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Heidelberger Zeitung (61) — 1919 (Juli bis August)

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Nr. 149-175 (1. Juli 1919 - 31. Juli 1919) ohne Nr. 166
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Freitag, den 11. Iuli 1919

Heidelberger Ieitung — Nr. 138

gentrums-Make gegen die
badischen Demcckraten

Der ..Badische Beobachter" üringt 'in
seiner Nummer 312 vom 3. Juli an leitender
Stelle emen Artikel ,.V o r l ä u f i g e s zur po-
litischen Lage in Bad en". der sich als al-
lerschärffte Kampfansage gegen die Demokraten
darstellt. Der „Beobachter ' bodauert zwar. dre
Fehde eröfsnen zu müssen. aber nach wemgsn
ÄZorten geht er nach bekannter ZentrumÄinanier
gleich massiv gegen den Gegnex vor. in diasem
Falle das K-arlsruher Tagoblatt. das er als offi-
Mses Organ der Dc>utschen domokratischen Partei
bezeichnet. Der Artikel wettert zunächst gogen
die Kritik. die an den Zentrums-Finanzministern
im Reich. in Bayern und in Badon namontlich
von demokratischer Sctite geübt werdc. Er wirft
dem Nodner der Dcmrokrnten 'm Haushalt-Aus-
schitt des Landtags der gsgen die neuon Steuer-
pläne der badischen Negierung gesvrochen hat.
Verschloppungsabsichien vor. findet den Einspruch
des M.annheiiner Allgemeinen Fabrikanten-Ver-
eins, deren Sprecher denr denrokratischein Lager
?§hr nalie ständeir, unerhört und kommt dann zn
solgendenr Schlun:

„So kann in Baden nicht woiter gswirtschastet
wevden. Entwcder sind d.e Denrokraten nrit bei
der Partie und trcrgen dann auch irach auhen ein
Stück Verantwortung, oder aber, sie stellen sich,
mre im Reich. auf die SRte der Opposition und
verzichten aus die Mitarbeit in der Ncgierung.
Die Zwittevstellung, die zur Zeit die D'mokratie
eiirrunshmen beliebt, ist nrit der Rernlichkeit des
'jffeirtlich'n politischen Lebens nicht vertväglich.

Es rst ganz nnverkennbar. da» von Seiten der
Demokraten die Ovvosition gegeu'das Zentrum
von drei Soiten aus organisiert wird. Eininal
will man, wie schon gesagt, die Steuerpolitik dex
Eesamtregkerun-g diskreditieren und dic Fr-
nnnzminister, die yus dsn Kreisen des Zentrums
bevvorgegangen srnd, der Oesfentlchkeit gegenübe:
möglich'st rcvsch abwirtsch'asten lassen. Zweitens
vorsucht nran die Veamtenschast rir Badeir durch
sülle Mühlavbeit gegcn den Finanzminffter csp-
zunehmen und drittens, — das schcint uns das
Bsdenklrchlste su sein —, beginnt manauch
schon mit erner k o n f e ss io n e l le ^
He 1; e gegen das Zentrum. In diifer k h-
teren Sache verstehen wir ab r keinen Svah. Es
Ist einfach eine Herausforderung. meMr in dc?--
Kavlsruiher Tagblatt unter der Il'bcrschrnt
„Ronra triumphans" versucht wird. 'die polit'.-
s<i>en Veühältniste Deutschlands nach dem trau-
rigen Beisviel der konsessiünelstn Verhehung vor
dsm Kriege aufs neue zu vergisten. Das Z e n-
trum kann diesem Trcjben keine Ttunde
mehr länger zusehen. Es geht nicht an. dak eine
in der Regierung vertretene Part<ff durch »bvs
sührenden Zeitungen dre Meinung vertreten lätzk,
müe es wörtlich im Karlsruher Taablatt heitzt.
dah die Zentrumskreife in den letzten Wocheir
den Bewois geliefert hätten, da» es sich in d.r
Tat um eine „Politik klenkaler Herrschsucht"
handslt. M-nn wir darüber uns re Ei'-t-
rüstung aussprechen, so geben wir nur zum
Teil unserem lebhaften Unmut über d>
sich verschärfendr volitische Lage Ausdruck. Es
steht ganzalleinbei der Deinokratie.
dem srninloisen und verderblichen Trei-
ben güw'isser demokratischer Parteikreiffe ein
rasches Ende zu bereiten und dcrmit die Verschär-
fung und Zuspitzung der Lage in Baden zu ver-
merden. Es gäbe wahrhaftig zur Z^.t andere
dringende Msgaben, als sich in öder Partei
volemiksu eöschövfen und eine sachliche Erör-
torung der grohen Frage unseres Vaterlandes zu
-rschweren."

Das sind icharfe Worte. deren Srnn ganz deut-

veilage

lich rst. Die Politik des Zentrums seht osfensicht-
lich dcvhin. die Demokraten aris de-r Regie--
ruwg heranszudrücken. Trotz ollom im-
mer wieder betonten Partiknkavismus hat div
Reichspo,litik oben ihre Folgen auch für diH Vun-
desstaate-n, und nachdem mrn eiwntal m Weimar
und Verlün der schwarz-rote Kuhhandel blüht.
wird man es eben auch in Badeir versuchen. wo>bei!
watürlich die Ddmokratie uur der stvrendo Dvrtto
ist. Die Demokratie erntete eben setzt. was sie
durch thre owsge Kompvomisselei und unientschiie-
deno Haltung gesät hat. Da der Beobachter an-
kündet. das? er i»„ Verlans der näckMn Tage aüf
das dunkle Treiben in deutsckz-demokraiischen Krei-
sen gegen einzolns Personen aus der Zentrums-
partes im ernzelne,, eingehen wrll. kaim
nran sich bei dem bekannten Ton der Zentvums-
polemik .aiuf verschiedenes gesatzt iimck)ell. Füx die
Oppositioirsparteien. i,n besonderen für dile deut-
sck)e lrbeckale Volkspartei gilt es cuf der Wacht zu
sein, mn einer „Entwicklung" in kullturellen Fra-
gen. wie sie dr-n Re'»he droht. bei Zoiten ontge-
genzutreten. Die Feindschaft gegen die H och-
schulen z. B.. wie sio sich in der verfloffenen
Universitätsdebatte inr Landtag iilamenttich. auf
Zeirtvumsseite wiederholt geäuffert hat. gibt eiuen
gewissen Fiugerzeig.

Die neuen Reichssteuern

Direkte Steuer»

Der Deutschen Nationalversammguug ist dieser
Tage e.ne Reihe von Drucksachen zugegangen. die
das erste Vündel der Stenervorlagen enthält. mit
denen man uns beglücken uiill. Es sind zunächst
nicht wcuiger als 10 Steuervorlagen: in Aussicht
genommen sind noch eine Anzahl weiterer Ent-
würfe. die demnüchst veröffentlicht werden sollen.
Ob nicht auch dann noch in dem Steuerstrautz diese
oder jene Blume fehlt. lätzt sich noch nicht sagen.

Zunächst liegt ein Entwurf über eine autzer-
ordcntliche Kriegsabgabe. also eine einmalige
Steuer vor. Danach soll das Mchreinkommen ge-
genübe'r dem Friedenseinkommen dsrart besteuert
werden datz die ersten 3000 Mark steuerfrei blei-
ben u. 'der überschichende Betrag steuerpflichtig ist.
Als Friedenseinkommen werden 10 000 Mark an-
genommen. felbst wenn es geringer als diese
Summe war. so datz jemand. der nicht mindestens
13 000 Mark jährlich vcrdient. ohne weiteres
steuerfrei ist. Der Steuersatz beträgt für die
ersten 10 000 Mark steuerpflichtigen Mehreinkom-
mens 5 v. H. und steigt bis auf 50 v. H. für Mehr-
einkommen über 100 000 Mark. Att-engefellschaf-
ten. Gesellschaften m. b. H. usw. haben dcn Mehr-
gew nn gegenüber dem Fr edensgewinn zu ver-
steuern: Beträge unter 5000 Mark bleiben unver-
steuert. Der Steucrsatz beträgt je nach der Höhe
des Mehrgewinns 30 bis 80 v. H.: gemeiirnütz'-ge
Gesellschaften sind abgabefrei.

Ein weiterer Eesetzentwrirf fordert eine einma-
Uge Abgabe vom Dermögenszuwachs. Abgabe-
pflichtig ist das Vermögen der Jnländer. mit der
Ausnahme der Auslandsdeutschen. dio seit dem
1. Januar 1014 dauernd im Auslande wohnen.
Ausländer. die im Deutschen Neiche ihren daucrn-
den Aufenlhalt haben. unterliegen der Steuer.
Abgabepflichtig ist ein Vermögen. das 10 000 Mk.
übersteigt. und von d'esem nur der 5000 Mk. über-
steigende Vermögenszuwachs. Die Feststellung des
Vermögens ersolgt aufgrrlnd umfangreicher Be-
stimmuirgen zur Vermcidung einmal der Doppel-
besteuerung und zum andern der Steuerhinter-
ziehuna. Für d e Höhg der Abgabe liegen zwei
Vorschiäge vor: ein radikaler d.'r Neichsregierung
und ein etwas mehr gemätzigter des Staatenaus-
schuffes. Beide Entwürse sehen als Mindestab-
gabe 10 v. H. fiir d e ersten 10 000 Mark vor. Wäh-
^end die St-.-uersätze nach dem Vorschlag der Neichs-
regierung aber nunmehr sehr schnell steigen. um
das 500 000 Mark ubersteiqende Mehrvermögen
mit 100 vom Hundert zu versteuern. d. h. also qa'nz-
lich weqzusteuern, ist die Proqression bei den Vor-
schlägon des Staate'rausschusses konz'lranter. und
erst bei einem Vermöqenszuwachs von mehr als
1.5 Millionen Mark soll der überschietzende Be-
traq völliq dcm Reich verfallen. Die Begründung
dieses Entwurfes bezeichnet es als eine sittliche
Forderunq datz jeder deffen Vermögen und Lei-
stungsfähigkert sich trotz des Krieges erhöht hat.

dem Volke das zurückgeben mutz. was er 'während
des Krieges erwerben konnte. Nremand solle von
sich sagen dürfen, datz er in jener Zeit schwersten
nationalcn Unqlücks. in der Millionen Volksge.-
nossen Eut und Vlut zum Wohle des Reiches und
Volkes opferten. habe Reichtümer sammeln kön-
nen.

Sehr einschneidend sind die Bestimmungen der
Erbschaftssteuer, die im Eegensatz zu den bisher
aufgezählten Steuern eine bleidende sern soll. Nach
dem Regierungsvorschlag gehen hier drei verschre,
dene Arten der Besteuerung nebeneinander. vie
Nachlatzsteuer, die Erbaufallsteuer und die Schen-
kungssteuer. Von der Nachlatzsteuer wird das ge-
samte Vermögen eines Verstorbenen betroffen,
gleichgültig, wer der Erbe des Nachlasses ist und
m wieviel Teile er zerfällt. Sie ist als eine Er-
gänzung der Erbanfallsteuer gedacht. nach dem
Muster der englischen Estate Duty. Sve soll. wie
in der Vegründung gesagt w-ird. im Erunde nichts
anderes darstellen. ais eine letzte Besteuerung des
Vermögens des Erblassers. Wörter soll die Steuer
auch die Eigenschaft einer Kontrollsteuer für alle an-
deren Steuern von Einkommen und Vermögen be-
sitzen. „Hat dcr Erblasser". so heitzt es in der Be-
gründung wörtlkch. „es bei seinen Lebzerten an der
Erfüllung seiner Steuerpflichten fehlen lassen. so
bietet die Aussicht darauf, datz nach dem Ableben
der ganze Nachlatz noch vor seiner Teilung zurNach-
prüfung offengelegt werden mutz, ein wirki
psychologisches Mittel um Steuerhinterziehungen
von Anfang an vorzubeugen. Bei der Notwendig-
keit, das Steuergewissen künftig mit allen -Mitteln
zu schärfen, erschcint die Nachlatzsteuer nicht sowohl
wegen ihres finanziellen Ertrages. als wegen die-
ses Zweckes unentbehrlich." Die Nachlatzsteuer ist,
wie erinnerlich, jene Steuer. die bei der Reichs-
sinanzrefornr des Fnüi.'s 1900 auck' von der Regie-
rung dcs Fllrsten Vülow in Verbindung mit d"
Erbanfallstcuer auf Kinder und Ehegatten dem
Reichstage vorgelegt wurde und in ihren letzten
Auswirkungen zur Zertrümmerui'g des Bülow-
blockes und dem Entwurfe des Kanzlers sührte
Die Nachlatzsteuer soll nach dem Entwurfe für di-
ersten angefangenen oder vollen 200 000 Mark 1
v. H. betragen und bis zu einer Höhe von 5 v. H
ansteigen bei einem Vermögen von mehr als zw^
Millionen Mark. Die Hauptsteuer ist indes die
Erbanfallsteuer. Der Entwurf baut das bestehende
Gesetz aus dem Fahre 1006 weiter aus und dehnt
die Steuerpflicht auf Ehegatten und Kinder aus:
gleichzeitig werden für die bisher bereits steuer-
pflichtiqen Erben die Steuersätze. zum Tcül recht
beträchtlich. erhöht. Es werden sechs Steuerklaffen
qebildet. deren Satze je nach der Entfernimg des
Verwandtschaftsarades zum Erblaffer steiqen. In-
nerhalb der Klnffen wiederum steigt der Stcw"-'*^-
nach der HLHe des steuerpflichtigen Erbes. Auch
nach unten hin i>t der Bereich der Erbsckiaftsbc-
steuerung recht weit ausgedehnt. morden: steuerfrei
ble bt nur ein Betraq bis zu 500 Mark odcr. wenn
Eltern. Voreltern Eheqatten oder Abkömmlinge
die Erben sind IKlasse 1 und 2). ein solcher von
5000 Mark. Die Sätze selbst betragen in Klasse 1
snächste Verwandtes bis zu 20 000 Mk. Erbschafts-
summe 4 v. H. und steiqen bis auf 15 v. H. in
Klaffe 6. Beträqe iiber 1 Million Mark sollen in
Klaffe 1 mit 20. in Klasse 6 mit 50 v. H. ver-
steuort werden. Für Vermöaen über 100 000 Mk.
sind ferner besondere Zuschläge vorgesehen: bei
einem Erbfall. der vor dem Iahre 1040 e nlritt.
treten jedoch Erii-''tziaunqen um " » H snr jedes
Iahr vor diesem Ze tpunkte ein. Bei .qemeinnützi-
qen und Famil enstiftunqen. also auch bei Zuwen-
dunaen fiir Kirck'en. l'eträgt die Steuer allqcmein
10 v. H. Um eine Umqehung 'oer Erbschafts-
steuer durch Sck' "kin--' ni Lebze'ten zu verhind rn,
sotten für derartige Zuwendunge" d>e ol^ ck.'-
Steuersötze erhoben werdcn. Der Ertrag aller die-
ser Steuerm wird auf 7000 Millioneu Mark ver-
anschlagt.

Zu den Besitzsteuern zählen noch zwei Steuern
auf den Grundbesitz. obwohl sie in ihren Folqen
mitunter nicht dcn Besitz sondern die Schulden be-
fteuern. Die erste d>eser Steuern veriangt eine Ab-
oabe bei Besitzmechsel von Erundergentum. Dcr
Steuersatz beträgt im allgemeinen 4 v. H. men'i
Erundstücke im Besitz von Anstalten oder Stiftun-
gen usw. stehen und seit mindestens 20 Jahren
keinem Besitzwechsel unterworfen waren. nur 2 v.
H. Wenn dagegen der Erwerber eines Grund-

stuckes mnorhalb dreier Jahre das Erundstück und
emen Teil davon mit der Absicht auf teilweise
ooer voluge Zerschlagung weiter veräutzert. erhöht
stch dre Steuer auf 6 v. H. Doch erhält der Er-
werberdes weiter veräutzerten Teiles den Steuer-
unterschied vergütet. wenn cr das Erundstück als
Xlemstedlung verwendet. Diese Vestimmung soll
ganz offenbar einmal die Vodenspekulation treffen
und andererselts die Errichtung von Kloinsiedlun-
.^us dem gleichen Veweggrunde sind
Kriegsbeschadigte und Hmterbliebene von Krieas-
teilnehmern. die auf Erund des Kapitalabfm-
oungsgesetzes Erundstücke erwerben, von der Steuer
befreit. Im übrigen haftep für die Steucr der Ver-
autzerr u. Erwerber gesamtschuldnerisch. bei einer
Zwanasveriteiaerung iedoch nur der Ermeber. In-
des steht der Entwurf bei Zwangsverste'>gerunae>i
Erleichterungen nor, falls der Erwerber der Hy-
potheken-. Erundschuld-, Rentenschuld- oder Real-
lastgläubiger ist. Die Begründung des Entwurfes
weist besonders auf diese Bestimmung hin als
einen Fortschritt gegen den früheren Zustand. der
derartige Erundstücksverkäufe wider Willen in kei-
ner Weise von Spekulationskäufen unterschied.
Ueber die Verteiluitg der Steuer bestehen zwischen
der Reichsreqierung und dem Staatenausschutz
Meinungsverschiedenheiten. Die Reichsregierung
verlangt für das Reich die Häifte des Ertrages.
für den Fall, datz nur 2 v. H. als Steuer erhoben
werdeir, sogar drei Viertel. der Staatenausschus;
will dem Reich dagegeu nur drei Viertel in allen
Fällen zubilligen.

Jn einem gewissen Zusammenhang mit dieser
Steuer steht der Entwurf eines Rayonsteuerge-
Vorlage geht davon aus. das? Grund-
stucke, die bisher Rayonbeschränkungen unterlagen.
ber erner Schleifung von Festungen und der damit
verbundenen Aufhebung der Beschränkungen einen
unerwarteten Wertzuwachs erhalten. der aus Ge-
rechtigke tsgründen besteuert werden müffe. Die-
ser Wertzuwachs soll. wenn er mehr als 50 Mark
beträgt mit 50 v. H. verstcpert werden. und zwar
nach Wahl des Steuerpflichtigen durch Kapital-
zahlung oder m Form einer jährlichen Rente in
Hohe von 6 v. H. des Kapitals. wobei 5 v. H als
Verzmsung und 1 v. H. als Tilgung der Kapi'tals-
schuld anzusehen ist.

Deutsches Reich

Das schwarz-rote Schulkompromih

rst nun, allen WTV.-Dementis zum Trotz. doch zu-
staude gckommcn. Die Abmachungen gchen im
wejentlichen dahin. datz die gegenwärtigsn
Verhältnisse auf dem Eabiete der Schuken
nicht geändert wsrden sollen, drb «l!jo die kon-
fessionellc Schule erhalten blLibt und datz serner dev
N e l i g o n s u n te r r i ch t seinen Platz im Lehr-
vlan bckhält. Der Religio.isunterricht soü tÄvch
nicht obligator?fch sein, vielmc-hr Lkeibt den Eltern
überlassen, zu bestimmen, ob ihre Kinder anr Reli-
gionsuntecricht toilnc'bmen sollen odcr nicht. Eine
endgültige Regelnng im einzelnen soll die Schul-
srage in eiwm Reichsschulgesetz sinden. W>
die „Gernraina" mitteilt, entbält das Komoro
mii> auch dic MLglichkeit der weiteren Ercichtung
von Prioatschulen. wobei die B-d'ünnissrage nicht
aufgoworsen werden dars und nur dte Ersüllur'g ae-
wiffer tcchnischer Voraussetzungen verlangt w'rdvn
soll. Pr'.vate Vdlksschulen sollen aber nur errich-
Let werden, wenn sonst konsessioni lle M'inderheiten
richt zu 'brem Reckit kommen würden. Für die
Fesistellung des bestehend'n Zustandes soll
Zectpunlt der Veikündigung der -Beisaffung matz-
gsbcnd sein. Was Artikel 18 d r Ro chsverfassuug
anlanat, so bestehen die vrcutzische R.'gierung und
die Parteieu aus d'r Forderung, datz dce Zevstürke-
lung Preichens auf keinen Fall begünstigt we.den
dürse.

* Die demokratische Fraktion der Nationalver«
sammlunq wühlte Dr. Schiffer zum ersten Vor-
sitzenden, sowie als weitere dis Abqeordneten
Naumänn. Petersen und Hartmann

^ Es ist übsrall nichts in der Wclt, ja iiberhaupt
A auch autzer derselben zn denken möglich. was ohne
y- Emschränkungfürgutköim'egehallenwerden.als q-
M ein guter Wille. Kant w

Oie blaue Zpur

Ronlan von Iulius Negis
Aus dem Schwedischen übersetzt von E. v. Kraatz
OopxriLlU 1917 Oretlilein Lc.Lo. 0. m. b. N. 1.eiprij;.

(10. Fvrtsetzung)

uoch inehr solchsr ZicÜr,ackllnien bei
IhrE.Bater gesehen?" fragte er. lnDsm er ihr
dre drei Papiere zeigte.

"Ne'm". erwiderte ffe verwundert. .

'Rach denen suche ich vor allein". inur.melte
^^"lon „Sie sind Ip ungsvöhullch. das? sie moi-
ner Anpcht nach 'iotweildiz 'm Beziehuirg zu der
E>ache stohen nrüffen."

„Ungewöhnlich? Ich verstehe nicht recht .."

... -Es ist, sshr einfach. Bor jcder Tatsache inter-
eil'ert mich in erster Linie das Unaowöhnlichc"
su!>r W.rilie>n fort. indem ec weltersuchte. „Ich
will Ihnei! den Erund dafur sagou In der
mciiich.ich.'ii Gssellschait flies?t d?r tögliche Strom
oer Ee,chchniffe still und ahue Wirbel dwhiu. Die
v.Illaglichen Ereigniffe reihcm sich anei'iander. wis
^ropfen auf Troofen. und verrtnnen unhemerkt
Mi Dunkel der Vernichtuiz. Da gibt es nich's
Ungewöhnliches. Verstehn Sie. was ich inerne?"

Pauline nickte.

..Abcr mit einem Male ko nmt u.ie ein fallen-
dcr otein — das Verbrechen". fuhr Wallion
>ort „D!e lmc,ewöhuliche und erjchreckende Kata-
url-phe. dic eiu Verbrech.^i kmsmacht. bricht mit-
ten in ben Strom des alltägiichen Lebens h'mem,
erregt Wogen und WirbU und bespritzt alles in
weitein Umkreise M.t einom Wort: um das
üMtte ungewöhnlich' Ereipnis - das Vevbrechen

grnppieren sjch mit Rot'vendigkeit eine ganze
Rerhe von kleinen imgewöhnlich.'n Eroiigniffei:.
die allein stohen und in ihrem Verhältnis zu i-h-
oer Uingebung öedeutungslos ei"che>nen Smmnlo
-m nun ung.'r' lh ilichen Datsa.chm. dic mir

iin Umkreise des Verbrechons begegnen. so nrus? es
sich hera.usstellcn. das; viele von ihnen mrf etne
oder die andere Weiss mit do n Berbrechen m Zu-
sammenhang stehon und mir bei »nerner Unter-
suchung Kelsen können."

Er blickte lächelnd zu ihr aus.

„Da haben Sie meme Thaorie üher die Bedem-
tung des Ungewöhirlichensetzte er hinzu. „In
den mei.sten Fällen hqt sie sich bewährt. Und jetzt
werden Sie verstohen. wurum ick E weiteren
Zickzacklinien strchr. so sinnlos >ie auch scheinen.
nicht wahr?"

Nach einer Stuiide hatte er das Studierzim-
mer und die Bibliothek durch?ucht. ohire etwias zu
smden. Er bogab sich danm über Die Wondeltreppe
tns Laboratorium hinauf, 4tnd dort fand er nach
emer Meile, «.pas er suchte.

In emem Wandschr.ank valler Flaschen ent-
deckte er eine beiseitegeworfeiie kleine Pappschach-
tel. Er össnet sie uud entnahm lhr einen düimen
zu>/aininLngcrollten Paplerstreisen von eini-gen
Zsnt peetern Breite un> ,».ebr als Meterlänge.
Aus seii'.er einen S.'ite zog sich in unreselmäffiiser
Zick:-cklinie eine einzige. imunterbrochene ge-
wui.'dene Kurve hin. 'An eme.n Gnde stand em
Datum'. und das Wort „Ha nbucg". Diese An-
meLkung war oon dcs Do.kicrs Hand mnd mit
Dlcistist gemacbt.

Wallion lies; sjch an dom langeu Laborato-
riumstisch nioder und betrachtete ben merkwür-
digeu Streisen mit gevunzelter Stirn. Er versamk
in tiefes Nachdenken.

Plötzlich richteto iich soiin Blick auf etwcks an-
deres, was sein Intereffe ervezte.

Anr Fensterende des Ttsches waron Iitstru-
mente und Flaschen abgeräumrt und Schreilhsachen
und unbenutztes Papier hereitgelegt worden. Ne-
ben dem Tintenfas? 1a>g u. a. auch eln vernickeltes
Papievmeffer. das Wallion in die Hanid nabm umd
betrachtete. Die Spitze war geschwärzt und ein
wenig zuiammengeschnrol.zen. und die Vernickelung
wies halbwegs bis zu-m Griff hkncmsvoichionde.
schwarze Sireifen auf. Welih ein intereffantes
Papiermeffer? dacht.» Wallian unwillkürlich.

Er drvhte don Stuhl hevumr Dicht neÄen ihm
'oefand sich der elektristhe Kontakt. Sein Blick
flog hin und lier. Auf dsm Fustboden lag ebn
hölzcrner Federhalter. den er aufbdb. Eine ge«
schwnrzte. abgobrochene Stahlfedw sast aoch driiv.

Da pf'vsf der Detektivreparler sanz loise umd
lachte iu stch hinein.

10.

„Fräulein Pauli.ne", saate Maurice Wallion
bald davauf in dex Bibliothek. „haben Sie ein
gutes Gödächtnis."

»Ich pfl-ege mich deffen zu rühmen". erwiderte
sve verwmndert.

„Können Sie sjch darauf bestnnen, was An-
fang Iaivmar vorgefallen ist?"

Das sunge Atädchen sah rhn zweifelnd an >md
gab teine Antwort.

„Genau gesagt am 2. Januar". frchr Mallion
fort. „An dem Tago erhielt Iihr Dater. wcchr-
scheinlich bei mFrüWllck. ein Postpaket cvus Ham-
Äurg."

„Aus Hamburg?" rief Pauliue aus. „Meiiven
Sie dqs Paket aus Hamburg?"

„Ia". versetzte er mit unerschiitterlicher Riche.
„Wie benaibnl er ffch, als er es erhielt?"

„Wir saston bei'm Friihstiick. als es ankam.
P>apa nrachte es auf. starrt^ in die drin enthaltenc
Schachtel hinein. wurde bleich. stiest seinen Stuhl
mn und stürzte hinaus. Als ich ch,n nachgurg (da-
nials h-atte er noch nicht 'angefaiigen. sich iininer
einzui'chliestenj. sast er uich schrieb ivgemdetlvns.
was ich nicht sehen konnte, nnd soiile Hände zit-
terte>n so. dast er die Foder ka.u»n halten koni'te.
Und vor ihm auf dem Tisch laa ein langer 'Pa-
pierstreifen mit einer blauen. gewundenen Linie.

„Dieise hier?" fragte Wallion und hiolt ihr
-seinen Fumd hin.

Pauline betrachtere chn stannend.

..Ia". flü/sterte sie, „Wo baben ste ihn gefun-
dvn?"

„Im Lab»o>ratoriuinerwvderte der Iournalist.
Aber stvongen Sie bitte Ihr Eodächtnis an: Wie
bonahin sich Ilhr Vater nachh.'r m/.n Nachmittag und
am nächsten Dage?"

„Nachher?" wioderholre das lunüe Mädchen
vevwundert. „sskicht «iid.'rs als ionst."

„O dochl" entgegnete dcr Bcrichterstatter. „Ir-
genidetmas Besonderes wird er sicheclich getan ha-
ben. — Etwas Ungemöh'Uiches meine ich. was Sie
tm Gedächtnis behalton habon. Denken Sio doch
oittnml nachl"

PanlLtt-, arübeltr mit zulamnrenae.lcmonen
B^auen.

„Etwas Ungemöhnliches". inurmrelte ffe vor sich
hin.

Plötzlich fichr ffe zusammen.

„Mahrhaftig. Sre haben rchet!" rief sie aus.
Papa hat am Tage darauf etmos Ungewöhnliches
aetan. etwas was er zwaizig Iahre lcrng nicht
«etan hatte."

Fn Mrlkrans grauen Aulgen vlitzte os auf.

„Nun?" drängte er. „Was tat er denn?"

„Er ging hin und liest sich photogra-
phieren!"

Das Eesicht des Berichterskatters nahm einen
so eigentümlichen Ausdruck an. das? Pauline lä-
cheln mustte. D>e oeiden buckten sich an.

„Er 8ina hin nnd lies? sjch photographisren''.
wiedevholte Wallion nrechanisch.

Dabei grifs er wiede: nach dem Pap.erstreiLeil
und studierte vhn von neuem In scinom Kopf
jagten sich die Göd-anken: graphische Sch"örkel —
wlffcnschafkluhe Vcrjuche avn misrilicckkes Tx-
periinsttt — ovne Nied.-rlaae — der D-xdlo'. schliesst
sich Ui,! umih sängt wioder von '.'orn an. ..

„S.üt wnirn ivurde der ^lüg-u. endgiiltig ver-
jch'chiensragte er n lchdentlich.

nMitte März." ^

„Das Datum wiffen Sie nicht?" '

„Neiu. Oder doch v'.elle-icht. . ich eö'i'iiere'
i:.'.'v d:.st ich an einom Montaq Vn-'nittag lster
in d r ^''hliotbek mit Pavl ni.i-ia>s die
Telvhoi-kUngel schell!te Papa. der a'.'. d.in Tage
s.i-r nervos war. ging so!>bff^-eus Teiophon. i-lnd
danir - - nach eii'e.n knczen Stilllchp.'ig'n - rie.s
er m't einer surchtb-lren Stimrme. d mich sth.i-'.l-
d>?r,' machte: „Ah! So woit ist es U!;t al'o ge-
kommen!" Als ich ihn aniab. seln E.siäck

gan? weis; nnd starr. Er laPch'e uud

dann sagte er: „Es iü eine g.v-s ! ch: H-'--
aber ich b'rn dazu ber'it". Und irack e'"-." 'b?> e
sngte er nn-ch: „Kei» Mensch dc.rt cs w'i.en . »> d
zu-in Schlust: .Den richtiigen ZeitpunU .imff-.-n ur.r
dann »och fcstsetzen".

iForlsetzung svlaU

Hklst UjMI kksüHMkll!
 
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