222 Th. II. C. III. Besonderheiten häuslicher Sitte.
welche mit der ehelichen Grundlage des Hauses im stärksten
Gegensätze stehen, finden um ihres vorübergehenden Charak-
ters willen hier ihren besten Platz; und bilden dabei doch zu-
gleich von den zuletzt berührten Ausschweifungen häuslicher
Sitte zu den bedeutsamsten Acten dieser einen um so geeigne-
teren Uebergang, als sie selbst durch Herkommen oder Gesetz
in vieler Hinsicht geschützter erscheinen, als ihre Unsittlich-
keit es erwarten liesse. An sich musste freilich das griechische
Gemeinwesen, schon um seiner so vielfach auf die Familie be-
gründeten bürgerlichen und gottesdienstlichen Ordnungen willen,
auf die Erhaltung der Häuser und die ehelichen Verbindungen
seiner Mitglieder kein geringes Gewicht legen O; und in man-
chen Staaten finden wir diese Betheiligung bis zu gesetzlichen
Vorkehrungen gegen Hagestolze ausgedehnt2); doch ging eben
dadurch nur zu leicht der sittliche Charakter der Ehe in dem
rechtlichen unter; und wie selbst der Ehebruch zunächst als
Störung des Hausfriedens angesehen ward, die den Beleidigten
zu unmittelbarer Rache ermächtigte3), so galt auch die Ent-
ehrung einer Jungfrau nur als Eingriff in fremde Rechte, der
durch nachfolgende Heirath völlig ausgeglichen ward4)· Aus
demselben Grunde hatte auch das Concubinat für den Griechen
bloss das Anstössige, dass seine Früchte der bürgerlichen oder
wenigstens familienrechtlichen Vortheile ehelicher Nachkommen
entbehrten 5); sonst sehen wir in der homerischen Zeit selbst
Ehefrauen die Kinder- ihrer Nebenbuhlerinnen mit den eigenen
aufziehen6); und wenn auch die Nachsicht der späteren Ge-
setzgebung gegen Kebsweiberei keine Digamie einschliesst, die
ohnehin nach griechischen Begriffen zwei getrennte Hausstände
begründen würde 7), so waren doch solche Fälle, wo die παλ-
λακη die Stelle der Hausfrau selbst einnahm, gesetzlich vor-
gesehen und geschützt8). Was ferner die öffentlichen Buhlerin-
nen betrifft, die in mannichfacher Abstufung 9) auf eigene Hand
oder im Dienste fremder Gewinnsucht10) die Befriedigung der
Geschlechtslust zum Gewerbe machten, so vereinigte sich aller-
dings die allgemeine Verachtung bezahlter Gewerbthätigkeit n)
mit der besonderen Unwürdigkeit der ihrigen zu einem Makel,
der sich auch in manchen Ausnahmegesetzen gegen ihren Stand
welche mit der ehelichen Grundlage des Hauses im stärksten
Gegensätze stehen, finden um ihres vorübergehenden Charak-
ters willen hier ihren besten Platz; und bilden dabei doch zu-
gleich von den zuletzt berührten Ausschweifungen häuslicher
Sitte zu den bedeutsamsten Acten dieser einen um so geeigne-
teren Uebergang, als sie selbst durch Herkommen oder Gesetz
in vieler Hinsicht geschützter erscheinen, als ihre Unsittlich-
keit es erwarten liesse. An sich musste freilich das griechische
Gemeinwesen, schon um seiner so vielfach auf die Familie be-
gründeten bürgerlichen und gottesdienstlichen Ordnungen willen,
auf die Erhaltung der Häuser und die ehelichen Verbindungen
seiner Mitglieder kein geringes Gewicht legen O; und in man-
chen Staaten finden wir diese Betheiligung bis zu gesetzlichen
Vorkehrungen gegen Hagestolze ausgedehnt2); doch ging eben
dadurch nur zu leicht der sittliche Charakter der Ehe in dem
rechtlichen unter; und wie selbst der Ehebruch zunächst als
Störung des Hausfriedens angesehen ward, die den Beleidigten
zu unmittelbarer Rache ermächtigte3), so galt auch die Ent-
ehrung einer Jungfrau nur als Eingriff in fremde Rechte, der
durch nachfolgende Heirath völlig ausgeglichen ward4)· Aus
demselben Grunde hatte auch das Concubinat für den Griechen
bloss das Anstössige, dass seine Früchte der bürgerlichen oder
wenigstens familienrechtlichen Vortheile ehelicher Nachkommen
entbehrten 5); sonst sehen wir in der homerischen Zeit selbst
Ehefrauen die Kinder- ihrer Nebenbuhlerinnen mit den eigenen
aufziehen6); und wenn auch die Nachsicht der späteren Ge-
setzgebung gegen Kebsweiberei keine Digamie einschliesst, die
ohnehin nach griechischen Begriffen zwei getrennte Hausstände
begründen würde 7), so waren doch solche Fälle, wo die παλ-
λακη die Stelle der Hausfrau selbst einnahm, gesetzlich vor-
gesehen und geschützt8). Was ferner die öffentlichen Buhlerin-
nen betrifft, die in mannichfacher Abstufung 9) auf eigene Hand
oder im Dienste fremder Gewinnsucht10) die Befriedigung der
Geschlechtslust zum Gewerbe machten, so vereinigte sich aller-
dings die allgemeine Verachtung bezahlter Gewerbthätigkeit n)
mit der besonderen Unwürdigkeit der ihrigen zu einem Makel,
der sich auch in manchen Ausnahmegesetzen gegen ihren Stand