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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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MMes Wlsrtt.

Dienstag, 16 Dezcmbkr M2.

Jahrgaug. 14. — 294

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Wach Knnatjme des Avll'tarifgesetzes.

Aui Somitag hcit der Kaiser dem Graf en Bülow
angebolen, ihn in den Fü r stenst and zu versctzen,
worauf Graf Büiow nntcr tcm Ansdruck seincs unter-
t hänigstcn Tankes ihn bat, von diesein Gnadenbeweise
Llbstand zn nehmeii.

Diese Biitteilnng läßt crkennen, welchen großen Wert
dcr Kaiser dein Zastandekomincn des Zolltarisgesetzes° bei-
mißt. Jn der That, cs wäpe schr zn bedanern gewesen,
wenn die lange und mühevolle Vorbcreitnng des Zolttarifes
vergeblich gewesen wäre. In techmschcr Beziehung, also
was Klarhett der Anvrdnung anbctrifft, steht der neue
deutsche Tarif weit über dcn Tarifen dcr anderen Na-
tioncn; Deutschland hat da cin Muster ge chasseu, das die
andcrcn Völker nachahmen werden.

Die Zollsätze des Tariss sind tn sehr viclen Pnnkten
von der Koininission nicht verändirt worden, in anderen
ist dic Regierungsvorlage abgeändert wordeu, indessen ist
der Tarif doch so geblieben, daß dic Regicrung ihn als
eine kranchbare Grnndlage zur Erzielung neuer Handcls-
verträge bezeichnen konnte. Das ist entscheidend. Wir
wollen nene nnd zwar besscre HandclLverträge als dic bis-
herigen haben, wir wollen zn dicsenstZwcck der Regiernng das
Kampfmittel eincs starkcn Zolltarifs in die Hand geben.
Die Rcgieruug hätte zwar lieber gcschen, wenn ihr nr-
sprünglicher Entwurs unverändcrt geblieben wäre, nimmt
aber auch den abgeänderten Tarif als brauchbar an, also
geben wir der Regicruug den Tarif, damit sie in die IIn-
terhandlung mit den andern Atächtcn eintreten kanu.

Heftig nnd heiß ist nui den Tarif gekämpst worden.
Vielc gabeu ihn schon vor Wochcn berloren, dann aber halfen
seinc schärfsten Gegner, dic Sozialdemokraten, am meisten
an sciuem ZustandeLommen; sie eigentlich sind es, die ihn
gercttet haben, dcnn ihre Obstruttion hat die Blehrheit zu-
sanimengeschweißt.

Das brcnnende Gefühl, nuabsichtlich dem verhaßten Zu-
standekoiumen des Tarifs gedient zu haben, erklärt die
sürchterlichen Wutausbrüche der sozialdcmokratischen Presse.
So schreibt, um ein Beispiel anzuführen, der „Karlsruher
Volkssreund":

Wcim man der Zollwu ch c rpre s s e Glauben jchcn-
ken köimte, danii hätten die Mehrhcitsparteien einen Eifoig
erruiMii. Jn Wahrheit sind sie allc, dic sich um das Zu-
ftandekommen des Wuchcrtarifs „verdient" gemacht haben,
-die Gepreklten, die S t a a t s st r e i ch l e r, sowohl als
bie Regierung und die Verräter. Der Erfolg i>t bei
Lichte betrachtet ein schmählicher Bankerott.

So wenig wie die Regierung, w-erdeu die Parteieu, die
den Zolltarif erpreßt haben, auf ihre Rechnung tommeii.
Was ist der Erfolg der leidenschaftlichen Agitation des Buu-
-des der Landwirte und der Konservativen? datz sie keine ein-
zigc ihrer Forderungcn durchsetzten, sür üie sie ein ganzes Juhr-
zehnt agitierten. Das faule K a r d o r f f - B a s s e r -
m a n n s ch e T r e b e r p a p i e r ist alles, was sie bis jetzt be-
fitzen. DaS Zentrum ist korrumpiert und blmuert wii nie
znvor. Seine Baucrn werden nicht znfrieden sein unS die Ar-
bencr hat cs ichmählich verraten und verkaufr. Die National-
libcraleu habe» den letzten Rest des Prestiges, das sie von ihren
Vorfay en crerbt hatten, vcrloren. Sic sind weiter nichis, als
Hausineelte öer Ncaktion. Der Frcisinn hat potirisch Vankcrott
gcmacht uiid wird ber den nächsten Wahleu froh sein müssen,
weiin ihm die Junker noch zu ein paar Mandateii verhclsen.

Stadtttzeater.

Heidelberg, 16. Dezember.

„D e r Sch w a ü enstrei ch". Lnstspiel in 4 Akten von
Franz v. Schönthan.

Gegcn bas Theatermonopol der Sudermann und Haupt-
maim läßt der Verfasser gelegenrlich den Dr. Winkelberg
eifern; er hat von seinem Standpunkt recht, denn seit dre Ge-
nannteii für die Veriniierlichung der dramatischen Vorgänge
nicht ohne Erfolg thätig sind, mag man jene Stücke, in denen
Marionettcn an Zwirnsfäden gelenkt wcrden, nicht mehr so
recht schen. Und das Schönthansche Stück zählt leider auch
zn dieser Gattung. Wie schr äutzerlich sich doch da alles ab-
spiclt! Der dichtcnde Landmann, der zwischen praktischer Ver-
nnnft und Dichtercitelkeit ohne Uebergänge hin- und hertau-
mclt, seine Frau, bald Mnsc, bald hansbackenste Hausfrau,
die Töchter, der Schwiegersohn, der Liebhaber der Jüngsten
allc nur roh behauen, konventionell drapiert und so nach Be-
dürfnis über die Bühne gelcitet. Auch die Figur des Signors
Tamburini, des Balettmcisters a. D., mit seinem Radebrechen
der deutschen Sprachc, ist anf den äußcren Effekt tzearbeitet.
Nm geschlossensten erscheint noch die Person des Litteraten Dr.
Winkelberg, der mit seincn „Duftenden Blüten", einer Ablage-
rungsstätte sür verkannte Talcnte, Bauernfang treibt. Aber
-der Verfasser bringt einige Situationskomik in sein Schanspiel
und das genügt, um ihm bei cinem Teil des Publikums —
vielleicht noch auf längere Zeit hinaus — einen Lacherfolg zu
sichern. Wer gerade nur so oberflächlich unterhalten und be-
kustigt sein will, der findet beim „Schivabenstreich" seinc Rech-
nung.

Der Gedanke, daß jeder einmal seinen dumtnen, das heitzt
seinen Schwabenstreich macht, ist gar nicht so übel. Das Bei-
spicl des ältlichen, dichtendeii Gutsbcsitzers, der nach Berlin
gekommen ist, um Studien für seine Dichtungen zu machen
und schlietzlich als Oberpriester in einer Oper hinter den Cou-
lisseu landet, wüvde vielleicht besser einschlagen, wenn das Hin >

> Bctrogene Bctrüger sind sic alle, die Kardorff, Basser-
i mn»n, Gröber und Richter. Der „Sieg", von dem sie jetzt

> sabulicren, ist in Wahrheit ihr politisches Depacle.
j Die einzig Gewinnenden bei dem ganzcn Spiel siiid
j die Sozialdemokraterr, die man als bcsicgt erklärt.
l Wer jetzt daran noch zweifelt, wird bei den nächsten Reichs-

tagswahlen, wenn das deutsche Volk über die Staatsstrcichler
uud Brotwucherer seiu Urtcil fällt, eines Besseren Lelehrt.
Die Billigung der Brotwucherkampagne ist für die „Sieger"
in Wahrheit der Bankerott.

Die Schwäche der Position der deutsche n- U n t e r-
händle r bei dcn bevorstehenden Handelsvertragsvcrhandlun-
gen liegt offen zu Tage. Die Diplomaten des Auslandes !
mütztcn dic grötztcn Esel sein, wenn sic sich diese Sehiväche der
dcutschen Diplomaten nicht zu Nutzen machen würden. S-ie
werden es thun, und das Gold, welches Graf Bülow in der
Han-d zu halten wähnr, ivird sich in gew-öhnlichcs Talmi ver-
wandelii. D-cntschland braucht Handelsverträge nnd zwar
günstige Handclsvertrügc, sonst geht cs bankcrott.
Mit dcm von der Btehrheit beschlossenen Tarif sind aber keine
günstigcn Handelsverträge zu bekommen. Caprivi, der Von
den Junkern so tief gehahte, hatte ein That bollbracht, eine
„rettende That", hats dcr Kaiser damals genanni.

Auf die starken Worte gegen die Mehrheitsparieien,
wonsit sich das sozialdemokratische Blatt Luft nincht, wollen
- wir hier nicht näher eingchen. Wer unterliegt, ärgert sich
! und hat nach alter deutscher Auffassung das Recht, drei

> Tage zn schimpfen. Festnageln nwchten wir nnr den
! Mangel an Selbstgefühl, der aus dem letzten Absatz spricht.
j Deutschland ist notorisch der bcste Kunde auf dem Welt-
i markt, denn Dentschland kauft für tansend Millionen Mark
i niehr Warcn als es selbst auf den Markt bringt. Unter
! solchen Ilmständcn dürfen Ivir den Kopf hochtragen und
j dcn Licferanten, die sich um nnsere Kundschaft drängen,

! dic Vedingungcn vorschreiden, statt d ssen empfiehlt die
! sozialdcmokratische Presse dem Deutschen die deniütige
.! Haltnng des reiscnden Handlverksbnrschen, der fich ein
Mittagessen zusammenfechten will. Nun, hoffentlich gelvinnt
sie mit der Zeit cine etwas bessere Haltung.

Wer Sinn für Hnmor hat, wird gern der kommenden
Tage harren, in dencn die Regiernng dem Reichstag die
Handelsverträge vorlegen wtrd. Da werden lvir eine große
Verschiebnng aller Verhältnisse erlcben. Die Sozialdemo-
kraten werden uiit dem größten Eifer sür die auf Grund
des von ihnen verflnchten Tarifs abgcschlossenen Handels-
verträge cintreten, die Konserbativen aber lverden sich
stränbcn, knrz die Maschinerie wird sich parlamentarisch
nach der entgegengcsetzten Seite drehen. Jst allcs schon
dagewescn.s _

DeutsHes Aeich.

— Mit gomischten Gefühten irimmt man einen Aussatz
zur Hauo, deu der greise Historiker Theodor M ouim -
sen unter dein Titel „Was unsnoch retteu
k a u n !" in der freihändlerisch-sreisinuigen Wochenschrist
„Die Nation" verössentlicht. Jn Monrmsen hat sich aus
GrnNd der letzten Kämstfe im Reichstag dke Ansicht sest-
gesetzsi daß sich bei uns ein rascher „Umsturz der
R e i chv e r s a s s n n g" entwickle; daß wir am Be-
g i li n e einos Staats st reich es ständen, „durch
den der dentsche Kaiser und die dentfche Volksvertretung
dem Absolniismus ein-es Jnteressenbundes des Jnnker-
tumS und der 5taptanokratie geopsert werden sollen." Die

Netiung vor dieiem drohenden Ruin sieht er nnr in einem
Zusammenschluß aller nicht in die letzte Reichstagsver-
schworung Vi.r:v:ckelten Parteten, selbstverständlich unter
Ausschlnß der Nationalliberalen, aber mit Einschlntz der
Sozialdeinotraien, die höchst erfreut sein werden übsr 'die
ihnen hier angebotene Rolle-, neben-bei auch den deutschen
Käiser aus schwerer Gefahr erretten zn sollen. Von prak-
tischer Einsicht zengt der Artikel Mommsens sicher ni-cht.

Badem

lUi Lörr a ch, 14. Dezember. Jn einer Versanun-
lnng der Ortsgruppe Wittlingen-Wollbach des jung-
liberalen Bezirksvereins reserierte Herr
Treher jun. über die K'lostersra-ge, deren Entwicklnng und
Bedentung er in übersichtlicher und anregender Weise
schildert; insbesondere wies Referent darans hin, daß die
Klostersrage lediglich eine politische Frage sei, denn die
Ktöster seien kein Bedürfnis, sondern werden nur gs-
braucht znr Verstärknng der Politischen Blacht Roms,
zur Wiedererobernng der Weltherrschaft des Papsttums.
Tie recht interessanten Ausführungen des Refereriten
fanden den ungeteilten Beifall der Zuhörerschaft. Hierauf
sprach Redaktenr Helde ebenfalls einige Worte zur
Klosterfrage, schilderte die Znstände im ehemaligen Kir-
chenstaat nnd geißelte insb-esondere das Verhalten der
Zentrumspresse, dic sachliche Aussührungen nnt Angrif-
fen anf Ehr und Person Les Gegners beantworte. Vikar
Schmidt sprach nber die nationalliberale und junglibernle
Bewegung nnd forderts in warmen Worten, dic von
Herzen tamen nnd zn Herzen gingen, zn thätiger Mit-
arbeit im Jnteresse des Allgemeinwohls, des dentschen
Vaterlandes, ans. >schließlich wurde eine Resotution
einstimmig cingenonimen, die sich aMen die Klosterzulaf-
sung ausspricht. — Jn der inngliWalen Ortsgruppe zu
Haagen hielt Hanptlehrer Währer ein instrnktiven Vor-
trag über Getreidezölle.

L.6. Schwetzingen, 15. Dez. Gestern Nachmittag
fand hier eine Delegierteiiversammlung der Centrums-
partei für den 11. Wahlkreis Mannheim-Schtvetzingen-
Weinheim statt, welche aus sast allen Orten des Wahl-
kreises zahlreich bchicht lvar. Landtagsabgeordneter N eu-
haus sprach über die Arbeiteu des letztcn Landtages, Abg.

! Gießler über die Neichstagsverhandlungeii und über die
j Stelluugnahme des Zentrums zu deu übrigeu Parteien
sowie über die Vorbcreituugeu für die bevorsteheudeu Reichs-
tagswahleu. Ein Kaudidat murde nicht nominiert, dagcgen
beschlossen, ini Lause des Winters in alleu Orten des
Wahlkreises Versammluiigen abzuhalteu. Auf Vorschlag
des Herrn Amtsgerichtsdirektors Gießler wurde eine Ver-
traueiiskundgebuiig für die Zentrumsfraktion im Reichstage
einstimmig aligenommcn.

^ Preuste«.

— Jn dem Disziplinarverfahren gegen derr
' Kieler Professor L e h m a n n - H o h e n b c r g wegen
Beleidignng des preußischen Kriegsnnnisters anläßlich
seines Eintretens für den blindgeschossenen Hauptmaim
Lnthmer sowie wegen seiner Angrisfe gegen den prenßischerr
Justizminister rmd gegen das bestehende Rechtsweserr
wnrde, wie die „National-Ztg." meldet, in der Haupt-
verhandlung des Disziplinarhofes auf Entlaffung aus
dein Amte crkannt. Sämtliche Beweisanträge wurden
abgelehnt, da sie Einzclfälte darstellten. " Der An-
geschuldigte habe sich schwerer Beleidigungen schuldig

und Hcr bis es zn diesem Krmlleffekt kommt, etwas wenigcr
tribial — man denkc an -die Kopfschmerzenszene, die dem Durch-
brennen vorausgeht — durchgeführt wäre.

An bie Vorführung des minder wertbollen Stückes setzten die
Darstellenden eincn löblichen Eifer. Es -wurde lebhaft und
flott gespielt. Der Tamburini des Herrn Grotzmann bot
Liesem tüchtigen Schauspieler eine in ihrer Art -dankbare Rolle.
Der Dr. Winkelberg des Herrn Brandt war gleichfalls zu
loben. Herr Schneider wandte einige Gewaltthätigkeit
an, um dcn Gutsbesitzer Lörsch glaübwürdig zu machen. Die
anderen Figurcn zcigen, wenig Jndividualität, sie sind kon-
ventionell gehalten und wurden auch so gegeben. H. ikck.

Kleine Zeitung.

— Dcs Chincsen Anslegnng. Als große Mode bei
den eleganten Amerikanerinnen geltcn momentan Gür-
tel die mit chinesischen Schriftzeichen in Silber verziert
sind. Da nnn ober sehr wenig Personen chinesisch lesen
tönnen, so wird auf die Bedeutung der Hieroglvphen
keinerlei Wert geicgt. Eine köstliche EpisoLe erzähit dcr
„Tacler", die sich türzi'ich zutrug. Eine Dame. dic mit
einenr solch inodernen Gürtel versehen war, begegnete
einem Ehinesen, der ihr seme Bewundernng zn den Ge-
sühlsn, die sie zur Schan :rug aussprach. „Ausgezelch-
net, in der That," meinte er, „und ich gratuliere Ihnen
zu Jhren guten MottoS, die etwas AußergLwöhuliches iu
Jhrem Lande sind." „Bitte, sagen Sre mir, was die
Zeichen bedeuten," erwiderte die befriedigte Besitzerin
des Schmnckgegenstandes. — „Es sind nur zwei Wiinsche
ausgedrückt, aber da sie verschiedenemale wiederholt wer-
den, weiß ich, daß diesekben Jhr höchstes Ziel sind. Das
eine Motto lautet: Mögen alle meine Feinde gnalvoll

zu Grunde gehen: das andere ist: Möge ich 50 Söhne
pekonnnen."

— Zchn Jahre im Bctt. Ein Original ist der rnssi-
sche Baron Hngo Ortliet, ein Millionär, der, wie ein
Londoner Blatt zu erzählen weiß, serne Zeit in femerr
prächtigen Palästen in >st. Petersburg und Moskan und.
seinem herrlichen Laridgnt bei Kasan zubringt, äber —>
immer irn Bett. Seit zehn Jahren ist er nicht aufgestan-
den und hat sich nicht angekteidet. Körperlich sehtt ihm
nichts, und trotz seiner Größe liefert sein Körperzuftairtz
ein Beispl-el dafür, daß die Annahme, viel körperliche
Bewegung sei zur Erhaltnng der Gesundheit nötig, nicht
imnier richtig ist. Nächdem der Baron alle denkbaren
Fornien des Vergnügens erschöpft hatte, legte er sich
aus bloßcr Langew-eile ins Bett, und seit dem Jahre
1892 tst er nicht wieder daraus aufgestanden. Sogar bei
seinen Reisen verläßt er das Bett nicht. Dieses wird
dann von seinen Ziminern auf einen besonders gebauten
Wagen getragen, von dort in seinen Privat-Salonwagen,
und dann fährt er immer im Sonderzug. Jn allen an-
«deren Beziehnngen ist er ganz vernünftig; er leitet sein
großes Besitztnm mit der grötzten Klugheit und mit
Scharssinn und ist glänzend und witzig in der Unter-
haltung. Die einzige Besonderheit seines sonst achtbaren
Charakters ist sein Widerwillen gegen 'die Anstrengung
des Aufstehens. „Warum soll ich mir die Mühe ge-
ben?" sragte er. „Wozn nmß ich aufstehen? Es giebt
sicherlich nichts, wäs ich nicht ebenso gut im Bett machen
könnte."
 
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