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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Juli bis Dezember)

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Fernsprecher-S.°A. 7351—53.

„Heidelberger Neueste Nachrichten" — „Heidelberger Anzeiger"

DonnerMrg, 3. September 1936

Nr. 206

RmSniens Antzenvolitik.

Außenminister Antonescu vor der Preffe.

- ^"Earest. Z. September. Der neue rumänische Auffen-
mmriter Drktor An tonescu oab am Mittwoch abend
auf emem Presseempfanq eine Crkläruna ab. die
darrn prpfelte. daff die Äuffenpolitik Äumäniens
unvsrandert bleibt.

Im einzelnen lcpte Antonescu die Außenpolitik Ru-
manrens und vor allcm die rumänische Bündnis-
polrtik cinpehend dar und wies in längeren Ausstih-
rungen auf die engen Beziehungen hin, die Rumänien
mrt Frankreich und der Kleinen Cntente ver-
bmden. Auch das herzliche Verhältnis zu Polen, den
-^andern der Dalkan-Lntente, Großbritannien und Ita-
lren wurde hcrvorgehoüen.

.Hinfichtlich iLowjetrutzlands erklärte der
Auyenmrnister, datz Rumänien sortsahren wolle, mit der
Sowjetunion Beziehungen guter Nachbarschast
und Freundschaft zu unterhalten und weiter zu
entwicksln.

Zu Deutschland, so erklärte Antonescu, unter-
hatte Rumänien gute V e z i e h u n g e nt, die stch aus
den bedeutenden wirtschastlichen Veziehungen ergäben.

Nach einem Vekenntnis zur Völkerbunds-
Politik würdigte Autzenminister Antonescu zum Schlutz
seiner Crklärung die grotzen V e r d i e n st e, die sich
sein Vorgänger Titulescu um Rumänien erworben
habe.

FrmzWsche Srrtümr."

„Iournal de Geneve" über die polnisch« Politik.

Gens, 2. September. Das „Iournal de Genevs" be-
fatzt sich mit dem Pariser Vesuch despolnischen
Generals Rydz-Smigly. Das Vlatt schreibt,
es habe sich in der internatiönalen Po litik Polens
nichts geändert, und wenn man sich in Paris ein-
bilde. Polsn von neuem in der alten Barthou-Politik
eingliedern zu können, so irre man sich. Polen bleibe
entjchloffen, eine rein polnische Politik zu betreiben, was
nicht hinders, datz es weiterhin freundschaftliche Be-
ziehungen zu Frankreich unterhalte. Wenn Polen sich
vorübergehend etwas von Frankreich zu entsernen schien,
so sei daran die sowjetfreundliche Politik Barthous und
seiner Nachfolger schuld. Der berühmte Plan einer Stär-
kung der sranzösischen Macht durch Zusammen-
gehen mit der Sowjetunion habe zur unmit-
telbaren Folge, Frankreich immer mehr zu
iso l ier e n?

stmgskehrt könne man aber auch auf der anderen
Seite nscht von einer Blockbildung der sowjetfeindlichen
Staaten sprechen. Cs werde sich, so schreibt das Vlatt,
kein sowjctfeindlicher Vlock bilden, sondern allc die Staa-
ten, die sich der kulturzerstörenden bolschewistischen Ge-
fahr bewutzt seien, werden spontan, jeder von sich aus,
eine gemeinsame antisowjetische Politik trciben, ungeach-
tet oller nationalen Sympathisn und Abneigungen im
einzelnen. Und wenn Frankreich sich nicht weiter isolie-
ren wolle, so müffe es dies auch verstehsn. Die euro-
Päische Gesundungspolitik sehe keine feindlichen Staaten-
gruppen voraus, wie es die Vesuche Schachts und Rydz-
Smiglys bewiesen.

Palüstiiissrüge im eaglischeu Wi»ett.

Verhängung des Belagerungszustandes?

London, Z. September. (Cigene Funkmeldung.) Das
englische Kabinett beschäftigte sich in seiner gestrigsn
Sitzung besonders eingehend mit der L a g e inPalä -
st i n a.

Wie die Morgenblätter mclden, beschlotz das Ka-
binett, die „Friedensvorschläge" des ira-Lhjchen
Autzenministers, die gewisie Zugeständnisie an die Araber
vorsehen, nicht anzunehmen.

„Daily Telearaph" betont, die englische Regisrung
wolle an der Crklärung des Kolonialministers sesthalten,
wonach zuerst Ruhe undOrdnung wieder her-
gestellt werden mützten, bevor der königliche Ausschutz
seine klntersuchung beginnen könne. Cs sei daher wahr-
scheinlich, daß die Maßnahmen zur Unterdrückung des
arabischen Streik- und Gcwaltseldzugss vsrstärkt werden.
Das Kabinett habe nicht beschlosien, die jüdische Cinwan-
derung einzuschränken.

In einem Leitartikel läßt das Dlatt durchblicken, datz
die Rsgierung möglicherweise den Belage-
rungszustand über ganz Palästina verhängen
werde. Die Mitteilung, datz die englische Regierung die
jüdische Cinwanderung nicht einschränken werde, solange
der arabische Streik- und Gewaltfeldzug andauere, müsse
die von Arabern gehegte Hosfnung zerstören, datz dis vor-
geschlagenen Vedingüngen für die Mohammedancr an-
nehmbar seien. Der Friede könne nicht unter Vedingun-
gsn erfüllt werden, die einen Anreiz zu weiteren Lln-
ruhen darstellten. Cs müsse eine Vereinbarung zwi-
schen den arabischen und jüdischen Führern
zustandekommen, die es beiden Völkern ermöglichen
mützte, unter gleichen Bedingungen und unter einer un-
parteiischen Derwaltung zu leben. Die snglische Regie-
rung sei mit ihrer Geduld bereits zu weit gegangen. Die
aradischen Führer würden gut daran tun, den Äeschlutz
Cnglands anzunehmen.

— Der Papst soll, wis „Stampa" zuverläffig meldet,
eine grotzs kirchliche Kundg.ebung gegen den
Bolschewismus beabsichtigen. In Gesprächen mit
Bischöfsn der verschiedensten Länder hab« er bereits
Richtlinien für diese Kundgebunq entworfen.

Wie Rotmord ln Spanlen wület.

BelwewWche SchreckeiiMrrschaft lm ganzea Land.

»Es «m cmc Wlmlilichc Metzclei."

Augenzeugenberichte aus Spanien.

Paris, 2. Septcmber. Der Sonderberichterstatter
des „Petit Parisien" in Spanien, Louis Rombaud,
veröffentlicht in seinem Vlatt Augenzeugenberichte über
die furchtbaren S ch r c ck e n s sz e n c n, die sich in Al-
bacete nach der Cinnahme dcr Stadt durch die Kom-
munisten und Anarchisten abgespielt haben. Der Ve-
richterstattcr hegründet die verspätete Veröffentlichung
damit, datz es ihm nicht möglich gewesen sei, derartige
Dinoe zu erzählen, so lange er sich noch auf spanischem
Boden befunden habe. Crst jetzt, nachdem er in Oran
eingetroffcn sei, könne er die Berichte weitergeben, die
aus dem Mund von überzeugten spanischen Dolksfront-
lern aus den Reihen der Regierungsmilizen stammten.
An der Cchtheit dieses Berichtes ist deshalb kaum zu
zweifeln.

Die „Aufstandsbewegung" in Albacete, so erklärten
die Marxisten, war mit dem Augenblick vollkommen ein-
gedämmt, in dem wir uns des Rathauses bemächtigten
ünd den bis dahin gefangen gehaltensn Gouverneur wie-'
der in sein Amt einsehten.

Zn diesem Augenblick war es schwer, wenn nicht so-
gar unmöglich, Gefangene zu machen. Diejenigsn, die
wir mit den Waffen iü der Hand antrafen, wurden „zum
Tod verurteilt".

Cin Drozetz war dazu nicht nötig. Wir stellten sie
gegen die Hausmauer und erschosien sie. Cs handelte sich
um etwa hundert Männer. Cine unbeschreibliche Un-
ordnung folgte. Die vewasfnete Menge, die wer weitz
woher kam und ostmals aus den schlimmsten Gegenden,
stürzten sich auf die Getöteten und zerstückelt« die Leichen
mit ihren langen Mesiern. Iedesmal, wenn eine Abtei-
lung Gesangener vorüberkam, wurde sie den Vegleit-
mannschaften entrisien und auf der Stelle erstochen.
Mehr als tausend Leichen sind drei Tage lang
in der Bruthihe auf derStratze gelegen. Die-
ser Wahnsinn hatte selbst auf eine Änzahl Milizen
übsrgegrissen. Sie erschossen unaufhörlich al-
les, was die Uniform der Jivilgarde trug
oder mehr odsr weniger gut bürgerlich geklei-
det war. Cs war eine unglaublichs Metzelei,
dis man nicht aushalten zu können befürchtete.

Als unsere Anführer uns Vefehl gaben, das Feuer
einzustellen, und uns standrechtliche Crschietzung androh-
ten, salls diesem Vefehl nicht Folge geleistet würds, ge-
lang es, die Ordnung einigermatzen wiederherzustellen.
Fünf Jigeuner aber, die ordnungsgemätz in die Reihsn
der Milizen aufgenommen waren ünd auch unsers Arm-
binde trugen, wollten nicht gchorchen. Im Blutrausch
und sadistischem Wähnsinn schnittensie allendie
Kehle durch. Wir waren gezwungen, einen nach

dem anderen zu erschießen. Zu vier Mann hatten wir
Auftrag, eincn Verdächtigen zu verhaftsn und ins Ge-
fängnis cinzuliefcrn. Als wir gegen 2 llhr nachts mit
dem Verhastcten durch die einsamen Stratzen von Alba-
cete gingen, trafen wir eincn Genosien, der diesen Na-
men eigcntlich nicht vcrdient. Aus seine Frage, wohin
wir den Verhaftcten führten, erwiderten wir: „Ins Ge-
fängnis." „Ins Gefängnis?" lachtc er uns an; „hier
wird niemand ins Gcfängnis gesteckt". mit
den Vrüdern verfährt man so!" And nöch ehe wir uns
vcrsahen, stietz er dem wehrlosen Gefangenen sein
langes Messer in denLeib.

M«rd ohut Eode i« alle» ötSdie».

Schreckensberichte englischer Vlätter.

London, Z. Septbr. (Cig. Funkmeldung.) „Daily
Cxpretz" berichtet aus Malaga über dic blutige
Schreckensherrschaft der KomiNunistcn und Anarchisten in
dieser Stadt. Nach jedem Luftangrisf der Na-
tionalisten wurden etwa 40 politische Gefangene er-
schossen. Außerdem wurden „verdächtige" Personen
auf der Stratzs sestgenommsn, in Kraftwagen geworfen
und nach einigsr Zeit wieder auf die Stratze geschleudert,
nachdem sie mit Kugeln sörmlich duüchlöchert
worden seien. In der Hauptstratze von Malaga, der
Calle Larios, seien mehr als 25 Läden von den Mar-
xisten zerstört oder in Vrand gesteckt worden.

Wie die „Times" aus Gibraltar msldet, führten die
Flugzeuge des Generals Franco am Dienstag
morgen einen Luftangriff auf Malaga durch,
durch dsn der A-Boothafen schwer beschädigt worden sei.
Cinige Stadtteile und die noch übrig gebliebenen Oelbe-
HLlter seicn in Flammen aufgsgangen.' Sofort nach dem
Lustangrisf habe der kommunistische Ausschutz lOO Mit-
glieder führender Familien Malagas erschießsn las-
sen. Seit dsm Veginn der nationalistischen Lustangrifse
macht sich unter der Bevölksrung der Stadt grohe Ünzu-
sriedenheit und Feindseligkcit gegen dsn kommunistischen
Ausschutz bemerkbar.

Wie „Daily Mail" aus Sevilla meldet, haben die
Marxiston in Dai miel in der Provinz Ciudad
Real 30 Priester n i e d c r g e me tz e l t. Jn dem
Fliegerlager Talavera bei Madrid, hätten rote Sol-
daten ihre sämtlichen Offiziere und Unter-
ofsiziere n ie d e r g e mach t, da sie sie verdächtig-
ten, mit der Militärgruppe zu sympathisieren. Der
nationalistische Sender in Tetuan habe am Mittwoch
mitgeteilt, datz einem der führnden Chirurgen
Spänions von den Roten die Hände abgehackt
worden seien, weil er gegen die Hinrichtung des Gene-
rals Ochoa protestiert habe. Einig« Stunden später
sei er erschossen worden.

Sie Ne«traliWsr»ge.

Italien warnt vor Reutralitätsverlehungen.

Rom, 2. Septbr. Angssichts dsr neuen Msldungsn
über französische Waffenlisferungen an die
Madridsr Regierung wird in matzgebendsn italienischen
Kreisen erklärt, es sei vorauszusehen, datz bsi systema-
tischer Fortsehung disser Lisferungen, die eine Verlehung
der Nichteinmischungspflicht darstellen, die in Frage kom-
msnden Regierungen ihre Handlungssrsiheit zu-
rücknehmen würden.

Mexikanische Wafsen für Spanien.

Mexiko-Stadt, 2. Septbr. In Anwsssnheit des
diplomatischen Korps und mehrerer Gensrale wurde am
Disnstag die Tagung des msxikanischen Bundes-
kongresses eröffnet. Dcr Staatspräsident Carde-
nas gab in seiner Rede einen Rückblick über die Ent-
wicklung des lehten Iahres. Am Schlutz seiner Rede
teilte er kurz mit, datz der spanische Botschafter um die
Genehmigung für mcxikanische Waffenliöfe-
rungen ersucht habe. Die Gsnehmigung fei erteilt
worden.

*

Umbildung der Madrider Regierung?

Paris, 2. Septbr. Der shemalige Minister und spa-
nische Sozialistenführer Prieto empfing den Vertreter
der Havas-Agentur in Madrid. Zu den Gerüchten, die
von einer durchgreisenden Umbildung der spanischen
Linksregierung wissen wollcn, erklärte Prieto, Ministsr-
präsident Giräl habs Schritte unternommsn, dic auf eine
Crweiterung des Kabinctts hinzielen. Cs sei an den
Cintritt mehrerer Persönlichkeiten aus den Reihen der
übrigsn zur spanischcn Volkssront gchörigen Parteien, die
bisher noch nicht in der Regierung vertreten wären, ge-
dacht. Zur Stellung des marxistischen Gewerkschafts-
verbandes CNT. zur Regierung Lutzerte Prieto, er
glaube, daß man cinen beratendcn Ausschutz dieser Orga-
üisation bei der Regrerung schaffen werde.

Veitere Melduugen.

Lloyd George reist nach Deutschland.

London, 2. Septbr. Der frühere englisch« Minister-
präsident Lloyd George ist am Mittwoch von London zu
einem Besuch nach Dsutschland abgereist. In
seiner Bcgleitung befinden sich seine Tochter Megan
Lloyd George und sein Sohn Major Gwilyn Lloyd
George, die ebenso wie ihr Vater Mitglieder dss ilnter-
hauses sind, ferner sein Sekretär Sylvester und schlietz-
lich ein Freund dss Staatsmannes, Profeffor Lonwell-
Cvans, der das Amt des Dolmetschers übernimmt. Lloyd
Georqe wird etwa zwei odsr drei Wochen in
Deutschland bleiben, um eine Rsthe vffentlicher Arbeiten,
die das nationalsozialistische Deutschland erfolgreich in
Angrifs gsnommen hat, persönlich zu studieren.

Fluglinie Moskau—Prag erösfnet.

Moskau, 2. September. Am Dienstag wurde die
regelmätzige Fludverbindung Moskau —
Prag, die durch den im vorigen Iahr abgeschlosienen
Äertrag zwischen der Tschechoslöwakei und der Sowjet-
union festgelegt wurde, eröffnet. Die Moskauer Zei-
tungen erwähnen in ihren Verichten besonders die vor-
zügliche Linienführung, die durch „mächtige Radioleucht-
türme" und Reservsflugplätze aus der ganzen Strecke ge-
sichert ist. Dis Strecke Moskau—Prag soll zweimal wö-
chentlich beflogen wsrden.

Kommunistisches Wasfenlager bei Sosia.

Sofia, 2. Septbr. Die politische Polizei hat in einem
Haus am Rand der Hauptstadt ein k o m m u n i st i s ch e s
Waffenlager ausgedeckt, das drei Maschinengewshre,
2Z automatisHe Gewehre, steben Handgranaten, eine
Vombe, mehrere Revolver und Mauserpistolen mit meh-
rcren tausend Patronen enthielt. Das Waffenlager war
in der Decke eines Dachbodens eingemauert. Die Waf-
sen waren in ein Tuch eingewickelt, das mit einer Aus-
schrift in russischer Sprachs versehen war. In dsm Ver-
steck wurden autzerdem eine Zeitung und eine rote Fahne
vorgefundcn. In Verbindung mrt der Aufdeckung sind
mehrere Personen fsstgenommen worden, darunter der
Besitzer des Hauses.

Dmedii.

(Ein Brief.)

Jch bin hier ganz aus Versehen in Venedig, weitz
garnicht recht, wie das gekommen ist. Jch will dies unge-
heuerliche und bestürzende Venedig erst so recht mii dir
erleben.

Venedig ist tausendmal magischer als alle Bilder und
alle Schilderungen. Es ist garnicht sehr heitz, nur sehr
hell. Jch ging sogleich in eine Hafenkneipe und atz und
trank selig vor mich hin. Niemand auf Evden wutzte, wo
ich war. Jch sah da inkognito auch vor mir selber. Dann
strich ich durch das alte Venedrg durch alte Gassen, immer
über schmale Kanalarme hinweg und platzte fast vor
Eindrücken. Denke dir, alles ist anders und tausendmal
seltsamer.

Die Kanalfluten, die alles umfluten, sind nicht still.
Jn jede Gasse drängt die Meeressrische. Dis Gondeln
sind wie im Mittelmeer glänzend schwarz und mit gol-
denen Seepferdchen geschmückt. Die Schutzschnüre hal-
ten, die Gondolitre singen schön, fatzt unbewuht. Jch
tras Gondeln, deren Ruderer mich nicht sah, an ganz ein-
samen Gassen und Brücken. an denen sie singend nnd
sröhlich vorbeisteuerten. Die Gondeln kriegen bei Regen
schwarze Verdecke, die aus Uferplätzen imnier bereit lie-
gen zwischen lauter wilden Katzen. Jede Gasse steckt voll
bezaubernder Reize, alles ist halb ausgestorben, wenn
man zu den Häusern hinaufsieht. Statt Fenstergläsern
füllsn segelbunte Markisen die Spitzbogen, und überall
sind Ströme von netten Menschen.

Drei Stunden lang sah ich keinen Fremden. Nur
Eingeborene, die behaglich und etlig und schlicht ihren
Zielen nachgingen. Jedes Haus ist anhers. Manchmal
sind dis Familienwappen architektonisch benutzt oder re-
ligiöse Motive. Jede Wasserfront eines Hauses hat far-
bige Wasserpfähle vor sich mit besonderen Farüen von
Besitzermonogrammen drauf. Alles ist voll von Türmen,
Giebeln, Veranden, Duchgärten, Gärten hinter Mauern
am Wasser, deren Zedern- oder Glhzinendickichte über-
hängen. Jmmerfort möchte man auflachen, wie reizend
anmutig das alles oben horstet und lebt und mit dem
Blick dort oben den ungeheueren Alpenkranz im Norden
nnd im Osten die Adria umfaht

Aus allen Luken odec Turmfenstern gucken Tauben,
oder plötzlich hängt eine grotze goldene Glocke drin. Man
atmet fremde Gerüchs, durchschauert von Fremdheit. Die
Türme sind riesig hoch. Marmor spiegelt bläulich das
Blau des Himmels, und aus Turmfugen bricht seltsames
Grün. Die Gassen sind oft so eng, dah die Läden in Mit-
tagshelle Lampen brennen. Hoch öben im schmalen,
blauen Spalt schwingt sich deutscher Schwalbenflug.
Ueberall riechrs seltsam. Ilralte Backgerüche sahren in
Düfte uralter Kramläden, die mit grünem Hautkraut ge-
Len die Hitze behangen sind und voll Gurken und voll

hundertfältigen Grüns stecken. Das riecht so merkwür-
dig, und dazwischen strömen Lüfte wie in chinesischen
Warenlagern. Und Parfüms vorübergehender gepuderter
Mädchen mit flammend gemalten Lippen schlingen sich
durchs Ganze. Treppen führen ans Kanalwaffer, Brük-
ken schwingen sich zierlich auf Privattüren mit goldenen
Klingelklöppeln zu. Bunt gekleidete Mädchen gncken aus
Ruinen wis farbige Vögel aus alten Bäumen. Alles
summt Melodien und hört aus summende Radios.
Kleine Kinder wiegen singend noch kleinere; Leute mit-
ten beim Kauf im Laden trällern plötzlich behaglich los,
Knaben schreien und laufen überall wie toll, lassen
bunte Drachen steigen vor uralten, orgeldröhnenden Mar-
morkirchen.

Die blaue Faöbe dominiert in allen Läden. Lädchen
sind Serienbau in zwei Grötzenausgäben, aber nett un>d
lustig. Alle Vorübevgehenden gefallen mir, die Mädchen
nicht ausgenommen. Glasgedeckte Brücken schwingen sich
öben zwischen blumengeschmückten Stockwerken über die
Kanäle. Die Leute reden über den Wasier weg in
schwindelnden Höhen. Grün und buntlasierte Kübel mit
Pflanzen stehen überall herum. Glyzinen toben var
grünem Geleucht. Aus Parterrefenstern oder Kanal-
palästen stsigen Schlinggewächse hoch in die Wasserfron-
ten. Wer da wohl wohnt? Mnn platzt vor Neugier.
Ueberall stehen sehr schlichte, sehr geniale Denkmäler von
lauter gefeierten Leuten herum, von denen man nie ein
Sterbenswörtchen gehört hat.

Nun endlich der göttliche Markusplatzl Dies ist die
verträümteste Architektur der Evde. Aber eine eherne
Gösamtdisziplin ordnet alle Kräfte zu einem Ding, das
eine Würde der Volksgemeinschaft ohne Gleichen aus-
strahlt. Dies hier ist das Verwegenste und einfalls-
reichste Dickicht der edelsten Architektur, die man in
Europa sehen kann.

Man fährt auf dem Kanale Grande endlos an fremd-
artigen Palastfronten und Kirchen vorbei. Das Leben
dieser malerisch bröckligen Stadt geht ssinen alten
Gang. Das bitzchen moderne Leben dazwischen ver-
schwindet ohne Störung. Ein historischer Schauer jagt
den andern.

So alt ist die Welt schon? Jch wutzte es nicht, bevor
ich in Benödig war. K. F.

kunst und Msenschafl.

sDer 84. Internattonale Kunsthistorische Kongretz,s
der vom ZO. August bis zum 9. September seine Tagung
in der Schweiz abhält, verlegte am 1. Septsmber setnen
Sitz von Basel nach ZUrich. Die Teilnehmer hatten
Gelegenhett, dic Kunstdenkmälcr von Rheinfelden, Äindo-
niffa, Königsfclden und Wettingcn zu besichtigen. Am
2 September fanden in Zürich Führungcn stattz In der
össentlichen Vollsihung, die der Kongrcßpräsident Pro-
fesior Dr. Paul Ganz (Vasel) leitets, wurden dret Vor-

träae gehalten. Direktor Dr. Werner Iback (Frerburg
i. Br.) sprach über „Mittelalterliche Städteplanung im
Oberrheingebiet", Prosssior Thomas Badktn (Birming-
ham) über „Die Rekonstruktion kllnstlerischer Meister-
werke, deren Teile in verschiedenen LLndern zerstreut sind"
und Profesior Henry Cornell (Stockholm) Über „Die
Möglichkeiten einer bssieren Cinschähnng der Kunst". Am
Kongretz nahmen etwa 700 Personen aus ZO Staaten tsil.

jAuf dem t4. Internationalen Kongretz sür Kunst-
geschichte >n VaselZ der am Montag morgen eröffnct
wurde, sind 26 Nationen vertreten. Aus Dcutsch -
land sind KunstWoriker aus München, Berlin, Stutt-
gart, Hannover, Münster i. W., Königsberg, Greifs-
wald, Marburg und Fretburg i. Br. erschicncn. Dte
meistc» werden als Fachvertreter ihrer Universität über
Kunsthistorische Probleme referierten. Die beiden b a d i-
schen Vertreter aus Freiburg i. B., W. Körte
»nd K. Vauch, haben sich zu Themen über die gotische
Kunst angemeldet

sDie erste Tübinger Studentin gestorben.s In
Schaan (Fürstentum Liechtenstein) starb in diesen Ta-
gen Gräfin Maria von Linden, die 'als erste
änerkannte Tübinger Studentin den älteren Bewoh-
nern Tübingens wohl erinnerlich ist. Sie wurde 1869
in Burgberg im Kreis Heidenheim geboren. Es gelang
ihr, der eine sehr zielbewuhte und cnergische Natur eigcn
war, als erste mit mlnisteriellsr Genehmigung zugelas-
sene Studentin in Tübingen immatrikuliert zu
werden. Der Zoologg Theodor Cimer begünstigte sie
in ihrem Vorhaben ganz besonders und hatte schon im
Iahr 188Z der Frau eines Amerikaners, Frau Wilson,
den Zutrttt zu seinen Vorlesungen gestattet, wofür ihm
ein Vsrweis «rteilt wurde. Nach Cimers Tod sie-
delte sie nach Vonn um und errcichte es, datz sie dort die
erste weibliche Professur in Preutzen übertra-
gen erhielt. In der Folge war sis Vorstand des Para-
sitologischen Instituts. 1915 verösfentlichte ste eine Arbeit
„Parästtismus im Tisrreich", und es folgten 1917 „Cr-
fahrungen der Kupferbehandlunq bei der experimcntellen
Tuberkulose bei Tieren und bei Menschen".

Kleine Notizen.

Die Deutsche Dante-Gesellschaft hält in
diesem Iahr ihre Hauptversammlung am 12. und 13. Sep-
tember in Weimar ab.

Die ägyptische Regierung hat ein Preis-
ausschreiben erlasien, das sich auf die Schäffunq
eines neuen Baustils bezieht. Disser Stil soil
die Vedingungen erfüllen, daß er sowohl die Crhaltung
der historischen Vaudenkmäler umfaßt, als auch den Bs-
dürfnisien der modsrnen Sicdlung im Land entspricht.
Die Auswahl der Cntwürfs soll in Form einer Ausstel-
lung in Kairo erfolgen. Für die vier besten Vorschläge
sind Preise von insgesamt 1500 ägyptischen Pfund aus-
gesetzt.

Lit«»e»r 3«»e«- «id AißeMlM.

Staatspräsident Smetona bei der Erösfnung des
Kowno, Z. Septbr. Die Rede, die der litauü
Staatspräsident Smetona am Dienstag anlätzlicy ,
Cröffnung des neuen Sejms gehalten hat, licgt
mehr im autorisierten Text vor. ht

Im innenpolitischen Teil seiner R«de 9, ,
der Staatsprästdent auf die Cntwicklung Litauens
rend der lctzten zehn Iahre seit der Machtergreifung d» ,
die Tautininkai ein und rechnet gründlich mit der^vory^^
gehenden Parteiwirtschaft ab. Vann erwähnt Smetu
die Minderheitensrage und erklärt, datz die -
gierung bemüht sei, den begründeten Forderungcn o
nationälen Volksgruppen gerecht zu wcrden. Lstam
wäre froh, wcnn feine Volksgruppe im Wilnagebiet
gleichon Rechte qenösie wie die polnische in Litauen.

Außenpolttisch sei nach wie vor die Wilnafr?ö
dis brennendste. Im Besih der rechtlichen, gesckstckw'A.t

und völkischen Titel, könne Litauen aus diescs

nicht verzichten und werde sich n i ch t d e r G ew a l t d -

stärkeren Nachbaren beugen. Polen hade r'
allen Vorsuchen, zu verhandeln, keinerlei ernste VorschmS
unterbreitet. Dte Vehandlung der Litauer im
gebiet beweise, daß man von irgendwelchen Verhandlu
gen noch weit entfcrnt sei. Wenn Polen glaube, Lst"",.x
durch Druck auf feine Volksgruppe im Wilnagebiet Z
Anbahnung normaler Beziehungen zwingen zu können, I
täusche es sich sehr.

Das Memelstatut, deffen Zustandekommen nuv
allein von Litauen abhing, belaste die Beziehunge» '
Deutschland, mit dem Litauen ststs ein gutnachv"
liches Verhältnts anstrebe. Aus den bekannten Grüftvm
sei es zuleht in den Beziehungen zu Dsutschland zu e>n
Spannung gekommen, doch sei bei beiderseitigen gun"
Willen eine Crleichterung eingetreten. die nnA-'
bahnten wirtschastlichsn Verhandlungen hätten zu ein^?
glücklichen Abschluß geführt, und män könne hoffen, VNd
sich die Veziehungen mit Deutschland weiterhin gün!>V
entwickeln und lebendigen Inhalt annehmen. ,

Im weiteren Verlauf seiner Rede sprach sich ,
Staatspräsident in scharfer Form gegen die mos/
xistische Volksfront aus, die überall dort, wo tz
Fuß fasie, die roten Fahnen aufpflanze und die Änarck^
im Gefolge habc. Auch in Litauen, und zwar im Sm
walkigebiet, HStten sich diese Tendenzen gezeigt, doch
Litauen mit seiner kleinbäuerlichsn Wirtschaftsstruktm
kein Boden sür solche internationale Volksfrontidsen. „

Am Schluß seiner Rede ermahnte der Staatspro'
sident die neue Volksvertretung zur Pflichterfüllung unu
bstonte, datz sie nur in enger Zusammenarbeit mit dm
Regtsrung und den Organen der Tautininkai für
und Staat Crsprießliches leisten werde.

Iclitschcr Rcich.

Der Führer und Reichskanzler hat am Mittwoch a"
Generalfeldmarschall von Blomberg folgenden Glü°'
wunsch gerichtet: Mein lieber Gensralfeldmarschall! 2"
Ihrem heutigen Geburtstaqe sende ich Ihnen meine herZ'
lichsten Grüße. Ich verbinde sie mit dcm Wunsche, datz
Sie auch im kommenden Iahr Ihrc ganze Kraft in v-M
Gesundheit dem Wiederaufbau dsr deutschen Wehrmack'
widmen können. aez. 2ldols Hitler.

„Anterseebootsslottille Salhwedel" in Dienst gesteut-
Am I. September wurde in Kiel die zweite llnterfte'
bootsflottille, die aus Befehl des Führers und OberfteU
Vefehlshabers der Wshrmacht den Namen „Anterse
bootsflottille Saltzwedel" trägt, in Dienft
gestellt. Flottillenchef ist Fregattcnkapitän Schser.

Berlnr, 1. september. Jm Zeichen der Ferien-, Ü"
laubs- und Erholungsreisen entwickelte sich der Perly'
nen-Fernverkehr >der Deutschen Reichsbahn >m
^>ukl lehr lebhaft. Die Betriebsleistungen im PersoneM
zugüienst stiegen gegen den Vormonat im arbeitstäglichen
Durchschnltt um 5 Prozent und waren um 3 Prozem
starker als im Juli des Vorjatzres. Jm Güterver
kehr tritt der zur Zeit der Sommerferien und Benr'
laubungen und der beginnenden Ernte etn Rückgguu
m", der. sich in diesem ?!ahr im Iuli etwas unter ye<-
- ...» ^ hiest-.

rückzufübren.

len stch auf 369 Millronen Mark. Der Personen- --vg
Gepäckverkehr brachte eine Mehreinn^bme von rund
Mlllione» Mark gegenüber Juli 1035. Auch der Gütet'
verkehr entwickelte sich in der gleichen Zeit günstig.
betrua die Einnahmesteigerung gegenüber Iuli 1935 runv
31 Millionen Mark.

Schnellste llntersuchung des llnglücks.

Derlin, 2. Septbr. Dis staatsbehördliche llntcr'
suchung des Herganges und der llrsachcn der Grub«"'
exploston aus der Zeche „Vereinigte PrLsident" geht
Dsnehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschäft m>>
grötzter Beschleunigung wetter. Am Dienstasi
nachmittag hat im Auftrag des Reichswirtschaftsmin''
sters der Oberberghauptmann dis Leitnng selbst übernoM'
men. Cr hat angeordnet, daß in Anbetracht des llmfa»'
gss des llnglücks die llntersuchung von den zuständiE
Mitgltedern des Oberbergamtes in Zusammenarbeit m>k
der Bergabteilung des Retchswirtschaftsministeriums ge-
führt und so beschleunlgt wird, datz das Lrgebnts inach'
Tagenvorliegt. Ls wird dann das llrteil über d>a
Herkunft der Schlagwetter, von dsnen aller WahrscheM'
lichkett nach die Cxplosion ausgegangen ist, übsr die Ü'''
sache der Zündung sowie darüber vorliegen, o b jema»'
den und wen ein Äuschlden trifft.

Der lehte Tote geborgen.

Vochum, 2. Septbr. Nach einsr Mitteilung de^
Oberbergamts ist der lehte auf der Zeche „Vsreinigte
Präsident" vermitzte Vergmann am Mittwoch td'
geborgen worde».

Mittwoch nachmittag besuchtc der Oberberg'
hauptmann in Begleitung von Berghauptinann Pm'
stsr die Verletzten im Krankcnhaus „Bergmaunshcil". ^r
svrach ihnen im Auftrag des Reichswirtschastsmtntstcr'
Dr. Schacht die tiefste Antcilnahme mit dem Wunsch bal'
diger Genesung aus und überreichtc den Vcrlehten >'"
Lluftrag dss^Rsichswirtschaftsmiinsters etne Geldspcnda
Von allen Seiten sind Hilfsmatznahmcn n>d>r
Wege gclcitet wordcn, um die Not der Verlehten »»d
HiNterbliebenen zu lindern. Die NSG. „Kraft durck
Freude", Gau Westfalcn-Süd stellt den 17 vcrlehtc"
Bergknappen eine achttägige KdF.-Fahrt nach freier
Wahl zur Verfügung.

Französisches Betleid zum Grubenunglück.

Verlin, 2. Septcmber. Der französischc M''
nister für öffentliche Arbeiten hat am
September an dan Reichsarbeitsminister ein Veileids'
telegramm auch im Namen der französischen VergarbM'
ter gerichtet.

Gerichtssaal.

Todesurteil gcgen Giftmörderin bestätigt.

8 Leipzig, 1. September. Der erste Strassenat d^
Reichsgerichts hat am Dtenstag die von dsr 42jähriä<!"
Angeklagte» Frida Kathärina Vogler gev-
Zorn gegen das llrteil dcs Schwurgerichts Mainz v""'
9. Iuli d. Is. cingelegte Revision äls »nbegründet ver'
worfen. Damit ist die AngSklagte wegen zwcier
Morde zweimal zum Tod utzd wegen zweier Vek'
brechen des versuchten Mordes zu 15 Iahre"
Zuchthaus verurteilt. Die Angeklagte hatte 1930 ihrev
17 Zahre älteren Chemann ermordet, indem sie E
nach und nach Thallium (Rattengist) unter dst
Speisen mischte. Cin gewisier Ludwig Seitz, der naM
Annahme des Schwurgerichts von dem Verbrechen dec
Angeklagten gewußt hat, wurde von der Vogler ebeN'
falls durch Thallium vergiftet. Cin lästiger Lied'
haber der Vogler, Ändreas Keim, und der Stiefsov"
Georg Vogler entgingen wie durch ein Wunder dem
gleichen Schicksal. Die Folgen dieser bciden Giftmord'
versuche sind entsetzlich. Beide Männer sind nahezu er'
blindet.
 
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