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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0143
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Die Entwicklung nach 1630

131

beschäftigten sich in größerem Umfang mit der Bild-
aufgabe.91'
Noch im Schaffen einiger Enkelschüler Rem-
brandts spielen Tronien eine bedeutende Rolle. Of-
fensichtlich übernahmen die Maler die Praxis der
Tronieproduktion von ihren Lehrmeistern, die damit
während ihrer Ausbildung bei Rembrandt vertraut
gemacht worden waren. Ein besonders herausra-
gender Meister, der in dieser Beziehung genannt wer-
den muss, ist Gerard Dous Schüler Frans van Miens
d.Ä. (1635-1681).99 100 101 Überdies beeinflusste Dou auch
andere Maler, zu deren Bildrepertoire Tronien ge-
hörten. Hierzu zählen Jacob van Spreeuwen (1611—
nach 1650), ein Nachfolger Dous, und Johannes van
Staveren (um 1625-nach 1668), der vermutlich bei
Dou in die Lehre ging.10J
Auch Govaert Flinck und Ferdinand Boi unter-
richteten Maler, deren GEuvre Tronien beinhaltet.
Dies gilt beispielsweise für Flincks Schüler Johannes
Spilberg (1619—1690)102 sowie für Cornelis Bisschop
(1630-1674),103 * * * * der ein Lehrling Bois war.
Schließlich zeigt sich selbst im Werk von Meis-
tern, die weder bei Rembrandt noch bei einem sei-
ner Schüler in die Lehre gingen, vielfach deutlich,
dass der Impuls für ihre Auseinandersetzung mit der
Bildaufgabe Tronie auf das Vorbild Rembrandts zu-

rückgeht. Veranschaulichen lässt sich dies etwa am
Beispiel Salomon Könincks (1609-1656), aber auch
eines so eigenständigen Malers wie Jacob Adriaensz.
Backers (1608-1651). Zunächst soll jedoch die Tro-
nieproduktion der wichtigsten Schüler Rembrandts
behandelt werden. Da sich die richtige Bestimmung
eines Einfigurenbildes als Tronie oder Porträt viel-
fach erst aus dem jeweiligen Werkzusammenhang
ergibt, ist auf die betreffenden Künstler gesondert
einzugehen.
Gerard Dou
Das überlieferte GEuvre von Gerard Dou, Rem-
brandts erstem urkundlich belegten Schüler, enthält
an die 20 Tronien, die in der Zeit von ca. 1631 bis
1645 entstanden.109 Nach 1645 scheint sich der Meis-
ter nicht mehr in erwähnenswertem Maße mit dem
Bildtyp beschäftigt zu haben.103 Dou schuf über-
wiegend Tronien von Greisen und Greisinnen so-
wie von Figuren im Kindes- oder Jugendalter. Die
entsprechenden Brustbilder und Halbfiguren lassen
sich in der Mehrzahl schon deshalb problemlos als
Tronien klassifizieren, weil sie auch von anderen
Meistern oder von Dou selbst wiederholt verwen-
dete Modelle zeigen, z.B. den so genannten Water

99 Für Joudervilles Tronien vgl. u.a. Wetering 1983, S. 62, 66, Fig.
3, 4, S. 63, Fig. 13, S. 65, Fig. 15, 16, S. 64; Kat. Amsterdam /
Groningen 1983, Kat. Nr. 44N4a, S. 178-181; Sumowski 1983-
1994, Bd. 2, Kat. Nr. 940, 941, Bd. 5, Kat. Nr. 2104a, 2105, Bd.
6, Kat. Nr. 2330a, 2034; Kat. Berlin / Amsterdam / London
1991/92a, Kat. Nr. 58-59, S. 308-313. Für Paudiss zugeschrie-
bene Tronien vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 4, Kat. Nr. 1571,
1573, 1574,1576-1580. Vgl. bereits Peltzer 1937/38, Nr. 7, 8, S.
274, Abb. 1, 2, S. 253, 255, Nr. 28, S. 276, Abb. 4, S. 258, Nr. 40,
S. 277, Abb. 10, S. 265, Nr. 43, S. 278, Abb. 9, S. 264.
100 Für Tronien von van Micris vgl. Naumann 1981, Bd. 2, Kat.
Nr. 29, 38, 39, 41,42, 43,61,68.
101 Zu van Staveren vgl. Sluijter 1988b, S. 33f.; Kat. Leiden
1988, S. 226 u. Kat. Nr. 77, 78, S. 227-229; Kat. Stockholm
1992/93, S. 306; für seine Tronien vgl. Sumowski 1983-1994,
Bd. 5, Kat. Nr. 2160, Bd. 6, Kat. Nr. 2449. Zu van Spreeu-
wen vgl. Bauci-i 1960, S. 224-227; Sumowski 1983-1994, Bd.
4, S. 2548-2588; Kat. Leiden 1988, S. 222-225; Kat. Paris
1988/89, S. 34-36; Kat. Stockholm 1992/93, S. 305. Für die
ihm zugeschriebenen Tronien vgl. Sumowski 1983-1994, Bd.
4, Kat. Nr. 1700, 1706, 1707.
102 Houbraken 1753, Bd. 3, S. 43, nennt Spilberg als Lehrling
Flincks. Für Spilberg zugewiesene Tronien vgl. Sumowski
1983-1994, Bd. 2, S. 1007, Anm. 25, 26, 29, Abb. S. 1011,
1013, 1014, Bd. 5, Kat. Nr. 2155, Bd. 6, Kat. Nr. 2440, 2440a,
2441; Raupp 1995a, Kat. Nr. 52, S. 136f. Vgl. auch Peltzer
1930, S. 254, Abb. 240, S. 253.

103 Zu Bisschop als Schüler Bois vgl. Briere-Misme 1950, S.
26f.; Blankert 1982, S. 22. Allgemein zu Leben und Werk
Bisschops vgl. Briere-Misme 1950; dies. 1952/53; Sumowski
1983-1994, Bd. 3, S. 1961f., 1977-1999, Bd. 5, Kat. Nr. 1999-
2003, Bd. 6, Kat. Nr. 2185a-2194; Kat. Dordrecht 1992/93,
S. 85 u. Kat. Nr. 4-7, S. 86-95. Für Bisschop zugeschriebene
Tronien vgl. Sumowski 1983-1994, Bd. 5, Kat. Nr. 2000, Bd. 6,
Kat. Nr. 2188, 2189, 2190; Raupp 1996a, Kat. Nr. 6, S. 36-39.
104 Vgl. zuletzt Kat. FIannover 2000, Kat. Nr. 42, S. 135f.; Kat.
Washington / London / Den Haag 2000/01, Kat. Nr. 2,
S. 66f., Kat. Nr. 9, S. 80f, Kat. Nr. 11, S. 84f., Kat. Nr. 15, S.
92f.; Kat. Leiden 2000, S. 48-52, Abb. S. 49, 52; Kat. Kassel
/ Amsterdam 2001/02, Kat. Nr. 7Ü77, S. 360-363. Für wei-
tere Tronien Dous vgl. Martin 1913, S. 36 (F. 76), S. 53 (M.
223), S. 54 (M. 217); Kat. Paris 1988/89, S. 15 m. Abb.; Su-
mowski 1983-1994, Bd. 1, Kat. Nr. 249, 253, 258-260, Bd. 6,
Kat. Nr. 2245. Ronni Baer gilt mein Dank für die Gewährung
der Einsichtnahme in ihre unveröffentlichte Dissertation von
1990. Die Autorin schreibt Dou die aufgeführten Werke mit
einer Ausnahme zu. Bei Letzterer handelt es sich um eine
bei Sumowski 1983-1994, Bd. 1, Kat. Nr. 260, verzeichnete
Knabentronie, deren Zuweisung an Dou Baer 1990, Kat. Nr.
C40, ablehnt.
105 Diesen Hinweis verdanke ich Ronni Baer. Sie setzt die letzte
Tronie Dous um 1642/45 an, Baer 1990, Kat. Nr. 39.
 
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