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Abb. 12. Haus Behrens in Darmltadt. 1900/1901. Porzellan aus dem Spelfezimmer

Geht man über die von einem Ichönen Mofaik-
boden gelchmückte Diele die in behaglicher
Rundung emporfteigende Treppe hinauf, To ge-
langt man in den über dem Mufikzimmer ge-
legenen Atelierraum des Künftlers, hell getüncht,
wie es ("ich zur Arbeit (chickt, und mit den fertigen
Kunftwerken als einzigemSchmuck an denWänden.
Das Zimmer greift hoch in den Dachraum hinein
und erhält fo eine durch Holzftreifen betonte,
ftereometrifch interedante Deckenform. Auf dem
Boden (f reckt (ich ein mit langftreifigen Ornament-
motiven gefchmückter Läufer hin und gibt dadurch
die Verbindung mit dem nebenan gelegenen,
niedrigen und fchmalen Bibliotheksraum. Diefer
findet fein geiftiges und äfthetifehes Zentrum in
der ganz in Fenfterchen aufgelöften Sehreibtifch-
nifche. Die Rückwand i(f vollftändig mit den ftrebe-
artig vorfpringenden Bücherbrettern verbaut,
deren einzelne fenkreeht durchgehende Teile in
den Querkompartimenten der holzgefchnitjten
Decke ihreFortfetjung finden, fodaß ein ftimmungs-
volles Gehäufe entlieht, das die behagliche Samm-
lung angeflrrengter Geiftesarbeit ausdrückt.
Das Schlafzimmer der Dame ift natürlich ganz hell
gehalten : durch Leiften geftraffte Wandbefpan-
nung, die Möbel, das große Damenbett, die Nacht-
und Wafchtifche, der große Schrank und die
kleinen Glasfehränke, die Stühle bald in Intarlia,
bald in erhabener Schnitzerei, aus köfflichem po-
lierten Zitronenholz, das immer dasfelbe Mufter
zeigt, einen quadratifchen Rhombus mit rundlich
geichweiften Seiten. Räumlich gewinnt, wie fchon

angedeutet, dasDamenfchlafzimmer feinen Reich-
tum durch die als felbftändiger Raum nur durch
einen Vorhang getrennte Erkernifche des Kinder-
fchlafzimmers, deren beide Betten in derfelben
Längsachfe einander zugekehrt erfcheinen.
Das ebenfalls in der Stimmung fehr helle Schlaf-
zimmer des Herrn weift in feinen Möbeln zumeift
Dreiecksmotive auf, die bald auf der Spi^e, bald
auf der Balis flehend, fich dynamifch die Wage
halten. Entfprechend wirken die Möbel- und
Türbefchläge aus dünnen Nickelbronzeblechen.
Das Obergefchoß befijjt außerdem noch ein mit
Fliefen ausgelegtes Badezimmer, während im Dach
fich noch ein Gäftezimmer mit einem kleinen
Balkon und das Knabenzimmer befinden. Von
erlterem fchreibt Behrens1): «Bei der Anlage
des Gäftezimmers im Dachgefchoffe war dem
Prinzip der Separierungsmöglichkeit in erhöhtem
Maße Rechnung zu tragen. Hier follte dem Gafte
gleichfam im Kleinen alle Wohnungsbequemlich-
keit geboten werden. Indem die Dachftuhlfäulen
zur Einteilung des Gemaches ausgenutzt wurden,
gliederte fich diefes in einen Wohn- und einen
Schlafraum und der anfchließende Balkon bietet
dem Gaft einen Aufenthalt im Freien, ohne ihn
mit den Hausgenoffen in Berührung zu bringen.»
SEINE KUNSTGESCHICHTLICHE STEL-
LUNG. Die Ausführlichkeit, mit der wir uns
der Befchreibung des Darmftädter Haufes hin-
gegeben haben, wird durch die zentrale Stellung
gerechtfertigt, die diefes Werk im Anfang des

') Katalog S. 12, 13.

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