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Henrich, Dieter
Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1952

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https://doi.org/10.11588/diglit.52825#0066
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definiert, daß er Knotenpunkt einer Fülle von wirklichen Flegelhaftig-
keiten des Geschehens ist. Die Regelkenntnis als eine Kenntnis des Wirk-
lichen ist sogar der Erkenntnis des historischen Kausalzusammenhanges
vorgeordnet. Wenn Max Weber davon spricht, daß Regelerkenntnis eine
nur abstrakte Erkenntnis sei, so meint er wieder einmal nicht, daß es sich
bei ihr um eine „Umformung“ des Wirklichen handele, während die
Historie das Wirkliche ursprünglicher erkennen könne. Vielmehr ist es
seine Ansicht, daß die Erkenntnis des Regelmäßigen dadurch Wirkliches
erkenne, daß sie unter Absehung (Abstraktion) von anderem Wirklichen
eine bestimmte Wirklichkeit in der Geregeltheit ihrer Folge erfasse.
Wenn nun die historische Erkenntnis, ebenfalls durch einen Auslesevor-
gang, einen bestimmten, aber nun konkreten Teil einer Wirklichkeit auf
sein Entstehen hin befragt, so nähert sich diese Erkenntnis zwar wieder
der komplexen Individualität alles Wirklichen an, jedoch nur dadurch,
daß bereits vorher die einzelnen in ihr enthaltenen Wirklichkeiten auf
ihre wirklichen Regeln hin untersucht waren.
Aber mit diesen Regeln des Geschehens ist es ein eigenes Ding. Denn
wir sahen ja bereits, daß die letzte kausale Evidenz des regelhaften Zu-
sammenhanges in der empirischen Erkenntnis fehlt. So sind also alle
empirisch konstatierten Regeln zu denken als Abbreviaturen eines kau-
salen Zusammenhanges, der nicht in den Blick kommt und dessen Unter-
suchung auch gar nicht im Interesse der historischen Erkenntnis geboten
ist. So ist zum Beispiel die Sonnenstrahlung Ursache der Erwärmung des
Steines. Die Evidenz dieses kausalen Zusammenhanges ist für weite Ge-
biete der Naturwissenschaft groß genug, so daß auf eine Untersuchung,
wie die Sonne es fertig bringt, den Stein zu erwärmen, verzichtet werden
keit und adaequaten Verursachung hinfällig würde: „das unter deterministischen
Axiomen ,objektiviert4 gedachte Geschehen ,kennt4 sie (Möglichkeiten) nicht, weil
es eben überhaupt keine Begriffe ,kennt4 44 (275). In der deterministischen Voraus-
setzung würde sich auch das Element der verstehenden Wissenschaft, das Indivi-
duum, und damit auch die Möglichkeit der Möglichkeitserwägung in eine Menge
elementarer Gesetzlichkeiten auflösen. Nur dadurch wäre dann eine zureichende
Kausalerkenntnis, nach dem Satz „causa aeqziat effectum44, denkbar. Aber nur
dann, wenn diese Voraussetzung gedacht wird, ist es sinnvoll, empirische Wissen-
schaften mit adaequater Kausalerkenntnis zu betreiben. Nur unter deterministi-
schen Axiomen ist Verstehen kausales Erkennen, aber nur, wenn der Determinismus
bloßes Axiom bleibt, kann kausales Erkennen Verstehen sein.
Damit löst sich wenigstens diese Schwierigkeit. Wir übersehen nicht, daß in der
Wissenschaftslehre manche Bemerkungen zu finden sind, welche das Problem
der Kausalität in noch größeres Dunkel hüllen (z. B. 135 ff.). Wir wollen uns nicht
auf eine Interpretation einlassen, die für unser Anliegen nichts einträgt. Es handelt
sich um ein „erkenntnistheoretisches44 Problem, das in die Methodologie „hinein-
gezogen44 werden muß (146 A).

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