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Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3820,266
Lask, Berta
(Heid. Hs. 3820,266): Biographische Skizzen über Emil Lask — o.O., 1923 Januar

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https://doi.org/10.11588/diglit.26716#0003
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Kinäerjahre wieder aufgeblüht. Sein Gesicht war frei, hell, cffen, sein
ganzes Wesen aufgesehlcssener und ausgeglichener, dunkle Stimmungen und
Zornausbrüche waren seltner. Doch diese Periode der Gelostheit dauerte
nur ganz kurze Zeit.

Emil Lask studierte weiter in Freiburg bei Heinrich Hickert, in
Strassburg bei Windelband und Hensel und dann wieder in Freiburg. Den
starksten und nachhaltigsten Einfluss übte Rickert auf ihn aus, ait dem
ihn bis zu seinem Tode Freundschaft und wissenschaftlicher Gedanken-
austauseh eng verbanden. Im Jahre 1901 promcvierte er bei Rickert mit
dem Buch »Fichtes Idealisaus und die Geschichte».

Das Studium und die philosophische Arbeit in Freiburg und Strass-
burg bedeuteten nicht nur ein E^ndringen in die Gedankensysteme der
Menschheit, nicht nur ein intensives E**leben der kritischen Philosophie
und des deutschen Idealismus und ihre Durchdringung in der Auffas-
sung der südwestdeutschen Schule. Nichit nur die philosophische Richtung
ihrer Vertreter wirkte auf ihn, sondern die gesamte Weltauffassung,ihre
Ausstrhhlung auf andere Gebiete des wissenschaftlichen, gesellschaft-
lichen, persönlichen Lebens, die Einstellung zu allen Erscheinungen des
Lebens.

Was ihm hier von deutscher Kultur und Geisteswelt offenbart wurdd,
erfüllte ihn mit unbegrenzter Dankbarkeit für di«, die es ihm brachten.
»Wir deutschen Juden sitzen seit Jahrhunderten am gedeckten Tisch der
deutschen Kultur und müssen uns dafür dankbar erweisen», sagte er als
zwanzigjähriger Student und trat mit einem Freund zusammen zum Christen-
tum über, um ganz mit dem christlich-deutschen Kulturgeist zu verschmel-
zen. Spater bedauerte er, diesen Schritt getan zu haben, nicht weil er
s44h weniger in der christlich-deutschen Kultur verwurzelt fühlte,son-
dern wohl weil^ er sich des Jüdischen Erbes bewusster geworden war. Diese
Haltung is'tT'c'fiarakteristisch für ihn in allen Lebensbeziehungen. Immer
hatte er ein ungeheuer starkes Gefühl für das, was ihm gegeben wurde un
ein sehr geringes Gefühl von dem, was er gab. An der Grösse der Aufgabe
gemessen, mussten sein Ieh und seine Kraft una&glich klein erscheinen.

Die geistige Abgeirrtheit der Zeit mit ihrer Auswirkung auf allen Lebens
gebieten musste Jene eigentümliche Gehemmtheit und Abgedrangtheit in ihm
hervorrufen. In einer zerbrechenden Zeit und Geistigkeit wird dem Juden
mehr als Anderen diese Zerbrochenheit persönliches Schicksal werden;
eher als andere wird er derum euch den Durchbruch suchen in eine neue
+mmtt^Welt.

Eine geistige Welt, die seinem Wesenskern entsprach, fand der Den-
ker Emil Lask nicht vor und der Kampfer in ihm keine klare Kampffront mit
klaren Losungen. Das gerade Aufwachsen in einer in ihm ruhenden, doch
verborgenen, verschütteten heiligen Tradition war ihm versagt, ein billi
ges Vorliebnehmen mit etwas Halbem und Vorl&ufigem konnte es für lhn nich
geben, ebensowenig ein Ringen mit den letzten Fragen abseits der empiri-
schen Wirklichkeit. ,In st&ndigem Ringen vor dem Angesicht des ünbeding-
ten und Absoluten umldas Wesenhafte und Gültige galt es doch die gegebene
historische Wirküch'keit zu begreifen und zu durehdringen, keine Ent-
wicklung zu überfliegen und zu übersrringen, sondern in Bescheidenhelt
und Treue dort anzuknüpfen, wo die ftegenwert ihn hingestellt hatte. Dem
Knaben war die Schule als Uebermittlerin wichtiger Kenntnisse und um
des Abglanzes vergangener und gegenwfirtiger Kultur, den sie brachte,
trotz aller Enge, Düsterkeit und Sinnlosigkeit heilig gewesen. Ohne Vor-
behalt hatte er ihrem Dienst gelebt, ohne doch im Tiefsten ganz sich
selbst zu berlieren. Nun warf er sich freudig und weit geöffnet mit
vorbehaltloser Hingabe in die viel reichere, weitere Welt der gegenwar-
tigen philosophischen Gegebenheit, um sie ganz zu erfassen und zu durch-
 
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