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Hirt, Aloys Ludwig
Die Baukunst nach den Grundsätzen der Alten (Text) — Berlin, 1809

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https://doi.org/10.11588/diglit.1740#0152
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itl IM

IHIIHi

— 130. —

düng und Anwendung derselben ist das Resultat eines langen Beobachtern, nnd einer mehr
als gewöhnlichen Empfänglichkeit für die Wirkung des Zierlichen, für das anrauthige Spiel
von Licht und Schatten, für die Uebereinstimmung des Mannigfaltigen zum Einen, und des
Einzelnen zum Ganzen.

Man kann die Glieder eintheilen, erstlich nach ihrem Gebrauche und dem Lokale, wo
man sie anbringt, in liegende und deckende; zweytens nach ihrer Wirkung, in Licht- und -
Schattenglieder; drittens nach ihrer Gröfse in selbstständige und anhangende; viertens in
einfache und zusammengesetzte; fünftens in gerade und gebogene. In Rücksicht des Schnitz-
werkes nimmt ein Glied bald nur eine, bald mehrere Arten desselben an; und bald pafst das
eine und dasselbe Schnilzwerk nur für eine, bald für mehrere Arten von Gliedern. Wie
alles dies zu verstehen sey, werden wir bey der Behandlung der einzelnen Glieder und Gesimse
genauer angeben.

Eine nicht geringe Schwierigkeit bey der Behandlung dieser Gegenstände verursachet
die Terminologie. Selbst bey Vitruv sind die Benennungen der einzelnen Glieder nicht alle
hinreichend bestimmt, und über die Benennung und Entstehung des verschiedenen Schnitz-
werkes erfahren wir noch weniger. Die andern neuern Nationen haben sich in ihren Ter-
minologien gröfstentheils nach Vitruv gerichtet. Im Deutschen hat der Handwerksgebrauch
sich auch eigene Benennungen gebildet, theils aus eigener deutscher Sprachfülle, theils durch
Entlehnung aus den Sprachen der Nachbarn, nicht ohne seltsame Umbildungen. Auch dies
alles werden wir berücksichtigen, und so viel es sich thun läfst, so wohl den einzelnen Glie-
dern, als dem verschiedenen Schnitzwerk eigenthümliche Benennungen zu geben uns be-
streben.

Das Riemchen oder Leistchen (regula, quadra) PL XXVIII. A. i-£.

<j. 2. Das Riemchen ist das kleinste gerade Glied, das vorkommt. Es machet kein Glied
für sich, sondern es dienet hauptsächlich als Saum zur Trennung und Beendigung anderer
Glieder. Es wird daher auch nicht verziert, wenn gleich andere Glieder Schnitzwerk erhal-
ten. Als ein für sich bestehendes Glied könnte man es ansehen am untern, wie auch am
obern Ablauf des Säulenschaftes; doch auch da schliefset sich dasselbe an die gröfsern Glie-
der der Base und des Kapitals an.

Gewöhnlich hängt das Riemchen den andern Gliedern einzeln an; nur unter dem Wul-
ste einiger dorischen Kapitale sieht man es zwey bis dreymal über einander vorspringend
angebracht. Zu den Riemchen müssen wir auch jene Art Leistchen zählen, welche unter
dem Wulste altdorischer Kapitale vorkommen, und nicht blofs nach unten, sondern auch
nach oben sich abschrägen. Manche sind zugleich unterschnitten (PL VIII. 10. 11.). Ein ge-
wisses Spiel von Licht und Schatten scheint.der Grund dieser Art Bearbeitung gewesen zu
seyn. Auf eine ähnliche Weise sieht man manchmal auch das Riemchen der obern Kehle
an der ionischen Base unterschnitten, welches dann nach Vitruv (3, 3.) ein Ueberschlag —■
supercilium — heifst (PI. VII. h. und q.). Weniger passend scheint uns eine solche Unter-
schneidung des untern Riemchens der Kehlen, wie an der kompositen Base am Pantheon
(PI. VII. m.)} weil sich in denselben nur Staub und Unrath sammelt.

Der Ring, das Stäbchen (anuliis, astragßlus) PI. XXVIII. B. 1-9

§• 3. Das Stäbchen ist das kleinste Glied unter den abgerundeten, und dienet haupt-
sächlich nur als Anhang oder Saum für die gröfsern. Ring oder Reif (anulus) heifst es
blofs in so fern es einen Kreis umgiebt, wie unter dem Wulst des dorischen Kapitals (PI. XIW -
 
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