Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0030
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8

dert. Zwar rechnen wir diese Kenntnifs nur uneigentlich zur Erzielung der Festigkeit. Denn
wenn ein Bau bereits vollendet steht, und er die dem Material, und der Bestimmung ent-
sprechende Festigkeit zeiget, so können freylich die Hülfsmittel, vermöge welcher der Bau-
meister sich die Construction erleichterte, nicht ferner beurtheilt werden. Auch kann man
in dieser Hinsicht den Baumeister nur in so fern in Anspruch nehmen, als uns die Art und
Weise, wie er bey der Construclion verfuhr, bekannt ist. So sehen wir, da-fs die Festigkeit
der Gebäude der Alten in der Regel auf eine untadeliche Weise besorgt ist; aber ob die
einzelnen Baue auch mit den Erleichterungen, und der Ersparnifs geführt wurden, welche
die Kunst überhaupt in ihrer Gewalt hat, darüber kommt uns aus Mangel solcher einzelnen
Nachrichten *) kein Urtheil mehr zu.

11. s-

Dritter Abschnitt.

Von den allgemeinen Erfordernissen der Bequemlichkeit.

§. i. Jedes Gebäude wird eines bestimmten Bedürfnisses, oder Dienstes wegen errichtet.
Erfüllet die Anordnung und der Ausbau den dabey beabsichtigten Zweck auf die bestmög-
liche Weise, so nennet man einen solchen Bau bequem.

Bequem bauen heifst also nichts anders, als dem Bedürfnifs oder der Bestimmung ge-
mäfs bauen.

Im engern Sinn ist der Ausdruck bequem, als angenehm-bewohnbar, hauptsächlich nur
bey Wohngebäuden üblich. Allein hier nehmen wir das Wort in seinem weitesten Sinne,
nach welchem wir jedes Gebäude, wenn die Anlage und der Ausbau dem Bedürfnifs, und
der Bestimmung entspricht, bequem heifsen. Es klingt zwar etwas sonderbar, z. B. ein Ge-
fängnifs, ein Denk- oder Grabmal, bequem zu nennen; obwohl übrigens niemand in Abre-
de seyn wird, dafs diese Art Gebäude eben so, wie ein Wohnhaus, ihrer Bestimmung gemäfs
angelegt seyn müssen. Wir bedienen uns indessen dieses Ausdruckes aus Mangel eines pas-
sendem in unserer Sprache.

Die Bequemlichkeit wird erhalten durch eine dem Bedürfnifs angemessene Anordnung
der Gröfsen sowohl in Rücksicht der einzelnen Theile, als des Ganzen, durch eine gehörige
Wahl der Formen, und durch die richtige Stellung der Partien zu einander. — Wesentliche
Rücksichten des Architekten sind hiebey: das Klima und die Himmelsgegend, das Lokale,
die Verfassung, Sitten und Gebräuche, die Baumaterialien; und wesentlich gehört zum Stu-
dium, dafs der Baumeister sich frühzeitig angelegen seyn lasse, mit den Bedürfnissen, und
den daraus entspringenden Eigenheiten jeder Art von Gebäuden sich bekannt zu machen.

§. 2. Das Klima und die Himmelsgegend: jeder Himmelstrich erfordert seine eigene
Rücksichten bey der Anlage der Gebäude. In warmen Ländern mufs alles geräumiger,
kann alles offener und freyer seyn, als in kalten, wo Frost und Schnee während der gröfs-
ten Zeit des Jahres herrschend sind. Geschlofsnere Gebäude, kleinere Zimmer, sparsamer
Gebrauch der Verzierungen äufserlich und im Unbedeckten, Vermeidung der Treppenanla-
gen im Freyen, u. s. w. sind Rücksichten, welche kältere Himmelstriche erheischen. Offene

Hallen

') Ich sage mit Absicht: „aus Mangel solcher einzelnen Nachrichten." Denn im Allgemeinen wissen wir allerdings, dafs die
Alten die Mechanik auf einen hohen Grad von Vollkommenheit gebracht hatten, und sie eine Menge der vorzüglichsten
Schriftsteller über diese Kunst besaßen. Auch finden wir Nachrichten, mit welcher Ueberlegenheit sie sich in einzelnen
schwierigen Fällen, wie z. B. beym Baue des Dianatempels zu Ephesus (s. meine Abhandlung über diesen BauJ zu be-
nehmen verstanden.



KU,

e^at
X

k



>

CS

\l
 
Annotationen