auob

^irlilieken LrkolK

rusislisrt.

^ G d d ^ G d G d d G d

Aer Weröand Deutscher Kurzwaaren- und
Uosamenten-Keschäste zu Weimar*)

hielt kürzlich seinen Sommerkorigreh in den vier größten Eia-
blissements von Weimar aü. Die Generalversammlung so-
wie die reich beschrckten Ausstellungcn wareir von etwa 250
Mitgliedern nnd deren Angestellten sowre von 100 Lieferanten
besrrcht. Dic wohlorgairisierts Sonderausstellung von ge-
wissen Stapelartikelrr, die bezüglich der Pverse und Qualitären
jedesmal einer peinlichen Vorprüfung unterworfen werden,
bot auch diesesmal den Mitgliedern Gelegenheit, in den gang-
barsten Artikeln und Schlagern der Saison äußerst vorteilhast
einzukaufen, wodurch sie iu dcn Staird gesetzt werden, dcrherm,
am Sitz ihres Geschäftes, jeder — auch der größten — Koir-
kurreirz gewachsen zu seiu.

*) Mitglied des Verbands ist in Heidelberg I. Acker-
mann, Hauptstraße 42.

vielleicht ahnten die Freuude, daß 'sie jerie Trenniing noch
rmmer nicht überwuitden; Wildling hätte äber nicht so gcmz
und gar Soldat sein und deir brenneirden Ehrgeiz haben
müssen, besonders Tüchtiges zu leisterr, wemr er diese Tren-
nung nich-t noch heute als das cinzig Vernünftige, was Ulla
thun konnte, betrachtet hätte. Man lobte rhre Entschlosscnheit
und billigte sie von Herzerr, aber — man ließ sie eberr leiden,
was gelitten sein mußte.

Das kam ihr gerade jrtzi wieder so recht zum Bewußtsein,
als Leontinc sie zärtlich küßte und ihr so gerne Teilnahme aus-
gesv-ochen hätte, dir sie doch aL diese Jahre cntfchieden abge-
lehnt.

So wrderspruchsvoll war jetzt ihr ganzes Sein. Die eigene
Natur wollte ihr Recht und sie hatte doch als erstes Gebot die
Selbstlosigkeit gelernt und erkairrrt. Aber wre schwer war es,
bas Rechte zu thiinl Jnnerlich völlig zerfahren, ging sie von
Leontine, der sie hätte grollen mögen, daß sie Fritz sehen, ihn
empfangen konnte.

Sre stieg in die erste beste Straßenbahn, die nach den Vor-
orten ging und sah nicht einmal nach, wohiir dicselbe fnhr.
Un'd dann wurde ihr ganz schlecht zwischen all den fremden
Menschen, die diircheinander redeten; selbst der Ton ihrer
Stimmen reizte rhre Nerven. Weit draußen, rrgen.dwo rn der
Nähe des Tiergartens, verließ sie den Wagen und atmete hoch
auf, als' sie sich ganz allein, ziemlich eutfcrnt vom Verkehr,
fand, wo jringe Pärkanlagen zwischen allerlei im Bau befrnd-
lichen Häusern uud sonst nichts sie umgab.

Einsamkeit, Stillel Welcher Segenl Am liebsten HLtte sie
arich 'das ferne Hämmern und die Rufe der Bauarbeiter ent-
behrt.

„Fch muß mich zusammennehmen I Es ist ein elendes,
schwächliches Versinken in nutzlosem Jainmer! Hätte er mich
nur nicht so erschrocken und ringlücklich angesehen, damalsl Und
er hatte Anita am Arml" sagtc sie sich. Wie seltsaml Und es
lag doch Liebe in seinem Blick!

Lange ging sie auf ganz einsamen Wegen rimhcr, sah kcnmr

ihre Umgebung und hing nur ihren Gedariken nach. „Täuschte
sie sich über jerren Blick?"

Es war ein schöncr Aüeird der letzten Augusttage — hier
und da färbte srch schon der Wald. Jetzt wurde es lebhafter
auf deir Wegen, heimkehrende Arberter begegneten ihr in Scha-
ren und wrinderten- sich über die einsamc, vornehm ausseherride
Dame. Aber niemaiid sprach sie an, kein roher Anruf, kein
frpcher Blick erweckte sie. Die Leute sahen ihr offenbar an,
daß sie traurig war, nird sie ivußten oder ahnteu, was es
herßt, mühselig urrd beladen zu sein.

Plötzlich> kam ein OffiziLr dicht an rhr vorübergeritteir; sie
hatte ihn nicht einmal kommcn gehört, erschrak nun vor dem
Schiiaubeii des PfeLdes und fuhr aus ihrcm Sinnen cruf.

Er sah sie mit gespannten Blicken an. Fritz I Er, an den sie
so ausschlietzlich gedachtl Jhr wankten die Knre.

Etwa zehir Schritt ritt er noch weiter, seiu Bursche hinter
rhm. Danir hiclt er an, sprang vom Pferde^uird warf dem
Burschen die ZLgel zu.

Ulla lehnte an ciner alten Birke; das Herz schlug ihr zrrm
Zerspringen, es wurde ihr dunkel vor den Augeir. Äbcr
nur sekünidenlag. Dann fühlte sie, wic er ihre beiden Hände
erfahte.

„Häbe ich öich so erschreckt, Ulla?" fragte er sanft und
traurig. „J-ch sehnte mich so, dich wreder zu sehenl" Und daber
blickte er ihr in die Augen. Das war der liebe, wohlbekairnte
Blrck, dieselbe Strmmc, die sie so oft im Traumc hörte und in
Wirklichkeit so lange, lange rricht vernommen hatte.

Einc wahnsinnige Freude erstickte> sie fast und zugleich kam
ihr der Gedanke: „Laß rhn nur nicht merken, wie thöricht dri
bisti" .

„Ulkal Jst es dcnn so schlimm un!d taktlos, daß ich dich mi-
spreche? Wrr haben rins doch nrcht als Fernde getrennt —
wir hatten uns ja so lieb —- es war ja nur unsere Armut und

-daß dri vernünftig einsahest — ich nrcht, ich nicht — damals

— Ullal —"

„Damals!" Dies eine Wvrt stelltv für sie die Siruarion
fest.

„Aber du bist jctzt glücklichl Du brst so schuell avanciert —"
sagte sie und aus rhrer Stimme klcrng ihm doch die alte Liebe
entgegen.

„Glücklich, Ulla? Wer darf das fordcrir oder erwartcn?
Wer rst überhaupt glücklrch>?"

Plötzlich bemerkte sre den Tranerflor an seinem Arm.

„Und das Glück erzwingen wollen — das macht auch n!..
glücklichl Die avme Hrldel" sagte sre mit traurigem Blick.

„Du weißt es also schon? O, es ist herzzerreißend, Fhr
Lcbcir war eine Kette von Entbehrungcrr und Leid für bei.de
unü jetzt — jetzt hätten sie glücklich sein könnenl Hans hat
so glückselig neben ihrcm Bctte gesessen und zärtlich mit ihr
geplaudert — auf einmal sieht er, daß sie matt scheint, er
legt ihr liebevoll die Hand auf den Mund, sie küßt noch sernc
Hand nnd lächelt ihn glücklich an, schließt die Augen und schläft
ein. Und er sieht sie so herzlich an und derrkt: Du hast so viel um
mich gclitten, jetzt sollst du auch errdlich glücklich werden! Aber
plötzlich scheint es ihm, als sei sie furchtbar blcrß geword-en;
er ruft die Pflcgerin, die schreit auf, und da fieht er es dann
-— sie ist tot — ganz sanft rmd schmerzlos gestorbenl — Dre
Muttcr rst bcr ihm, sie ist sofort hingefahren, äber der Papa
liegt zu Hause auch krarrk — und Hcrns — was soll aus dcm
Unglücklrchen w-erden?"

„Lebt das Kmd?" fragte Ulla.

„Jal Wäs soll der Aermstc nun anfmrgen? Und wie
soll er den Verlust ertragerr? Seine ganze Seele hing ja
än Hilde. Jch habe rhm alles verziehen, Ulla, er hat schwer
gsbüßtl Und eigentlich liegt doch rn erncr solchen wahren, alles
daran sehenden Liebe eine gewisse Berechtigung."

„Ja, wemr sie sich nur nicht auf dem Glück, dem guten
Recht^anderer aufbantl Gott ist ihnen gnädig gewesen. Anna
ist gesuud und merkwürdig ruhig in Bezug auf Hans. Er ist
für sie tot, sagt sie, und sie liebt ihn wie einen Toten."

(Aortsetzuns folgt.)
 
Annotationen