— 129 —
ben scheint, den Regen, damit er nicht'über dem Vorspfunge des Gesimses stehen bleibe,
abzuleiten (PI. XXVII. Fig. I. IL und VI).
Vitruv scheint diese liegende Hohlkehle in den angeführten Stellen (3, 3. und 5> 6.) un-
ter dem Namen lysis anzudeuten.
Schliefslich bemerken wir, dafs alles Wesentliche, was wir bisher über die Füfs- und
Deckgesimse der Unterbaue und der Säulenstühle angegeben haben, auch für die Einrich-
tung der Gesimse an steinernen Geländern, Brüstungen, Fufsgestellen für Statuen, Denkstei-
nen, Altären, u. s. w. gilt. Nur nehmen manche der letztern öfter Schnitzwerk, Verzierun-
gen und Inschriften an, als die Unterbaue.
Dreizehnter Abschnitt,
Von den architektonischen Gliedern und Gesimsen.*
■§. 1. Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten häufig von architektonischen Glie-
dern und Gesimsen gesprochen, welche den Saum der gröfsern Baukörper bilden, sie von
einander trennen, beendigen und krönen. Allein dies ist nicht genug; ihre nähere Kennt-
nifs und ihr richtiger Gebrauch ist für das Gesamte der Architektur von höchster Wichtig-
keit, so dafs wir nicht umhin können, denselben einen besondern Abschnitt zu widmen.
Die Anzahl der einzelnen Glieder ist gering; aber sie gewähren durch ihre verschiedene Zu-
sammensetzung und durch ihr mancherley Schnitzwerk nichts desto weniger einen sehr man-
nigfaltigen Reiz.
Merket man auf die Entstehung, und die allmählige Ausbildung der einzelnen Glieder,
ihrer Verzierungen und Zusammensetzungen; so geben sie keinen geringen Beytrag zur nä-
hern Erläuterung der architektonischen Geschichte. Das Gerade, das Schrägabgeschnittene,
die stumpfen Umrisse, das wenig Geschnitzte, das Einfache in der Zusammenstellung sind
das Eigenthümliche der frühern Bauart. Daher diese Einfachheit und Nüchternheit im Ge-
brauch der Gesimse der altern Ordnung, der dorischen, und noch mehr der toskanischen,
auch forthin eigen blieb. In den spätem Bauarten, der ionischen und korinthischen, wer-
den die Biegungen der einzelnen Glieder mannigfaltiger und gefälliger, ihre Gesimse anmuthi-
ger, das Schnitzwerk häufiger, und es ist, was demselben den wahren Reiz giebt, mit Schärfe
und Feinheit ausgeführt; das schöne Zeitalter der Bildkunst ist auch dasjenige für den archi-
tektonischen Zierath. Die höchste Kunstepoche zeiget auch die schönste Biegung der ein-
zelnen Glieder, die anmuthigsten Profile von Gesimsen, das gefälligste und feinste Schnitz-
werk. Indessen hat auch dies anmuthige Spiel seine Gränzen. Man darf die verschiedenen
Glieder nicht willkührlich gebrauchen, und die einzelnen Gesimse weder mit Gliedern, noch
mit Schnitzwerk überladen. Man kann daher kühn behaupten, dafs die Abnahme, und der
allmählige Verfall in der Baukunst an keinem Theile so bald und so leicht bemerkbar sey,
als in der Art wie man die Gesimsarten behandelte. Eine solche Abnahme machet sich
fühlbar in dem Gebrauch der Glieder am unrechten Orte, in den unfüglichen und überhäuf-
ten Zusammensetzungen, im Mangel guter Verhältnisse der Glieder unter sich, im überlade-
nen Zierwerk, in der Einführung neuer und wenig passender Schnitzereyen, und besonders
in der nachlässigen und charakterlosen Bearbeitung derselben. Es ist auffallend, wie weit
die römischen Monumente in dieser Hinsicht schon allgemein gegen die griechischen zu-
rückstehen.
Hieraus geht hervor, dafs die Lehre der architektonischen Glieder und Gesimse keines-
weges so geringfügig sey, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte. Die richtige Bil-
33
ben scheint, den Regen, damit er nicht'über dem Vorspfunge des Gesimses stehen bleibe,
abzuleiten (PI. XXVII. Fig. I. IL und VI).
Vitruv scheint diese liegende Hohlkehle in den angeführten Stellen (3, 3. und 5> 6.) un-
ter dem Namen lysis anzudeuten.
Schliefslich bemerken wir, dafs alles Wesentliche, was wir bisher über die Füfs- und
Deckgesimse der Unterbaue und der Säulenstühle angegeben haben, auch für die Einrich-
tung der Gesimse an steinernen Geländern, Brüstungen, Fufsgestellen für Statuen, Denkstei-
nen, Altären, u. s. w. gilt. Nur nehmen manche der letztern öfter Schnitzwerk, Verzierun-
gen und Inschriften an, als die Unterbaue.
Dreizehnter Abschnitt,
Von den architektonischen Gliedern und Gesimsen.*
■§. 1. Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten häufig von architektonischen Glie-
dern und Gesimsen gesprochen, welche den Saum der gröfsern Baukörper bilden, sie von
einander trennen, beendigen und krönen. Allein dies ist nicht genug; ihre nähere Kennt-
nifs und ihr richtiger Gebrauch ist für das Gesamte der Architektur von höchster Wichtig-
keit, so dafs wir nicht umhin können, denselben einen besondern Abschnitt zu widmen.
Die Anzahl der einzelnen Glieder ist gering; aber sie gewähren durch ihre verschiedene Zu-
sammensetzung und durch ihr mancherley Schnitzwerk nichts desto weniger einen sehr man-
nigfaltigen Reiz.
Merket man auf die Entstehung, und die allmählige Ausbildung der einzelnen Glieder,
ihrer Verzierungen und Zusammensetzungen; so geben sie keinen geringen Beytrag zur nä-
hern Erläuterung der architektonischen Geschichte. Das Gerade, das Schrägabgeschnittene,
die stumpfen Umrisse, das wenig Geschnitzte, das Einfache in der Zusammenstellung sind
das Eigenthümliche der frühern Bauart. Daher diese Einfachheit und Nüchternheit im Ge-
brauch der Gesimse der altern Ordnung, der dorischen, und noch mehr der toskanischen,
auch forthin eigen blieb. In den spätem Bauarten, der ionischen und korinthischen, wer-
den die Biegungen der einzelnen Glieder mannigfaltiger und gefälliger, ihre Gesimse anmuthi-
ger, das Schnitzwerk häufiger, und es ist, was demselben den wahren Reiz giebt, mit Schärfe
und Feinheit ausgeführt; das schöne Zeitalter der Bildkunst ist auch dasjenige für den archi-
tektonischen Zierath. Die höchste Kunstepoche zeiget auch die schönste Biegung der ein-
zelnen Glieder, die anmuthigsten Profile von Gesimsen, das gefälligste und feinste Schnitz-
werk. Indessen hat auch dies anmuthige Spiel seine Gränzen. Man darf die verschiedenen
Glieder nicht willkührlich gebrauchen, und die einzelnen Gesimse weder mit Gliedern, noch
mit Schnitzwerk überladen. Man kann daher kühn behaupten, dafs die Abnahme, und der
allmählige Verfall in der Baukunst an keinem Theile so bald und so leicht bemerkbar sey,
als in der Art wie man die Gesimsarten behandelte. Eine solche Abnahme machet sich
fühlbar in dem Gebrauch der Glieder am unrechten Orte, in den unfüglichen und überhäuf-
ten Zusammensetzungen, im Mangel guter Verhältnisse der Glieder unter sich, im überlade-
nen Zierwerk, in der Einführung neuer und wenig passender Schnitzereyen, und besonders
in der nachlässigen und charakterlosen Bearbeitung derselben. Es ist auffallend, wie weit
die römischen Monumente in dieser Hinsicht schon allgemein gegen die griechischen zu-
rückstehen.
Hieraus geht hervor, dafs die Lehre der architektonischen Glieder und Gesimse keines-
weges so geringfügig sey, als es auf den ersten Anblick scheinen möchte. Die richtige Bil-
33