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Hoffmann, Karl [Editor]; Krahmer, Alix [Ill.]
Der Neustädter Altar von Lucas Cranach und seiner Werkstatt — Berlin, [1955]

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https://doi.org/10.11588/diglit.28261#0042
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Es wäre unbegreiflich, wenn ein so aufnahmebereiter Künstler wie Cranach
dies alles unberührt hingenommen hätte. Nur dem bedauerlichen Um*
stand, daß wir so wenig hierüber wissen, mag es zuzuschreiben sein, daß
man dem Niederschlag der Reise in seinem Werk noch nicht bis in alle
Einzelheiten nachgegangen ist. Man hatte zwar diese und jene Einzel*
beobachtung gemacht, aber erst neuerdings stellteW.Hentschel aufschluß*
reichere und umfassendere Einzeluntersuchungen an.82)

Die Anregungen, die Cranach in den Niederlanden empfing, mußten sich
natürlich besonders nachdrücklich in den Werken der unmittelbar auf die
Reise folgenden Jahre zeigen, also auch auf unserem Neustädter Altar.

In der Tat gibt es Anklänge mannigfachster Art.

Da ist vor allem das zu nennen, was im vorigen Abschnitt mit dem Willen
zur klassischen Formgebung zusammengebracht wurde: die Besinnung
auf die lebensgroße Figur, die — obwohl in die Handlung einbegriffen —
ganz vorn am Bildrand steht und deshalb eine Raumdarstellung unmöglich
macht. Wir haben so etwas schon in der Kunst des Rogier van der Weyden,
aber Cranach wird diese Einwirkungen nicht von dorther, sondern von
Quentin Massys erhalten haben. Sehr verwandt sind in dieser Hinsicht
besonders die Flügelbilder des 1509 von Massys beendeten Brüsseler
Annens Altars, den Cranach bestimmt in Arbeit gesehen hat. So betrachtet,
ist es kein Zufall, wenn die landschaftlichen Elemente gegenüber dem
Figürlichen so stark zurücktreten und wenn die auf ein schmales Hoch*
format zusammengedrängten Figurengruppen ihre Bewegungsfreiheit ver*
lieren.33) Auch Massys hat aufseinen Altarflügeln mit dieser Schwierigkeit
gerungen, zeigt sich aber Cranach im Bildaufbau überlegen.
Wiedermalerische Vortragglatter, weicher und damitauch unpersönlicher
wird, so ändert sich auch das Schönheitsideal, besonders das weibliche:
liebliche, mädchenhafte Gestalten, bisweilen zwar ohne tieferen Seelen*
ausdruck, aber doch unleugbar von lyrischem Stimmungsgehalt erfüllt, der
neu ist gegenüber dem aus der inneren Leidenschaft des Bildthemas und
aus Landschaftlichem entspringenden Stimmungsgehalt früher Gemälde.
Hierin wird ebenfalls ein Einfluß der Antwerpener Schule (Mabuse?) zu
suchen sein und über diese letzten Endes ein Einfluß lionardesker, also
ober*italienischer Kunst.

Auch sonst gibt es genug greifbare Übernahmen. Da ist die thematisch für
Mitteldeutschland auf Tafelbildern vor Cranach ungewöhnliche Darstel*

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