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Antiquariat und Autographenhandlung Heinrich Hinterberger
Katalog: Einblattdrucke und Flugschriften des 15.-19. Jahrhunderts: Original-Manuskripte deutscher Dichter und Denker: musikalische Meister-Handschriften deutscher und ausländischer Komponisten : berühmte Sammlung repräsentativer Handschriften, 1. Teil — Wien: Heinrich Hinterberger, Nr. 9.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.57219#0069
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I. Deutsche Dichter und Denker (Werner—Zschokke)

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Schweizer Franken
folgende Stellen, die sich mit der Kritik der Gerber’schen Novelle befassen,
doch für Weiningers eigene Gedankengänge höchst charakteristisch sind.
Weininger beginnt zunächst mit einer Untersuchung über die Novelle und
ihren Autor: „Daß er noch sehr jung ist, wird man nämlich leicht gewahr, da
ihm gewisse Dinge noch groß erscheinen, die er in wenigen Jahren in perspecti-
visch richtigeren Verhältnissen sehen wird. — ... Der Inhalt der Geschichte ist
das Los alles Künstlers: innig verschmolzen drängen die Sehnsucht nach der
Schönheit und das Leiden unter der Schönheit zu dem tragischen Ende. Zum
Lustmord. Aber es ist nicht der Lustmord der bete humaine, die Grausamkeit,
keine rein thierische wie bei Zola. Es ist die nothwendig grausame Antwort auf
die grausamste Heimsuchung durch die Liebe, sie ist der letzte Akt der Verzweif-
lung des aufs höchste vergeistigten Sinnenmenschen.
Wenn ihm die Schönheit wirklich zu erscheinen droht, nach der ihn Sehnsucht
sein Leben lang einzig beherrscht hat, so muß er sie tödten: sie muß vergehen.
Aber ,in Schönheit’. Es ist Sadismus, aber, der Sadismus jedes Künstlers, geistiger
Sadismus, der doch soweit an die körperliche Sphäre noch gebunden bleibt, daß
ein äußerer Abschluß überhaupt noch möglich ist. Ibsens Hedda Gab-
ler — das Weib, das Khnopff immer malt — hat ein ähnliches Schicksal, aber
ihre Gelüste sind die eines Weibes, physiologisch, triebhaft. Bei Gerber werden
Sie zum ,Künstlermotiv’. — Die Geschichte wird erzählt vom Helden selbst, viel-
leicht zehn Jahre nachdem er sie erlebt hat: einfach, nicht gekünstelt, in Wor-
ten, die er seiner brennenden Scham abgerungen hat, eine furchtbar fragende
Anklage gegen das Leben; ohne die Erlebnis-Eitelkeit der sich selbst begaffenden
und entweder applaudierenden oder zensurierenden Psychologen . . .".
Ein Vierteljahr nach dieser Rezension, am 10. Juli 1902, bestand Otto
Weininger in Wien an der Universität seine Hauptprüfung. Als er diese Beur-
teilung schrieb, zählte er erst zweiundzwanzig Jahre. IV2 Jahre darauf machte er
seinem jungen Leben durch einen Pistolenschuß in Salzburg ein Ende.
Manuskripte des frühverstorbenen Philosophen sind von allergrößter Sel-
tenheit und bisher nie im Handel erschienen.
Siehe das Faksimile auf Tafel XLIV.
228 Werner, Zacharias, Dichter, trat 1810 zur kathol. Kirche über und wandte sich
nach Wien, wo er einer der erfolgreichsten Kanzelredner wurde. 1768—1823.
Eigenh. Ms. o. U.: „162. Gesang über Michael Angelo’s jüngstes Gericht. (Frag-
ment). Angefangen d. 21. November 1810". IV2 SS. 8. 30.
229 Wieland, Christoph Mart., Dichter. 1733 —1813. Eigenh. Ms. o. U.
Anmerkung zu seiner Liebersetzung der Episteln u. Satiren des H o-
raz (1782—86). (Lieber die polit. Zustände Roms i. J. 715). 1 S.
8. (eng und klein geschrieben). 30.—
230 Winckehnann, Joh. Joach., Begründer d. Archäologie in Deutsch-
land. 1717—68. Eigenh. Ms. o. U. Histor. Aufsatz über das Städt-
chen Reese od. Rees a. Rhein, im Erzstift Cöln. P/2 SS. 4. 120.—
231 Zschokke, Heinr., Schweizer Schriftsteller und Staatsmann. 1771 —
1848. Eigenh. Ms. o. U. „Die Republik Krakau und die Neutralität".
Parallele zwischen den polit. Zuständen u. d. Neutralität des Frei-
staates Krakau u. d. Schweizerischen Eidgenossen-
schaft. 22/-3 SS. 4. (nach 1815). Mit Korrekturen. 75.—
Der interessante Artikel schließt: „Das Jahr 1815 hat uns politisch zu Kra-
kauern gemacht. Vielleicht hab ich unrecht. Tröstet mich!"
 
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