Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung (60) — 1918 (Juli bis Dezember)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55371#0754
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Seite 6

Heidelberger Zeitung

Samstag den 30. November 1918

Fernsprecher Nr. 82 und 182

Nr. 281

Neues aus aller Welt
Das Vermögen des Kaisers
Der frühere Kaiser hat durch Beschluß
der revolutionären Regierung das preußische
Kronfideikommißvermögen verloren, dagegen
alles in seinem und seiner Familie Sonderei-
gentum stehende Vermögen behalten. Es wird
nicht leicht sein, die beiden großen Vermögens-
gebiete reinlich zu scheiden. Das preußische
Finanzministerium, dem künftig — an Stelle
des Hausministeriums— die Verwaltung des
Kronfideikommißfonds obliegt, wird manche
staatsrechtliche Nuß zu knacken und manchen
Zivilprozeß auszufechten haben. Im allgemei-
nen kann grundlegend festgestellt werden, daß
von den 90 Herrschaften, Rittergütern, Pacht-
gütern und Waldherrschaften der ehemaligen
preußischen Krone nur 7 wirkliche Krongüter
sind, also zum Kronfideikommißvermögen ge-
hören. 81 bleiben Sondereigentum des Kai-
sers. Von diesen 83 Gütern sind die meisten
mit den bekannten kaiserlichen Schlössern ver-
bunden. Das Königsschloß in Berlin, zu dem
ein Gut nicht gehört, ist ein Krongut, dagegen
sind die beiden anderen Schlösser, nämlich das
Schloß Bellevue und das. Schloß Monbijou
Privateigentum des Kaisers. In Potsdam
sind 13 Paläste Privateigentum des Kaisers
mit dem ganzen dazugehörigen Grundbesitz.
Hannover hat ein Residenzschloß, das aber nicht
Privateigentum des Kaisers ist. Ebensowenig
wie das Stadtschloß in Stettin und das Stadt-
schloß in Kassel. Dagegen sind die Schlösser
WilhelmshöhZ und die Löwenburg wohl dem
Kaiser- persönlich zugehörig. Er hat ferner
Privateigentum noch in Breslau (das Schloß
am Exerzierplatz), in Charlottenburg, in Wies-
baden, Freienwalde a. O. in Königsberg, in
Celle, in Straßburg i. E., in Königswuster-
>en, in Osnabrück, in Trouville, in -Ro-
>, in Schönhausen bei Berlin, in Schwedt
n Homburg v. d. H., Oliva, Koblenz,
ser-i.. gehören ihm noch mehrere Jagdschlösser,
das Jagdschloß Hubertusstock, das Jagdschloß
Göhrde, das Jagdschloß Rammten, das Jagd-
schloß Springe, das Jagdschloß Mehlingen
und Georgsgarten. Ebenso ist das Schloß
^Benrath Privateigentum des Kaisers, auch
Cadinen und das Schloß zu Brühl. Das heu-
tige bare Vermögen des Kaisers wird auf 20
Millionen Mark geschätzt, der Zinsenertrag
daraus auf 900 000 Mark.

Die Spionin des Grafen Bernstorff.
Vor dem Obersten Landwehrgerichtshof in Wien
steht die Berufsverhandlung gegen die 28
jährige amerikanische Sprachlehrerin Milada
Jarouschek an, die im Juli dieses Jahres
vor einem Senat des LandwehrdivisionSgerichtes
wegen Verbrechens wider die Kriegsmacht des
Staates angeklagt und zum Tod durch den
Strang verurteilt worden war. Die Ange-
klagte, die amerikanische Staatsbürgerin tsche-
chischer Abstammung ist, war 1917 von Ameri-
ka mit dem Auftrag nach Prag entsendet
worden, für einen Sonderfrieden Oesterreichs mit
der Entente Stimmung zu machen. DieUeber-
fahrt machte sie auf dem Dampfer „Fredrik III.",
auf dem sich auch der damalige deutsche Bot-
schafter Graf Bernstorff befand. Sie war
auch beauftragt, während der Ueberfahrt die
Gespräche des deutschen Botschafters zu belau-
schen. Nach dem militärischen Gutachten war
die Propaganda für einen Sonderfrieden
Oesterreichs mit der Entente geeignet, die
Wehrmacht zu schädigen. In der Verhandlung
war die Angeklagte geständig, erklärte jedoch,
daß sie die einzige Rettung Oesterreichs in
einem Sonderfrieden mit dec Entente erblickt
habe. Der Verteidiger hatte auch unter Be-
weis gestellt, und zwar durch die Einvernahme
des sicheren Ministers des Aeußern Grafen
Czernin, daß ein Sonderfriede Oesterreichs
mit der Entente geplant war. Zu der Ver-
nehmung Czernins kam es jedoch nicht, da der
frühere Kaiser ihn vom Amtsgeheimnis nicht
entbunden hatte. Gegen das Todesurteil wurde
die Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, über die
jetzt der Oberste Landwehrgerichtshof verhan-
delt. Inzwischen wurde die Jarouschek vor
einigen Tagen bereits aus der Haft ent-
lassen gegen das Gelöbnis, daß sie sich bis
zur Entscheidung ihrer Strafsache nicht aus
Wien entfernen werde.
* Kirchenfeinvfchaft. Als am Sonn-
tag Oberhofprediger Dr. Dryander im
Berliner Dom den Gottesdienst abhielt,
unterbrach ihn ein Mann und hielt von der
Empore aus eine Ansprache, die mit den Wor-
ten schloß: „Jesus Christus ist uns Wurst!"
Die Gemeinde stimmte sofort den Choral an
„Eine feste Burg ist unser Gott." Der Ur-
heber der Ausschreitung bekannte sich als den
Gründer einer „Gesellschaft freie Erde", der
den Geistlichen das Recht abstrsitet, in ihrer
Kirche allein und ohne Gegenrede sprechen zu
dürfen.

* Aerzteverluste im Kriege. Nach
einer Zusammenstellung, die in der „Berliner
Aerzte Correspondenz" auf Grund der amtli-
chen Verlustlisten 1—1200 gemacht worden ist,
sind 1086 Aerzte gefallen oder infolge Krank-
heit gestorben.
* Bauernschlauheit. Daß die Grip-
p e auch als eine zur Tugend gewandelte Not
benützt werden kann, zeigt ein Schild, mit dem
viele Lüneburger Heidebauern sich die Hamster
vom Halse halten wollten. Es trägt die In-
schrift: „Hier herrscht die Grippe!"
* Eine peinliche Ueberraschung
erlebte kürzlich eine Familie in Mannheim,
als sie sich mit Verwandten nach der Leichen-
halle begab, um von einer in blühendem Alter
an der Grippe verstorbenen Tochter Abschied
zu nehmen. Das Mädchen war im Allgemei-
neu Krankenhaus gestorben. Die Familie
hatte den ausdrücklichen Wunsch ausgesprochen,
daß die Leiche nicht seziert werde und ein
Sterbehemd und Blumen und Kränze ins
Krankenhaus gebracht. Bei dem Besuch in
der Leichenhalle mußte die FamRv nach dem
Bericht des Mannh. Tagbl. zu ihrer großen
Erregung feststellen, daß trotz dec gegebenen
Zusage die Leiche seziert war und daß sie
obendrein ihres schönen Haares beraubt war.
Statt des leinenen Sterbehemdes war sie in
Papier gehüllt und die Blumen und Kränze
fehlten. Auf eine Beschwerde bei der Direk-
tion des Krankenhauses wurde erwidert, daß
bei dctz: Sektion sowohl wie bei den Blumen,
Kränzen und Bekleidungsstücken eine Ver-
kettung unglücklicher Umstände, Verwechslung
(infolge der großen Zahl von Sterbefällen)
vorlisge; ob auch bei den Haarschneiden, lasse
sich nicht mehr feststellen, der Wärter behaupte,
ec habe ausdrücklich von den Angehörigen den
Auftrag erhalten, die Haare abzuschneiden.-
Der Vorfall hat in Mannheim ziemliche Er-
regung hecvorgerusen.
* Vergangene Herrlichkeiten Aus
Wien berichtet die „Arbeiterztg.": Der Hof-
staat wird aufgelöst. Schon am 16. November
wurden die kaiserlichen Garden verabschiedet.
Damit verschwinden Gestalten aus dem Stra-
ßenbild, dis. schon immer anmuteten wie le-
bendiggebliebene Reste längst vergangener Zei-
ten. Man wird ihnen nicht mehr begegnen,
den himmelhohen kräftigen Männern mit den
langen weißen Mänteln und der unnahbaren
stolzen Haltung, die heute noch als Traban-
tengardisten in den kaiserlichen Gemächern

Dienst machen. Einen Dienst, der eigentlich
nichts ist und war als strammster militärisch^
Müßiggang. Während draußen" an der Frow
Millionen und Millionen verbluteten, stand
Gardist' gesund und wohlgenährt auf dem spie-
gelblanken Fußboden eines kaiserlichen Gemache-
angetan mit schneeweißer Lederhose, scharlaK'
rotem Maffenrock und silbernem Helm nw
weißem Roßhaarbusch, die altertümliche, kunst'
voll ziselierte Hellebarde im Arme, und be>
wachte irgend ein majestätisches Himmelbeo
oder einen allerhöchsten Samtfauteuil. Se»'
etwas weniger farbenprächtig ausgestattetec
Kamerad von der Leibgarde-Infanterie ü"
schwarzgrünen Kleide, mit schwarzem Rotzhaas'
busch und Ledersäbel, verrichtete einen ähn-''
chen Dienst auf den Stiegen, Gängen und
den Toren kaiserlicher Schlösser. Nicht
als Auslese aus den am schönsten gewachsen^
Unteroffizieren der Armee, sondern auch «7
Anwärter für besser bezahlte Dienststellen
höheren Aemtern war der „Burggendarm"
von gutgestellten Mädchen vielbegehrtes ExeB'
plar des starken Geschlechtes. Auch sein Ab'
schied ist bereits geschrieben, genau so wie d?
des Gardereiters auf langgeschweiftem Schi'"'
mel und des ungarischen Gardisten mit gelbA'
Stiefeln, Kalpak, roter Attila und Pantherftb-
* Der bayersicke Löwe mit der klakobinerinÜ^
ist das Reichen des ersten Geldes, das die
lictionsrenieruna in Bayern am 1. Desembsr bA
ausaeden wind. Es kommen nä-mlüb Mr 60
bayorisscke KriLasnotaeldickeine zu 1. 5. 10 lw"
20 Mark beraus. Di« -lw-anmamaMcksms
den Löwen mit der 9iaköbinermüke.

Joseph Keir Löhne
Osxr. 1867. «ofmäbsiksbrllc llelepk. 7Z6
Hauptstrasse 79. l-ivlckslbsrz llelcs Lienens»-
IVoknunZseinri cktunzen
in einkscker dis feinster ^usklikrunz. .
, . -
^sicislbsi'ssk' Kunstvsrsin
/lnlsZs 7
' Vgglicd xedkknet von 11—1 unck 3—S lldr.
Ssmstsxs nur von 11—1 Okr.
I^ovsmbsi-^usstsIIunß
vsrlLnZsrt dis 4. vsrsmbsf
krof. krikäkied LsIImorgeii-
Eintritt klli- diieiitmitLUeckor 30 ffksnniH
 
Annotationen