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Kohlermann, P. [Bearb.]; Hugo Helbing [Mitarb.]
Meister der weiblichen Halbfiguren: 7 Gemälde aus der Sammlung von P. Kohlermann, München; Mittwoch, den 21. Mai 1913 — München: Galerie Helbing, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.56028#0007
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Die Meister der weiblichen Halbfiguren.

Das mysteriöse Dunkel, das den Meister der weiblichen Halbfiguren und
seine Schule umgibt, hat seit Waagen verschiedene Forscher gereizt. Man fragte sich
voller wissenschaftlicher Neugier, vielleicht sogar ein wenig betört: Wer sind diese
liebenswürdigen jungen Damen, diese eleganten Wesen, die in aparten Toiletten zu-
weilen in heiligen Büchern lesen, öfter aber zärtliche Liebesbriefe schreiben oder mit
gesenkten Blicken die Laute spielen? Und wer ist der Urheber dieser Bildnisse?
Muther nennt ihn den Luini des Nordens, einen milden Träumer, der nur
ganz leise minnigliche Worte sagt.
»Mit zärtlicher Verliebtheit zeichnet er die harmonischen Linien nackter
Schultern, das sammetne Kleid, das die jungen Körper umschmiegt. Mit Kenner-
schaft ordnet er den Schleier, die Puffärmel, das Kollier. Mag er die Damen dar-
stellen, wie sie am Spinett musizieren, in einem Bilderbuch blättern oder einen
Deckelpokal halten, es liegt etwas Jung-Harmloses und zugleich Tränenschimmerndes
in seiner aparten Kunst. Man gewinnt sie lieb, diese sanften, stillen Wesen mit ihren
zaghaften Bewegungen, ihren lilienweissen Händen1 und reinen Stirnen, über die sich
so keusch die schlicht gescheitelten braunen Haare legen.« (Gesch. d. Malerei II. 71.)
Aber wer war der liebenswürdige Unbekannte, der diese Bilder malte? Wick-
hoff kam auf Grund scharfsinniger Folgerungen zu dem Schluss, dass niemand anders
als Jean Clouet der gesuchte Autor sei, und er hat in seiner Entdeckerfreude eine
geistreiche Abhandlung über den Meister geschrieben. Allein, die Fachgenossen
urteilen skeptisch über Wickhoffs Zuschreibung, auch ich bin nicht überzeugt worden.
Nun hat kürzlich Alfred von Wurzbach den Meister der weiblichen Halbfiguren mit
Lukas van Heere identifiziert. Um seine Hypothese zu stützen, führt er verschiedene
Beweise an, unter denen sich einer befindet, der allerdings recht bestechend erscheint.
Er macht nämlich darauf aufmerksam, dass das Bildnis der Lady Jane Grey von
 
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