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gerahmte Mittelrifalit ähnlich wiederholt. Das
Symmetrifche wird noch durch den in der Mitte
auffitzenden Efelsrückengiebel der Dachgaube
betont, wie durch die beiden gleich fchmalen
Wandftreifen, die hinter der Flucht des Rifalits
zurücktreten.

Die von lauter Vertikalen durehfchnittene Oft-
faffade zerfallt in zwei gleiche Hälften, links den
polygonalen Abfchluß des Speifezimmers unten
und des Schlafzimmers der Tochter oben, rechts
die flach heraustretende Klaviernilehe des Mufik-
zimmers, deren Ecken außen wieder durch Bün-
delpilafter in grün glalierten Verblendern verftärkt
find, und deren Mitte ein, fall in englifcher Weife
ftark hervorgehobener, hoher Schornftein vor-
gefe^t ift.

Gerade diefe Front legt mit Deutlichkeit das
leitende Prinzip ftrenger Architektonik dar, die
diefen Bau in allen feinen Teilen «notwendig»
erfcheinen läßt, wie nichts anderes auf der Darm-
ftädter Ausftellung: Man kann nicht, wie doch
fo häufig bei Olbrich, irgend etwas als über-
flüffiges Beiwerk, als nur dekorative Zutat, eli-
minieren. Alles befitjt hier feine in der Wirkungs-
relativität begründete, innere Notwendigkeit:
diefe fenkrechten Pfeiler der Wandgliederung
[feilen Fragen dar, auf die die richtige Antwort
des horizontalen Dachgefimfes und des kraft-
voll ruhenden Daches erfolgt, ein harmonifch aus-
gebildetes Spiel fichtbarer ftatifcher Kräfte.
GRUNDRISS UND RAUMBEZIEHUNGEN.
Wie fich das Haus als ein in fich gelehloffener
Kubus für die Anficht nach außen darftellt, fo
zeigt fich die gleiche räumlich funktionelle Kon-
zentration auch in der Geffaltung des Grundriffes,
in der Einzelanordnung und Zueinanderbeziehung
der Räume, der Planteile des inneren Haufes:
Behrens war, wie er felbfl in dem von ihm ver-
faßten Katalog feines Haufes berichtet1), durch die
örtlichen VerhältnifTe gezwungen, «den Flächen-
inhalt des Grundriffes auf das möglichft geringfte
Maß zu befehränken, und andererseits doch ge-
nötigt, die für das Leben einer Familie von mitt-
lerer Angehörigenzahl erforderlichen Räume
darin einzufaffen.» Er mußte alfo alle Zimmer
eng aneinander rücken, zufammenfchachteln, und
Für räumliche Nebenbedürfnifle, die fich vielleicht
noch einteilen konnten, erkerartige Ausbuch-
tungen annehmen. Daß aber diefer Grundriß
nun troljdem nicht in verwickelter Anlage alle

') Haus Peter Behrens. Die Ausftellung der Künftlerkolonie
in Darmftadt 1901. Siehe Nr. 4 der literarifchen Arbeiten
des Künftlers.

kleinlichen materiellen Launen der Hausbewohner
auch zu äußerem Ausdruck brachte, wie es die
damals zeitgemäße, (chöne Forderung des natura-
liftifchen «von innen nach außen Bauens» ver-
langte, davor bewahrte den Künftler fein wahr-
haft architektonifches Gefühl, das fowohf in der
flrrengen Rhythmik der verlchiedenen Faffaden-
bildungen lebt, wie auch allenthalben in der
Raumebene monarchifch beherrfchende Achfen
durchführt2) (Abb.8,9,10).

Solche monumentale Achfen, die, nach des
Künftlers Ausfpruch, «eine zwar fcheinbare, aber
dem pfychifchen Effekt nach wefentliche Ver-
größerung der Räume bewirken», ziehen fich im
Erdgefchoß durch die vorderen Repräfentations-
räume, von dem großen Straßenfenfter des
Mufikzimmers durch die breite Schiebetüre auf
das Büfett des Speifezimmers hin; dann im
rechten Winkel hierzu eine Achfe, die, von der
Mitte des Treppenbeginns ausgehend, die Diele
und das Mufikzimmer halbiert und in der mit
dem «Traum des jünglings» als idealem Blick-
punkt gefchmückten Klaviernifche endigt; end-
lich eine diefer parallele Nebenachfe, welche
die Längsrichtung des Damenzimmers mit dem
anfchließenden Blumenerker beherrfcht. Im
Obergefchoß ift auf diefe Weife die Bibliothek
dem Arbeitszimmer des Herrn angefehloffen,
wodurch beide gemeinfchaftlich eine fehr zweck-
mäßige «Wandelbahn» bilden und ebenfo die
große Ausbuchtung des Schlafzimmers derTochter,
dem Hauptraume, dem Schlafzimmer der Dame,
was befonders in der gleichgerichteten Auftei-
lung der Betten zum Ausdruck kommt. Über-
haupt wird allen Möbelftücken ihr raumgliedern-
der Platj im ganzen Haufe durch folche domi-
nierenden Achfen angewiefen.
Und diefe Achfen müffen dann natürlich auch die
Gartenanlage ordnen helfen: Eine führt längs
der Oftfront auf eine gemauerte Nifche hin; eine,
an der Straßenfeite, halbiert den kleinen acht-
eckigen Portalvorpla^ und endet an einer von
hohem Baum überfchatteten Rundbank ufw. —
Raumdynamifch wirken alsdann die verfchie-
dentlich die geraden Wege unterbrechenden, das

2) Katalog S. 5: «Ein Haus, delfen Räume nur auf eine äußer-
liche und materielle Zweckmäßigkeit verteilt find, muß not-
wendig in feiner Falfade die kleine Behaglichkeit der fich im
Äußerlichen erfchöpfenden Lebensweifen abfpiegeln. Dagegen
muffen fich mit gleicher Notwendigkeit aus einer Grundrißanlage,
die von einer geiftigen und verfeinerten Lebensanordnung
diktiert ift, pafTaden ergeben, die einen folchen edleren und
tieferen Genuß des Lebens in künftlerifchen Geftaltungen der
VerhältnifTe nach außen kehren.»

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