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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 (2. April 1904 - 30. April 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14240#0756
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säule zu gelangen, ist deshalb für die nächsten Wvchen erfor-
derlich, von der Hirschgasse aus den sogen. oberen Philosophen-
tveg zu wählen. Vom Neuenheimer Stadtteil aus kann man
Lber den Mönchhofspfad nach der Msmarcksäule gelangen oder
tm untersten Teil des Philosophenweges abbiegend über
den lSchweizerweg.

X Rudergesellschaft Heidelberg. Dem Jahresbericht für
1903 cntnehmen wir, dah das S. Vereinsfahr eines der arbeits-
reichsten, indessen aber auch eines der erfolgreichsten Jahre
feit dem Bestehen der Gesellschaft gewesen ist. Mit den
aus 9 Ruderern bestehenden Rennmannschaften beteiligte sich
die Gesellschaft bei 4 Regatten, an zusammen 8 Rennen und
hatte dabei die Freude, ihre Mannschaften viermal als Erste
durchs Ziel gehen zu sehen, während sie in weiteren zwei
Rennen als Zweite ankamen. Außer diesen Regatten betei-
ligte sie sich mit dem Heidelberg College an einem frei ver-
einbarten Viererrennen, das mit einem Sieg der Engländer
endete. Mit grohem Eifer wurde auch das Vergnügungs-
rudern betrieben. Das Boothaus wurde an 194 Tagen von
44 aktiven und 3 passiven Mitgliedern besucht, die 843 Fahrten,
dieselbe Anzahl wie im vorigen Jahre, ausführten. Die Ge-
sellschaft besitzt 11 Fahrzeuge (1 Achter, 5 Vierer, 2 Zweier
und V Einer) und eine Rudermafchine. Das Material und
die Boote befinden sich in einem guten, vollständig brauchbaren
Zustande. Die Verwaltung und Geschäftsführung erforderte
1 ordentliche Hauptversammlung und 27 Borstandssitzungen.
Die Mitgliederzahl betrug Endc Dezember 59 ausübende und
133 unterstützende, zusammen l92 Mitglieder. Es ist eine
Zunahme von 19 Mitgliedern zu verzeichnen. Am Sonntag,
11. Oktober, wurde der Ruderbetricb nach döm neuen Heim
verlegt und hierbei alle Boote vom alten ins neue Boothaus
gerudert. Jn der Vermögenslage ist ein wesentlicher Fort-
schritt festzustellen.

Der Verein fur Nationalstenographie hielt verflossenen
Freitag seine Jahresversammlung ab. Die Mit-
gliederzahl, die im Januar 1903 102 betrug, ist durch 75
Eintritte und 72 Austritte auf 105 angewachsen. Jm Laufe
des Vereinsjahres wurden von 3 Lehrern in 11 Anfänger-
kursen 131 Personen, darunter 45 Damen, unterrichtet. Die
Hauptaufgabe des Vereins, die Fort- und Ausbildung der
Mitglieder im Stenographieren, wurde durch drei Unterrichts-
leiter in 3 Fortbildungsabteilungen bewerkstelligt. Es wur-
den 142 Fortbildungsstunden mit im ganzen 2225 Besuchern
abgehalten. Bei einem Wettschreiben, das der Verein für
seine Mitglieder veranstaltete, konnten an 68 Mitglieder
Diplome verteilt werden und bei einem solchen in Kolmar
wurden die drei höchsten Preisc durch Mitglieder des Heidel-
berger Vereins errungen. (Hugo Beller, Friedrich Steuer-
wald, Frl. Anna Hugle). Jm Auftrage von Privatpersonen
und Zeitungen wurden durch Vereinsmitglieder 26 größere
Stenogramme angefertigt, die im Druck erschienen sind: 2 Ge-
richtsverhandlungen, 4 Versammlungsverhandlungen, 19 aka-
demische Borträge nnd die Begrützungsreden bei der Centenar-
feier der Universität. Aus dieser praktischen Seite der Vereins-
tätigkeit kann geschlossen werden, in welcher Weise der Verein
seiner eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden versteht. Der
Kassenumfatz für 1903 beträgt 2524 Mk. — Zum 1. Vor-
fitzendcn wurde Herr Reallehrer Götz wiedergewählt.

X Berein gege» Haus- und Straßenbettel. Jm Mvnat
März wurden 1040 Personen unterstützt.

Mannheim, 11. April. (Der Rheinhafen ist nun
definitiv in den Besitz des badischen Staates übergegangen.
Dieser Tage wurde der Vertrag zwischen der Rheinaugesellschaft
und der General-Direktion der badischen Staatseisenbahnen
unterzeichnet, wonach letztere den Hafen und den Betrieb
übernehmen.

-p Wald-Michelbach, 10. April. (D i e Totschlags-
affäre.) Der wegen des ermordeten lSchwöbel in Affolter-
bach hier inhaftierte Reinhard von der Tromm wurde gestern
gelegentlich des zur Zeit hier tagenden Militär-Ersatzgeschäfts
ebenfalls erstmals ausgemnstert. Unter Gendarmeriebegleitung
tvurde er zum Musterungs-Lokal geführt und, nachdem er als
tauglich befunden worden war, wieder in sicheren Gewahrsam
zurückgebracht. Er wird nächste Woche nach Darmstadt über-
geführt, um daselbst abgeurteilt M werden.

— Osterburken, 10. April. (I ag dp re i s e.) Bei Ver-
pachtung unserer Fagd wurden 2470 Mk. erzielt. Seithcr
kostete dieseftu 900 Mark.

X Donaueschingen, 10. April. (Die Landesbienen-
zuchtausstellung) für Baden findet hier vom 6. bis
8. August statt. Damit wird die Hauptversammlung des Lan-
desbienenzuchtvereins verbunden. — Die Stadt hat in dan-
kenswerter Weise den ausstellenden Jmkern und Desuchern die
fchönen Räume der Festhalle und deren Aulagen zur Verfü-
gung gestcllt.

— Lörrach, 9. April. (Mi t dem Neubau des Lör-
racher Bahnhofs) soll, wenn der Ausgabeposten durch
den Landtag genehmigt ist, bcreits im kommenden Sommer
begonnen werden.

Theater- und Kunftnachrichten.

Großh. Hoftheater in Karlsruhe. (Wochen - Spiel-
plan.) Dienstag, 12. April, abends 7 Uhr: „Heimat".
Donnerstag, 14. April, abends 7 Uhr: „Minna von Barn-
helm". Freitag, 15., 7 Uhr: „Die Entführung aus dem Se-
rail". Samswg 16., 7 Uhr: „Rosmersholm". Sonntag 17.,

1-H7 Uhr: „Undtne". Jm Theater in Baden: Mittwoch 13.,
147 Uhr: „Die Entführung aus dcm Serail".

Großh. Bad. Hof- und Nationaltheater in Mannheim.
(Wochen - Spielplan.) Dienstag, 12. April, abends
7 Uhr, Volksvorstellung: „Rosennwntag". Mittwoch, 13. April,
abends 7 Uhr: „Rheingold". Donnerstag, 14. AprU, abends
halb 7 Uhr: „Walküre". Freitag, 16. April, abends 7 Uhr:
„Uriel Acosta". Sonntag, 17. April, abends halb 7 Uhr:
„Ter Pfeiffer von Hardt". Jm neuen Theater: Frei-
tag, 15. April, abends 8 Uhr: „Bruder Straubinzer". Sonn-
tag, 17. April, abends halb 8 Uhr: Madame T.".

Großh. Hoftheater in Darmstadt. (Wochen - Spiel-
plan.) Donnerstag, 14. April, abends 7 Uhr: Zum ersten
Male: „Liebesmanöver". Freitag, 15. April, äbends 7 Uhr:
„Alt-Hetdelberg". Samstag, 16. April, abends 7 Uhr: „Wal-
lenstein's Tod". Sonntag, 17. April, abends 6 Uhr: Neu ein-
studiert: „Der Prophet".

Frankfurter Schauspielhaus. (W oche n s p ie l p l a n.)
Mittwoch den 13. April, abends 7 Uhr: „Rose Bernd"; Don-
nerstag den 14. April, abends 148 Uhr: „Zapfenstreich";
Freitag den 15. April, abends 7 Uhr: „Fedora"; Samstag
den 16. April, abends 7 Uhr: „Rose Bernd"; Sonntag den
17. April, rmchmittags 314 Uhr: „Liebesmanöver", abends
7 Uhr: „Rose Bernd"; Montag den 17. April, abends 7 Uhr:
„Novella d'Andrea".

Frankfurter Opernhaus. (W o ch e n s p i e l p l a n.) Mitt-
woch den 13. ApriT', abends 7 Uhr: „Zar und Zimmerman-n";
Donnerstag den 14. April, abends 7 Uhr: „Josef und sein»
Brüder"; Freitag den 15. April, äbends 7 Uhr: „Martha"
oder „Der Markt zu Richmond"; Samstag den 16. April,
abends 7 Uhr: „Carmen"; Sonntag den 17. April, abends
7 Uhr: „Der Barbier von Sevilla", hieranf: „Phantafien im
Bremer Ratskeller"; Montag den 18. April, abends 148 Uhr:
„Orpheus in der Unterwelt".

Kleine Zeitung.

— München, 9. April. Als Verlobte smd vom Stan-
desamte anfgeboten: der Redakteur Herr Dr. Ludwig
Munzinger hier mit der Hoftheaterinspizimtenstochter
Fräulein Marie Koppenhöfer hier-

— Haffclfelde, 7. April. (E i n t e u r e r T r a u m.)
Ein „Traum" bildete die Veranlassung zu einer Ge-
richtsverhandlung, welche sich kürzlich vor dem Schöffen-
gericht abspielte- Jm verflossenen Winter wurden in
mehreren unbewohnten Villen hier Einbruchsdiehstähle
verübt, ohne daß es gelang, der Täter habhaft zu werden.
Nun träumte eines Nachts dem Dienstmann T., daß er
den Bauunternehmer B. und den Fuhrherrn W. bei
einem der Einbrüche auf frischer Tat ertappt hätte, und
er konnte es sich nicht versagen, von seinem Traum auch
Bekannten Mitteilung zu machen. Die Verdächtigen,
denen das Gerücht zu Ohren kam, stellten Strafantrag
gegen T. wegen Beleidigung, und die Folge war, daß T.
15 Mk- Geldstrafe an die Armenkasse zu zahlen und
außerdem sämtliche, infolge des aufgebotenen Zeugen-
apparates recht beträchtliche Kosten zu tragen hatte.

—- Reichenbcrg (Böhmen), 10. April. Der kürzlich
in Frankfurt a- M. verstorbene Großindustrielle Heinrich
Frhr. von Liebig hat seiner Vaterstadt Reichenberg
ein Vermächtnis von 6 Millionen Kronen hin-
terIassen, darunter seine Mlla in Frankfurt a. M.,
die Aussichtswarte Hohenhabsburg, eine Waldvilla bei
Reichenberg und seine Gemäldesammlung im Werte von
einer Mllion Kronm.

— London, 9. April. Jw dem bekannten englischen
Badeort Folkestone wurde gestern ein bisher vollkom-
men unbegreiflichesVerbrechen von einem
jungen deutschen Studenten ausgeführt, der dort als
Badegast weilte. Der junge Mann, August Menn mit
Namen, ging am Strande spazieren, als er plötzlich einen
geladenen Revolver aus der Tasche zog und auf einen ;
jungen Engländer namens Selfield schoß, der mit einem
Freunde ebenfalls spazieren ging- Selfield brach sosort
schwer in den Rücken getrofsen zusammen und wurde in
das nächste Krankenhaus gebracht, wo er bald darauf
seiner Verwundung erlag. Menn wurde sofort verhaftet,
und als er auf der Poltzeistation des Mordes angeklagt
wurde, entgegnete er nur: „Sie kennen ja die Umstände
nicht". Weiter konnten die Behörden bisher nichts aus
ihm herausbringen. Man nimmt an, daß Menn in einem
Anfall von Wahnsinn die gransige Tat vollbrachte, da
keinerlei Anlaß und kein Motiv zu der Tat entdeckt wer-
den kann. Der Freund Selfields erklärte, den Atten-
täter noch niemals in seinem Leben gesehen zu haben.

Es heißt, daß Menn ein Student der Jurisprudenz ivar
und sich letzthin mit der Abfassung einer Arbeit über
Strafgesetze und Verbrechen beschäftigt habe- Man faüd
bei ihm bares Geld in der Höhe von über vier Pfund
Sterling vor. Me Verhandlung wurde auf acht Tage
vertagt. : ^

— Eine Heiratsofferte von der Kanzel herab!
Newyork wird berichtet: Merkwürdige Bemühungeü<
eine Fran zu finden,^hat der Milltonär James SneÜ,
der eine große Ranch" in Nebraska besitzt, gemacht. Jame^
Snell hatte lange Jahre in weltentlegenen Gegendett
zugebracht und dort nur wenig Gelegenheit gehabft
Frauen kennen zu lernen. Unter diesen Umständen ist
es natürlich auch für einen Millionär nicht ganz leicht'
eine Jrau zu finden- Schließlich wandte stch der heirats"
lustige Millionär an einen Geistlichen in Omaha, deN
Rev. Dr. Savidge, mit der inständigen Bitte, ihm e'w
gutes, verständiges, christliches Weib zu suchen. Dr-
Savidge war zuerst über diese Mtte etwas verblüfft, aber
da er sah, daß es dem Millionär Ernst damit sei, versprach-
er ihm zu helfen. Am Sonntag darauf predigte er über
den Ehestand und erwähnte nebenbei die Mtte des Mst'
lionärs- Die Nachricht wurde nach allen Gegenden der
Vereinigten Staaten telegraphiert, und viele Zeitungeü
druckten die Geschichte. Nach 24 Stunden kamen hundertö
von Briefen von Frauen, die die Ranch, das Bankkonto
und die großen Viehherden des Millionärs lockten. Div
Post der ersten Woche brachte Bewerbungen von 407
Blondinen, 363 Brünetten, 217 geschiedenen Frauen und
137 alten Jungfern aus New-England. Einige zwanziS
Heiratsagenturen schickten ihre Vertreter zu Snell und
ließen um seine Kundschaft bitten. Es treffen noch jetzt
täglich etwa 150 Briefe ein. Der vielumworbene Bftst
ttonär hat indessen noch keine Entscheidung gettoffev-
Auf Dr. Savidge aber hat der Erfolg, den seine Predigt
hatte, einen so starken Eindruck gemacht, daß er ernsttiÄ
den Plan erwägt, ein Heiratsbureau für christliche Mäm
ner und Frauen zu begründen.

— Der Typhus greist in Madrid bedenklich um sich-
Die Spitäler sind überfüllt. Zahlreiche Personen sind
bereits gestorben, darunter viele Schüler der Waisem
anftalten. Jm Zentralhospital sind 19 Krankenschwestern,
14 Wärter und 2 Hilfsärzte erkrankt.

— Einc ungcwöhnliche Art der Publiftttion cines Ilr"
teils ist dieser Tage von einer Abteilung des Berlinec
Schöffengerichts ausgewählt worden. Es handelte sich
um einen Milchhändler, der wegen Verkaufs von Milch
mit zu großem Wassergehalt zu 75 Mk. Geldstrafe oer-
urteilt worden war. Das Gericht erkannte gleichzeitig
auf Miblikation des llrteilstenors und ordnete an, daß
das Urteil auf einem zwei Quadratfuß großen^ Plakat
an den der Verkaufsstätte zunächst belegenen Anschlags"
säulm bekannt gegeben werden soll-

Literarisches.

—* Protokoll der Verhandlungen des ersten Allgemeine»
Heimarveiterschutz-Kongresses. Abgehalten zu Berlin im
werkschaftshaus am 7. bis 9. März 1904. Verlag der
neralkormniffion der Gewerkschaften Deutschlands (C. Legien),
Berltn 80. 16. Das Protokoll bringt ven grötzten Teil der
Ausführungen der Referenten und Diskuffionsrebner wörtlicv-
Es bietet somit nicht nur ein getreues Bild der Verhand-
lungcn, sondcrn auch ein gcwichtiges Material znr ErörterunS
der dringenden Frage der gesetzlichen Regelung der Heimarbeit-
Seine Lektüre ist deshalb Allen, die nur einiges Jnteresst
diescr Angclcgcnhcit, dic für dic gcsundc Fortentwicklung dec
Gesamtbevölkerung von ungeheurer Bedeutung ist, entgegenc
bringen, und Allen, die bereit sind, die Hand zn bieten, sws
eine im ttefsten Elend dahinvegetierende Bevölkerungsfchick^
empor zu heben, dringend zu cmpfehlen. Die l4^8ogen stafte
Schrist kostet 60 Pfg. pro Exemplar. Einzelexemplare siod
durch den Bnchhandel zu beziehen. " __

Vcrantwortlich für den redaktionellen Teil F. Montua, sür

dcn Jnseratenteil Th. Berkenbusch, beide in Heidelberg-

Amtliche Fremdenliste.

der

Stadt Hsidelberg.

Verzeichnis der am 11. April angekommenen Fremden.

HvtelS.

Baverischer Hof. Thomas jr„ Kfm., Höchst. Goldner,
Bauführer, Saarbrücken. Jefsen, Afm., Hornbach. Folsing-

„So setzen Sic sich doch!" rief Frau Carsten wieder,
macht mich nervös, wenn Sic mit einer solchen Armensünder-°
miene dastehen —"

Bertha reckte sich empor; nun brachte sie es auch fertig, d<R
Blick der Künstlerin auszuhalten, und nun stachelte oer vrr-
lehte Stolz auch ihren Mut tvieder auf.

„Sie irren wirklich, gnädige Frau, wenn Sie annchnuw-
datz ich mir irgend cincr Schuld bewutzt sei." Jhre Stinw!
zitterte leise, aber das klang doch schon sehr bestimmt, und st,
sü'hlte mit jedem Wort, wie sie wieder Herrin ihrer stw>
wurde. „Jch bin wirklich gckommen, von Olaf, von Fhnen uv
von mir zu sprechen, gewiß; aber ich darf Jhnen dabei ste
ins Auge sehen —"

„Von Olaf alfo!" fiel 'Frau Carstenn ihr ins Sott-
„schlechtweg von „Olaf" und nicht von „Herrn Johanfen -
den Sie, Ivenn ich mich recht erinnere, stets nur mit einer U
heiliger Schcu zu nennen wagten! — Das könnte mir eigeNt
lich fchon genügen; aber Sie haüen mich nengierig gema^j
nnd nun darf ich Sie wohl auch bitten, alles zu sagen.
Also?"

„Sie haben zu 'wiffen verlangt, wenn Olaf —"

„Herr Johanfen!" warf Fran Carstenn ein. , ^

„— wenn Olaf", fuhr Bertha unbeirrt fort, „mir
„von ungefähr begegne" — und ich habe vcrsprochcn, -
das zu sagen. Begegnet ist mir Olaf seitdem nicht, abcr er h
uns oft — schr oft besucht."

„Nun, und weiter?"

„Weiter?" Bertha holte ttef Atem. „Jch habe mich gtttor
Abend mit Olaf verlobt." »

„AHI" Ein unterdrückter Aufschrei rang sich aus der Dru(
der nnglücklichen Frau empor, und sie preHc mit ciner
len Bewegung beide Hände aufs Herz; so stand sie tvähro
einiger Augenblicke und tastete sich dann, rückwärts gehend- o
einem Dessel, aus deffen Lehne sie sich stützte.

(Fortsetzung folgt.)

hervorragenden Schönheit mit allen Toilettenkünsten zu be-
haupten verstanden habe.

Fran Carstenn empfing Bertha im Schlafzimmer, wo sie
in halb liegender Haltung auf einer Chaifelongue satz; am Bo-
den lagen ein paar Zeitungen zerstreut umher, das Frühstück
neben dem Lager war anscheinend unberührt erkaltet, nnd die
Luft in dem Zimmer, wie auch die Afchen- und Zigarretten-
reste auf dem Frühstückstablct bcwiesen, Äatz die Künstlerin
schon itt frühcr Morgenstunde geraucht hatte. Auch das hatte
ste, soweit Bertha sie kanntc, früher nie getan.

„Ei fieh da!" Frau Carstenu streckte der eintretendcn Ber-
tha eine Hand entgegcn, ohne sich stdoch zu erhcbcn. „Das ist
lieb, daß Sie fich wieder einmal sehen lassen. Das heitzt",
setzte sie schnell hinzu und cin flackcrndcr Blick traf dic Augen
Bcrthas, „das heißt, wenn Sie wirklich das Kind noch sind,
das Sie vor ein paar Wochen nochi waren, und wenn Ivirklich
der Wunsch Sie hertrieb, mich einmal wiederzusehen."

Bertha vermochte den Blick nicht von dem Leidensgesicht
ihrer Gegnerin abznkehren.

„Sie sind krank, gnädige Frau — und ich 'habe nichts da-
von gewutzt —" sazte sie leise.

„Krank? Du lieber Gott, nein; krank, was man so krank
nennt, — das bin ich nicht; ein tvenig müde und nervös, ich
schlafe nicht gut und das 'Effen schmeckt mir nicht; aber krank

bin ich doch nicht.-Dafür sehen Sie um fo beffer aus, wie

ich sche. Und Jhr Grotzvater? Wie geht es ihm? Jst er wie-
dcr gcfund? Und wollen Sie wieder zu mir herauÄommen?"
Sie fragte das allcs in nervöser Hast nnd erhob sich nnn, ohne
eine Antwort auf ihre Fragen abzuwarten. „Da habe ich eben
Lie Reklamc für Olafs Oper gelesen — in allen Zeitungcn
üasfellbe; das war meinc Morgenlektüre, gestern und heute,
und nun bin ich beinahe übcrzeugt, datz dic Oper gut ist.
Frühcr, als Olaf noch zu mir kam und mir gclegentlich das
eine nnd anderc vorspielte, meinte ich zwar auch, datz sie —-
don ein paar Anklängen abgeschcn — gut sci; aber nun ist
mir die Sache doch so schnell entfallen -— so schnell, und wenn

mir tvirklich einmal eine Melodie durch den Kopf schwirrt, von
der ich meinte, datz sie aus dcr Oper sei, dann fällt mir meist
auch ein, datz sie aus eincm andereu Werk stammt, das Olaf
nicht geschrieöen hat — mein Gott, unsereincr mutz ja so viel
Zeug vcrdaucn, datz man wirklich kaum noch auseinandcrhal-
ten kann, was man in sich aufgcnommen und was eincm etwa
ein schöpferischer Augenblick geschenkl hat. Aber jetzt habe ich
meine müde Ueberzeugung an dem Zeuge da —" sie stietz die
Zeitungen mit dem Futze fott — „gebührend aufgefrischt und

denke-Habcn Sie die Geschichte auch gelesen?" unter-

brach sie sich selbst.

„Nein!" -Bertha stand in peinlichster Berlegenheit da; das
'Geschwätz schnitt ihr ins Herz, und sie fühlte dabei ihren Mut
ganz erheblich sinken.

„Das ist schade", bezann Frau Carstenn wieder, während
sie schnell anf und nieder ging; „das müffen Sie nachholen,
damit 'Sie die Oper auch verstehen, wenn Ne sie heute hören
— Sie werden sie doch hören?"

„Jch kann nicht, gnädigc Frau, wie gcrne ich auch immer
möchte. Mein Grotzvater ist noch immer krank."

„Ah — noch immcr krank?" Ste sah Bettha dnrchdringend
an. „Einen Augenblick, da ist etwas, was ich überlegen muß!"
Frau Carstenn bedeckte das Gesicht mit den Händen, als wollte
sie sich gegen die Auhenwelt abschliehen, nnd so stand sie ein
paar Angenblicke unbewcglich; dann zog sie die Händc langsam
ab und warf Bertha einen harten, fragcnden Blick zu. „Da
Jhr Großvater krank ist, braucht er fie vermutlich notwendiger
als ich. Warum kameu Sie doch zu mir?"

Die dirckte Frage verwirrte Bertha noch mehr; mit einer
Ausflucht zu antworten, das widerstrebte ihr, und doch war
sie nnn garnicht vorbereitet, die volle Wahrheit zu fazcn.

„Jch habe ein Vcrsprechen einlösen wollen", antwortcte sie
cndlich, ohne Frau Carstenn dabei anzuschcn.

„Ein Vcrsprechcn? — Abcr, verzeihcn Sic, ich vergah
ganz —I Sctzen Sie sich —!"

Bertha blicb unbeweglich stehen.
 
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