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Musik-Manuscripte. XIV.-XIX. Jährh.
Verzeichnis S. 86) glaubt, „bis das Original zum Vorschein kommt“,
den Winter 1810—11 als Datum der Komposition annehmen zu müssen.
In seinem Leben Beethovens setzt er die Skizzen zu den letzten drei
Sätzen der Sonate ins Jahr 1811 und bemerkt dazu (Bd. III, S. 184), daß
noch ein Jahr verging, ehe diese Studien ihre Verwendung fanden.
Später (S. 223), wo er von dem Wiener Aufenthalt des berühmten Geigers
Pierre Rode berichtet, heißt es weiter: Beethoven nahm die Sonate
wieder vor und vollendete sie, damit sie in einem der Abendkonzerte
beim Fürsten Lobkowitz von Rode und Erzherzog Rudolph gespielt
würde. Die Aufführung fand nach Thayer am 29. Dezember 1812 statt.
Wie aus einem Briefwechsel (ohne Datum) mit dem Erzherzog hervor-
geht, scheint Rodes Spiel nicht ganz den Erwartungen Beethovens ent-
sprochen zu haben; der Meister schreibt: „Morgen in der frühesten
Frühe wird der Kopist an dem letzten Stücke anfangen können, da ich
selbst unterdessen noch an mehreren anderen Werken schreibe, so habe
ich um der bloßen Pünktlichkeit willen mich nicht so sehr mit dem
letzten Stücke beeilt, um so mehr, da ich dieses mit mehr Überlegung
in Hinsicht des Spiels von Rode schreiben mußte; wir haben in unsern
Finales gern Täuschendere Passagen, doch sagt dies R. nicht zu und —
schenirte mich doch etwas. — In einem anderen Schreiben bittet sich
Beethoven die Violinsonate vom Erzherzog aus, damit er sie Rode über-
mitteln könnte, und fügt hinzu: „er (Rode) wird das die Stimme schicken
gewiß nicht übel aufnehmen.“
Nottebohms Ausführungen (Beethoveniana, 1872, S. 30), gipfeln in
dem Satze, daß die Sonate „mit Ausnahme des ersten Satzes, von dem
wir nicht beweisen können, ob er früher oder gleichzeitig oder etwas
später geschrieben wurde,“ nicht vor Oktober 1812 geschrieben und
fertig geworden sein kann, daß sie wahrscheinlich zum ersten Mal am
Dienstag den 29 sten December 1812 in einer Gesellschaft bei Fürst
Lobkowitz gespielt und mit Rücksicht auf Rodes Spiel geschrieben
wurde. Diese Ansichten teilt auch Marx (Beethoven II, S. 145).
Wie aus dem Originalmanuscript hervorgeht, war Beethoven, als er
die Handschrift datierte, selber über die Entstehungszeit des Werkes
im Zweifel, denn er änderte die ursprüngliche Datierung „im Juni (?)
1813“ mit fester Handschrift um in „Februar 1812“, hatte aber auch
jetzt noch Bedenken über das Jahr der Entstehung, da er „oder 13“
hinzufügte (cf. das Facsimile Taf. 19). Hieraus ergiebt sich, daß die Datierung
der Sonate erheblich später als die Niederschrift erfolgt sein muß.
Im Druck erschien das Werk bekanntlich erst im Juli 1816 unter dem
Titel: „Sonate für Piano-Forte und Violin. Sr. Kaiserl. Hoheit dem
durchlauchtigsten Prinzen Rudolph, Erzherzog von Oesterreich etc. etc.
in tiefer Ehrfurcht zugeeignet von Ludwig van Beethoven. 96tes Werk.
Eigenthum der Verleger. Wien bei S. A. Steiner und Comp.“
Es ist daher wahrscheinlich, daß Beethoven die Sonate nach der Auf-
führung, über die ein Bericht vom 4. Januar 1813 vorliegt, beiseite legte
und das Manuscript erst wieder in die Hand nahm, als er es zum Druck
beförderte. Nachdem inzwischen vier Jahre verstrichen waren, wußte
er selber nicht mehr genau, wann er das Werk komponiert hatte.
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königsstrasse 3. Katalog 330.
Musik-Manuscripte. XIV.-XIX. Jährh.
Verzeichnis S. 86) glaubt, „bis das Original zum Vorschein kommt“,
den Winter 1810—11 als Datum der Komposition annehmen zu müssen.
In seinem Leben Beethovens setzt er die Skizzen zu den letzten drei
Sätzen der Sonate ins Jahr 1811 und bemerkt dazu (Bd. III, S. 184), daß
noch ein Jahr verging, ehe diese Studien ihre Verwendung fanden.
Später (S. 223), wo er von dem Wiener Aufenthalt des berühmten Geigers
Pierre Rode berichtet, heißt es weiter: Beethoven nahm die Sonate
wieder vor und vollendete sie, damit sie in einem der Abendkonzerte
beim Fürsten Lobkowitz von Rode und Erzherzog Rudolph gespielt
würde. Die Aufführung fand nach Thayer am 29. Dezember 1812 statt.
Wie aus einem Briefwechsel (ohne Datum) mit dem Erzherzog hervor-
geht, scheint Rodes Spiel nicht ganz den Erwartungen Beethovens ent-
sprochen zu haben; der Meister schreibt: „Morgen in der frühesten
Frühe wird der Kopist an dem letzten Stücke anfangen können, da ich
selbst unterdessen noch an mehreren anderen Werken schreibe, so habe
ich um der bloßen Pünktlichkeit willen mich nicht so sehr mit dem
letzten Stücke beeilt, um so mehr, da ich dieses mit mehr Überlegung
in Hinsicht des Spiels von Rode schreiben mußte; wir haben in unsern
Finales gern Täuschendere Passagen, doch sagt dies R. nicht zu und —
schenirte mich doch etwas. — In einem anderen Schreiben bittet sich
Beethoven die Violinsonate vom Erzherzog aus, damit er sie Rode über-
mitteln könnte, und fügt hinzu: „er (Rode) wird das die Stimme schicken
gewiß nicht übel aufnehmen.“
Nottebohms Ausführungen (Beethoveniana, 1872, S. 30), gipfeln in
dem Satze, daß die Sonate „mit Ausnahme des ersten Satzes, von dem
wir nicht beweisen können, ob er früher oder gleichzeitig oder etwas
später geschrieben wurde,“ nicht vor Oktober 1812 geschrieben und
fertig geworden sein kann, daß sie wahrscheinlich zum ersten Mal am
Dienstag den 29 sten December 1812 in einer Gesellschaft bei Fürst
Lobkowitz gespielt und mit Rücksicht auf Rodes Spiel geschrieben
wurde. Diese Ansichten teilt auch Marx (Beethoven II, S. 145).
Wie aus dem Originalmanuscript hervorgeht, war Beethoven, als er
die Handschrift datierte, selber über die Entstehungszeit des Werkes
im Zweifel, denn er änderte die ursprüngliche Datierung „im Juni (?)
1813“ mit fester Handschrift um in „Februar 1812“, hatte aber auch
jetzt noch Bedenken über das Jahr der Entstehung, da er „oder 13“
hinzufügte (cf. das Facsimile Taf. 19). Hieraus ergiebt sich, daß die Datierung
der Sonate erheblich später als die Niederschrift erfolgt sein muß.
Im Druck erschien das Werk bekanntlich erst im Juli 1816 unter dem
Titel: „Sonate für Piano-Forte und Violin. Sr. Kaiserl. Hoheit dem
durchlauchtigsten Prinzen Rudolph, Erzherzog von Oesterreich etc. etc.
in tiefer Ehrfurcht zugeeignet von Ludwig van Beethoven. 96tes Werk.
Eigenthum der Verleger. Wien bei S. A. Steiner und Comp.“
Es ist daher wahrscheinlich, daß Beethoven die Sonate nach der Auf-
führung, über die ein Bericht vom 4. Januar 1813 vorliegt, beiseite legte
und das Manuscript erst wieder in die Hand nahm, als er es zum Druck
beförderte. Nachdem inzwischen vier Jahre verstrichen waren, wußte
er selber nicht mehr genau, wann er das Werk komponiert hatte.
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königsstrasse 3. Katalog 330.