einordnen. Daß Hoetger zu dem von der Kunst der Antike, des
Mittelalters und Ostasiens geübten Brauch zurückgekehrt ist,
Skulpturen — nicht zur Erhöhung der Illusionskraft, sondern zur
Verstärkung der plastischen Wirkung — zu bemalen, ist mit sein
größtes Verdienst. Der auch heute noch allgemein beliebte kaltweiße
Marmor muß im Freien immer als Fremdkörper im farbigen Orga-
nismus der Umgebung empfunden werden. Die Erde zeigt Weiß nur
in den kleinen Schmuckflecken der Blumen. Stets stattet sie ihre
Erzeugnisse mit Farben aus und weiß dabei die heftigsten Gegen-
sätze zu beschwichtigen. Farbe und Farblosigkeit dagegen sind
unvereinbare Kontraste. Schon bei der Wahl des Materials achtete
der Künstler darauf, daß der Stein entweder selbst als farbige Er-
scheinung mitsprechen konnte, oder daß es nur geringer Mittel be-
durfte, um ihn zum Reden zu bringen. Die erst kürzlich erfundenen
Freskolithfarben sind keine Deckfarben. Der Stein saugt sie auf und
hält sie, indem er sein Korn unverändert zeigt, in ihrer ursprüng-
lichen Frische auch bei Schnee und Regen fest. Hoetger beschränkte
die Bemalung auf wenige Farben von betonter Gegensätzlichkeit:
Blau, Gelb, Orange und Olivgrün, alle in gedämpften Tönen, kommen
am häufigsten vor; Terrakotta-Rot wird nur bei Gefäßen, noch
reineres Rot nur zur Charakterisierung der Lippen, Schwarzgrau
lediglich bei Kopfhaaren und Brauen und zur Hervorhebung der
Pupillen benutzt. So werden kräftige, aber der Schärfe beraubte
Farbgegensätze zu dem dunkeln Grün des Efeus, dem helleren
Gelbgrün der Platanen, dem Grauviolet ihrer Stämme und dem
wechselnden Grau und Lichtblau der Luft geschaffen. •—■ Die
Sprüche, die in die Sockel der Portalpfeiler und der Hauptgruppen
eingegraben sind, wurden von Hoetger nach eifervollem Suchen
indischen Dichtungen, einem aegyptischen Grabmal und einem
Liede Goethes entnommen. Sie stehen nicht zufällig an ihrem
Platze: Sie sind Teil des Gesamtkunstwerkes und deuten mit
bildbeseelten Worten an, was die Gestaltungen des Meißels dem
empfänglichen, zur Sammlung bereiten Beschauer ganz enthüllen.
Ihre Schrift, zugleich notwendig zur ornamentalen Flächen-
belebung wie zur Sinnerläuterung, ist eine ganz flächenhaft
behandelte Blockschrift mit sehr formal empfundenen, kraftvollen,
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Mittelalters und Ostasiens geübten Brauch zurückgekehrt ist,
Skulpturen — nicht zur Erhöhung der Illusionskraft, sondern zur
Verstärkung der plastischen Wirkung — zu bemalen, ist mit sein
größtes Verdienst. Der auch heute noch allgemein beliebte kaltweiße
Marmor muß im Freien immer als Fremdkörper im farbigen Orga-
nismus der Umgebung empfunden werden. Die Erde zeigt Weiß nur
in den kleinen Schmuckflecken der Blumen. Stets stattet sie ihre
Erzeugnisse mit Farben aus und weiß dabei die heftigsten Gegen-
sätze zu beschwichtigen. Farbe und Farblosigkeit dagegen sind
unvereinbare Kontraste. Schon bei der Wahl des Materials achtete
der Künstler darauf, daß der Stein entweder selbst als farbige Er-
scheinung mitsprechen konnte, oder daß es nur geringer Mittel be-
durfte, um ihn zum Reden zu bringen. Die erst kürzlich erfundenen
Freskolithfarben sind keine Deckfarben. Der Stein saugt sie auf und
hält sie, indem er sein Korn unverändert zeigt, in ihrer ursprüng-
lichen Frische auch bei Schnee und Regen fest. Hoetger beschränkte
die Bemalung auf wenige Farben von betonter Gegensätzlichkeit:
Blau, Gelb, Orange und Olivgrün, alle in gedämpften Tönen, kommen
am häufigsten vor; Terrakotta-Rot wird nur bei Gefäßen, noch
reineres Rot nur zur Charakterisierung der Lippen, Schwarzgrau
lediglich bei Kopfhaaren und Brauen und zur Hervorhebung der
Pupillen benutzt. So werden kräftige, aber der Schärfe beraubte
Farbgegensätze zu dem dunkeln Grün des Efeus, dem helleren
Gelbgrün der Platanen, dem Grauviolet ihrer Stämme und dem
wechselnden Grau und Lichtblau der Luft geschaffen. •—■ Die
Sprüche, die in die Sockel der Portalpfeiler und der Hauptgruppen
eingegraben sind, wurden von Hoetger nach eifervollem Suchen
indischen Dichtungen, einem aegyptischen Grabmal und einem
Liede Goethes entnommen. Sie stehen nicht zufällig an ihrem
Platze: Sie sind Teil des Gesamtkunstwerkes und deuten mit
bildbeseelten Worten an, was die Gestaltungen des Meißels dem
empfänglichen, zur Sammlung bereiten Beschauer ganz enthüllen.
Ihre Schrift, zugleich notwendig zur ornamentalen Flächen-
belebung wie zur Sinnerläuterung, ist eine ganz flächenhaft
behandelte Blockschrift mit sehr formal empfundenen, kraftvollen,
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