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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.11498#1197
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Ja, der Kriegsmmister mußte in der Montagssitzung des
Unterhauses sogar zugeben, daß er alles, was er über das
Schicksal der Truppen in jenen Regionen wisse, den Zei-
tuugen entnommen habe. Und was diese Zeitungsmel-
dungen anbetrifft, so bedeutet die „Flankenbewegung"
des Mullah, von der die Berichterstatter zu erzählen
wissen, sicherlich nichts gutes. Allerdings lautet die nächst-
liegende plausible Erklärung dafür, daß die Telegraphen-
leitung zerstört ist. Aber wenn dies an und für sich schon
etwas wenig angenehmes für die britische Heeresleitung
in jenen Regionen ist, so muß nian sich unwillkürlich fra-
gen, wo das Kundschaftersystem bleibt, das bei solchen
Expeditionen unsntbehrlich ist und in diesem Falle nicht
fehlen sollte. Tas sogenannte „Fntelligenz-Tepartement"
scheint, gerade wie im Burenkriege, einfach versagt zu
haben und es sieht fast aus, als müsse man sich wieder
aus eine der unerwarteten und unwillkommenen Meldun-
gen gefaßt machen, die Trauer in viele englische Häuser
tragen. Der Mullah hat bereits mehr als einmal be-
wiesen, daß er es versteht, dem englischen Kriegsmini-
steriuni peinlichc Ileberraschungen zu bereiten.

Jtnlicn.

N o m , 17. Juni. Wie aus der Umgebung des Pap-
stes verlautet, hatte ein leichter Darmkatarrh, von dem
man glaubte, er könne eine Affektion der Leber bewirken,
einige Besorgnis hervorgerufent diese ist aber jetzt wieder
geschwunden, da die katarrhalischen Beschwerden sehr ab-
nehmen. Der Papst wird sich sicherlich den Anstrengungen
des geheimen und des öffentlichen Konsistoriums unter-
ziehen können.

Aus Stadt und Land.

Mannheim, 18. Juni. (Einen Selbstmordver-
such) beging am 16. ds„ morgens, ein auf dem Lindenhos
wohnendes Dienstmädchen, indem es — die ihm zur Aufsicht
übergebenden 6 Kinder am Rheinufer stehen lassend — in der
Nähe der Badeanstalten in den Rhein sprang. Die infolge
Krankheit Lebensmüde wurde von den beiden Heizern Johann
Schmitt und Heinrich Fah von hier noch lebend aus dem Was-
ser gezogen und mittels Droschle in das Allgem. Krankenhaus
verbracht.

Blankenloch, 16. Juni. (Bei der gestrigen Pfarr-
wahl) ist Pfarrer Hofmann in Strümpfelbrunn mit 37
Stimmen zum Pfarrer gewählt worden. Vier Stimmen fie-
len auf den liberalen Pfarrer, eine auf Dekan Roth in Fried-
richstal, der übrigens gar nicht auf der Vorschlagsliste steht.

Aus Baden. Die Adelsheimer wollen keine Lungenheil-
stätte. Dieser Tage hieß es, daß ein Mitglied der Frankfurter
Familie Rothschild eine Million Mark für eine Lungenheilstätte
für Jsraeliten hinterlassen habe, die in Adelsheim errichtet
würde. Das Adelsheimer Blatt meldet nun, daß bis jetzt kein
Baugesuch bei der zuständigen Behörde eingereicht worden sei.
Sobald dies jedoch gefchehen sein werde, würden vorausstchtlich
die Stadtverwaltung und viele Private Einsprache gegen die
Errichtung der Anstalt erheben. Sehr menschenfreundlich ist
das nicht.

Meme Aeiturrg.

— Straßbnrg, 16. Jnni. Ein hiesiger Arbeitgeber
hatte für eine Dienstmagd jahrelang die Berwendnng von
Beitragsmarken zur Jnvalidenversicherung unterlassen.
Als die Dienstmagd plötzlich krank wurde, wollte er die
Markenverwendung nachholen, konnte das aber rechts-
gültig nur für zwei Jahre (also 2 mal 62 gleich 104 Vei-
tragsmarken),, weil nach dem Jnvalidengesetz die Marken
für die weiter zurückliegende Zeit nicht mehr verwendet
werden dürfen. Da die Tienstmagd infolgedessen die
Wartezeit für die Jnvalidenrente, welche 200 Beitrag's-
wochen beträgt, uicht erfüllt hatte, wurde ihr Rentenantrag
abgewiesen. Sie verklagte nun ihren Arbeitgeber auf
Schadenersatz und hat erreicht, daß ihr Arbeitgeber an sie
1) 201,35 Mk. nebst 1 Proz. Zinsen seit 1. November
1901 und 2) vom 1. November 1901 ab jährlich 124,60
Mk. zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreites zuckragen
hat.

— Von cincm scltsamcn Passagier wurde vor kurzem
in einer holländischen Zeitung „Notterdamsch Nieuwsbläd"
erzählt: Jn einem Badeort an der holländisch-deutfchen
Grenze starb ein Herr, dessen letzter Wille war, in Viersen
beerdigt zu werden. Eine Verwandte begab stch deshalb

zur Station, um sich zu erkundigen, was der Transport
der Leiche nach genannter Stadt kosten würde. „300
Gulden." Das war ihr ein bischen zu viel. Als sie sich
danach zum Gehen gewandt hatte, näherte sich ihr ein
Jnspektor der Bahn, Welcher zu ihr sagte: Jch habe gehört,
daß Sie einen Toten verschicken wollen, und man hat von
Ihnen 300 Gulden verlangt. Für vicl weniger regele
ich diese Sache. Zieheu Sie den Toten an; bringen Sie
ihn zwischen zwei Personen, als ob er gelähmt fei, auf den
Bahnhof und nehmen Sie ein Billet für 7 ^Gulden nach
Viersen. Sie geben niir, sowie dem den Zug begleitenden
Schaffner, der den Kadäver auf der Reise zu begleiten
hat, ein Trinkgeld und die Sache ist in Ordnung." Gesagt,
getan. Am anderen Morgen brachte man den Toten ein-
gehüllt in einen großen Mantel, die Reisemütze tief in die
Augen, zur Bahn und setzte ihn in ein Koupee erster
Klasse in die Ecke. Auf der Reise kam der Schaffner von
Zeit zu Zeit und warf einen verstohlenen Mick auf den
Verblichenen . . . Jn Venlo, als der Schaffner einen
Augenblick nicht aufpaßte, stieg ein Engländer, der von
Rotendaal kam, wo er schon einige Jahre ansässig war,
in das Koupee zu dem Toten ein. Der Engländer, der
gern seine Pfeife rauchte, bat seinem Reisegefährten höf-
lich um Erlaubnis; dieser aber sagte kein Wort. „Er
wird schlafen!" dachte der Engländer. Da er aber ein
Fenster öffnen wollte, damit der Rauch hinauszöge, sagte
er zu seinem Mitreisenden: „Erlauben Sie, daß ich das
Fenster herunterlasse?" Der Reisegefährte mit der Mütze
über den Augen antwortete kein Wort: „Scheint ein son-
derbarer Heiliger zu sein!" dachte der Engländer. Bei
Driebergen geschah etwas Unerhörtes. Jnfolge der vielen
Stöße, die der Zug erhielt, als er über die Weichen fuhr,
fiel der Reisegefährte von seinem Sitze auf den Fußboden.
Der Engländer war sehr überrascht, als stch der Gefallene
nicht erhob, und wie er ihm aufhelfen wollte und ihn bei
der Hand nahm, merkte er, daß sie eiskalt war. „Es ist
ein Reisender, der gestorben ist", sagte stch der Engländer
und dachte dabei: „Jn diesem verfluchten Lande hier wird
man sagen, ich hätte ihn umgebracht. Jch will mich aus
dieser Peinlichen Lage befreien." Ilnd rasch entschlossen
machte er die Dür auf, nahm den Leichnam und warf ihn
— hinaus! Jn Boisheim kam der Schaffner wieder und
sah erschrocken auf den leeren Platz, wo er „seinen" Rei-
senden gelassen hatte. Er faßte sich aber ein Herz und
sagte zu dem Engländer: „Die Fahrkarte, mein Herr."
Ilnd dann, wie zerstreut: „Führ in diesem Koupee nicht
noch eiu Reisender?" — „Jawohl, gewiß!" antwortete
der Engländer nicht minder gesaßt; „der ist auf der vor-
letzten Station ausg-estiegen." Der Schaffner stand wie
versteinert.

— Petcr Karagcorgicwitsch währcnd dcs Krieges
1870—71. Ileber die Rolle, die der neugewählte König
von Serbien während des deutsch-französischen Krieges ge-
spielt hat, berichtet der „TempS": Jn den letzten Tagen
des Monats September 18W wurde in Bourges
das 16. französische Korps unter General de la Motterouge
gebildet. Es hatte zuerst in Orleans festen Fuß gefaßt,
mußte sich dann aber nach Vourges zurückziehen. Den
Rückzug sollte ein 6000 Manü starker Nachtrab unter
Oberstleutnant de Jouffroy decken. Zu diesem Nachtrab
gehörte auch das 6. Bataillon der Fremdenlegion unter
Arago. Prinz Peter Karageorgiewitsch der am 26. Sep-
tember zum Unterleutnant ernannt worden war, stand in
der 1. Kompagnie des Bataillons, die in der Vorstadt
Bannier dem General von der Tann den Weg versperren
sollte. Der Kampf, der sich entspann, war so heftig, daß
von den 1200 Mann der Legion 600 getötet oder ver-
wundet und dreihundert gefangen genommen wurden.
Ter Rest, darunter auch Pejer Karageorgiewitsch errcichte
das linke Loireufer. Der Prinz wurde später dem Stabe
der 1. Diviston des 18. Korps zugeteilt und dekoriert.
Jm März 1871 trat er aus dem französischen Heeresver-
bande aus. Jn einem Schreiben an den Kriegsminister
erklärte er, daß er mit Leib und Seele neben seinen ehe-
maligen Kameraden von Saint-Cyr gekämpft habe, denn
er liebe Frankreich und werde es immer lieben. Er wäre
noch länger im französischen Heere geblieben, aber der

theron alles, was über meinen On'kel zu berichten war, auch
daß er leider ein schwächlicher, kränklicher Mann mit erblicher
Schwindsucht belastet und daß die schwankende Gesundheit sei-
ner gleichfalls kränklichen Söhne eine Quelle fortwährender
Besorgnisse für ihn sei. —

„Leidet auch Jhr Vater an der Schwindsucht?" erkundigte
er sich, die Augen aufschlagend.

Jch fand diese Frage etwas indiskret, denn sie hätte mich
tief ins Herz treffen müssen, wäre ich genötigt gewesen, sie zu
bejahen. Zum Glück durfte ich sie berneinen. „Mein Vater
und Onkel Bruno sind nur Halbbrüder", erwiderte ich; „die
erste Frau meines Großvaters starb an der Schwindsucht, und
von ihr hat mein Onkel seine schwächliche Gesundheit geerbt."

„Es ist zu hoffen, daß einer seiner Söhne von dem tückischen
Leiden verschont bleibt, und dereinst die Besitzungen seines
Baters erbt. Wenn Sie ein eigennütziger, geldgieriger junger
Mensch wären, könnte es fast unhöflich von mir erscheinen, in
Jhrer Gegenwart eine solche Hoffnung auszusprechen, doch bin
ich überzeugt, daß Jhr ofsenes ehrliches Gesicht nicht täuscht
und Sie nicht die Person sind, die auf den Tod eines anderen
in gewinnsüchtiger Berechnung wartet."

Jch versicherte ihm, die Erbschaft, die für mich nur über
die Gräbcr meiner drei Vettern erreichbar wäre, würde mir
ein unwillkommenes Geschenk sein.

Er brach das Gespräch über diesen Gegenstand ab, als ob
schon die blotze Erörterung einer solchen Frage unser unwür-
dig wäre.

Bald hörte ich leichte Schritte im Gartcn, dann das Rau-
schen eines Kleides, die Tür wurde geöffnet und meine Göttin
trat ein.

Sie sah mürrisch aus und wenn irgend eine Mahnung mich
vor den Folgen meiner Torheit zu bewahren vermocht hätte,
würde Evelinens Benehmen an diesem Tage, wie später, mir
eine solche Warnung gewesen sein.

„Es war unerträglich heiß in der Kirche", erzählte sie,
„und nicht ein einziger Frcmder zugcgen, der einiges Lcben

in die schläfrige Gemeinde hätte bringen können." Die Aus-
forderung ihres Baters, uns eine Tasse Tee zu bereiten, nahm
sie mit sehr verdrießlicher Miene entgegen; doch als ich es,
während wir ihn tranken, wagte, sie anzureden und mit jedem
meiner Worte verriet, wie sehr ich sie bewundere, wurde sie
heiterer und immer liebenswürdiger gegen mich,

Damals war Eveline noch nicht schlecht, nur unerzogen
und ohne den veredclnden Einflutz eines guten Beispiels, stets
sich selbst überlassen und der Lehre gedenkend, die ihr seit den
Tagen der Kindheit beständig wiederholt worden war: in ihrer
Schönheit besitze sie das Zaubermittel, sich Rang und Vermögen
zu erringen. Meine stumme Huldigung mißfiel ihr nicht. Der
Aufforderung ihres Vaters gehorchend, setzte ste sich an das
Klavier und spielte ein Stück aus einer Messe von Mozart in
wunderbarer Weise.

Von der Erhabenheit der Musik entzückt, von Evilenens
Schönheit geblendet, hörte ich regungslos zu. Später erfuhr
ich, daß Evelinens Mutter Pianistin von Beruf gewesen und
die Liebe zur Musik in ihrer Tochter von Kindheit an gepflegt
hatte.

Jm Laufe des Abends erwähnte Herr von Catheron seiner
abwesenden Tochter, die eine Zwillingsschwester Evelinens und
ihr leibhaftes Ebenbild wäre. „Meine Tochter Leonore heira-
tete sehr jung einen ernsten, schon in mittleren Jahren stehen-
den Offizier in Jndien", sagte er; „in pekuniärer Beziehung
ist es eine gute Partie, gber keineswegs ist es eine Verbindung,
wie ich sie für mein Kind gewünscht hätte. Jch gab meine Ein-
willigung, weil meine Tochter eine ganz romantische Zuneigung
zu Hauptmann Gibbons hatte, und so entbehre ich meine Nora,
die ihrem Mann nach Bengalen gefolgt ist, schon seit drei
Jahrcn."

„Jch bitte dich, Papa, werde nicht sentimental!" rief Eve-
line mit geringschätzigem Achselzucken; was nützt es, von Lie-
besheiraten zu sprechen, die du doch nicht billigst."

„Jch billige es nicht, daß ein schönes Mädchen sich an einen
mittellosen Taugenichts wegwerfe, aber nicht weil er mittellos,

Krieg sei doch zu Ende und FanlilienangelegenheiLen riefen
ihn zu seinen Angehörigen zurück. ^

Sprüche der Leücnsweisheit.

Der Mann, den alle Welt um seine Frau beneidet, ist aM
wenigsten zu beneiden.

Liebt die Seele viel, so wird sie groß,
Liebt sie wenig nur, so bleibt sie klein,
Liebt sie nichts, so bleibt sie cben nichts,
Liebe nur kann Wachstum ihr verleih'n.

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Zum Berliner Apotljekettboykott.

S. R. Zwischen der Zentralkommisston der deutschen Kran-
ckenkassen und dem Vorstand der Apothekervereinigung in Ber-
lin stnd neuerdings Verhandlungen geführt worden, welche,
wenn ste die Bestätigung der Parteien finden, zu einer Be-
endigung des seit Jahr und Tag schwebenden Apothekerboykot-
tes führen werdcn. Der Streit, welcher sich als ein wirtschaft-
licher Kampf von sozialer Bedeutung darstellt, hat bisher den
Apothekern nur zum Schaden gereicht. Behördliche Eingriffe.
welche die Apotheker erhofften. haben nur teilweise und ohne
Nutzen zu bringen stattgefunden. Auch die gegenwärtige No-
velle zum Krankenversicherungsgesetz brachte keine Lösung des
Problems, da die Materie noch nicht spruchreif ist. Es hat
während der Dauer des Kampfes an mannigfachen Vorschlä-
gen zur Beilegung desselben nicht gefehlt, indeß konnte man
sich bisher über die wesentlichsten Differenzpunkte nicht eini-
gen. Auch bei der Erwägung, den Ober-Präsidenten der Pro-
vinz Brandcnburg für eine schiedsrichterliche Einigung anzu-
rufen, konnten die Parteien die grundlegende gemeinsame Ba-
sis für die Verhandlungen nicht gewinnen. Unter den neueren
Matznahmen der Krankenkassen interessiert, nachdem denselben
die Verabfolgung nicht freigegebener Arzneimittel in eigener
Regie zweifelhaft geworden, die Einführung von Rezeptpostkar-
ten, welche mit Vordruck für die geläufigsten Mittel versehen
und frankiert in grötzerer Zahl den Kassenärzten zur Benutz-
ung überwiesen, von diesen auf postalischem Wege den zuge-
lassenen Apotheken zugehen, welch' letztere wiederum die ver-
ordneten Medikamente dein Krankcn glcichfalls auf dem Post-
wege und — bei Flüssignsiten — durch Boten übermitteln-
Andererseits ist von den Apothekern neuerdings eine „Ver-
einigung der Apothekenbesitzer zur Abwehr unberechtigter An-
griffe und Boykottierung durch Krankenkassen" gegründet wor-
den, welche aber wohl kaum viel ausrichten wird. Von ande-
rer Seite aus Kassenkreisen ist ein Entwurf von „Normativ-
Bestimmungcn für dcn Arzneiwarenverkehr" ausgearbeitct,
der den Apothekern die Lieferung nach der Engros-Preisliste
vorschreibt und formelle Rezepturen, nur soweit Listenpreiss
nicht Anwendung finden, nach der Preutzischen Arzneitaxe mit
entsprechender Preisermätzigung, honoriercn will. Dieser Vor-
schlag fand wiederum in Apothekerkreisen, welche hierin nur
Pflichtcn auferlegt sehcn, keine Gegcnliebe. Ferner ist die
Schaffung cigener Apothekcn für die Krankenkassen und Kran-
kenkassenverbände, auch die Kommunalisierung von Apotheken,
in Vorschlag gebracht worden. Ein an den Bundesrat gerichte-
ter Antrag der Ortskrankenkasse für Leipzig und Umgegend
strebt Aehnliches wie die „Normativ-Bestimmungen" an und
befaßt sich insbesondere mit der Schaffung einer Reichsarzne!-
taxe. Das Kaiserliche Gesundheitsamt hat zu diesem Antrage
dahin Stellung genommen, daß es im Jnteresse der Sicherheit
des Publikums sich gcgcn eine erheblichc Erwcitcrung der Frei-
gabe von Arzneimitteln, die den Apotheken vorbehalten sind,
erklärt, wohl aber eine Verbilligung des Arznei-
bezugs durch Einführung einzelstaatlicher Preise, untev
Fortfall ciner Reichsarzneitaxe und cine weitere Preisermätzü
gung bei dem Bezuge grötzerer Mcngen für durchaus ange-
bracht hält. Dcr oben erwähnte Vergleich zwischcn den KraN-
kenkassen-und den Apothekern setzt als Basis für eine Lösunll
der sozial bedeutsamen Frage folgende Bedingungen fest:

sondern weil er ein Taugcnichts ist! Wenn mcine Tochtcv
einen ehrenhaften, tüchtigen und strebsamen jungen Mann
zuni Gatten wählt, werde ich gcrn meine Einwilligung und
meinen Segen dazu geben, — immer vorausgesetzt, datz er aus
guter Familie ist."

Evelinens Wangen erglühtcn. Das zornige AufleuchtcN
ihrer Augen verriet mir, datz sie aufgebracht war; etwas

dem, was ihr Vater gesägt, hatte ihr mitzfallen; sie zog sich ^
einen dunklen Winkel zurück und lietz sich durch keines der
Schmeichelworte, mit welchen der Vatcr sie zu versöhnen suckstr,
hervorlocken.

„Mein Töchterchen ist verdrießlich!" rief er endlich; »sib
hat ihre hellen und ihre wolkigen Tage, heut ist ein trübes-
Wenn Sie morgen bei uns spcisen wollen, Herr von
mond, verbürge ich mich für etwas Sonnenschein. Eveline urw
mein Sohn Gerhard soll morgen nach Raden gehen, uu-
Erdbeeren zu holen. Wcnn Sie viellcicht desselben Wcges
hen, die alte Kirche von Raden ist sehenswert, können Sie
ner Tochter ihre Packete tragen helfen. Heute Abend istZl.
nun einmal verdrietzlich, und sie würde lieber sterben, als FT
um eine Gefälligkeit bitten. Kommen Sie morgen nach dep
Frühstück zu uns, und ich wette, daß ste Jhre Begleitung stb
gern annchmcn wird; ihr langweiligcs Brüdcrchen sängt -
während Strcit mit ihr an," . „

Der kleine Bursche, dcn ich zuerst im Vorgartcn gcsetzb'
hatte, war im Laufe des Abends vicl aus- und eingegang
und zuletzt von seincm Vater sehr barsch zu Bett geschickt wo

den. Jctzt weitz ich, wie schmachvoll er von seinem Vater uu
seiner Schwester vernachlässigt wurde. Damals abcr, in uw
ner unseligcn Verblendung hatte ich noch nichts davon "
merkt. Bedenken Sie, Molly, datz ich noch nicht zweiundzwa
zig Jahre alt war, als ich mich in das Mädchen verliebte!,

Als ich am nächstcn Morgen wieder in der Wohnung u>ep
Nachbarn erschicn, sand ich Herrn Catherons Prophezeru
verwirklicht.

(Fortsetzung folgt.)
 
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