enn eine mit so viel Liebe und Verständniss gepflegte, dem festen Gefiige einer
staatlichen Galerie, obschon nur leihweise, so doch seit vielen Jahren angehörige
Gemälde-Sammlung plötzlich auf dem Wege einer Versteigerung zerstreut werden
und in verschiedene noch unbekannte Hände übergehen soll, so ist das für das
Kunstleben einer Stadt oder eines Landes im Allgemeinen eine ebenso unerfreuliche,
als bedauerliche Erscheinung, und mit wahrer Wehmuth sieht besonders der Kunst-
historiker, welcher mancherlei Anregung und literarischen Stoff aus der Gesammtheit einer
solchen geschöpft hat, dieselbe dem Hammer des Auctionators verfallen, — umsomehr, wenn,
wie in der neueren Zeit so vielfach, es schon bei Lebzeiten des Besitzers geschieht.
Dieses Schicksal ist nun auch der Habich’schen Sammlung alter Meister bestimmt,
welche seitens ihres hochherzigen Besitzers, und zwar auf specielles Ersuchen und mit Genehmi-
gung der Regierung der dieser Behörde unterstellten Königlichen Gemälde-Galerie zu Cassel,
im Jahre 1880 leihweise auf eine bestimmte, schliesslich bis zum April 1892 ausgedehnte Frist
überlassen wurde.
Diese Thatsachen sind jedoch wohl international so bekannt, wie die Sammlung selbst,
welche in der neueren Kunstliteratur so vielfach citirt und besprochen wurde, dass der Ver-
fasser dieses Kataloges sich füglich ersparen könnte, dem an und für sich schon kritisch ge-
haltenen und mit gewissenhaften Angaben aller Art versehenen Inhalt ein, wenn auch nur
kurzes Vorwort vorauszuschicken.
Doch dürfte es für diejenigen, deren Wege bisher nicht über Cassel geführt, nicht
uninteressant sein, über die nach zweitägiger Separatausstellung im grossen Saale des dor-
tigen Kunsthauses am 9. und 10. Mai d. J. stattfindende Versteigerung sowohl,
wie über die Hauptanziehungspunkte der Habich’schen Sammlung einiges immerhin Bemerkens-
werthe zu erfahren.
Dass dieselbe nur Hauptwerke allerersten Ranges enthält, dagegen spricht schon der
Umstand, dass sie auch bezüglich aller ihrer im Laufe der Jahre gemachten Ergänzungen den Zweck
verfolgte, die in der Königlichen Galerie vorhandenen kunstgeschichtlichen Lücken auszufüllen.
Aber eben desshalb gehört die Habich’sche unstreitig zu den eigenartigsten und interessantesten
Privatsammlungen Deutschlands; sie legt als solche ehrendes Zeugniss ab von dem hochausge-
bildeten Kunstsinn ihres Besitzers und seiner Berather, deren feine Kennerschaft und deren
richtiges Gefühl derselben in hochanzuerkennender Weise zu Gute gekommen sind.
Zu diesen uneigennützigen, bezüglich ihres Kunsturtheils allseitig gewürdigten Männern
zählt in erster Linie Herr Dr. Otto Eisenmann, der langjährige Director der Casseler Galerie,
von welchem, besonders was die holländischen, niederländischen und altdeutschen Schulen
betrifft, die Bestimmungen der Autorschaft der Habich’schen Gemälde fast durchweg herrühren,
während diejenigen der italienischen Meister Giovanni Morelli (I van Lermolieff) zu verdanken
sind, der bis zu seinem Tode dem Besitzer jahrelang befreundet war. Dieser für Herrn Habich
unersetzliche Verlust, liess in ihm den Entschluss reifen, sich zunächst von seinen Gemälden
für immer zu trennen, um sich ferner nur noch seiner bedeutenden Sammlung von Hand-
zeichnungen alter Meister und seiner Liebhaberei für ältere kunstgewerbliche Gegen-
stände zu widmen.
Dieser Entschluss darf bei seinem hohen Alter umsoweniger überraschen, als Herr Habich
im Interesse seiner in Amerika lebenden, das von ihm vor etwa vierzig Jahren dort gegründete
Geschäft fortführenden, männlichen Erben auf die sachverständige Realisirung seines umfangreichen
Gemäldebesitzes Werth legt. Und das ist die einzige der Wirklichkeit entsprechende, am
Ende doch auch einfachste von all den Hypothesen, welche in der letzten Zeit über die nun
kommende Versteigerung verbreitet worden sind.
Dieser Katalog nun, der neben dem Zweck, der Versteigerung zu dienen, für alle Freunde
der Sammlung eine Art kunstgeschichtlichen Andenkens zu bilden bestimmt ist, umfasst aus