Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Sammlung Marczell von Nemes (Band 2): Gemälde, Skulpturen, Textilien, Kunstgewerbe und Möbel: [Versteigerung: Donnerstag 2. November und folgende Tage] — München, 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5398#0005
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

Der ungarische Kunstsammler Marczell von Nemes (1866—1930), der seine Samm*
lungen in seinem großräumigen, schönen Hause in München und in dem prachtvollen
Schlosse in Tutzing am Starnberger See aufstapelte, hinterließ eine fast unübersehbare
Menge von alten und modernen Gemälden, Skulpturen, Stoffen, kunstgewerblichen Ge*
genständen und Möbeln. Die erste Versteigerung fand bekanntlich im Juni 1931 in
München statt. Die für den Herbst desselben Jahres geplante zweite Auktion mußte
infolge der verschärften Wirtschaftskrise verschoben werden. Sie findet erst jetzt statt,
da die Nachlaßverwaltung beschlossen hat, nunmehr zu liquidieren.

Diese zweite Auktion umfaßt achteinhalbhundert Nummern und enthält interessante
und bedeutende Stücke aus allen Gebieten der Kunst. Unter den italienischen Gemälden
seien hervorgehoben: eine importante Sacra Conversazione von Palma Vecchio, eine
stark giorgioneske und leidenschaftliche „Auferstehung" von Cariani, ein liebenswürdiger
Giampietrino, ferner ein entzückendes frühes Bild von Giov. Batt. Tiepolo und zwei
venezianische Veduten von Francesco Guardi (lavierte Bisterzeichnungen). Die wich'
tigsten Niederländer sind: Madonna und Kind mit anbetendem Engel von einem Brügger
Meister des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts, ein reizendes Madonnenbild vom
Meister der Lucia*Legende, eine lebendige figurenreiche „Anbetung der heil. Könige",
Pieter Bruegcl d. Ä. nahestehend, eine frühe breite Johannes*Studie des A. van Dyck,
zwei prachtvolle, bewegte Gesellschaftszenen von Dirk Hals, ein ganz entzückendes
Mädchenbildnis von Brekelenkam, ein kleiner, feiner Aelbert Cuyp, die stimmungsvolle
Flußlandschaft von Aert van der Neer, dann besonders schöne Stilleben von Fyt und
Snyders. Unter den frühen deutschen Bildern wollen wir das bedeutende Altarbild des
Jörg Stöcker und die vorzügliche Darstellung der heil. Sippe von Wolf Traut nennen.
Unter den Franzosen fällt die Vigee*Lebrun mit einem schönen Portrait auf. Die Spanier
sind mit einer künstlerisch und kulturhistorisch bedeutsamen, früher dem Velazquez zu*
geschriebenen Darstellung der „Jagd Philipps IV.", welche jetzt dem Juan del Mazo
zugeteilt wird, ferner mit einem signierten Frauenbildnis von Goya und dem berühmten
Portrait eines Torero von Eugenio Lukas vertreten.

An die Gemälde reihen sich die zwei schönen farbigen Kirchenfenster: der „Heil.
Nikolaus", französisch*vlämisch, Ende 15. .Tahrh., und die „Beweinung", wohl nach einem
Entwurf des Pieter Coeck von Alost verfertigt, dann eine lange Reihe von französischen
und deutschen Skulpturen des 14. bis 18. Jahrhunderts; ferner schöne Kirchengewänder,
Samte, Brokate und Stickereien aus vier Jahrhunderten: Teile der großen Textilien*
Sammlung, welche M. von Nemes mit besonderer Begeisterung pflegte; auch viel altes
Silber und reizende Porzellane, überwiegend aus Meißen und Höchst; eine Reihe von
Limoges*Emails; endlich die prunkvolle Reihe der italienischen, französischen und
deutschen Möbel, von der Gotik bis zum Empire; herrlich die beiden Danziger Pracht'
schränke des 17. Jahrhunderts, in welchen einst Nemes seine Textiliensammlung auf*
bewahrte.

Marczell von Nemes war ein unermüdlicher Sucher und der Hauch seiner Leiden*
schaft weht uns aus dieser Fülle von Kunstgegenständen entgegen. Welche Begeisterung
und welche Ausdauer war nötig, um alles das zusammen zu bringen! Neben der langen
Reihe der klaren, sicheren und eindeutigen Kunstwerke erblickt man auch manches auf*
regend Problematische. Es steckt sicher einiges Unerkannte unter diesen Objekten,
welche Nemes auf ruhelosen Reisen gesehen, erworben, dann oft jahrelang liegen gelassen
hat. Nemes' unausgeschöpfte Trouvaillen*Sammlung kann auf der Versteigerung dem
Sucher, Kenner und Entdecker noch zur Fundgrube werden.

Dr. Simon Meiler.
 
Annotationen