Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0031
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ge-

be-

Hallen und flache Dachungen, welche in mittägigen Ländern so angenehm "lassen, dürfen
im Norden nur mit besonderer Vorsicht angelegt werden.

Eine o-leiche Aufmerksamkeit verdient die Himmelsgegend bey einer guten Anordnung,
Gewisse Abtheilungen erfordern den Morgen, andere die Mitternacht, andere den Mittag,
und wieder andere den Abend. Wie aufmerksam die Alten in dieser Rücksicht waren,
darüber belehre uns Vitruv, der z. B. in Rücksicht der Wohngebäude vorschreibt dafs die
Winterspeisesäle, und die Bäder gegen den Wintersonnenuntergang liegen; die Arbeitszim-
mer und die Büchersäle aber gegen den Aufgang. Gegen Norden müssen die Bildersäle,
die Arbeitszimmer der Mahler und der Kunstweber, auch die Sommerspeisesäle angelegt
seyn u. s. w. Dieselbe Aufmerksamkeit erstreckte sich auch auf die Wirthschaftsgebäude
(Vitr. 6. 9.) Die Fenster des Weinkellers sahen gegen Mitternacht, hingegen die des Oel-
kellers gegen Mittag. Der Ochsenstall erforderte das Licht von Morgen, der Pferdestall
hingegen von der wärmsten Seite, und der Getreideboden von der nördlichen Himmels-
gegend,

Es kann aber auch noch zufällige Ursachen geben, welche in Hinsicht der Himmels-
gegend eine Abänderung in der Anlage eines Gebäudes veranlassen können, z. B. aufstei-
gende Dünste, schädliche Winde, unangenehme Aussichten, der Staub einer nahen Heer-
strafse und dergleichen.

§. 3. Das Lokale: Es ist ein wesentlicher Vortheil nicht blofs für einzelne Gebäude,
sondern auch für die Anlage eines ganzen Ortes, einer ganzen Stadt, wenn das Lokale gut
gewählt ist. Fester Grund und Boden, gesunde Luft, gutes Wasser, Geräumigkeit und so
viel möglich freundliche Umgebung und freye Aussichten sind Erfordernisse, welche bey
einer Anlage allgemein zu berücksichtigen stehen. Auch mufs man auf rechtwinklige
Bauplätze sehen, und schiefe und unreguläre Räume, so viel es möglich ist, vermeiden.
Eher kann ein unebenes und abschüfsiges Erdreich zu einem guten Bauplatz eingerichtet
werden.

Wie wichtig die Wahl eines guten Lokales sey, sollen folgende, zwar nur sehr allge-
meine Bemerkungen etwas näher erläutern. Man denke sich die Anlage einer Stadt, eines
Dorfes, eines einzelnen Landsitzes. Nach der Bestimmung einer zu erbauenden Stadt mufs
natürlich auch die Anlage sich einrichten. Residenzstädte müssen im Mittelpunkt des Rei-
ches an schiffbaren Flüssen, in fruchtbaren und schönen Gegenden liegen. Hauptprovin-
zialstädte erfordern den Mittelpunkt der Provinz. Grofse Handlungs- und Stapelplätze
müssen an sichern Meeresbuchten, an Mündungen grofser Flüsse, oder am Zusammenflufs
mehrerer schilfbaren Gewässer und Kanäle angelegt werden. Erstere dienen vorzüglich zum
Betrieb des äufsern und letztere des innern Handels. Festungen gehören auf die Gränzen,
theils in wasserreiche und schwer zugängliche Gegenden, theils in weite Flächen, oder in
Gebirgspässe. Sind sie von geringem Umfange, so taugen sie besser zur Vertheidignng,
von weiterm Umfange aber legt man sie an, wenn sie zum Zufluchtsorte und zur Wieder-
sammlung eines geschlagenen Heeres bestimmt seyn sollen. Manufakturstädte sind fern von
den Hauptstädten in solchen Gegenden anzulegen, wo die Lebensmittel erster Notwendig-
keit wohlfeil, wo die rohen Stoffe, welche das Produkt der Fabrikation geben, so wie die
Materialien, vermöge welcher man fabrizirt, entweder vorhanden oder leicht herbeyzuschaf-
fen sind. Das Lokale mufs zugleich die Anlage der erforderlichen Maschinen und Trieb-
werke erleichtern.

Der Plan einer Stadt — die Festungswerke dazu ausgenommen — fordert so viel mög-
lich rechtwinklige Formen; schieflaufende, runde, sechs- und achteckige Gestalten müssen
vermieden werden. Von den Thoren führen die Hauptstrafsen nach der Mitte der Stadt.
Mittelstrafsen theilen die Viertel ab, und Gassen die Inseln. Die Strafsen seyen öfters durch

0
 
Annotationen