kann. In der Biologie wiederum werden chemische und physikalische
Gegebenheiten einfach hingenommen, die für andere Erkenntniszwecke
detaillierte Untersuchungen auf ihre kausalen Bedingungen auslösen
würden. Und vor allem in der Kulturwissenschaft werden dauernd Regel-
mäßigkeiten festgestellt, deren Komplexität bei näherem Hinsehen außer-
ordentlich groß erscheint. Für den Historiker genügt im allgemeinen
sogar diejenige grobe Regelkenntnis, welche ihm seine Alltagserfahrung
liefert, um eine zureichende Sicherheit zu gewährleisten. In einem
solchen Falle würde die Evidenz, welche in dem kausalen Zusammenhang
liegt, für die Absicht des Forschers so groß sein, daß eine Formulierung
von Regeln gar nicht stattfindet. Die Kenntnis dieser Regeln wird dann
als selbstverständlich und zum „Alltagswissen“ gehörig einfach voraus-
gesetzt. Alle Kulturwissenschaften „betrachten Zustände und Verände-
rungen der Wirklichkeit als ,bewirkt1 und ,wirkend1 und suchen teils aus
den konkreten Zusammenhängen durch Abstraktion ,Regeln1 der Verur-
sachung zu ermitteln, teils konkrete ursächliche Zusammenhänge durch
Bezugnahme auf Regeln zu erklären. Welche Rolle aber die Formulie-
rung (Kursiv v. Vf.) der R.egeln dabei spielt, und welche logische Form
diese annehmen, ob überhaupt eine Formulierung von R.egeln stattfindet,
ist Frage des spezifischen Erkenntniszieles“ (136). Bezugnahme auf Re-
geln ist also auch da konstitutiv für historische Erkenntnis, wo diese
Regeln nicht formuliert werden. — Doch ist Regelkenntnis jeweils nur
Kenntnis der Regeln, denen nur ein bestimmter Wirklichkeitsbereich
unterliegt, und außerdem ist diese Kenntnis im genannten Sinne vor-
läufig. Es ist also nicht möglich, eine konkrete Wirklichkeit aus gegebe-
nem nomologischen Wissen zu deduzieren. Denn immer, wenn es auf Er-
kenntnis eines konkreten Kausalzusammenhanges ankommt, ist „jedes
einzelne derartige Urteil über die Existenz eines konkreten Kausalzu-
sammenhanges an sich der Zerspaltung schlechthin ins Unendliche hinein
fähig (Kursiv v. Vf).“ (113). Es besteht in jedem Wirklichkeitsausschnitt
eine intensive Unendlichkeit gegebener Bestandteile. Kausalerklärung
kann sich deshalb immer nur auf ein aus ihr abstrahiertes historisches In-
dividuum beziehen. Und dies auch nur vermittels komplexer Regelmäßig-
keiten. Es genügt zur historischen Zurechnung, wenn überhaupt ein
solcher Bezug auf R.egeln vorliegt und damit die gegebene Wirklichkeit
in ihrer interessanten Seite dem nomologischen Wissen nicht wider-
spricht. Nicht aber wird gefordert, daß eine bestimmte Tatsache als not-
wendig aus der Gesamtheit aller Wirklichkeit und der in dieser Wirk-
lichkeit herrschenden Gesamtheit aller Gesetze abgeleitet würde. Das
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Gegebenheiten einfach hingenommen, die für andere Erkenntniszwecke
detaillierte Untersuchungen auf ihre kausalen Bedingungen auslösen
würden. Und vor allem in der Kulturwissenschaft werden dauernd Regel-
mäßigkeiten festgestellt, deren Komplexität bei näherem Hinsehen außer-
ordentlich groß erscheint. Für den Historiker genügt im allgemeinen
sogar diejenige grobe Regelkenntnis, welche ihm seine Alltagserfahrung
liefert, um eine zureichende Sicherheit zu gewährleisten. In einem
solchen Falle würde die Evidenz, welche in dem kausalen Zusammenhang
liegt, für die Absicht des Forschers so groß sein, daß eine Formulierung
von Regeln gar nicht stattfindet. Die Kenntnis dieser Regeln wird dann
als selbstverständlich und zum „Alltagswissen“ gehörig einfach voraus-
gesetzt. Alle Kulturwissenschaften „betrachten Zustände und Verände-
rungen der Wirklichkeit als ,bewirkt1 und ,wirkend1 und suchen teils aus
den konkreten Zusammenhängen durch Abstraktion ,Regeln1 der Verur-
sachung zu ermitteln, teils konkrete ursächliche Zusammenhänge durch
Bezugnahme auf Regeln zu erklären. Welche Rolle aber die Formulie-
rung (Kursiv v. Vf.) der R.egeln dabei spielt, und welche logische Form
diese annehmen, ob überhaupt eine Formulierung von R.egeln stattfindet,
ist Frage des spezifischen Erkenntniszieles“ (136). Bezugnahme auf Re-
geln ist also auch da konstitutiv für historische Erkenntnis, wo diese
Regeln nicht formuliert werden. — Doch ist Regelkenntnis jeweils nur
Kenntnis der Regeln, denen nur ein bestimmter Wirklichkeitsbereich
unterliegt, und außerdem ist diese Kenntnis im genannten Sinne vor-
läufig. Es ist also nicht möglich, eine konkrete Wirklichkeit aus gegebe-
nem nomologischen Wissen zu deduzieren. Denn immer, wenn es auf Er-
kenntnis eines konkreten Kausalzusammenhanges ankommt, ist „jedes
einzelne derartige Urteil über die Existenz eines konkreten Kausalzu-
sammenhanges an sich der Zerspaltung schlechthin ins Unendliche hinein
fähig (Kursiv v. Vf).“ (113). Es besteht in jedem Wirklichkeitsausschnitt
eine intensive Unendlichkeit gegebener Bestandteile. Kausalerklärung
kann sich deshalb immer nur auf ein aus ihr abstrahiertes historisches In-
dividuum beziehen. Und dies auch nur vermittels komplexer Regelmäßig-
keiten. Es genügt zur historischen Zurechnung, wenn überhaupt ein
solcher Bezug auf R.egeln vorliegt und damit die gegebene Wirklichkeit
in ihrer interessanten Seite dem nomologischen Wissen nicht wider-
spricht. Nicht aber wird gefordert, daß eine bestimmte Tatsache als not-
wendig aus der Gesamtheit aller Wirklichkeit und der in dieser Wirk-
lichkeit herrschenden Gesamtheit aller Gesetze abgeleitet würde. Das
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