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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 202 (1. August 1903 - 31. August 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0307
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Grsch«?«t tigltch, Gonntagk »uSsWoMrncs. Prei« süt Fss-,Menb!ätterK monatttch SS V?z. in's tzous geüracht. bei dcr Exveditton und dc« Zweigstationen sbgeholt <0 Pfg. D«rch KG V?G

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«» hestimmte» Tage« wird krine Vrrantwortlichkrit ül irnommen. — Anichlag der Jnierate anf den PlaLattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtifchen Anschlagstsllen. Fernsprecher W.


Zur Reichstaflswahl in Dessau.

Wir habsn bereits unserem Zweifel Ausdruck llerlie-
m. ob der Kandidat der Freisinnigen Vereinigung. Herr
chrader, eine ähnliche hohe Stimmenzahl auf sich
s neinigen kann, wie dies am 16. Juni Herrn Roesicke
s 'lungen war. Geschieht dies nicht, so geht aller Wahr-
j ' zeinlichkeit nach der Wahlkreis an die Sozialdemokraten
erkoren. Eine Kandidattrr Büsing, die zu Anfang der
rörterungen über die Kandldatenfrage in Vorschlag ge-
ncht war, hätte diesen wahrscheinlichen Ausgang mit
icherheit vermieden.

Um jeder Verdnnkelung der wirklichen Tatsachen vo»
beugen, müssen wir feststellen, daß die Konservativen und
r Bund der Landwirte in-richtiger -olitischer Erkenntnis
r Wichtigkeit dieser Reichstagswahl erklärt hatten, für
üsing zu stimmen, falls die sreisinnige Vereinigung
' enfalls sich dazu entschlösse, sür Büsing einzutreten.

' Es war also die Gelegenheit gegeben, auf eine durch-
is einwandsfreie liberale Persönlichkeit das gesamte
irgerliche Lager und die Ordnungsparteien mit ihren
. timmen zu der Hauptwnhl gegenüber der Sozialdemo-
rtie zum Siege zu verhelfen, Dieser Dorschlag ist von
r Freisinnigen Vereinigung bedauerlicher Weise schroff
rückgewiesen worden.

Wenn der Wahlfeldzug 'der bürgerlichen Parteien jetzt
ttlorsn gehen sollte, sc trifft einzig und allein die Schuld
d Derantwortlichkeit die Freisinnige Vereinigung, die in
' . er kurzsichtigen Politik Anstoß daran nahm, einen Mann !
- e Büsing als liberalen Kandidatm anzuerkennen und s
si einem Kandidaten ihrer spezifisch freisinnigen Fär-
ng beharrt,, obwohl sie damit rechnen muß, daß Herr
hrader in der Stichwahl schwerlich die Stimmen des
lndss und der Konservativen erhält und somit der Kreis
die Sozialdemokraten verloren geht. Auch dib selbst-
ständliche Hilse der Nationalliberalen, salls Schrader
rklich zur Stichwahl gelangt, Wird dieses Schicksal
' - am abzuwenden vermögen.

Oesterreich-Ungarn nnd die Papstwnhl.

Die „Germania" bestätigt, daß im ersten Wahl-
nge Rampolla 24, Gotti 17, Sarto 5 Stimmen erhiel-
Dke folgenden Wahlgänge .ergaben: Rampolla 29,
lti 16, Sarto 10 — Rampolla 29, Sarto 21, Gotti 9
Rampolla 30, Sarto 24, Gotti 3 Stimmen. Da trat
^ >lge des Vetos, das nach dieser Abstimmung im
nen O e st e r r s i ch - U n g a r n s gege n Ram -
' lla eingelegt wurde, die Krisis ein. Am folgenden
ne erhielten Sarto 27, Rampolla 24, Gotti 6, dann
sio 35, Rampolla 16, Gotti 7, und bei der siöbenten
timmung Sarto 50, Rampolla 10, Gotti 2 Stimmen.
„Germania" schreibt n^eiter: „Kardinal Rampolla
d bis zum Sonntag Abend an der Spitze der Liste
würde aller Voraussicht nach die zur Zweidrittel-
: rheit noch fehlenden zwölf Stimmen erlangt haben,
n nicht seitens Oesterreichs gegen seine Wahl ein
Aieidender Schritt geschehen wäre. Die Zahl seiner

Anhänger ging infolgedessen von Sonntag Abend bis
Dienstag Morgen von 30 auf sin Drittel dieser Ziffer
znrück.

Derrtsches ReLch.

— Eine A g i t a t i o n s s ch u l e der Zentrums -
partei tritt im September in Frankfurt a. M.
M Leben. Ein Kursus findet nach der „Köln. Volksztg."
jeden ersten Sonntcm im Monat, nachmittags 1—6 Uhr,
statt, und weist etwa folgende Einteilung auf: 1—2 Uhr
Dispositionen von Vorträgen, 2—3 Uhr Reserat und
Diskussion, 3—3^ Uhr Organisation und Agitatilon,
3^2—6 Uhr praktische Veranstaltung einer Volksversamm-
lung unter den Teilnehmern des Knrsus. EröffnMg
durch den Einbemfer. Bureauwahl. Viertelstündiger
Vortrag eines auf der vorhergehenden Versammlung be-
auftragten Herrn nebst Diskussion. Der Unterricht wird
von politisch erfahrenen Herren unentgeltlich erteilt. Nach
dem vorliegenden Plane soll diese Einrichtung auf mög-
lichst a l I e O r t s ch a f t e n der Wahtkreise ausgedchnt,
verallgemeinert, popularisiert und mehr systematisch ge-
ordnet werden.

— Der Handelskamwer in Sonnenberg ist eine War-
nung zugegangen vor den R ussen , die unterwegs
seien, um die d e u t s ch e I n d u st rie zu studieren un'd
die gesamwelten Kenntnifse dann in Rußland zu ver-
werten.

Badcn.

Ä arlsruhe , 13. August. Der „Bad. Bsobachter"
nemit die Vermutung, daß das Triberger Landtags-
mandat für Herrn Wacker reservi-ert werde, grundlos.
Wenn Herr Wacker in einem ihm sicheren Bezirke kan'di-
dierm wolle, dann bleibe er in seisiem alten Bezirke
Ettlingen. Aber ganz abgesehen davon, ob Ettlingen
für das Zentrnm wirklich so bombensicher isl, wie der
„Beob." annimmt, ist es sehr svaglich, ob dije Zentrums-
leute des dortigen Wahlbezirks überhaupt daran denken,
Herrn Wacker das Mandat wieder anzutragen. Schon vor
längerer Zeit ging das Gerücht, die Ettlinger Zentrums-
Vahlmänner hätten Kerrn Wacker ein Mißtrauensvotum
ausgesprochen, das der „Bad. Beob." zu publizieren sich
geweigert hat. Und erst in den lstzten Tagen wurde im
„Badischen Landsmann" ganz offen angefragt, warum
man denn mit der Nominierung des Kandidaten zuwarte,
da doch ein geeigneter Mann gefunden sei. Dies alles
spr^cht nicht gerade dafür, daß der Bezirk Ettlingen sür
Herrn Wacker sicher ist.

KarIsruhe, 13. August. Jn einer zahlreich be-
suchten Versammlung des sozialdemokratischen Vereins
Karlsruhe hielt Redakteur Kotb einen Vortrag, in dem
er die Stärkeverhältnisse der einzelnen Partsien nach den
Ergebnissen der verslossenen Reichstagswahlen beleuchtste
und auf die Ersolge der Sozialdemokratie hinwies, welche
selbst optimistijsch veranlagte Genossen nicht erwartet
hätten. „Wir müssen", meinte Kotb, „übevall ein'dringen,

vor keiner Stells Halt machen." Auch bei der vielbe-
sprochenen Vizepräsidentenfrage handle es
sich darum, die Macht und den Eisifluß der Partei znr
Geltung zu bringen. Was gegen die Besetzung des Vize-
präsidentenpostens durch einen Sozialdemokraten vorge-
bracht werde, sei nicht stichhattig. Die republikani!sche Ge-
sinnung der sozialdemokratischm Vertreter würde ganz
gewiß nicht in die Brüche gehen durch eisnen Besuch bei
Hofe. Man sollte doch mehr Vertrauen in die Fllhrer
setzen, als daß man ihnen zutraue, daß ihr Mannesstolz
und ihre Ueberzeugnng vor Königsthronen ins Wanken
komme. Die Ausführungen Kolbs wurden von der Ver-
sammlung mit großem Beifall .aufgenommen. Jn der
Disknssion wandten sich einige Redner gegen den Stand-
punkt Kolbs, doch wurde schließlich solgende R esolu -
tion mit allen gegen .9 Stimmen angenommen: „Die
heutige stark besuchte Versammlung des sozialdemokrati-
schen Wahlvereins erklärt.si-ch mit den Aussührungen des
,Gen. Kolb, insbesondere mit Bezug auf die Vizepräsiden-
tenfrage sinverstanden." Wir sind neugierig, was dsr
„Vorwärts" den Karlsruher „Ketzern" ins Stammbuch
schreiben wird.

Schmetzingen, 13. August Der „Mannh. Gen.-
Anzeiger" bezeichnet die N-achricht der „Volksstimme", daß
Ratschreiber Reichert als nationallibemler Kandidat
für den Vezirk Schwetzingen aufgestellt sei, als falsch.

Hcffcn.

Mainz, 13. August. Ver gemeldete Ueberf-all auf
die italienischen Arbeiter ist, wie inzwischen
festgestellt worden ist, tatsächlich von ausgesperrten und
nicht wieder eingestellten Mgurern ausgefü-hrt und von
langer Hand vorbereitet worden. Na-chdem zuerst drei
Maurer verhaftet wurden, die jedoch nachweisen konnten,
nischt an dem Ueberfall beteiligt gewesen sein, erfolgten
nnnmehr Verhaftungen in großem Umsantze, darunter
in umliegenden Orten von Mainz und auch iu Wies-
'baden. Die Verhafteten geben zu, die Jtaliener deshalb
geschlagen zu haben, um sie zu zwing >en, von Mainz
abzureisen. Sitz behaupten dagegen, ihre Revolver
seien blind geladen gewesen. Der italienhsche Monsul in
Franksurt wivd seiner Regierung über die Angelegenheit
Berischt erst-atten.

Sachsen.

-— Der Nationale deutsche Reichsverein in Dres -
den nahm gestern einstimmig eine Resolution ,an, wonach
sür Sachsen ein freiheitliches dem früheren sächsischen
Wahtrecht in den Grundzügen gleichwertiges Wahl-
re-cht angestrebt und von der nationallibemlen Partei-
leitung erwartet wir'd, daß sie selbständig in der gedachten
Richtung tätig sein wivd.

Aus der KarrsrNirer i lertung

— Seine Königliche Hoheit der Grohherzog haben
den Ministerialrat Hermann Nebe zum Mitglied des Vcr-
waltungsrats der Gebüudeversicherungsanstalt ernannt.

— Amtsregistrator Friedrich Müller in Adelsheim
wurde als Polizeiaktuar zum Bezirksamt Konstanz versetzt.

Aus der Fraueuwelt.

Veibliche Staatsbeamte in England.
London wird der „Frankf. Ztg." geschriebn: Die Er-
i - gung, welche die in einem B-eruf tätigen Frauen hier
s ' -end der langen Regierungszeit der Königin Viktoria
^ Throne aus vergeblich erwartet-en, wird- ihnen jetzt
- l. König Eduard scheint den Gebrauch einführen
ollen, auch weibliche Staatsbeamt-e aus die Liste der
Ordens-Auszeichnungen zu Bedenkenden zu setzen.
" oorigen 'Jahre erhielt Miß M. C. Smith, die Ober-
eherin des weiblichen Beamtenstabes der Postspar-
den neuen „Jmperial Service-Oirden", und jetzt ist
siei-che Dekoration Miß Annesley Brown zuteil ge-
en, der -Obervorsteherin einer anderen postalischen
> lung. der „Postal Orders", die hier die Stelle von
nweisungen vertreten. Beide Beamtinnen blicken auf
Dienstzeit von fast 30 Jahren zurück. Zu Ansang
' - Kariere waren Frauen nur sehr spärlich im eng-

' i Postdienst vertreten, hente aber zählt der weibtiche
^ tenstab rund 340 000 Köpfe, wovon 1600 auf die
Zparkassen-Abteilung entfallen. Miß M. C. Smith
Niß Annesley Brown gehören zu den bestbesoldeten
N' ' ichen Postbeamtcn, sie beziehen Lst. 600 bezw. Lst.

c also 10 000 bezw. 9000 Mk. jährlich. Doch stehen

die Superintendentinnen der anderen Abtcilungen
si - weit nach ,deren Gehälter sich zwischen 6000 und
Mark bewegen. Nach ihnen rangieren die assistieren-
orsteherinnen mit Gehältern bis zu 6000 Mk., ihnen

solgen die Principal Cterks, die bis zu 3800 Mk. auf-
steig-en, und dann t'ommt das Gros der niederen weib-
lichen Beantten. Auch im medizinischen Stab der Post-
verwaltung befind-en sich Fraucn. Miß Edith Shove er-
hält für ihre Diensts als Postärztin 10 000 Mk. jährli-ch,
Miß MBdgshon ist mit 6000 Mk. besoldet. Die Bejchäf-
tigung von Frauen in der -englischen Postverwaltung
wurde im Jahre 1870 eingesührt. Damals wurde die
Telegmphenverwaltung verstaatlicht, und damit itraten
auch die darin beschästigten Frauen in den Staatsdienst
über, eine kleine Gruppe, die aber schon im nächsten Jahre
1000 Personen umfaßte und heute einen stattlichen Be-
standteil der Postver'waltung bildet. Außer England
gibt es noch 34 Staaten in der Post-Union, die weibliche
Beamte beschäftigen.

Ein anderer Bericht aus London meld-et: Das Ar-
beitsfeld der Frau vergrößert stch in England mit jedem
Tag. Soeben hat die Admiralität von dem Direktor des
Arsenals von Pembrock einen Bericht über die Vorteitc
d-er Verwendung von Frauen in den Bureaus der Zeichner
und in den Möbelwerkstätten gefordert. Falls der Bs-
richt günstig ist, wie man annimmt, wird eine große Zahl
von Tapezierern und Polierern dur-ch Frauen ersetzt wer-
den. Wenn es so weiter geht, wird bald eine Zeit kom-
men, wo man nach neuen Arbeitsgöbieten für die Männer
suchen muß. Man zählt jetzt schon nicht weniger als 44
Berufe, die früher ausschließlich dem starken Geschlecht
vorbehalten waren, in denen die Frau dem M-anne
eine jedes Jahr größere Konkurrenz macht. Wer hätte

wohl geahnt, daß es auch weibliche Schmiede gibt und
daß in einem einzigen Bezirk, Gradley-Heath, mehr als
1000 von ihnen damit beschäftigt sind, Kettenringe zu
schmieden. Erst vor kurzem wurden die Frausn zu der
medizinischen Fakultät zugelassen und- jetzt haben bereits
über ^00 ihr Examen abgelegt; allein in London zählt
man 92 weibtiche Aerzte.

Frauen im G e m e i n d e d i e n st. Für den
städtis-chen Avbeitsnachweis für Dienstboten hat der Stadt-
rat von Wien zehn Beamtinnenstellcn mit einem Jah-
res-Gehalt von 1200 Kronen ausgeschrieben.

Zwei Frauenpromotionen an der Ber-
liner Universität wurden kürzlich in der Aula
unter lebhafter Teilnahme vom Dekan der philosophischen
Fakultät Prof. Max Lenz -vollzogen. Die eine der beiden
neuen weiblichen Doktoren ist Frt. Marie Schuette, eine
in Sidney (Austratien) gebürtige Deutsche; d-ie andere
ist Miß Florence Mary Fitch aus Stratford in Amerika.
Erstere Dame hat den „Schwäbischen Schnitzaltar", letztere
den „Hedonismus bei Lotze und Fechner" zum Gegenstand
ihrer Dissertation gewähtt.

Franen im B i b l i o t h e k s d i e n st. 3 Tamen
sind gegenwärtig in Berlin an der Universitätsbiblio-
thek beschäftigt, Frl. v. Below, Frl. Dreßler und Frl.
Strunck. Die Damen arbeiten dort als Hilfsarbeiterinnen
neben acht männlichen Kollegen.

B a u m e i st e r i n n e n. Einen Versuch machte die
russische Regierung mit der Ausbildnng weiblicher Archi-
tekten. Mt Beginn des HauPttnrsnWU'rden in der St.
 
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