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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203 - 228 (1. September 1903 - 30. September 1903)
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https://doi.org/10.11588/diglit.11499#0525
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Diesstlls, 13. se-teUber ISVZ.

Grstes Blaet.

43. Zshrgns. L13

Minifter Combes in Tregnier.

Z Tregnier, 14. Sept. (Rede des Ministerprä-
ffidenten Combes.) Der Ministerpräsident bemerkt u.
a., das Land erachte die Aera der Eroberungen für beendet,
aber man müsse die Fortdauer des Friedens sichern. Dazu sei
ein nationales Heer nötig, das festgeübte Truppenkörper und
geübte Soldatcn besitze, die eintretendenfalls zu kraftvoller
Offensive befähigt seien. Die Vorschläge des Generals Andrs
in der Borlage betr. die zweijährige Dienstzeit entsprechen die-
sen Anforderungen. Redner verteidigt im Anschluß hieran
den Kriegsminister gegen die von der Opposition wider ihn er-
hobenen Angriffe und geißelt den Feldzug, den die Reaktion
gegen den Finanzminister geführt habe, um eine Entwcrtung
der Staatspapiere herbeizuführen. Er'wendet sich heftig gegcn
die Verweigerung der Steuerzahlung und die Zurückziehung
der Gelder aus den Sparkassen und bestreitet die Behauptung
der Regierungsgegner, daß die Schwankungen im Kurse der
Rentenpapiere durch die Einkommensteuervorlage veranlaßt
seien. Das Ausland bewahre dem französischen Markte scin
volles Vertrauen und der Kredit Frankreichs könne zu seinem
Vorteil den Vergleich mit dem Kredit von Mächten aushalten,
bie sich einer bevorzugten Lage erfreuen. Combes kommt dann
auf den Widerstand gegen das Kongregationsgesetz zu sprechen
und sagt, die Mehrheit der Kammer wcrde das letzte Wort
sprechen. Er bekampft die Behauptung seiner Gegner, daß er
ein Gefangener dieser Mehrheit sei und setzt hinzu, die Mehr-
heit werde nicht auseinandergehen, bis die Reaktion zur völligen
Ohnmncht gebracht sei. Seit den Is^ Jahren, daß dicses Ein-
vernehmen zwischcn der Mehrheit und dem Ministerium be-
stcht, habe die Republik an Größe im Jnnern gewonnen, wo
das Vertrauen in ihre Zukunft gewachsen sei, wie auch nach
außen, von wo sie die Shmpathiebezeugungen der Regierungen
und Völker empfangen habe. Das Bündnis mit Rußland,
schließt der Minister, trägt einen mehr und mehr ausgespro-
chenen Charakter des Vertrauens und der Jntimität. Die
Freundschaft mit Jtalien knüpft sich enger durch gegenseitige
Zeichen aufrichtiger Herzlichkeit. Die Besserung der Beziehun-
gen zu England nimmt zu. Wir sehen jenseits der Grenze
uur lächelnde Gesichter. Der Horizont gehört dem Frieden,
bie Republik wird sich bemühen, ihn zu bewahren. Sie hat
sich von der ersten Stunde an dem edlen Gedanken angeschlos-
sen, die Lösung internationaler Streitigkeiten schiedsgericht-
licher Entscheidung zu übertragen. Der so erreichte Frieden
Wird niemand demütigen. Jch hoffe, wir werden bald das
Morgenrot des allgemeinen Friedens erwachen sehen. (Leb-
hafter Beifall).

Treguier, 14. Sept. Jn seiner Bankettrede
außerte sich Ministerpräsident Combes in folgender Werse
über das Ver'hältnis des Kabinettszu den
SoziaIisten: „Die Opposition hofft vielleicht, daß sie
Die 'ösfentliche Meinung bezüglich meiner Bestrebungen 'be- s
unruhigen würde, indem sie mich als Gefangenen der so- z
Fialistischen Gruppe hinstellt. Aber anstatt irgend einen t
Beweis für diese Behauptung zu liefern, zitiert sie lediglich Z
dsn Namen eines Abgeordneten, Jaures, den sie als den ^
Führer des Ministeriums bezeichnet. Wenn die Opposition -
-glaubt, daß ich die freundschaftlichen Beziehungen, die t
inich mit diesem Manne verbinden, oder die parlamentari- z
fchen Beziehungen, welche mich mit seiner Gruppe verbin- ^
ben, ableugnen werde, dann irrt sie. Jch bewundere übri- E
gens, wie die gesamte Kammer ohne Unterschied dsr Partei, ?
das außerordentliche Talent dieses Abgeordneten und ich f
erkenne seine unleugbare Selbstlofigkeit an. Seine Gruppe !
ist eins der EleMente der Mehrhejt. Jch unterhalte dieselben
herzlichen Beziehungen zu den Mitgliedern dieser Gruppe,

Msine Aekmisi.

— Würzburg, 12. Sept. Vor deni Kriegsgericht
der 4. Division stand heute der Sergeant Georg Guude r-
rnann des 2. Feldart.-Reg. in Würzburg, der zivei Sol-
datsn in der Kniebeuge kommandierte und ihnen eine
Zigarre gab. Beide mußten abwechselnd rauchen und zwar
so, daß immer einer rauchte und der andere ausspuckte.
Ein anderes Vergnügen des Sergeanten war, fünf Fahrer
seiner Batterie mit gefüllten Tränkeimern über einen 11/2
Meter breiten Bach springen zu lassen, worauf sie die
Tränkeimer stemmen mußten. Das Tollste war wohl, daß
Soldaten Kniebeugen machen und dabei nachsprechen
mußten, was ein Kamerad aus der Zeitung vorlas. Einem
Fahrer gab er im Stalle einen Schlag ins Gesicht, daß der
Mund blutete. Tas Gericht verurteilte ihn zu 42 Tagen
Mittelarrest.

— Hamburg, 8. Sept. Ein tragisches Ereig-
nis wird hier viel besprochen. Eine im Vorort Borg-
fedel wohnende angesehene' Familie hat einen 21 Jahre
alten Sohn, der bereits wegen verschiedener Vergehen vor-
bestraft und aus dsm elterlichen Hause verwiesen worden
ist, weil er seinen Eltern bis jetzt nur Kummer bereitet
hat. Am Freitag Abend war der Vater zn einer Geburts-
tagsfeier geladen. Als er auf dem Heimwege gegen Mit-
lernacht eine einsame Stelle passierte, sprangen plötzlich
aus dem Gebüsch zwei Wegelagerer hervor und packten den
Mann unter der Drohung, ihn totzuschlagen, wenn er
nicht seiu Geld hergebc. Der Ueberfallene setzte sich zur

wie zu den Mitglieöern anderer Gruppsn. Jch bin ebenso ^
wenig ihr Gefangener, wie sie meine Gefangenen sind." ^
Vcim Abschied erklärte Combes in einem Privatgespräch, s
daß der heutige Tag sin sehr bedeutungsvoller sei. Die ^
Reaktion in der Vretagne scheine tötlich getroffen zu -
sein. Diese habe kaum einige Scharen von Fischern auf- s
bringcn können, die übrigens gar nicht aus der Gegend s
von Treguier gewesen seisn. Man könne sicher sein, daß i
die Bretagne bald vollständig den Banden der Reaktion
entschlüpfkn werde.

Deutsches Reich.

— Auf Befehl des Kaisers lud der Staatssekretär des
Reichsmarineamtes den Oberbürgermeister
Kirschner von Berlin ein, die am 21. Septsmber in
Danzig stattfindende Taufe des Kreuzers für „Ersatz
Ziethen" vorzunehmen.

BerIin, 14. Sept. Wie man aus Dresden mel-
det, beschloß der dortige national-soziale Verein am
Samstag nach einem Vortrage des Reichstagsabgeordneten
von Gerlach einstimmig den Anschluß an den liberaIen
Wahlverein.

? Hamburg, 14. Sept. Die Generalversamm-
Iung des Vereins für S 0 z i a l P 0 l i t i k ist heute Vor-
mittag durch Professor Schmoller-Berlin hier eröffnet
worden. Als Ehrengäste waren anwesend Bürgermeistsr
Dr. Burchard, Senator Dr. Lappenberg, der Präsident
der Bügerschaft Dr. Engel u. a. Das Präfidium wurde
aus Prof. Schmoller, Staatjsminister a. D. Frhr. v. Ber-
lepsch, Gymnasialdirektor Dc. Thiel und Prof. Philippo-
wich gebildet. Zu Schriftführern wurden gewählt Prof.
Francke-Berlin, Rechtsanwalt Dr. Heckecher, Verlagsbuch--
händler Geisel-Berlin und Rechtsanwalt Dr. Bitter. Bür-
germeister Dr. Burchard begrllßte die Versammlung in län-
gerer Ansprache. Prof. Schmoller dankte namens der
Versammlung. Hierauf referierte Prof. Francke-Berlin s
über „Die Lage der bei der Seeschiffahrt beschäftigten Ar- ^
beiter". Das Korreferat hielt Jnspektor Polis-Hamburg. t
An dieses knüpfte sich eine lebhaftc Erörterung.

Badeu.

K arIs r u h e, 14. Sept. Wie von zuverlässiger Seits l
verlantet. sinden die A b g e 0 r d n e t e n w a h l e n für dis j
Zweite Kammer inder ersten Novemberwoche:
statt. s

Karlsruhe, 14. Sept. Die 'Sitzung des gro- t
ßen L a n d e s a u s s ch u s s e s der N a t i 0 n a I l i b e - i
ralen Partei ist nunmehr definitiv auf Sonntag,
27. Septsmber, vormittags ich12 Uhr, festgesstzt. Den
Vorständen der Bezirksvereine werden noch besondere Ein-
ladimgen zugehen. Am Sonntag vorher, 20. September,
findet eine vorbereitende Sitzung des Engeren Aus-
schusses statt, zn der die Mitglieder ebenfalls noch be-
sonders eingeladen werden.

B«s der KarrWLNhsr sKeitAAg

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben '

Wehre und erkannte beim Schein einer Straßenlaterne zu
seinem Entsetzen in dem einen Straßenräuber soinen
eigenen Sohn. Jnzwischen waren anf seine Hilferufe
auch schon Leute herbeigeeitt; indes entkamen die Ränber
unter dem Schutze der Dunkelheit.

— Jcna, 9. Sept. BeimAbzug derEinqua r-
tierung aus einem Nachbarorte fragte der Hauptmann
seine Leute, ob sie mit ihren Quartieren zufrieden gewesen
seien und ob sie auch Frühstück erhalten hätten. Freudig
bejahend, zeigte auch jeder sein Frühstück, meist recht reich-
lich, vor. Darauf sagte der Hauptmann, der bki dem
reichsten Bauer im Ort logiert hatte: „Da sollt Jhr auch
sehen, was ich erhalten habe," und zisht ein Stück schwarzen
Striezel aus der Tasche. Das dabei lächelnde Gesicht des
Hauptmanns verursachte einen Heiterkeitsausbruch der ge-
samten Kompagnie.

— Hannovcr, 10. Sept. Alles w i r d teurer!
Um dem nächtlichen Unfug in den Straßen zu steuern,
hat die Polizei in letzter Zeit strengere Maßregeln ge-
troffen. So wird z. B. auch bem lauten Johlen und
Pfeifen jetzt mehr Jnteresse gewidmet. Früher zahlte man
wohl sür eine derartige „überlaute Unterhaltung" zwei bis
drei Mark, für Ruhestörungen fünf Mark. Jetzt ist auch
hier ein Preisaufschlag eingetreten. Die Polizet bestraft
diese Vergehen jetzt mit 20 bis 30 Mark.

— Lmpzig, 11. Sept. Auf das Grab des hiesigen
Rechtsanwalts und Notars Hagemann hat der
Kaiser, wie die Blätter melden, wahrend seines Aufent-
halts in Leipzig am 5. September durch seinen Flügel-

dem Lehramtspraktikanten Friedrich Berger aus Straßburg
unter Ernennung desselben zum Professor eine etatmäßige
Profcssorenstelle an der Höheren Mädchenschule in Karlsruhe
übertragen.

Auslarrd.

Oestcrreich-Ungarn.

X Wicn, 14. Sept. Der n i e d e r ö st er r e i ch i s ch e
Landtag nahm einstimmig den Antrag Lueger an, die
Regierung dringend zu ersuchen, von der Heeresöerwal-
tung die sofortige Aufhebung der Verordnung betr. die
Zurückbehaltung des 3. Jahrganges zu verlangen, even-
tuell die sofortige Einberufung des Reichsrats zu veran-
lassen. Fm Laufe der Debatte erklärte 'der Statthalter,
die Angelegenheit gehöre zum ausschließlichen Wirkungs-
kreis der Reichsvertretung. Der Landtag sei daher hierzu
nicht kompetent. Die Regierung sei sich im ganzen Um-
fange ihrer Verantwortlichkeit bewußt. Die getroffenen
Maßnahmen beruhten auf schwerwiegenden Politischen Er-
wägungen. Die Regierung sei bestrebt, schon jetzt die
augenblicklichen Nachteile wet'tzumachen, und werde keinen
Anstand nehmen, etwaige zulässige weitere Erleichterungen
eintreten zu lassen.

Türkei.

ck Konstantinopel, 14. Sept. Die gemeldete Kundge-
bung der „Dette Publique" über die Unification resp. über
den Septembercoupon ist auf Pariser Anregung momentan
auf einigen auswärtigen Plätzen suspendiert worden. Die
Snspendierung steht im Zusammenhang mit der Mei-
nungsverschiedenheit, die mit der Psorte über die Höhe
des Septembercoupons besteht, weil bas Unificationsirade
nur bedingungsweise, nämlich in der Voraussetzung er-
lassen ist, daß im Falle Ler Unisication die Zahlung eines
Achtelprozents für den Septembertermin unterbleibt. Die
„Dette Pnblique" ist jedoch anderer Meinung und bie An-
gelegenheit daher noch in der Schwebe.

Spanien.

Madrid, 13. Sept. Der Ministerrat beschloß,
der Kammer Gesetzentwürfe vorzulegen betreffend die Um-
gestaltung des Budgets, die Verbesserung des Geldver-
kehrs durch die freie Goldprägung, die Besteuerung des
Alkohols und die Schuldentilgung für die Kolonien.

Serbicn.

— Aus BeIgrad wird der „Ncnen Freien Presse"
unterm 11. September gcmeldet: König Peter hat
unmiKelbar nach seiner Thronbesteigung eine AnIeihe
zu kontrahieren versucht, da der König erwiesenermaßen
sein ganzes früheres Vermögen in der Agitati 0 n
gegen die Dynastie Obren 0 wits ch zugesetzt hat
und seit Jahren von einer karg bemessenen russischen Apa-
nage lebte. Anfangs war man bestrebt, ein Darlehen von
5 Millionen aufzutreiben, doch erklärte stch hierzu niemanh
bereit. Endlich gelang es den Vemühungen des Direktors
der Ottomanbank in Paris, Naville, eine unter Führnng
der Ottomanbank stehende serbische Gläubigergruppe
zur Gewäbrung eines Anlehens von einer Million zu be-
wegen, welche, mit 3 Prozent verzinst, in monatlichen Ra-

adjutantöN' Oberstleutnant v. Plüskow einen Kranz legen
lassen; der Kaiser ehrte dadurch das Andenken eines Jagd-
genossen, der wegen seines Witzes allgemein beliebt war.
Als der Kaiser einmal mit Hagemann Jagdgast beim
Amtsrat v. Dietze-Barby war, wurde abends Skat gespielt
und Hagemann verlor gegen 20 Mark. Dieses „Pech"
verdroß ihn so, daß er die Aeußerung hinwarf: „Hier
ist man ja wahrhaftig unter die Rüuber geraten!" Alles
lachte, der Kaiser auch. Ein Jahr darauf überreichte er
nach der Jagd beim Amtsrat v. Dietze Hagemann ein in
Brillanten gefaßtes 20-Marktstück in Form einer Busen-
nadel und sagte dabei lächelnd: „Won den Räubern zu-
rück!"

— Constanza, 13. Sept. Gegen 1y Uhr vormittags
wurde ein leichtes Erdbeben verspürt. Die Dauer
betrug ungefähr eine Minute. Es ist kein Schaden ent-
standen.

— Paris, 13. Sept. Dem „Petit Journal" wird aus
Calais von einer außergewöhnlichen Rcise im Lnft-
schiff berichtet, an der der belgische Lustschiffer Goosens
und ein deutscher Graf teilnahmsn. Sie seien am Don-
nsrstag in Berlin .aufge'stiegen, hätten Holland, Belgien
und Nordfrankreich passiert und, nachdem sie nahe an
Paris vorbeigekommen seien, Sables d'OIonne erreicht.
Jn Jersey seien sie während Les Sturmes wieder aufge-
stiegen und schließlich 6 Kilometer von Calais entsernt
gelan'det. Das Luftschiff sei vom Winde fortgerissen und
die Jnsassen leicht verletzt worden.

— Bnkarest, 13. Sept. !Hier und in der Uingebung
 
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